Reformpläne Die schwierige Suche nach der rettenden Formel für den Notfall

  • Die Notfallversorgung gilt als dringend reformbedürftig. Gesundheitsminister Lauterbach startet jetzt einen neuen Anlauf – nächste Woche will er Eckpunkte präsentieren. Ein Kernanliegen: die Vernetzung der Rufnummern 112 und 116 117. Durchs Kabinett sollte der Entwurf bis zum 24. April gehen. Sonst könnte es für die Reform in dieser Legislatur eng werden.


    Berlin. „Bei der Art, wie Deutschland derzeit Notfallversorgung vorhält, fehlt den Bürgerinnen und Bürgern ein richtiges Leitbild.“ Den Befund, den Dr. Stephan Hofmeister, Vize-Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), vor gut einem Jahr in der Ärzte Zeitung gestellt hat, teilen viele – auch die Ampel und ihr Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Im Koalitionsvertrag ist deshalb eine Notfallreform angekündigt.

    Was genau geplant ist, will Lauterbach am Dienstag (16. Januar) erörtern – dann will er „Eckpunkte der geplanten Notfallreform“ vorstellen. Als Ort für die Vorstellung der Pläne hat Lauterbach die Leitstelle des Bereitschaftsdienstes der KV Berlin gewählt.

    Vorschläge der Regierungskommission als Grundlage

    Die Eckpunkte sind taufrisch – sie liegen seit Donnerstagabend auf dem Tisch, wie der Leiter der zuständigen Abteilung im Bundesgesundheitsministerium, Michael Weller, bei einer Veranstaltung der Gesellschaft für Recht und Politik im Gesundheitswesen am Freitag berichtet hat. Für die Kabinettsbefassung wird der 24. April angepeilt.

    Dieses Datum gelte als entscheidend dafür, ob ein Gesetz bis 2025 in Kraft treten könne, sagte Weller. Die Reform des Rettungswesens werde zuddem getrennt behandelt. Dieser Teil sei zustimmungspflichtig im Bundesrat.

    Grundlage der Eckpunkte zur Notfallreform dürften Empfehlungen der Regierungskommission zur Krankenhausreform sein. Die 16-köpfige Runde hatte ihre Notfall-Vorschläge bereits im Februar 2023 vorgelegt:

    Hilfesuchende, die sich an den Rettungsdienst (112) oder den kassenärztlichen Notdienst (116 117) wenden, sollen sofort durch eine Integrierte Leitstelle (ILS) nach telefonischer oder telemedizinischer Ersteinschätzung der für sie am besten geeigneten Notfallstruktur zugewiesen werden.


    ILS sollen 24/7 einschließlich verbindlicher Terminvermittlung bei Haus- und Fachärzten so attraktiv sein, dass sie primäre Anlaufstelle in medizinischen Notfällen werden.

    Eine standardisierte, softwaregestützte und qualitätsgesicherte Ersteinschätzungsoll Über- und Unterversorgung verhindern helfen. Nur Hilfesuchende, die die komplexen Strukturen der Krankenhäuser benötigen, sollen dort auch behandelt werden.

    Die Kommission empfiehlt als Standorte für INZ zunächst Krankenhäuser der erweiterten und umfassenden Notfallversorgung, dies wären derzeit rund 420.

    An einem gemeinsam von KVen und dem jeweiligen Krankenhaus betriebenen Tresen soll entschieden werden, in welche Versorgungsebene der Patient gesteuert wird.

    Skepsis in den Reihen der Vertragsärzteschaft

    Die KBV hat auf die Vorschläge mit verhaltenem Applaus reagiert. Zwar gebe es einige brauchbare Ansätze in den Empfehlungen, aber vieles erscheine wenig realistisch, so KBV-Chef Dr. Andreas Gassen. „So sollen Notdienstpraxen der Kassenärztlichen Vereinigungen in den Integrierten Notfallzentren mit werktäglichen Öffnungszeiten von 14 bis 22 Uhr tätig sein. Wann sollen die Kolleginnen und Kollegen dann noch in ihren eigenen Praxen arbeiten?“


    Ein Vorstoß zur Neuregelung der Notfallstrukturen kommt auch aus den Reihen von CDU/CSU. In einem Antrag an den Bundestag schreibt die Unionsfraktion, die Notfallversorgung sei selbst zum Notfall geworden: Rettungsdienste und Notaufnahmen seien verstopft – Ärzte und Pflegekräfte kämen oft an die Grenzen ihrer Arbeits- und Belastungsfähigkeit.

    Union: Bewusstsein für Dringlichkeiten schärfen

    Die Ampel müsse daher rasch einen Umbau einleiten. Kurzfristig seien die Notrufnummer 112 und 116 117 des Bereitschaftsdienstes so zu vernetzen, dass Anrufer, die keine echten Notfälle seien, intern an den ärztlichen Bereitschaftsdienst weitervermittelt werden können, schlägt die Union vor. Nötig sei überdies eine Öffentlichkeitskampagne, mit der das „Bewusstsein für Dringlichkeiten“ im Notfall geschärft würden. Am kommenden Mittwoch (17. Januar) will sich der Gesundheitsausschuss mit dem Antrag beschäftigen.

    Einfach dürfte ein Konsens beim Notfall nicht werden. Bekanntlich wurde eine Notfallreform in der vergangenen Legislaturperiode wieder in die Schublade zurückgelegt – teils wegen Streitigkeiten zwischen Vertragsärzteschaft und Krankenhäusern über die Frage, wer in den INZ schlussendlich den Hut aufhat, teils am Widerstand der Länder bei der Reform des überlasteten Rettungswesens. (af/hom)


    Quelle: https://www.aerztezeitung.de/P…r-den-Notfall-446207.html

  • Ja, das ist unter den letzten Bundesregierungen mit Unionsbeteiligung richtig vorwärts gegangen. Wenn die CDU wieder ans Ruder kommt und man dann ja zwangsläufig auch außerhalb von Bayern die CSU an der Backe hat, könnte man ja Andi Scheuer das Gesundheitsministerium geben, der könnte ja schon mal ein paar Verträge für die Kampagne abschließen.

    They say God doesn't close one door without opening another.

    Please, God, open that door. :oncoming_fist_light_skin_tone:

  • Ja, das ist unter den letzten Bundesregierungen mit Unionsbeteiligung richtig vorwärts gegangen. Wenn die CDU wieder ans Ruder kommt und man dann ja zwangsläufig auch außerhalb von Bayern die CSU an der Backe hat, könnte man ja Andi Scheuer das Gesundheitsministerium geben, der könnte ja schon mal ein paar Verträge für die Kampagne abschließen.

    Hab gehört Eventim kennt sich damit aus.

    Do your job right – Treat people right – Give all out effort – Have an all in attitude.

    ~ Mark vonAppen

    Einmal editiert, zuletzt von Spirou ()

  • Und ganz zum Schluss kommt auch noch der Verivox wo man dann die Tarife vergleichen kann ;-)

    "Frauen, die geboren haben und Hebammen, die Geburten begleiten, sind diejenigen, die uns am meisten über Geburt zu sagen haben.
    Gleichzeitig sind sie aber auch diejenigen, die am wenigsten gehört werden."
    Oja Ploil, Soziologin (1991)
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    Union: Bewusstsein für Dringlichkeiten schärfen

    Die Ampel müsse daher rasch einen Umbau einleiten. Kurzfristig seien die Notrufnummer 112 und 116 117 des Bereitschaftsdienstes so zu vernetzen, dass Anrufer, die keine echten Notfälle seien, intern an den ärztlichen Bereitschaftsdienst weitervermittelt werden können, schlägt die Union vor. ............

    Revolutionär.:face_with_tears_of_joy:


    Dazu gehört dann aber auch die Pflicht des ÄND, sich den Patienten anzuschauen. Bisher wird alles, was nicht bei drei aufm Baum ist, wieder an den RD abgedrückt. "Kann ich nichts machen, der muss eh ins KH......"

  • Revolutionär.:face_with_tears_of_joy:


    Dazu gehört dann aber auch die Pflicht des ÄND, sich den Patienten anzuschauen. Bisher wird alles, was nicht bei drei aufm Baum ist, wieder an den RD abgedrückt. "Kann ich nichts machen, der muss eh ins KH......"

    Das ist, glaube ich, etwas, was am Bundesland liegt. Lösen ließe sich das, das der Transport nur mit Einweisung erfolgt. Dann muss er schon Mal hin.


    Für mich stellt sich eher die Frage, wie das hier funktionieren soll:

    "ILS sollen 24/7 einschließlich verbindlicher Terminvermittlung bei Haus- und Fachärzten so attraktiv sein, dass sie primäre Anlaufstelle in medizinischen Notfällen werden."

    Die Vermittlung funktioniert doch bei den Krankenkassen schon nicht. Wie soll dann die Leitstelle (oder der KV Dienst) am Telefon einen Termin bei einem Arzt vereinbaren (am besten sonntags Abends).

  • Für mich stellt sich eher die Frage, wie das hier funktionieren soll:

    "ILS sollen 24/7 einschließlich verbindlicher Terminvermittlung bei Haus- und Fachärzten so attraktiv sein, dass sie primäre Anlaufstelle in medizinischen Notfällen werden."

    Die Vermittlung funktioniert doch bei den Krankenkassen schon nicht. Wie soll dann die Leitstelle (oder der KV Dienst) am Telefon einen Termin bei einem Arzt vereinbaren (am besten sonntags Abends).

    Das ist auch ein Grund, warum ich froh bin, dass ich nicht mehr in der Leitstelle arbeite. Klar, die Funkbutzen müssen noch deutlich besser werden und sinnvolle Reformen (116117 in die 112) gibt es da sicher. Aber Terminvermittlung ist dann zu viel für eine Einrichtung der öffentlichen Gefahrenabwehr, wie ich finde.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Mich stört die Aussage der KBV wie denn tgl. 8 Std. besetzt werden können wenn doch die Praxen (werktgl.) offen sein sollen.


    In jeder KV gibt es "einfache" Verwaltungsmitarbeiter oder auch Juristen.

    Eine KV ist also auch ein Arbeitgeber.

    Das dieser Arbeitgeber auch Ärzte einstellen könnte scheint unvorstellbar zu sein.

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?

  • Das ist, glaube ich, etwas, was am Bundesland liegt. Lösen ließe sich das, das der Transport nur mit Einweisung erfolgt. Dann muss er schon Mal hin.

    Mein KV-Bezirk hat eine Nord-Süd-Ausdehnung von 75km. Da bleibt dem motiviertesten Dienstarzt häufig nichts anderes übrig, als an den Rettungsdienst abzuturfen.
    Und wenn aus dem Meldebild bzw. dem Telefonat mit dem Patienten eindeutig hervorgeht, dass eine klinische Vorstellung unumgänglich ist, sehe ich auch keinen Sinn darin, warum der Dienstarzt sich das unbedingt noch mal vor Ort anschauen muss.
    Was mich mehr aufregt: Das Dienste durch Ärzte besetzt werden, die fachlich dazu nicht qualifiziert sind. (aber das hatten wir neulich erst in einem anderen Thread... und ich rege mich schon wieder auf) Das trifft auf den berenteten Augenarzt genauso zu wie auf die Orthopädie-Weiterbildungsassistentin im zweiten Jahr.

  • Die Vermittlung funktioniert doch bei den Krankenkassen schon nicht. Wie soll dann die Leitstelle (oder der KV Dienst) am Telefon einen Termin bei einem Arzt vereinbaren (am besten sonntags Abends).

    Es reden doch alle im ganzen Land nur noch von Digitalisierung. Wer sagt denn, dass man Arzttermine nur telefonisch bei der MFA während der Praxisöffnungszeiten machen kann? Das ist doch jetzt schon total ineffizient. Wenn es dafür eine (über)regionale digitale Lösung gäbe, wäre das doch super! Technisch sollte das kein Problem sein…

  • Ich mache seit Jahren alle Arzttermine bei meiner Hausärztin online aus. Das dauert ein paar Sekunden und ich kann in Ruhe im Kalender gucken wann es mir am besten passt. Praktischerweise kann ich mittlerweile auch alles was keine körperliche Untersuchtung oder Blutentnahme etc. vorraussetzt auch gleich online per Videosprechstunde machen. Ich finde das super und es hat mir sicherlich in den letzten Jahren viele Stunden im Wartezimmer erspart.

  • Es reden doch alle im ganzen Land nur noch von Digitalisierung. Wer sagt denn, dass man Arzttermine nur telefonisch bei der MFA während der Praxisöffnungszeiten machen kann? Das ist doch jetzt schon total ineffizient. Wenn es dafür eine (über)regionale digitale Lösung gäbe, wäre das doch super! Technisch sollte das kein Problem sein…

    Das ist mir schon klar. Bin mir nur nicht sicher, ob Ärzte sich von Dritten Patienten, die sie nicht kennen, zur Erstvorstellung einplanen lassen wollen. Gerade bei den Hausärzten dürfte es sich ja um ein aktutes Problem handeln (sonst ruft man nicht an) und kein Hausarzt vorhanden sein (sonst könnte man zu dem gehen). In unserer Gegend nehmen aber so gut wie keine Ärzte neue Patienten an (gilt für Kinderärzte, wie für Hausärzte und Gynäkologen).

  • Es gibt ja jetzt schon die Termin Service stellen der Krankenkassen, wenn bei dringenden Überweisung kein Facharzt Termin gefunden wird.

    Diese könnten in ihrer Befugnis ausgeweitet werden.

    Was es braucht, ist, das die Leitstelle bzw. das Krankenhaus nach ambulanter Versorgung ein Ticket für eröffnen kann. Dazu bräuchte es eine digitale Infrastruktur.

  • Wer sagt denn, dass man Arzttermine nur telefonisch bei der MFA während der Praxisöffnungszeiten machen kann? Das ist doch jetzt schon total ineffizient.

    In England kann das m. W. durch die Leitstelle erfolgen. Ist ja nicht alles schlecht beim NHS.


  • Ich verstehe den Ansatz, aber das ist so leider nicht richtig. Eine Einweisung kann sehr wohl telefonisch erfolgen. Und der Bereitschaftsarzt kann auch entscheiden, dass er einen Patienten an den Hausarzt verweist oder es schlicht als nicht dringend einstuft und auf seinen Hausarzt verweist. Solange der RD sich dieses Recht nicht nimmt, kann der Patient dann immer noch den Rettungsdienst rufen und zu dessen "Problem" werden.


    Zum Zweiten: dafür bräuchte es schlicht eine vereinheitlichte Online-Terminvereinbarung. Dann ist es am Ende egal, wer da reinschaut, dass man das über eine zentrale medizinische Hotline macht, wie zum Beispiel der 116117 erscheint mir sehr sinnvoll. Solange aber jede Praxis entweder abtelefoniert werden muss oder eine individuelle Online-Lösung vorhält, ist das ein kaum zu erbringender Aufwand. Für den Patienten aber auch, wenn er einfach nur einen "XY-Facharzt" sucht und nicht individuell bei einem spezifischen einen Termin will. Die Doctolib-App ist ein Ansatz in diese Richtung. Und man kann auch in digitalen Lösungen hinterlegen, dass man keine neuen Patienten aufnimmt. Die Aufhebung bzw. Lockerung der Organisations- und Vergütungsmodelle, die zu diesem Problem geführt haben, wäre ein tatsächlich hilfreicher, politischer Schritt.

    Land zwischen den Meeren,
    vor dem sich sogar die Bäume verneigen,
    du bist der wahre Grund,
    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!

  • Für mich stellt sich eher die Frage, wie das hier funktionieren soll:

    "ILS sollen 24/7 einschließlich verbindlicher Terminvermittlung bei Haus- und Fachärzten so attraktiv sein, dass sie primäre Anlaufstelle in medizinischen Notfällen werden."

    Die ILS sollen die Aufgabe der Terminservicestellen übernehmen, die bis jetzt auch die 116117 hat; sonst kann man die ja nicht abschaffen.


    https://www.116117-termine.de/

    https://www.kbv.de/html/terminvermittlung.php