Wenn die Feuerwehr kommt, weil das Kind nicht schlafen kann

  • Wozu benötigt ein/eine Krankenpfleger/Krankenschwester das ganze Fachwissen, was ihm/ihr während der Ausbildung vermittelt wird, wenn dieser/diese, z.B. auf einer Pflegestation, den größten Teil seiner Tätigkeit damit beschäftigt ist, Patienten das Essen zu bringen, Tee zu kochen, Betten zu beziehen, Ausscheidungen zu beseitigen und beim Waschen zu helfen. Diese Frage habe ich mir zu Beginn meines dritten Ausbildungsjahres tatsächlich mal gestellt, warum ich so mit Wissen vollgestopft werde, obwohl ich dieses Wissen bei 99% meiner Tätigkeit in der Pflege gar nicht benötige (gerade auch weil fachpflegerische Tätigkeiten immer mehr auf die ärztliche Seite abgewälzt wurde). Daher sehe ich eine Reduzierung von Qualifikationsanforderungen von Leitstellenpersonal sehr skeptisch, gerade wo wir es doch gerade erst geschafft haben ein Berufsbild, unseres, weiter zu entwickeln. Daher sollte eher das Ziel verfolgt werden, wie man diese Aufgabe, die des Leitstellendisponenten, weiter entwickeln kann. Keine Frage, denn hier gibt es noch einiges zu tun. Aber eine gewollte Reduzierung sollte nicht das Ziel sein! Nicht nur aus fachlicher Sicht, sondern auch aus berufspolitischer Sicht. Leitstellendisponenten, die in einem Angestelltenverhältnis arbeiten, werden in der Regel jetzt schon um einiges schlechter bezahlt (oft nur TVöD E6) und behandelt (z.B. Renteneintrittsalter) wie ihre verbeamteten Kollegen, die das Gleiche tun wie ihre Kollegen im Angestelltenverhältnis. Auch aus fachlicher Sicht finde ich die genannten Argumente nicht unwichtig, dass z.B. das medizinische Fachwissen und ein gewisser Grad an Erfahrung für eine Beurteilung eines Hilfeersuchens nicht unwichtig sind.


    Gruß

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

    Einmal editiert, zuletzt von Harris NRÜ () aus folgendem Grund: w/m *grummel*

  • Jörg war schneller! Und kürzer in seiner Wortwahl... :kaffee:

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Und bei uns sind es call taker ohne klinische Ausbildung, mit ein paar Wochen System training.... Dem entsprechender Mist wird disponiert....

  • Jörg war schneller! Und kürzer in seiner Wortwahl... :kaffee:


    Schneller. Aber nicht schöner. :biggrin_1:


    Ich habe in Ausbildung und Studium noch viel mehr unnütze Dinge gelernt.
    Aber ich kann Zusammenhänge erkennen, Schlussfolgerungen ziehen und viele andere nützliche Dinge die mir sonst nicht möglich wären.
    Sicher geht das auch ohne Ausbildung jeglicher Art - macht aber den Job nicht einfacher und für andere Beteiligte steigt die Qualität nicht unbedingt.

    The reason I talk to myself is because I’m the only one whose answers I accept. George Carlin

  • Wenn gut ausgebildete und erfahrende Kollegen, die im Leitstellendienst eingesetzt werden sollen und dafür geeignet sind, nicht immer die beste Lösung sind, welche personenbezogene Lösung wäre denn die bessere?


    wer sagt das das immer so ist? Es ist oftmals so das die Leitstelle der Altersruhesitz ist. Da kommen nicht die gut ausgebildeten und motiviertesten hin sondern die die nicht mehr auf dem Auto fahren können. Da hast du Disponenten die in den letzten 10Jahren keinen RTW mehr von innen gesehen haben.


    Die beste Lösung m.E. wird im Nachbarkreis gefahren. Die meisten Disponenten haben eine 50/50 Stelle. die fahren einen Monat RTW/KTW und sitzen dann einen Monat in der Leitstelle

  • Ich finde das mit dem "Altersruhesitz" eigentlich ein wenig zu pauschalisierend.
    Die allermeisten Leitstellen die ich kenne sind da definitiv anders.
    Ja, es gibt auch emeritierte Rettungsassistenten die dort auf den Sensenmann warten, aber das ist auf keinen Fall die Regel. Oder ist das ein niedersächsisches Phänomen?

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  • Ich finde das mit dem "Altersruhesitz" eigentlich ein wenig zu pauschalisierend.
    Die allermeisten Leitstellen die ich kenne sind da definitiv anders.
    Ja, es gibt auch emeritierte Rettungsassistenten die dort auf den Sensenmann warten, aber das ist auf keinen Fall die Regel. Oder ist das ein niedersächsisches Phänomen?


    Als das DRK noch eine eigene Leitstelle hatte, war es der Vorruhestand Arbeitsplatz oder der für fast arbeitsunfähige. Als der Kreis übernahm, zog es auch jüngere dort hin. Alles ändert sich.

  • Als das DRK noch eine eigene Leitstelle hatte, war es der Vorruhestand Arbeitsplatz oder der für fast arbeitsunfähige. Als der Kreis übernahm, zog es auch jüngere dort hin. Alles ändert sich.


    Verstehe. Ich glaube diese DRK Leitstellen gibt/gab es in Niedersachsen auch gar nicht. Wüsste zumindest keine. (aber das muss ja nix heißen :-D )

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  • Ich finde, bei der Leitstelle ist primär nicht die Qualifikation als solches entscheident, sondern die Erfahrung. Bei uns im Landkreis wurden bis vor kurzem nur Leute aus dem eigenen Rettungsdienst rekrutiert. Da die Disponenten sowohl den Rettungsdienst, als auch die Feuerwehr (KatS, etc sowieso) betreuen, mussten sie auch Mitglieder einer örtlichen Feuerwehr sein.
    Die Leute kennen sich in der Gegend aus, sind selbst auf den Rettungs - und Feuerfahrzeugen unterwegs (gewesen) und sind erfahren. Ganz ehrlich: Ein Rettungshelfer oder Rettungssanitäter, der aber 5-6 Jahre dauerthaft im Rettungsdienst tätig war, kann auf der Leitstelle genau so gut entscheiden, was für eine Indikation vorliegt, als ein Rettungsassistent oder Arzt mit gleicher Berufserfahrung. Es geht hier schließlich nicht um eine vollständige Diagnose, keine Therapie und keine Nachsorge, sondern um eine rein taktische Beurteilung.


    Ich kenne einen Kollegen, der mit Mitte 30 in die Leitstelle gewechselt ist. Vorher war er ebenfalls hauptamtlich seit 12 Jahren im Rettungsdienst und Mitglied in einer Stützpunktfeuerwehr mit 1-2 Einsätzen pro Woche. Auf beiden eben also sehr erfahren. Das viel über die Leitstelle gemotzt wird, kennen wir alle und natürlich war er motiviert, das besser zu machen. Er musste aber 1. schnell festellen, dass viele seiner Änderungsbestrebungen seitens seiner Vorgesetzen gar nicht erwünscht waren und 2. er oftmals gar keine Zeit hatte, sich lange Gedanken über die beste Disponierung zu machen, weil es verdammt viel drum herum zu tun gab, was wir auf den Autos gar nicht mitkriegen.


    Bei den Führungskräften war die Einstellung: Geändert wird erst etwas, wenn die Zahlen nicht mehr stimmen. Bei uns MUSSTEN alle KTWs sofort disponiert weden, völlig egal, wieviele Autos zur Verfügung standen (MZF System). Wider besseren Wissens haben die Disponenten also auch ihren letzten Wagen zu einer Einweisung geschickt. Am Ende war es dann so, dass der Regelrettungsdienst Krankentaxe war und die SEG die Rettung fuhr. Nur wurden irgendwann weniger als 95% der Hilfsfristen eingehalten. Und auf einmal wurden Regeln auferlegt, wieviele RTWs an den Wachen bleiben müssen und die KTWs eben warten.


    Jeder Disponent bei uns hätte das vorher schon selbstständig gemacht. Diese Art des Denkens war aber nicht gewollt. Der Frustfakor war dadurch sehr hoch. Mit der Kreisverwaltung direkt auf der anderen Seite der Stahltür gilt die Philosophie des Reglementierens. Wenn es für etwas keine Regel gibt, wird nicht selbstständig eine Lösung gefunden, sondern man rennt wie die Lemminge die Klippe runter.

    “When I was a boy and I would see scary things in the news, my mother would say to me, "Look for the helpers. You will always find people who are helping.”


    • Fred Rogers

  • Warum muss eine Stationsleitung im Krankenhaus eigentlich Krankenpfleger sein? :popcorn:


    Muss sie nicht. Ich kenne eine Station, da ist die Leitung eine Krankenpflegehelferin.
    Das Problem ist, dass bei Personalmangel oder entsprechend kleinen Stationen die Leitung auch mitarbeiten muss. In der Leitstelle ist das nicht so.

  • [align=justify]Wozu benötigt ein/eine Krankenpfleger/Krankenschwester das ganze Fachwissen, was ihm/ihr während der Ausbildung vermittelt wird, wenn dieser/diese, z.B. auf einer Pflegestation, den größten Teil seiner Tätigkeit damit beschäftigt ist, Patienten das Essen zu bringen, Tee zu kochen, Betten zu beziehen, Ausscheidungen zu beseitigen und beim Waschen zu helfen. Diese Frage habe ich mir zu Beginn meines dritten Ausbildungsjahres tatsächlich mal gestellt, warum ich so mit Wissen vollgestopft werde, obwohl ich dieses Wissen bei 99% meiner Tätigkeit in der Pflege gar nicht benötige


    Ich müsste mal überlegen, aber in meiner Ausbildung gab es bisher nur sehr wenig, was mir nicht später tatsächlich mal untergekommen ist. Und wenn es nur darum ging, einen Zusammenhang, zum Beispiel in der postoperativen Pflege nachvollziehen zu können und mein Handeln entsprechend zu planen. Wer natürlich einfach nur Algorhythmen abarbeitet, sich auf SOPs, Leitlinien und "haben wir schon immer so gemacht" beruft, braucht streng genommen keine Ausbildung. Dem reicht in der Tat ein Ordner mit den Regeln für genau seine Station. Und etwas Glück, dass nix Unvorhergesehenes passiert. Das ist jetzt in keinster Weise auf Dich gemünzt. Bitte nicht falsch verstehen. Wer seinen Job einfach nur nachmacht, wie andere ihn vormachen, wird nie die Hintergründe brauchen, die in einer Ausbildung vermittelt werden. Wer seinen Job aber selbst aktiv gestalten und vielleicht sogar verändern will, brauch ganz dringend deutlich mehr Wissen. Wissen, was in den Ausbildungen vermittelt wird - auch wenn es anfangs unnötig erscheint.

    Zitat

    (gerade auch weil fachpflegerische Tätigkeiten immer mehr auf die ärztliche Seite abgewälzt wurde).


    Das wär mir neu, dass Ärzte immer mehr pflegerische Aufgaben übernehmen. ich kenn das eher anders rum.


    Letztendlich hat das aber alles nix mit meiner Ausgangsthese zu tun.

    Zitat

    Daher sehe ich eine Reduzierung von Qualifikationsanforderungen von Leitstellenpersonal sehr skeptisch, gerade wo wir es doch gerade erst geschafft haben ein Berufsbild, unseres, weiter zu entwickeln. Daher sollte eher das Ziel verfolgt werden, wie man diese Aufgabe, die des Leitstellendisponenten, weiter entwickeln kann. Keine Frage, denn hier gibt es noch einiges zu tun. Aber eine gewollte Reduzierung sollte nicht das Ziel sein! Nicht nur aus fachlicher Sicht, sondern auch aus berufspolitischer Sicht.


    So ein Verhalten ist natürlich dann immer angreifbar, wenn man etwas aus der Sache selbst heraus argumentiert.


    Die Ausbildungsziele des Notfallsanitäters zum Beispiel decken sich in meinen Augen nur zu einem sehr geringen Teil mit den Aufgaben eines Leitstellenmitarbeiters. Da kommt man dann mit der berufspolitischen Argumentation "Ich will aber " nicht weiter...


    Gruß, Christian

    Einmal editiert, zuletzt von Mr. Blaulicht ()