Feuerwehr - Helden ohne Plan


  • Hinter diesem Problem muss aber eigentlich eine direkte Konsequenz stecken.

    Es ist eben die Frage ob man das zum Problem erklärt oder einen geringeren Schutz für die (wenige) Bevölkerung akzeptiert. Also quasi genauso wie im medizinischen Bereich, wo der Weg für den nächsten RTW, das nächste NEF und zum nächsten Schockraum, Herzkatheterlabor oder auch Hausarzt länger ist als in der Stadt. Wir reden ja über Gemeinden, denen das Geld fehlt um Schulen zu renovieren und einen Kindergarten zu finanzieren. In meiner Prioritätenliste (als Bürger) kämen Berufsfeuerwehrleute da ehrlich gesagt relativ weit hinten auf der Wunschliste...

  • Wir reden ja über Gemeinden, denen das Geld fehlt um Schulen zu renovieren und einen Kindergarten zu finanzieren. In meiner Prioritätenliste (als Bürger) kämen Berufsfeuerwehrleute da ehrlich gesagt relativ weit hinten auf der Wunschliste...

    Ich möchte freundlich daran erinnern, dass wir in einem der reichsten Länder der Welt leben. Deutschland hat bei weitem das größte Bruttoinlandprodukt in Europa, und ist auf Platz 4 oder 5 der Welt. Übrigens hat Deutschland auch die zweitgrößten Goldreserven der Welt (nach USA), noch vor Russland, China, Italien, Frankreich und der IWF.


    Ich schreibe das nur, weil ich glaube das man ein bisschen im Verhältnis sehen muss, was gemeint ist, wenn eine Kommune oder eine Regierungsbehörde von "kein Geld" spricht.

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • "Für Einsatzpersonal rechnet die BF Frankfurt mit einem Betrag von 794,50 Euro pro Position (5fach-besetzt / Tag (mittlerer Dienst)." (http://feuerwehr-bss.de/cms/in…iner-berufsfeuerwehr.html)


    Selbst wenn man nur eine Staffel vorhält, sind das 1,6 Mio. Euro im Jahr. Ja, ich glaube das Geld kann man sinnvoller anlegen.


    Ich begrüße es ja sehr, wenn es Ideen gibt die Tagesalarmstärke zu erhöhen, z.B. mit kommunalen Mitarbeitern oder durch Entlastung von bestimmten Einsätzen. Aber ich glaube (persönliche Meinung!), dass es wenig zielführend ist, gigantische Summen für die Erfüllung eines für urbane Gebiete gedachten Schutzzieles auszugeben.

  • Warum glaubst du das denn? Im Rettungsdienst gelten doch auch überall identische Hilfsfristen?

    The reason I talk to myself is because I’m the only one whose answers I accept. George Carlin

  • Warum glaubst du das denn? Im Rettungsdienst gelten doch auch überall identische Hilfsfristen?

    Super, und wie lange wartet man auf den 2. RTW, das 3. NEF, die Polizei oder den MANV-Zug? Wie lange fährt man zum Schockraum? Wir akzeptieren in vielen Bereichen ein unterschiedliches Versorgungsniveau, sei es im Sicherheits, im kulturellen, im medizinischen oder im Bildungsbereich.


    Das Risiko ist als Eintrittswahrscheinlichkeit mal Schadenshöhe definiert, daher macht es ja auch irgendwie Sinn, dort, wo die Eintrittswahrscheinlichkeit (also auch das Risiko) höher ist, mehr Ressourcen vorzuhalten. Da zumindest mir nicht bekannt wäre, dass es irgendwo auf dem platten Land Feuerwachen gibt, scheint das übrigens auch die deutsche Kommunalpolitik und die sie wählende Bevölkerung so zu sehen.

  • Jedoch reden wir hier ja nicht von 2-3 Minuten. Wenn kleinere Wehren aufgrund der Kostenpolitik wegfallen, dann reden wir hier von 5/10/15 min Verlängerung der Eintreffzeit. Wie Volkswirtschaftlich ist es denn, wenn ein Feuer, 1 Million € mehr Schaden anrichtet, als wenn eine Staffel 5 Minuten ehr da ist.
    Es ist doch ein Armutszeugnis, wenn man nicht mehr dafür arbeitet, das Schutzziel zu halten und stattdessen einfach Zeiten nach oben Schraubt.


    PS: Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass Wähler für Kürzungen im Bereich Feuerwehr/Rettungsdienst sind.

  • Die Hilfsfrist FW (bezogen auf Kommune) ist mit der Hilfsfrist RD (bezogen auf RD-Bereich) doch überhaupt nicht vergleichbar. Wenn man etwas sucht, würde man bestimmt einige Kommunen finden, wo die Hilfsfrist vom RD nur in <50% der Fälle, wenn nicht sogar <10%, erfüllt wird.


    Die Kommune setzt sich ihr Schutzziel für die FW in gewissem Umfang selbst (abhängig vom Brandschutz- bzw. Feuerwehrgesetz des jeweiligen Landes), der gewünschte Erreichungsgrad liegt oft bei 80%. Dieser wird i.d.R. durch die Faktoren (geeignetes) Personal und Eintreffzeit bestimmt.
    Wieviel und welches Personal man mit welchem Gerät in welcher Zeit benötigt wird zuvor anhand von typischen/zu erwartenden Einsatzszenarien festgelegt. Hier kommt auch für das Szenario "kritischer Wohnungsbrand" die AGBF-Empfehlung (Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren) und die ORBIT-Studie ins Spiel. Letztendlich wird jedoch der erforderliche Einsatzwert der Einheiten definiert.


    Der Einsatzwert ist meiner Meinung nach zukünftig eine der wichtigen Stellschrauben: mit wenigen Leuten viel erreichen können (sei es durch Löschmittelzusätze, Löschverfahren wie Cobra Cold Cut oder andere technische Gerätschaften).


    Zum Thema ORBIT/TIBRO-Studie sehe ich uns vor einem gesellschaftlichen Problem: Wen wollen wir retten? Die Person im Brandraum? Die Person im Nebenraum? Oder erst die Personen in anderen Nutzungseinheiten?
    Wer ist der akzeptierte "statistische Verlierer", wenn der erste Flucht- und Rettungsweg versperrt oder von der Person nicht nutzbar ist?

  • Der erste Ansatz sollte sein, dass wir alle Retten. Auch mit technischen Erneuerungen wird das kritische Feuer immer einen höheren Personalaufwand haben, als der RD Einsatz.
    Gesellschaftlich sehe ich gar nicht so große Probleme, da wir heute schon sehr genau schauen, wo zuerst eine Rettung stattfindet.
    All dieses nützt aber der Debatte rein gar nix, da wir im überwiegenden Teil DE Freiwillige Strukturen haben und wir uns einem Wandel stellen müssen. Die Personalressourcen sind ein viel größeres Problem als alles andere. Es bedarf Konzepte Feuerwehren Schlagkräftig zu halten und das auch in kleineren Gemeinden. Es bedarg eine viel größere Zusammenarbeit zwischen den Kommunen.


    Man soööte auch bedenken, wenn es Brennt, dann Brennt
    Es geht nicht nur um Menschenleben, sondern auch um die Schadensausbreitung.
    Außerdem sind gerade in kleineren Bereichen die Feuerwehr die einzigen, die den KatS einigermaßen sicher stellen.

  • PS: Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass Wähler für Kürzungen im Bereich Feuerwehr/Rettungsdienst sind.


    Klar, die sind auch gegen Schulschließungen, Rente mit 67 und den Euro. Aber wenn du die Wähler frägst, wenn Sie die Wahl hätten z.B. 5€/50€/250€/500€ im Monat mehr an Steuern zu bezahlen oder eben doch Kürzungen hinzunehmen, was glaubst du wie es dann aussieht?

  • "Alle" ist praktisch nicht machbar - weder im RD noch in der FW.


    Planen wir doch den kritischen Wohnungsbrand durch:
    Flashover nach 5-15 min (nach den meisten Literaturangaben, die Spannweite geht jedoch von <1 min bis >30 min), ein Überleben ist dann nur noch kurzzeitig möglich.
    Dem gegenüber stehen:
    - X min Entdeckungszeit (hier versucht man durch BMA und Rauchwarnmelder die Zeit immer kürzer zu halten) - rechnen wir mal mit idealen 0,5 min
    - 1-2 min Alarmierungs- und Dispositionszeit
    - 2-4 min Anfahrt zum Gerätehaus bei Freiwilligen Feuerwehren (1 min für BF)
    - 1 min Rüstzeit
    - Y min Fahrtzeit
    - 10-15 min Rettungszeit (bei Brand in einem OG)
    Macht in Summe:
    BF (kürzerste Werte): 13,5 min + Entdeckungszeit + Fahrtzeit
    FF (kürzerste Werte): 14,5 min + Entdeckungszeit + Fahrzeit


    Fazit: Die Feuerwehr rettet (fast) niemanden in weniger als 20 min aus dem Brandraum.


    Wollen wir mehr Menschen retten ist insbesondere der Vorbeugende Brandschutz gefragt: Brandentstehung und - ausbreitung verhindern, Flucht- und Rettungmöglichkeiten schaffen.



    Interkommunale Zusammenarbeit wird zukünftig immer wichtiger, dabei gilt es jedoch auch die Einsatzbelastung der Tagesalarmkräfte gering zu halten. Dies kann z.B. durch Erledigung von nicht-zeitkritischen Einsätzen durch den Bauhof oder externe Firmen, die Übertragung von Aufgaben wie der initialen Verkehrsabsicherung an die Polizei geschehen und nicht zuletzt schlicht durch die Ablehnung von Einsätzen, die keine Pflichtaufgabe sind.


    Um auf das Argument Schadensausbreitung verhindern zu kommen: Ja, ist eine wichtige Aufgabe. Hier kann ich mir aber auch gut vorstellen, dass zukünftig nicht jede Dorffeuerwehr jedes Feuer alleine löschen können muss, sondern nur die Ausbreitung verhindert, bis weiter entfernte Verstärkung zum Ablöschen eintrifft.

  • Hier kann ich mir aber auch gut vorstellen, dass zukünftig nicht jede Dorffeuerwehr jedes Feuer alleine löschen können muss, sondern nur die Ausbreitung verhindert, bis weiter entfernte Verstärkung zum Ablöschen eintrifft.


    Wer sagt denn, dass jede Dorffeuerwehr heute jedes Feuer alleine löschen kann?
    Die klassische Dorffeuerwehr hat ein TSF oder vergleichbar mit einer Staffelbesatzung. Damit löscht du vielleicht einen brennenden Mülleimer alleine...

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  • Jedoch reden wir hier ja nicht von 2-3 Minuten. Wenn kleinere Wehren aufgrund der Kostenpolitik wegfallen, dann reden wir hier von 5/10/15 min Verlängerung der Eintreffzeit. Wie Volkswirtschaftlich ist es denn, wenn ein Feuer, 1 Million € mehr Schaden anrichtet, als wenn eine Staffel 5 Minuten ehr da ist.
    Es ist doch ein Armutszeugnis, wenn man nicht mehr dafür arbeitet, das Schutzziel zu halten und stattdessen einfach Zeiten nach oben Schraubt.


    PS: Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass Wähler für Kürzungen im Bereich Feuerwehr/Rettungsdienst sind.

    Darum geht es doch auch nicht! Es sagt doch niemand, dass man Ortswehren, die alle 20 Jahre mal ein neues Fahrzeug bekommen und rund um die Uhr ne Staffel stellen können, zumachen sollte. Es geht darum, dass die Ortswehr (und die fünf drumrum) es nicht schaffen in der Zeit das Personal zusammen bekommen, das das AGBF-Schutzziel verlangt. Und da kann man sich halt überlegen ob man Berufskräfte einstellt, oder eben akzeptiert, dass auf dem Land eben weniger Kräfte kommen und/oder die länger brauchen.

  • Es geht darum, dass die Ortswehr (und die fünf drumrum) es nicht schaffen in der Zeit das Personal zusammen bekommen, das das AGBF-Schutzziel verlangt. Und da kann man sich halt überlegen ob man Berufskräfte einstellt, oder eben akzeptiert, dass auf dem Land eben weniger Kräfte kommen und/oder die länger brauchen.

    Um mal den Bogen zum Thema zurück zu spannen:


    Oder man prüft, ob die AGBF Schutzziele überhaupt sinnvoll sind in der aktuellen Form.

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  • Um mal den Bogen zum Thema zurück zu spannen:


    Oder man prüft, ob die AGBF Schutzziele überhaupt sinnvoll sind in der aktuellen Form.


    Sind sie nicht. Denn wenn man ehrlichist, dann ist auch bei erreichen der E-Stelle nach 8 Minuten noch lange keine Menschenrettung am laufen.
    Würde man dort endlich mal ehrlich Forschen, dann würde man vermutlich blöd gucken, obwohl es jeder gewusst hat.


  • Sind sie nicht. Denn wenn man ehrlichist, dann ist auch bei erreichen der E-Stelle nach 8 Minuten noch lange keine Menschenrettung am laufen.
    Würde man dort endlich mal ehrlich Forschen, dann würde man vermutlich blöd gucken, obwohl es jeder gewusst hat.

    Diesbezüglich forscht man doch. Die Rettungszeit von 10-15 min in meinem obrigen Post ist nicht aus der Luft gegriffen, sondern das Zwischenergebnis einer größeren Versuchsreihe der BF Frankfurt.


    Zitat von GuyFawkes


    Wer sagt denn, dass jede Dorffeuerwehr heute jedes Feuer alleine löschen kann?

    Das gilt natürlich nicht für jede - es gibt jedoch leider noch Feuerwehren, die sogar intrakommunale (sic!) Zusammenarbeit ablehnen, weil der eigene Fuhrpark dann ja kleiner werden könnte.

  • Damit löscht du vielleicht einen brennenden Mülleimer alleine...


    Deswegen werden ab Alarmstufe "brennende Hecke" auch mindestens 3 Feuerwehren alarmiert. :-D


    Gefahrenabwehr auf dem Land:


    Jeder kleine Ort hat ein TSF, weil es brennen könnte.


    Fast kein kleiner Ort hat First-Responder, weil jemand reanimationspflichtig werden könnte.


    Und noch schlimmer:
    Wenn du Nachts die Polizei brauchst, weil ein bewaffneter Einbrecher in deiner Wohnung steht wird es auf dem Land schon echt knapp... zeitlich und personell...


    --> Sicherheit kostet Geld.
    Die Frage ist, welche Summe Geld man hierfür investieren möchte.
    Und wie man diese Summe dann möglichst effektiv investiert.


    Was ich mir wünschen würde, wäre eine zumindest landeseinheitliche Feuerwehr mit ehrenamtlichem Personal.
    (ähnlich THW)
    Das würde helfen Doppelstrukturen zu vermeiden.

  • Was ich mir wünschen würde, wäre eine zumindest landeseinheitliche Feuerwehr mit ehrenamtlichem Personal.
    (ähnlich THW)
    Das würde helfen Doppelstrukturen zu vermeiden.


    Wie darf ich mir das vorstellen?

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  • Die Beschaffung und die Bedarfsplanung würde durch Fachleute zentral erfolgen.


    Ich kann nur von Süddeutschland reden und dort folgt die Beschaffung folgendermaßen:


    Freiwillige Feuerwehr (oftmals Personen mit sehr wenig Einsatzerfahrung) spricht mit Bürgermeister, dass man ein neues Auto braucht.
    Dann wird im Gemeinderat (lauter Laien) hierüber entschieden und am Ende werden 300.000 Euro für das Feuerwehrauto ausgegeben, das so oder so ähnlich im 5 km entfernten Nachbarort steht.
    Das hat dann zur Folge, dass man in einem kleinen Gebiet 4 HLF 20 hat, aber Sonderfahrzeuge wie ein Rüstwagen fehlen.


    Man könnte dann halt zentral auf Landesebene planen, wo welche Einheiten stationiert werden.