Ein erfrischend nüchterner Artikel zur Situation des Rettungsdienstes

  • In dieser direkten Form sicher ungewöhnlich berichtet ein Artikel der Süddeutschen Zeitung über das "Blaulichtgespräch" des Landtagsabgeordneten Florian Herrmann (CSU) mit Vertretern von BRK, Malteser, Johanniter und dem Medizinischen Katastrophenhilfswerk.


    Ungewöhnlich deshalb, weil Punkte, die bislang gerne verharmlosend oder teils völlig konträr dargestellt werden, in dieser Runde deutlich angesprochen wurden:

    • "70 Prozent unserer Lehrlinge hören schon nach kurzer Zeit wieder auf", schilderte Schmitt die Situation bei den hauptamtlichen Helfern, "weil der Druck zu groß ist und weil die Leute zu wenig verdienen".
    • Ein Problem sind auch die Krankentransporte. Weil es an Personal und Fahrzeugen mangelt, müssen diese Aufgaben vielfach Rettungsfahrzeuge übernehmen, die dann bei Ernstfällen fehlen. Ohne den "grauen Markt", so Schmitt, die sogenannten "Liegendtaxi-Unternehmer", ginge es gar nicht mehr.
    • Wie Schmitt berichtete, wird die Zusammenarbeit aller Hilfsorganisationen ständig geübt, um auch bei Anschlägen mit Hunderten von Verletzten gerüstet zu sein. Das klappe jedoch noch nicht so gut, sagte er, in Frankreich oder Spanien sei man da schon weiter.

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • In meinem KV hat inzwischen eine zweistellige Anzahl von NFS-Azubis die Ausbildung abgebrochen - entweder weil sie ihren Wunschstudienplatz erhielten, einen heimatnäheren Ausbildungsplatz fanden oder mit den schulischen Anforderungen nicht zurecht kamen.

  • Es gibt Momente, da ist es wirklich sehr schwer die Contenance zu wahren. Der Moment direkt nach dem Lesen dieses Artikels ist so einer.
    Immerhin gesteht man ein, dass man drei Jahre lang versäumt hat, NotSan auszubilden. Hier könnte man fast einen Hauch von Selbstkritik vermuten, wenn nicht gleich ein anderer Hauptschuldiger ausgemacht worden wäre: die Patienten.
    Hauch verflogen und nichts mehr mit "im Namen der Menschlichkeit".


    Die Fehler bei sich selbst zu suchen, darauf kommen die im Artikel genannten Protagonisten nicht.
    Aber wer ist denn eigentlich verantwortlich für Lohnverhandlungen auf Unternehmensseite? Wer gestaltet die Rahmenbedingungen so, dass 70 Prozent der Lehrlinge gehen? Wer schafft Anreize und Möglichkeiten, um Ehrenamtliche zu gewinnen oder eben nicht?
    Alle aktuellen Herausforderungen werden seit mehr als 15 Jahren immer wieder diskutiert. Jedem aufmerksamen Beobachter war es vollkommen bewusst in welche Richtung die jeweiligen Rettungsdienstsysteme steuern. All die genannten Punkte kann man heute noch hier im Forum und in anderen Medien nachlesen, grossteils sogar mit interessanten Lösungsansätzen. Aber egal.
    Zum Schluss durfte selbstverständlich der „wir stehen ständig mit einem Bein im Gefängnis“-Klassiker nicht fehlen. Kommt fast ein wenig Nostalgie auf.
    Und so bleibt am Ende mal wieder nur bay'rische Rettungsdienstdreisatz als Quintessenz:
    - "Das haben wir schon immer so gemacht."
    - "Da könnte ja jeder kommen."
    - "Stillstand ist Fortschritt genug."
    Der Letzte macht das Licht aus.



    P.S. Ursprünglich leicht verändert auf FB gepostet.

    Views and opinions are my own.


    “The electric light did not come from the continuous improvement of candles.” - Oren Harari

  • Ich denke es ist ein großer Fehler davon auszugehen (wie man es immer wieder in diversen Artikeln zum Thema lesen kann), dass die Lücken in den Rettungsdiensten zeitnah mit den neu ausgebildeten Notfallsanitätern geschlossen werden können. Es mag zwar gerade aufgrund des bislang relativ großen medialen Interesses am "neuen" Berufsbild und den aktuell verstärkten Bemühungen vieler Rettungsdienste um Auszubildende so sein, dass es zahlreiche Bewerberinnen und Bewerber auf die zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze gibt, der weitaus schwierigere Teil dürfte jedoch sein, diese nach Abschluss ihrer Ausbildung auch zu halten. Und genau hier sehe ich das Problem.


    [THESE] Die frisch ausgebildeten NotSan sind im Vergleich mit den bisherigen Berufseinsteigern (RettAss) noch jung, stehen somit noch am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn und ihres Lebens. Nicht nur die Anspruchshaltung unserer Patienten hat sich in den letzten Jahren verändert, auch die der jungen Menschen und damit eben auch der Berufseinsteiger. Freizeit (und deren Qualität) hat heute einen weitaus größeren Stellenwert, als dies noch bei den Generationen zuvor der Fall war. Und dass Geld die Welt regiert, merken auch die jungen Kolleginnen und Kollegen recht früh. Passen die Rahmenbedingungen im Beruf nicht auf die eigenen Bedürfnisse und Vorstellungen, liegt ein Wechsel des Arbeitgebers oder auch in einen anderen Beruf näher, als das noch in der Vergangenheit der Fall war, als viele Kolleginnen und Kollegen im Rettungsdienst "hängen geblieben" sind.
    Meiner Erfahrung nach möchten sich die Auszubildenden nach ihrer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung im Beruf verwirklichen - wie eigentlich jeder von uns. Die Erwartungshaltung an den Beruf des Notfallsanitäters ist aber oftmals auch aufgrund der Berichterstattung bzw. Bewerbung derart hoch, dass einige der Auszubildenden recht schnell enttäuscht werden, wenn sie mit der aktuellen Realität im Rettungsdienst konfrontiert werden. Dies, verbunden mit den oft schwierigen Rahmenbedingungen in den Rettungsdiensten, führt dazu, dass die Motivation recht schnell nachlässt und sich die jungen Kolleginnen und Kollegen recht schnell die Frage stellen, in welchem Bereich bzw. bei welchem Arbeitgeber sie sich nach ihren Vorstellungen entfalten können, oder aber, ob eine weitere Ausbildung eine Option darstellt. [/THESE]


    Es gilt daher, (auch) für diese Herausforderungen Lösungen zu finden, was zugegeben nicht ganz einfach ist.
    Sich alleine auf die Masse an Bewerbern/Azubis zu verlassen, kann allerdings nur in die Hose gehen.

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Danke Daniel und hpcpr für eure beiden Beiträge, dem ist nichts mehr hinzuzufügen!


    Ich finde es nur interessant bzw. bezeichnend, dass Hree Schmidt in dem Artikel als Leiter dem MHW auftritt und nicht in seiner eigentlichen Funktion als Geschäftsführer seiner Firma MKT...


    Dort waren schon vor 15Jahren -zu Zeiten wo noch viel Personal verfügbar war- die Abbrecherquote der RettAss-Azubis sehr, sehr hoch!
    Und ist nun -wohl- auf 70% gestiegen... "hmmmm" :unknown:

    ...mit Legenden ist das so eine Sache...
    ...manche sind wahr... 8)

    Einmal editiert, zuletzt von Weltreisender ()