Bundessozialgericht definiert Rettungstransportzeit bei Schlaganfallbehandlung um

  • Az.: B 1 KR 39-7 R


    Zitat von "Ärztezeitung"

    Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft und Schlaganfall-Hilfe schlagen Alarm: Mit seiner neuen Deutung der 30-Minuten-Frist für die Verlegung eines Patienten in ein spezialisiertes Schlaganfallzentrum gefährde das Bundessozialgericht die flächendeckende Versorgung.


    Zitat von "Ärztezeitung"

    Zu den Mindestanforderungen der OPS 8-98b für die neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls oder einer TIA gehörenlaut OPS-Katalog: "Behandlung... durch ein multidisziplinäres, auf die Schlaganfallbehandlung spezialisiertes Team unter fachlicher Behandlungsleitung durch einen Facharzt für Neurologie oder einen Facharzt für Innere Medizin... mit: unmittelbarem Zugang zu neurochirurgischen Notfalleingriffen sowie zu gefäßchirurgischen und interventionell-neuroradiologischen Behandlungsmaßnahmen. Es gibt jeweils eine eigene Abteilung im Hause oder einen Kooperationspartner in höchstens halbstündiger Transportentfernung (Zeit zwischen Rettungstransportbeginn und Rettungstransportende)..."


    Nach Meinung des BSG bezieht sich die 30-Minuten-Frist in der OPS auf die gesamte Zeit, die die Rettungskette benötigt, um einen Patienten vom zunächst behandelnden Krankenhaus und die behandelnde Einheit des Kooperationspartners zu verlegen.


    Die enthaltene Klammerdefinition stelle ganz bewusst auf die Inanspruchnahme des gesamten Rettungstransportsystems ab, argumentieren die Kasseler Richter, und eben nicht nur auf die reine Transportzeit.


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  • Hier gehts doch nur, soweit ich das auf die Schnelle überblicke um Abrechnungsdinge. Die „neurologische Komplexbehandlung“ kann ich nur erlöswirksam abrechnen, wenn ich die Qualitätskriterien erfülle. Daran sehe ich zunächst nichts verwerfliches.
    Ähnliches gab es vor einigen Jahren in der Intensivmedizin: die „intensivmed. Komplexbehandlung“ lässt sich auch nur noch abrechnen, wenn 24/7 ein Intensivmediziner rein für die Intensivstation zuständig ist. Gern genommenes Beispiel in kleinen Kliniken: ein Anwesenheitsdienst in der Anästhesie für Intensiv und OP = keine intensivmed. Komplexbehandlung. Hat in vielen Kliniken zu einem zweiten/weiteren Anwesenheitsdienst geführt.

  • Naja, wenn ich keine Schlaganfallbehandlung abrechnen kann, dann biete ich sie nicht mehr an.
    Wenn das wirklich in letzter Konsequenz umgesetzt wird, dann dürften dutzende Stroke Units geschlossen werden und der Druck auf die entsprechenden Zentren deutlich steigen.

  • Unwahrscheinlich. Ich kann den Operationen- und Prozedurenschlüssel „neurologische Komplexbehandlung“ nicht mehr abrechnen. Den Fall an sich kann ich dennoch abrechnen. Gibt dann nur weniger Geld. Die Crux unseres Systems. Die Kritik, die jetzt an das BSG adressiert ist, ist allerdings verkürzt. Das BSG spricht das Urteil im Rahmen des DRG-Systems. Da muss man angreifen, nicht bei einem Urteil, das dafür sorgt, dass für entsprechende Erlöse auch die geforderten Leistungen erbracht werden müssen.

  • Unwahrscheinlich. Ich kann den Operationen- und Prozedurenschlüssel ?neurologische Komplexbehandlung? nicht mehr abrechnen. Den Fall an sich kann ich dennoch abrechnen. Gibt dann nur weniger Geld. Die Crux unseres Systems.


    Das stimmt soweit. Ob der abgerechnete Fall dann noch halbwegs kostendeckend ist, darf jedoch bezweifelt werden.


    Die Kritik, die jetzt an das BSG adressiert ist, ist allerdings verkürzt. Das BSG spricht das Urteil im Rahmen des DRG-Systems. Da muss man angreifen, nicht bei einem Urteil, das dafür sorgt, dass für entsprechende Erlöse auch die geforderten Leistungen erbracht werden müssen.


    Die Beschreibung stellt die Problematik jetzt aber zu arg verkürzt dar. Der 1. Senat des BSG hat sich hier wiederholt arg weit aus dem Fenster gelehnt und eine Regelung weit über den Wortlaut hinaus interpretiert und außerdem die entsprechende FAQ des DIMDI ignoriert. In diesem Fall hat sich die Bundesregierung (mal wieder) zum Eingreifen entschlossen und lässt klarstellen "dass es auf die Zeit ankommt, die der Patient oder die Patientin im Transportmittel verbringt. Abweichende Auslegungen, die auf den Zeitraum ab der Feststellung einer Verlegungsnotwendigkeit bis zu einem möglichen Behandlungsbeginn abzielen und die nach der Einschätzung des Bundesrates zu einer Gefährdung der flächendeckenden, qualitativ hochwertigen Schlaganfallversorgung führen können, haben damit im Wortlaut des einschlägigen Operationen- und Prozedurenschlüssels keine Grundlage mehr". Das hindert im übrigen einige Kassen nicht von etlichen krankenhäusern für die vergangenen Jahre Geld zurückzuverlangen. Das man medizinisch zumindest auf den ersten Blick die Entscheidung (nur sehr schnelle Verlegungen bringen Geld) gut finden kann, ist eine andere Sache - praktisch sind die 30 Minuten von Entscheidung zum Transport bis Erledigung aber wohl zu kurz als dass dies flächenhaft umgesetzt werden könnte.


    Und wer ernsthaft denkt in dem Spiel ginge es noch um sachgerechte Vergütung, der möge sich mal folgende Info über die Frage wann eine Blutbank auch eine Blutbank im Sinne der intensivmedizinischen Komplexbehandlung sei, durchlesen.

  • Grundsätzlich halte ich es nicht für falsch, den Prozess in der Gesamtheit (Präklinik und Klinik) zu betrachten. Darauf kommt es ja letztendlich an: wenn ein Patient lange auf seinen RTW warten muss und dann schnell in der Klinik versorgt wird, ist das genau so doof wie superschnell den RTW vor der Tür zu haben und dann ewig den Flur in der Klinik zu sehen.
    Als Qualitätsmerkmal eignen sich einzeln betrachtete (Hilfs-)Fristen ja eher nicht so gut.


    Aber -wie alles im Leben- muss es halt vernünftig geschehen ( und idealerweise losgelöst von der Interessenlage der Kosten- und Leistungserbringer. Es ist übrigens nicht notwendig, mir zu sagen, dass das utopisch sein dürfte...)