Hallo zusammen!
Habe exakt diesen Text unter http://www. rettungsdienst.de zum Thema Notkompetenz geschrieben. Mitglied Tamador hat mich gebeten, diesen text auch hier zu veröffentlichen, was ich damit auch vollziehe. Ist mehr eine persönliche Meinung:
Hallo zusammen!
Möchte mich, da ich hier neu bin, kurz vorstellen. Bin jetzt knappe 29 Lenze alt und im 2. Jahr meiner Facharztweiterbildung zum Anästhesisten irgendwo in NRW... Einer meiner Interessensschwerpunkte ist, wie könnte es hier anders sein, Notfallmedizin.
Habe mit Interesse die Beiträge zum Thema Notkompetenz gelesen und muss jetzt auch mal was dazu schreiben, und zwar mehr so aus alltäglicher Erfahrung.
1. Atemwegsmanagement: Habe jetzt geschätzte 400-500 Intubationen in den unterschiedlichsten Situationen hinter mich gebracht, meistens natürlich unter optimalen Bedingungen im OP! Ich denke auch, das ich hierbei nicht besser und schlechter bin als vergleichbare Kollegen in meinem Ausbildungsstand. Gerade deshalb bin ich der Meinung, dass man nie...also wirklich NIEMALS! den Respekt vor dieser Maßnahme verlieren sollte. Auch draussen wird nur intubiert, wenn es wirklich nicht mehr anders geht. Ein Beispiel: Die Internisten auf unserer Intensiv intubieren immer ohne Relaxanzien, einfach weil Ihnen die Erfahrung mit diesen Medikamenten fehlt!
Viel wichtiger finde ich, ist für RS/RA der gescheite Umgang mit Maske + Beutel, ggf der Larynxmaske. RD-Praktikanten, die mit mir im Saal stehen, üben dies bis die Finger wund sind. Wie oft gibt es selbst in der Klinik unter optimalen Bedingungen nicht intubierbare Patienten? In der Whg zwischen Klo und Waschbecken wird es mit Sicherheit nicht einfacher.
2. Medikamente: Finde ich ehrlich gesagt für die allermeisten RA (RS sowieso) und die allermeisten Medikamente vollkommen indiskutabel. Das Problem besteht meiner Meinung nach darin, dass
1. die theoretische Ausbildung der RA zu kurz ist, um adäquate pharmakologische Kenntnisse zu erwarten
2. man nicht nur wissen muss, inwiefern das Medikament, welches ich gebe, nutzt, sondern auch was es für einen Schaden anrichten kann und wie ich die komplikationen beseitige. Beispiele hierfür finden sich mannigfaltig in der Literatur. Das Problem betrifft selbst junge Assistenzärzte (will hier wirklich niemanden schlecht machen oder so)
3. die Punkte 1 + 2 bewahrheiten sich allzuoft: Nach der Narkoseeinleitung, wenn etwas Zeit ist, mache ich mit meinen Praktikanten das Medikamentenquiz, meist sortiert nach Themenblöcken in Form von Fallbeispielen (also Z.B. allergische Reaktion O2, Supra verdünnt, Tavegil, Ranitidin, Kortison, Volumen; welche Medikamente zur Narkoseeinleitung etc. Die großen Fragezeichen in den leuchtenden Augen der Jungs und Mädels sprechen Bände....selbst die Dosierung von Supra zur Rea ist oftmals unbekannt.
3. Habe auch den Petitions Beitrag gelesen. Eine Umsetzung dieser Petition halte ich unter den momentanen Bedingungen für ausgeschlossen und eigentlich auch nicht sinnvoll. Denn eine Ausweitung der Kompetenzen des RA bezieht sich dann nicht nur auf den Hauptberufler mit Routine und meist auch mehr Erfahrung, sondern auch auf Ehrenamtler, Freizeitrettungsrambos etc.
Das in dem Petitionsschreiben genannte Beispiel der Landrettung mit langen Anfahrtszeiten des NA halte ich nur für bedingt zulässig, da unter dem Strich gesehen solche Einsätze immer noch selten sind und es immer eine Alternative gibt (Nachforderung des nächsten niederglassenen Arztes, Kassenärztlicher Notdienst, Scoop&run, oder einfach gut durchgeführte Basismaßnahmen). Ein System wie in den USA oder dem Vereinigten Königreich ist in Deutschland aus infrastrukturellen Gründen nicht durchführbar.
Fazit: (Not)Kompetenz beschreibt im Rettungsdienst nicht allein den Zustand, dass man mit Medikamenten um sich schmeissen darf und man mit dem Laryngoskop in der Hand aus dem Wagen steigt, sondern vielmehr Umsicht, guter Patientenumgang, das Erkennen von kritischen Situationen und dann gut umgesetzte erweiterte Basismaßnahmen. Selbstüberschätzung ist in medizinischen Berufen fehl am Platze und wird immer wieder Patienten, dem eigenen Ruf und dem Ruf einer ganzen Berufsgruppe schaden. Wer volle Kompetenz in der Notfallmedizin erlangen möchte, wird um ein langes Studium nicht herumkommen. Dies ist auch gut so. Denn selbst mit Studium ist der Job oft schwierig genug.
Grüße
intensiv verlegen