Tod eines Patienten: Staatsanwaltschaft ermittelt


  • Je nach Ausgangslage kann es auch schnell zu einer Beweislastumkehr kommen. Dann muss Du nämlich nachweisen, dass Du alles richtig gemacht hast.


    Wenn du schon auftrumpfen möchtest, dann bitte auch richtig: in WELCHER Situation kommt es denn zur Beweislastumkehr? ;)

  • Ertappt! ;-) Vorstellen könnt ich mir zum Beispiel im Eingangsfall, dass das Rettungsteam anhand der Dokumentation beweisen muss, dass keine Symptome vorlkage, die einen Transport in eine Klinik gerechtfertigt hätten.
    Im Arzthaftungsrecht wird sehr oft richterlich eine Beweislastumkehr angeordnet allein aus dem Grund, weil der medizinische Laie gar keine Chance hat, die Schuld eines Arztes zu beweisen.
    Im Falle eines rettungsdienstlichen Einsatzes könnte ich mir das auch sehr gut vorstellen...
    Allerdings gehe ich davon aus, dass die Juristen hier im Board wesentlich besser dazu Auskunft geben können.


    Außerdem will ich (meistens) nicht auftrumpfen, sondern oft nur zu bedenken geben. In der Rolle, Euch etwas vorzumachen, bin ich als kleiner ehrenamtlicher RettSan nicht ;-)


    Gruß, Mr. Blaulicht

  • Ich habe persönlich kein Problem damit. Wollte nur diese Verfahrensweise in Bezug auf das von Dir eingestellte Beispiel kritisch beleuchten...

    Es ist auch völlig legitim, sogar notwendig, Handlungsweisen zu hinterfragen - gerade in Anbetracht solcher Meldungen. Im eingangs beschriebenen Fall waren die Symptome alleine aber schon ein Grund, den Patienten unverzüglich einer weiteren klinischen Untersuchung zuzuführen. Ich rede von Bagatelleinsätzen, die eine dringende Notwendigkeit zur Einweisung aber nicht erkennen lassen bzw. in denen eine Einweisung schlicht nicht notwendig ist. Sollte ein hinzugezogener Arzt anderer Meinung sein, kann er den Patienten noch immer einweisen. Nichts für ungut, nur deine Formulierung hat mich etwas gestört.

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Wir haben in unserem Ländle eine Transportpflicht. Wenn der Patient unbedingt gefahren werden will, mache ich es auch. Auch beim Schnupfen notfalls. Das er ggf selber die Rechnung bezahlen muss, ist sein Problem, nicht meines. Aber darüber wird er aufgeklärt.


    Will jemand auf keinen Fall mit, dann bleibt er da und wird auf mögliche Risiken aufgeklärt. Da wir keine DIVI haben, ausser die NEF, gibt es auch nichts zu Unterschreiben.



    Eine Transportplicht für "nicht Notfallpatienten" in NRW ist mir nicht bekannt. Wo ist diese verankert?


    RettG NRW - 3. Abschnitt: Notfallrettung und Krankentransport durch Unternehmer § 23 Betriebs- und Beförderungspflicht bezieht sich auf die sicherstellungspflicht des Unternehmers.
    Zumindest daraus läst sich keine Transportpflicht für den Transportführer bei "Schnupfen" ableiten.
    Ich werde bei solchen "eindeutig dokumentierbaren Fällen" und bei gehfähigen Patiente weiter an ÄND/MVZ/HA verweisen Notaufnahmen sind nicht dazu geeignet die Wartezeiten beim Hausarzt zu egalisieren oder ähnliches. Das Risiko dann eine KT Einweisung zu fahren nehme ich gerene in Kauf.


    Habe mir erlaubt für diese Frage zu separieren bin auf euere Antwort und Anmerkung gespannt...

    "Wer einen Fehler begeht, ohne dessen Ursache zu beheben, hat schon einen zweiten gemacht!" Sinngemäß nach Konfuzius (551 - 479 B.C.)

  • Flexer


    Unabhängig davon, daß meine Berufsgruppe nicht das Thema ist: meine Berufsgruppe muß in ihren Glashäusern noch ganz andere Sachen entscheiden: Nehme ich jemandem den Darm ganz raus? Injiziiere ich KM zur Diagnose eines Hirn-TU bei bekannter KM-Allergie? Stelle ich die Intensivtherapie ein? Lasse ich Flexer Ketanest spritzen?
    Merkste was? Und dann willst Du mir was von Fehlentscheidungen erzählen, indem Du unsere Berufsgruppen vergleichst?


    Also junger Freund, erstmal den Wirsing einschalten, bevor man so einen Unsinn von sich gibt... :stop:

  • @Ani


    Ach wirklich? Ich mach es aber zum Thema, weil du alle in einen Sack steckst. Und von einem erfahrenem Arzt erwarte ich mehr als ein paar Aufzählungen, was ihr armen Mediziner alles so entscheiden müsst. Auf andere einhauen Ani ist immer sehr leicht.

  • Flexer:
    sicher kommt es in der Gruppe der Ärzte häufiger zu Fehleinschätzungen, die für den jeweiligen Patienten schwerwiegende Folgen haben. Das allein schon aus der einfachen Tatsache heraus, dass es a) mehr Ärzte als Rettungsassistenten gibt und b) Ärzte nicht so schnell die nächsthöhere Instanz einschalten können wie der RettAss. Insofern macht ein Vergleich der beiden Gruppen nur wenig Sinn. Zusammenfassend kann man aber sicher sorglos davon ausgehen, dass Rettungsassistenten wenig Gefahr laufen, patientenschädigendes Verhalten an den Tag zu legen. Fälle wie der im Eingangsposting geschilderte Ablauf sind extrem seltene Einzelfälle, und wessen Geschichte (Nachbar oder Mitarbeiter) nun am Ende die wahrheitsgemäße ist, bleibt abschließend noch abzuwarten. Auf diesem Einzelfall aufbauend eine Grundsatzdiskussion starten zu wollen, scheint mir wenig hilfreich.


    @Ani: Hier lag, falls die beschriebene vegetative Symptomatik so stimmte, ein krasses Fehlverhalten vor. Darüber muss man gar nicht streiten. Dass dies jedoch nicht nur Rettungsdienstlern passiert, haben wir in Herzinfarkt nicht erkannt - Arzt wegen fahrlässiger Tötung verurteilt ja schon ausreichend durchexerziert. Wie du dort schon klarstellst: mit den weningen diagnostischen Mitteln an der Hand muß man (sei es nun RettAss oder Hausarzt) die Weichen für die weitere Versorgung stellen. Dass dabei auch mal etwas schief gehen kann, liegt auf der Hand. In diesem Sinne hat sich jeder einfach an der eigenen Nase zu fassen und sich in der Ausübung seines Berufes im Zweifelsfalle lieber auf der sicheren Seite zu bewegen als vorschnell auf dem Rücken Dritter etwas zu riskieren. Meines Erachtens liegt der Knackpunkt der ganzen Geschichte in der Sorgfalt jedes Einzelnen. Insofern scheint mir eine Diskussion über Gruppen und Gruppenverhalten nicht sonderlich weiterführend zu sein.


    Gruß von der Ostsee!

  • Ertappt! ;-) Vorstellen könnt ich mir zum Beispiel im Eingangsfall, dass das Rettungsteam anhand der Dokumentation beweisen muss, dass keine Symptome vorlkage, die einen Transport in eine Klinik gerechtfertigt hätten.
    Im Arzthaftungsrecht wird sehr oft richterlich eine Beweislastumkehr angeordnet allein aus dem Grund, weil der medizinische Laie gar keine Chance hat, die Schuld eines Arztes zu beweisen.
    Im Falle eines rettungsdienstlichen Einsatzes könnte ich mir das auch sehr gut vorstellen...
    Allerdings gehe ich davon aus, dass die Juristen hier im Board wesentlich besser dazu Auskunft geben können.


    Außerdem will ich (meistens) nicht auftrumpfen, sondern oft nur zu bedenken geben. In der Rolle, Euch etwas vorzumachen, bin ich als kleiner ehrenamtlicher RettSan nicht ;-)


    Gruß, Mr. Blaulicht

    Dreh- und ANgelpunkt ist hierbei mal wieder die Dokumentation. Die Beweislastumkehr bzw. Beweiserleichterungen für den Patienten gründen oftmals darin, dass eine Dokumentation nicht oder nur unzulänglich angefertigt wurde. Liegt diese jedoch sachgercht angefertigt vor, hat der Patient die Fehlerhaftigkeit der Dokumentation zu beweisen.


    Hier würde ich ARzt und Rettungsdienst nicht trennen und gleiche ANforderungen an die Dokumentation stellen.


    Wenn es nur eine Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über das selbe Thema malen. (Pablo Picasso)

  • Nils


    Du hast völlig Recht, das es mehr Ärzte als RA´s gibt und somit die Fehlerquelle eindeutig höher liegen kann. Darum gehts mir aber auch nicht. Es geht mir darum, das Ani hier alle in einen Sack steckt und das ist nicht fair gegenüber den anderen Kollegen.


    @Ani


    Kennst du die?? ;-)


  • Die Beweislastumkehr bzw. Beweiserleichterungen für den Patienten gründen oftmals darin, dass eine Dokumentation nicht oder nur unzulänglich angefertigt wurde. Liegt diese jedoch sachgercht angefertigt vor, hat der Patient die Fehlerhaftigkeit der Dokumentation zu beweisen.


    Laut http://www.aerztehaftung.de/in…task=view&id=18&Itemid=86 gibt es 4 definierte Fallgruppen, in denen der BGH eine eingeschränkte Beweislastumkehr im Medizinrecht zum Schutze des Patienten eingeführt haben will:


    Grobe Behandlungsfehler
    Fehlerhafte bzw. unzureichende Aufklärung
    Schuldhafte Vereitelung der Beweisführung
    Fehlerhafte Funktion medizinischer Geräte


    Mangelhafte Dokumentation kann zwar in allen 4 Fällen zu Lasten des RD-Personals greifen, das hier zitierte "zu Hause lassen" müsste aber die beiden ersten Gruppen treffen: Grobe Behandlungsfehler (unzureichende Diagnostik) und unzureichende Aufklärung. In beiden Fällen hilft auch die beste Dokumentation nichts, wenn nicht gründlich gearbeitet wurde. Das sprach ich oben bereits mit dem Begriff der Sorgfalt an.


    Gruß ins Ländle!

  • @Ani


    Auch wenn es nur bedingt hierher gehört, so möchte ich doch kurz von einem aktuellen Fall erzählen, weil er gerade wunderbar passt:


    Wir wurden zu einer älteren Dame alarmiert, weil diese am frühen Morgen ihren Mann in verwirrtem Zustand geweckt hatte, kurz darauf regierte sie nicht mehr auf Ansprache und wirkte apathisch.
    Bei unserem Eintreffen war die ganze Familie versammelt, die Patientin saß zunächst teilnahmslos auf einem Stuhl. Die primäre Erhebung der Vitalparameter war unverdächtig, es zeigte sich zusätzlich eine Aphasie und deutliche Beinödeme, weshalb die Patientin Furosemid verordnet bekam. Die Anamnese brachte noch einen behandelten Hypertonus. Die Patientin war zu diesem Zeitpunkt völlig desorientiert, Paresen hatte sie keine.
    Innerhalb weniger Minuten klarte sie jedoch wieder auf, was im weiteren Verlauf zum Problem werden sollte.
    Nachdem die Patientin wieder aufgeklart und orientiert war, war sie vom um sie herrschenden Auflauf erschrocken. Sie gab an, keinerlei Beschwerden zu haben, in ein Krankenhaus wolle sie nicht. Ihr gehe es gut; was kurz zuvor passiert war, wusste sie allerdings nicht.
    Auf meinen Aufklärungsversuch reagierte sie abweisend, alles gute Zureden der Angehörigen half nichts. Es waren mitunter dramatische Szenen, da sich die Angehörigen große Sorgen um sie machten und wir deutlich gemacht hatten, dass wir eine weitere Untersuchung und Behandlung im Krankenhaus für dringend notwendig hielten, da sich der Gesundheitszustand jederzeit wieder verschlechtern und bleibende Schäden die Folge sein könnten.


    Leider weigerte sich die Dame vehement. Also rief ich beim ärztlichen Bereitschaftsdienst an, wo ich der diensthabenden Ärztin die Situation schilderte. Meine Intention war eigentlich, den ÄND zu einem Hausbesuch zu bewegen um letztlich doch eine Einweisung zu bewirken nur - nachdem ich geschildert hatte, dass aktuell keinerlei Beschwerden oder Symptome mehr vorlagen bekam ich zur Antwort: "Dann lasst sie zuhause".
    Auf ihre Nachfrage, ob denn damit auch die Angehörigen einverstanden seien machte ich deutlich, dass allgemein eine Einweisung gewünscht sei. Die Antwort: "Dann nehmt sie mit". Nachdem ich die Sinnlosigkeit des Telefonats erkannt hatte beendete ich das Gespräch, um mich noch einmal der Patientin zuzuwenden. Ich versuchte sie noch einmal zu überreden, machte noch einmal deutlich auf mögliche Folgen einer Transportverweigerung aufmerksam und klärte sie darüber auf, dass sie uns ihre Verweigerung schriftlich bestätigen müsse. Während ich also mein Protokoll ausfüllte und nach langem Hin und Her, auf Drängen der Angehörigen und der schnellen Reaktion meines Kollegen fand sich die Patientin dann doch im RTW.


    Anscheinend tat ihr die Luft im Krankenhaus nicht sonderlich gut, denn dort angekommen, zeigte sie innerhalb kürzester Zeit erneut die Symptome eines Schlaganfalls, was ihr ein sofortiges Schädel-CT bescherte.


    War mein Verhalten ein Risiko für die Patientin ?

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.


  • War mein Verhalten ein Risiko für die Patientin ?


    Nein, das Risiko war die Patientin. Wie üblich. Problematisch ist halt nur, dass es mit der Selbstverantwortung gerne vorbei ist, wenn entgegen dem eigenen Empfinden hinterher doch Schaden entsteht. Dann wird nach einem Schuldigen gesucht, und das macht niemand gerne als erstes zuerst bei sich selbst.

  • Tja, da hast Du recht. Aber hast Du schon mal den wahren Willen eines Patienten erfahren? Und bist Du Dir ganz sicher, dass es sein wahrer Wille war? Warum versuchen wir, suizidale Patienten zu retten? Eine eindeutigere Willensäußerung als einen Strick um den Hals kann es ja wohl kaum geben!
    Und wie sieht es mit verwirrten und/oder alkoholisierten Patienten aus? Oder mit Kindern? Wie stehst Du als Anästhesist zur Blut(bestandteil)substitution bei Kindern mit Eltern bei den Zeugen Jehovas? Zählt da auch immer der Wille des Patienten?


    Gruß, Mr. Blaulicht

  • Warum versuchen wir, suizidale Patienten zu retten? Eine eindeutigere Willensäußerung als einen Strick um den Hals kann es ja wohl kaum geben!

    Weil in der Regel in Falle eines Suizides eine psychische Erkrankung oder ein Gebrauch von Rauschdrogen vorliegt. Und solange wir das nicht ausschließen können, müssen wir davon ausgehen, daß es sich dabei nicht um den wahren Willen des Patienten handelt.
    Grauzonen gibt es in diesen Bereichen immer. Gerade deshalb müssen wir in diesen Fällen helfen und den Patienten einem Fachmann in Form eines Psychiaters vorstellen.

  • Das würde bedeuten, dass wir jeden Patienten, der auf eine für uns nicht nachvollziehbare Art und Weise reagiert und auf eine Transport- und/oder Behandlungsverweigerung besteht, zuerst einem Psychiater vorstellen müssen, um herauszufinden, was sein wahrer Wille ist, um ihn erst dann einer evtl. lebensrettenden Behandlung zuführen zu können. Andererseits laufen wir Gefahr, gegen den Willen des Patienten zu handeln.
    Es ist offensichtlich, dass man in Notfällen (oder auch im klinischen Alltag) nicht immer die Zeit für ein solches Vorgehen hat, und man dann einfach vom mutmaßlichen Willen ausgehen muss.