Ketanest-Gabe durch RettAss: Rechtsgutachten zum Schreiben des Innenministeriums Rheinland-Pfalz

  • Immerhin spart jetzt vielleicht der nachziehende NA Opiate...falls er wirklich erst nach dem Durchlaufen der Perfalgan-Buddel eintrifft...in manchen Gegenden in RLP ist das aber ab und an durchaus denkbar. Die Perfalgangabe ist das Ergebnis der Beratungen der ärztlichen Leiter Rettungsdienst im schönen Bundesland Rheinland-Pfalz, welches sich inzwischen auch in einer SOP niedergeschlagen hat. Wie ich bereits erwähnte - das Patienteninteresse bleibt hier auf der Strecke. Ich vermute, dass mit der Perfalgan-SOP letztlich nur 3 Ziele verfolgt wurden:



    - die ÄLRD aus der öffentlichen Schusslinie zu bringen, denn das "Ketanest-Verbot" hat auch in den Medien recht hohe Wellen geschlagen; die ÄLRD sahen sich meiner bescheidenen Meinung nach zu Recht erheblicher Kritik ausgesetzt


    - den Kreisverwaltungen eine brauchbare Argumentationsgrundlage dafür zu geben, die Ketanestanwendung zu untersagen...weil ja jetzt eine hochwirksame Alternative zur Verfügung steht ;-)


    - schlussendlich hat man wahrscheinlich auch an RA Y gedacht. Denn unterlassene Hilfeleistung kommt jetzt nicht mehr in Betracht...nur noch ineffiziente Hilfeleistung, aber die ist ja zum Glück nicht strafbar!



    :ironie:

  • ...nur noch ineffiziente Hilfeleistung, aber die ist ja zum Glück nicht strafbar!


    Dann verstehe ich allerdings die Sorge vor Konsequenzen wegen unterlassener Hilfeleistung nicht. Wenn Du einem schmerzgeplagten Menschen hilfst, ohne ihm ein aus Deiner oder auch seiner Sicht dringend benötigtes Analgetikum zu verabreichen, ist das in meinen Augen auch keine Unterlassung, da Du dem Patienten ja hilfst, meintwegen durch Lagerung etc. Sprich: Ob Du ihm ein ungenügendes oder gar kein Medikament verabreichst, dürfte im Sinne der Unterlassenen Hilfeleistung kein Unterschied sein, wenn Du ansonsten alle erfoderlichen Maßnahmen durchführst.


    Irre ich mich?

  • Unter der (inzwischen unter Juristen relativ unbestrittenen) Prämisse der Nichtanwendbarkeit des HPG kann sich da schon eine Kollision ergeben.


    Ich weiß, ich wiederhole mich, aber es bringt mich eben jedes Mal wieder auf: Die einzigen Juristen, die nicht an eine Anwendbarkeit des Heilpraktikergesetzes auf Rettungsassistenten glauben, stammen sämtlich aus dem Rettungsdienst (und von denen gibt es auch nur zwei, die überhaupt vernünftig argumentieren). Alle, mit denen ich sonst gesprochen habe, sehen die Sache anders. Und, wie ich nicht müde werde zu betonen, mit guten Gründen.


    Ein Blick in die Urteilsbegründung im Fall Mayen (ok, es war ein Arbeitsgericht...) verrät uns aber: "Der Kläger musste in Betracht ziehen, dass er bei Unterlassung ... wegen unterlassener Hilfeleistung hätte in die Haftung genommen werden können". Auch aus Sicht des Anwaltes der klagenden Partei hat das Gericht damit die Garantenstellung des RA "deutlich akzentuiert".


    Wenn der Anwalt der klagenden Partei, der auch das oben genannte Rechtsgutachten verfasst hat, wirklich nicht zwischen unterlassener Hilfeleistung und Garantenstellung unterscheiden kann, ist das bedauerlich. Das Urteil Mayen ist ansonsten fachlich sehr schwach; wäre interessant, warum es nicht in die Berufung gegangen ist. Das ist das wahre Mysterium dieses Falles.

  • Wer eine einigermaßen saubere Begründung lesen möchte, sollte sich das Urteil des ArbG Elmshorn von 1990 besorgen (Diazepam- und Lasixgabe beim Herzinfarkt und dekompensierendem Patienten sind nicht zuletzt aufgrund der Garantenstellung der RettungsSANITÄTER im konkreten Fall situationsgerecht und deshalb nicht zu beanstanden gewesen). Da wurde vor 20 Jahren ein anständiges Urteil gesprochen, dem nichts hinzuzufügen ist. Mayen hätte kein Mensch gebraucht, hier hat sich weder die HiOrg noch der RettAss einen Gefallen mit getan, da es mehr Fragen aufwirft als es zu lösen in der Lage war.

  • Der "Haken" ist nur, dass das Urteil aus Elmshorn für bestimmte politische Ambitionen nicht zu gebrauchen ist.

  • Wer eine einigermaßen saubere Begründung lesen möchte, sollte sich das Urteil des ArbG Elmshorn von 1990 besorgen (Diazepam- und Lasixgabe beim Herzinfarkt und dekompensierendem Patienten sind nicht zuletzt aufgrund der Garantenstellung der RettungsSANITÄTER im konkreten Fall situationsgerecht und deshalb nicht zu beanstanden gewesen). Da wurde vor 20 Jahren ein anständiges Urteil gesprochen, dem nichts hinzuzufügen ist. Mayen hätte kein Mensch gebraucht, hier hat sich weder die HiOrg noch der RettAss einen Gefallen mit getan, da es mehr Fragen aufwirft als es zu lösen in der Lage war.


    Retrospektiv betrachtet muss man eben nur "das Richtige" getan haben.
    Das Problem ist also weniger die Rechtslage, als das Einschätzen der Situation und die richtige Therapie.
    Dies erreicht man von Ausnahmen abgesehen aber nur mit einer guten Ausbildung.
    Es sollte also die Ausbildung verbessert werden und im Anschluss sollten haftungsrechtliche Fragen geklärt werden.


    Der "Haken" ist nur, dass das Urteil aus Elmshorn für bestimmte politische Ambitionen nicht zu gebrauchen ist.


    Das sehe ich auch so.

  • Ich weiß, ich wiederhole mich, aber es bringt mich eben jedes Mal wieder auf: Die einzigen Juristen, die nicht an eine Anwendbarkeit des Heilpraktikergesetzes auf Rettungsassistenten glauben, stammen sämtlich aus dem Rettungsdienst (und von denen gibt es auch nur zwei, die überhaupt vernünftig argumentieren). Alle, mit denen ich sonst gesprochen habe, sehen die Sache anders. Und, wie ich nicht müde werde zu betonen, mit guten Gründen.


    Das kann so nicht stehen bleiben. Sicherlich gibt es einige Stellungnahmen von Juristen mit rettungsdienstlichem Hintergrund - denn gerade diese Gruppe zeigt nunmal besonderes Interesse an berufspolitischen & medizinrechtlichen Sachverhalten. In meinem engeren Freundes- und Bekanntenkreis (... der einige Juristen umfasst...!), geht eigentlich niemand von einer Anwendbarkeit des HPG aus. Und auch die Argumentationen von Nadler, Pitz, Heuchemer, Tries, Fehn etc. sind m.E. im Grundsatz durchaus nachvollziehbar, auch wenn hier und da schon ziemlich wüste Schlüsse gezogen werden.


    Im Übrigen ist der Terminus "vernünftige Argumentation" ein sehr relativer Begriff. Es gibt sehr viele verschiedene Ansatzpunkte die im Ergebnis sämtlich zur Nichtanwendbarkeit des HPG führen. Häufig wird sich in Gutachten oder Stellungnahmen nur auf einen oder zwei dieser Aspekte konzentriert. Und auch der zuständige Richter am Arbeitsgericht Mayen hat in seiner Urteilsbegründung klargestellt, dass eine Anwendbarkeit des HPG nicht gegeben ist.


    Warum es keine Berufung gab, ist recht einfach zu beantworten. Die Beklagte durfte m.E. davon ausgehen, auch in der nächsten Instanz zu verlieren...das Urteil in einem Arbeitsgerichtsverfahren wird durch höhere Instanzen vergleichsweise selten revidiert. Und auf einen gleich gelagerten Richterspruch einer höheren Instanz wollte man es dann wohl nicht ankommen lassen, denn dies hätte dem vermeintlichen Präzedenzfall deutlich mehr Würze verliehen...das wäre dann wahrscheinlich der endgültige Dammbruch gewesen!


  • Dann verstehe ich allerdings die Sorge vor Konsequenzen wegen unterlassener Hilfeleistung nicht. Wenn Du einem schmerzgeplagten Menschen hilfst, ohne ihm ein aus Deiner oder auch seiner Sicht dringend benötigtes Analgetikum zu verabreichen, ist das in meinen Augen auch keine Unterlassung, da Du dem Patienten ja hilfst, meintwegen durch Lagerung etc. Sprich: Ob Du ihm ein ungenügendes oder gar kein Medikament verabreichst, dürfte im Sinne der Unterlassenen Hilfeleistung kein Unterschied sein, wenn Du ansonsten alle erfoderlichen Maßnahmen durchführst.


    Irre ich mich?


    Nein, da hast Du wohl recht ;-) Aber im Kern geht es ja darum, dass JEDE notwendige, beherrschte und zumutbare Hilfe geleistet wird (und nur diese!). Insofern ist das Konstrukt einer unterlassenen Hilfeleistung ein sicherlich eher theoretisches Problem, da man als RA selbst in Grenzfällen eigentlich (fast) immer mit einer Unzumutbarkeit aus der Sache herauskommen dürfte.


    Am Ende sind wir schlicht und einfach wieder beim Patienteninteresse. Ist es im Patienteninteresse, auf ärztliche Weisung (und nichts anderes stellt eine SOP dar), den Risiken einer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ineffektiven Maßnahme ausgesetzt zu werden, wenn gleichzeitig eine durch den RA beherrschte und effektive Lösung zur Verfügung steht?

  • Die Argumentationen der von Dir genannten Herren sind mir durchaus im Einzelnen bekannt. Wie Du selbst schon schreibst, ziehen einige von ihnen wüste Schlüsse; wer mit wüsten Schlüssen argumentiert, ist aber auch nicht "im Grundsatz durchaus nachvollziehbar", wie Du schreibst. Soweit in diesen Argumentationen keine wüsten Schlüsse zum Einsatz kommen, sprechen immer noch einige Gründe dagegen, sich ihnen anzuschließen. Und das gilt für alle mir bekannten Begründungsansätze, mit denen eine Anwendbarkeit des Heilpraktikergesetzes verneint wird. Sie argumentieren alle vom gewünschten Ergebnis her.


    Den Richter in Mayen kann ich anhand der veröffentlichten Urteilsgründe als juristische Instanz nicht ernstnehmen. Vielleicht gibt es noch andere Gründe für seine Entscheidung, das weiß ich nicht. Jedenfalls meine ich - obwohl ich mit solchen Einschätzungen immer vorsichtig bin - dass gute Chancen bestanden hätten, das Urteil auf dem Rechtsweg aufzuheben.

  • Wäre es nicht eher im Patienteninteresse, wenn - statt einer Regelkompetenzkonstruktion mit vielen Auflagen, vielen "Kleinfürsten" ala ÄLRD etcv - auf jedem RTW ein Notarzt säße?


    Think big! :thumbup:


  • Nein, da hast Du wohl recht ;-) Aber im Kern geht es ja darum, dass JEDE notwendige, beherrschte und zumutbare Hilfe geleistet wird (und nur diese!). Insofern ist das Konstrukt einer unterlassenen Hilfeleistung ein sicherlich eher theoretisches Problem, da man als RA selbst in Grenzfällen eigentlich (fast) immer mit einer Unzumutbarkeit aus der Sache herauskommen dürfte.


    Am Ende sind wir schlicht und einfach wieder beim Patienteninteresse. Ist es im Patienteninteresse, auf ärztliche Weisung (und nichts anderes stellt eine SOP dar), den Risiken einer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ineffektiven Maßnahme ausgesetzt zu werden, wenn gleichzeitig eine durch den RA beherrschte und effektive Lösung zur Verfügung steht?


    Welche vom RA beherschte und effektive Lösung steht denn zur Verfügung?

  • Den Richter in Mayen kann ich anhand der veröffentlichten Urteilsgründe als juristische Instanz nicht ernstnehmen. Vielleicht gibt es noch andere Gründe für seine Entscheidung, das weiß ich nicht. Jedenfalls meine ich - obwohl ich mit solchen Einschätzungen immer vorsichtig bin - dass gute Chancen bestanden hätten, das Urteil auf dem Rechtsweg aufzuheben.


    Manchen Teil der Urteilsbegründng halte auch ich für durchaus angreifbar. Dennoch: Zumindest die beklagte Partei hat den Richter & seine Urteilsbegründun so ernst genommen, dass auf eine Berufung verzichtet wurde. Und hierfür wird es kaum andere Gründe geben -schließlich unterstellen böse Zungen der Beklagten eine außerordentliche Prozessfreudigkeit :-)

  • Wäre es nicht eher im Patienteninteresse, wenn - statt einer Regelkompetenzkonstruktion mit vielen Auflagen, vielen "Kleinfürsten" ala ÄLRD etcv - auf jedem RTW ein Notarzt säße?


    Think big! :thumbup:

    Ohne Frage, klares "Ja", sofern es sich um einen gut ausgebildeten und erfahrenen Notarzt handelt. Das ist sicher so. Fragt sich nur, in wie weit eine Umsetzung möglich ist & wer diese bezahlt.

  • Manchen Teil der Urteilsbegründng halte auch ich für durchaus angreifbar. Dennoch: Zumindest die beklagte Partei hat den Richter & seine Urteilsbegründun so ernst genommen, dass auf eine Berufung verzichtet wurde. Und hierfür wird es kaum andere Gründe geben -schließlich unterstellen böse Zungen der Beklagten eine außerordentliche Prozessfreudigkeit :-)


    Wie gesagt, mit Ferndiagnosen muss man vorsichtig sein. Es könnte aber sein, dass der Beklagten die Schwächen der Entscheidung nicht recht deutlich waren / gemacht wurden.


    Ist im Nachhinein jedoch egal.

  • Nun, wenn schon wir beiden Krankenwagenfahrer die eine oder andere vermeintlich Schwäche finden, hätte das auch dem Rechtsbeistand der Beklagten gelingen sollen. Insofern vermute ich eher, dass da andere Gründe ausschlaggebend waren...

  • Naja, Schmunzel ist Hauptberuflich etwas was man nur nach einem abgeschlossenen Jurastudium sein kann, daher maximal noch Freizeitkrankenwagenfahrer....

  • Über Schmunzels derzeitige Tätigkeit bin ich mir schon im Klaren, schließlich bereichert er das Forum schon seit geraumer Zeit mit seinem juristischen Sachverstand & daher schätze ich Ihn auch sehr als Sparringspartner ;-) Wobei es mir lieber wäre, wenn wir einer Meinung wären...aber vielleicht ist das im Verlauf der kommenden Jahre ja noch hinzukriegen :beer:


    Nur am Rande, da ich bis heute die eigentlich aus Gründen der Höflichkeit gebotene Vorstellung schuldig geblieben bin: Auch ich bin seit Abschluss meines BWL-Studiums nur noch nebenberuflich im RD tätig.


    Freizeitkrankenwagenfahrer ist ein ziemlich hässliches Wort, welches ich mit negativen Assoziationen verbinde...

  • Kann mir jemand einen Tipp geben, wie oder wo ich die Urteile bzw. Urteilsbegründungen zu den beiden diskutierten Fällen (Mayen und Elmshorn) bekommen kann?