Kreis Oder-Spree: Rekommunalisierung des Rettungsdienstes

  • Das schon. Aber auch darüber, dass diese bei öffentlichen Aufgaben besser der Verwaltung gegenüber verantwortlich sind als einem fiktiven Shareholder Value?


    Der fiktive shareholder value ist solange sehr konkret, wie die shares alle von einem holder geholdet werden, denke ich.


    Betriebsführung und Betriebsprüfung sind zweierlei paar Stiefel!


    Natürlich. Aber auch, wenn mir ein Betrieb selbst gehört, muss ich ihn prüfen und dazu geeignetes Fachpersonal vorhalten. Oder ich kaufe die Leistung extern dazu - was aber von der Gesellschaftsform unabhängig ist.

  • Aber auch, wenn mir ein Betrieb selbst gehört, muss ich ihn prüfen und dazu geeignetes Fachpersonal vorhalten.


    Wenn er mir "gehört", als Verwaltung bekomme ich a) das notwenige Budget für dieses Personal bzw. kann es mir selbst bewilligen b) gingen die Fachkräfte mit der Bahn aus dem Staat zum Privaten anbieter c) war nie geplant das die Bahn so lange in Staatseigentum war, also hat man da auch erst sehr spät über diese Probleme nachgedacht

  • Wenn er mir "gehört", als Verwaltung bekomme ich a) das notwenige Budget für dieses Personal bzw. kann es mir selbst bewilligen


    Kann der Staat jetzt auch...


    b) gingen die Fachkräfte mit der Bahn aus dem Staat zum Privaten anbieter


    Gegangen sind wohl diejenigen, die den Betrieb führen. Die Betriebsprüfer - in dem Sinne, wie Du sie meinst, also vom Unternehmen unabhängig - sitzen nach wie vor in irgendeinem Ministerium (rum).


    c) war nie geplant das die Bahn so lange in Staatseigentum war, also hat man da auch erst sehr spät über diese Probleme nachgedacht


    Ein für die öffentliche Verwaltung nicht ganz untypisches Problem. Zu deren Ehrenrettung muss man aber sagen, dass auch in der Privatwirtschaft manchmal erst über Probleme nachgedacht wird, wenn sie da sind. Was ja irgendwie auch symphatisch ist.

  • Der fiktive shareholder value ist solange sehr konkret, wie die shares alle von einem holder geholdet werden, denke ich.


    Witzigerweise zeigt die Bahn das genaue Gegenteil. Deren Führung scheint es relativ egal zu sein, was die Vertreter ihrer Shares so sagen. Ob jetzt der Tiger tatsächlich so zahnlos ist wie er scheint, oder ob hier einfach das Motto "Arroganz siegt" sich durchsetzt - keine Ahnung.

  • Den Eindruck habe ich aus der Perspektive des unbeteiligten Beobachters auch. Ich ziehe daraus zwei Schlüsse:


    Der Schwanz wackelt mit dem Hund.


    Ob das anders wäre, wenn die Bahn nicht gesellschaftsrechtlich verselbständigt wäre, wage ich zu bezweifeln.

  • Und deshalb kann er einen solchen Betrieb selbst besser führen...?


    Danke!


    Nicht nur hier, auch wenn die Rückbesinnung einiger Städte auf ihre Stadtwerke da Bände spricht. Ganz deutlich sieht man die Probleme bei der Privatisierung staatlicher Aufgaben m.E. bei den Wasserwerken, hier haben sich einige Städte unglaublich über den Tisch ziehen lassen mit Verträgen nach dem Motto Risiken trägt die Stadt, Gewinne fährt der Private ein. Die überwiegenden Vorteile derartiger Verträge zahlt der Endverbraucher des Monopolisten. Beispiele derartiger Praxis lassen sich regelmäßig kritischen Beiträgen entnehmen, bspw. in der ZEIT oder dem Greenpeace Magazin.


    Das beste Beispiel dafür, dass der Staat ein schlechter Unternehmer ist...

  • Der Staat hat einfach einen anderen Fokus wenn er einen Betrieb leitet. Während ein privater Unternehmer nach Gewinn strebt versucht der Staat durch ein Unternhemen ein Produkt oder eine Dienstleistung zu erstellen die dem Gemeinwohl dient. Dabei sind dann so Sachen wie Nachhaltigkeit, Zuverlässigkeit und gleicher Zugang für jeden im Vordergrund. Das beste Beispiel sind hier die Post und die Telekom. Die Versorgung mit Postdienstleistungen außerhalb von Städten hat sich massiv verschlechtert. Nicht nur das die Postämter dicht sind, sondern auch das es nur noch wenige Briefkästen gibt und das der Postbote keine Briefe mehr mitnimmt. Die Telekom hat die ländlichen Regionen nicht mit Breitbandanschlüssen ausgestattet.


    Zitat

    Danke!


    Bitte! Und dem weiteren Gang des Argumentes bitte folgen.



    Zitat


    Mal ganz trocken gesagt, wo war der Fehler des Kreises? Den wie das Arbeitsgericht bestätigt hat, handelte es sich um einen Betriebsübergang. Also müssten die neuen, nicht schlechten Unternehmer für diese Gelder aufkommen. Oder was genau hätten Sie in den Ausschreibungsunterlagen anders machen sollen?


  • Der weitere Gang des Argumentes I:


    Das ist der Markt. Die Dienstleistung pro Stück verursacht auf dem Land mehr kosten als in der Stadt (Stückkosten). Gleichzeitig ist der ländliche Konsument (scheinbar) nicht bereit mehr für die Dienstleistung zu zahlen, somit wird sie nicht mehr oder nur in abgespeckter Form angeboten. Trotzdem schafft es ein Privatunternehmen mit Innovationen (Briefmarke per SMS) diese Bevölkerung zu erreichen. Eine solche Entwicklung traue ich leider einer öffentlichen Organisation nicht, unter nur unter massiven Beratereinsatz, zu.


    Der weitere Gang des Argumentes II:


    Der Kreis musste die Kosten übernehmen, da die Bekanntgabe des Ausschreibungsergebnisses und der Übergabe nur wenige Wochen auseinander lagen. Hier reichte die Zeit nicht aus um entsprechend fristgerecht, betriebsbedingt zu kündigen. Das Urteil des LAG Köln wurde erst später gefällt.


    Viele Grüße

  • Das ist der Markt. Die Dienstleistung pro Stück verursacht auf dem Land mehr kosten als in der Stadt (Stückkosten). Gleichzeitig ist der ländliche Konsument (scheinbar) nicht bereit mehr für die Dienstleistung zu zahlen, somit wird sie nicht mehr oder nur in abgespeckter Form angeboten.


    Nun solange es den aus Art. 20 GG abgeleiteten Anspruch auf gleichwertige Lebensverhältnisse gibt, leuchtet mir das auch nicht ein warum die dafür mehr bezahlen sollen. Schließlich sind Post- und Telekomunikationsleistungen ein wichtiges Gut um sich frei entfalten zu können.


    Zur Thematik der DSL Anschlüße hast du nichts gesagt, und stell dir vor, ich verbringe sehr viel Zeit in einem Haus in dem es keinen Handyempfang gibt. Hier kann ich keine Briefmarke kaufen :)



    Das mit den Kündigungsfristen habe ich irgendwie überlesen und du hast recht dass dies dumm war.


  • Der Kreis musste die Kosten übernehmen, da die Bekanntgabe des Ausschreibungsergebnisses und der Übergabe nur wenige Wochen auseinander lagen. Hier reichte die Zeit nicht aus um entsprechend fristgerecht, betriebsbedingt zu kündigen. Das Urteil des LAG Köln wurde erst später gefällt.


    ...was bedeutete, dass der Kreis in Vorkasse gehen musste. Mehr nicht. Langfristig waren dies Kosten, welche die neuen Leistungserbringer zu zahlen hatten. Kündigungen waren ja eigentlich (Betriebsübergang) weder möglich noch nötig.

  • Nun solange es den aus Art. 20 GG abgeleiteten Anspruch auf gleichwertige Lebensverhältnisse gibt, leuchtet mir das auch nicht ein warum die dafür mehr bezahlen sollen.


    Weil es erstens keinen solchen Anspruch gibt und das, was Du meinst, zweitens schon gar nicht in Art. 20 GG steht. Du meinst Art. 72 Abs. 2 GG. Da steht allerdings gleichwertig und nicht gleichartig.

  • Sorry, aber in die ganz feine Haarspalterei will ich mich nicht einlassen.



    Insgesamt bleibe ich bei meiner Aussage dass gut strukturierte Ausschreibungen ein Gewinn für den Rettungsdienst sein können.



    Letztendlich bleibt einer Komune wohl auch nur der Weg der Rekomunalisierung um dieser Pflicht zu entgekommen. Ob dies nun der richtige Weg ist wage ich zu bezweifeln. Will man jedes Gut das einem großen Teil der Bevölkerung wichtig ist staatlich reglementieren, so kommen wir wieder in die Planwirtschaft und weiter gedacht, in sozialistische Systeme.



    Wir brauchen in allen Teilen des Gesundheitswesens (nicht nur im RD) einen stärkeren Wettbewerb und nicht nur Besitzstandswahrung.



    Viele Grüße

  • Wir brauchen in allen Teilen des Gesundheitswesens (nicht nur im RD) einen stärkeren Wettbewerb und nicht nur Besitzstandswahrung.

    Wettbewerb wie im herkömmlichen Markt ist im Gesundheitswesen aber nicht eins zu eins umsetzbar. Das ergibt sich schon aus der Tatsache, dass der "Kunde", der Patient nämlich, dringend auf die "Ware" angewiesen ist und nicht die Entscheidungsfreiheit hat, etwas nicht in Anspruch zu nehmen. Und wenn dann eine bestimmte Leistung auch nur von einem einzigen Anbieter zur Verfügung gestellt wird (z.B. Rettungsdienst, bestimmte Medikamente usw.), dann ist eine staatliche Reglementierung unumgänglich.

  • Weil es erstens keinen solchen Anspruch gibt und das, was Du meinst, zweitens schon gar nicht in Art. 20 GG steht. Du meinst Art. 72 Abs. 2 GG. Da steht allerdings gleichwertig und nicht gleichartig.


    Danke, das war ein Fehler in meinen Rechtsunterlagen, der bekannt war, ich aber übersehen habe.

  • Wettbewerb wie im herkömmlichen Markt ist im Gesundheitswesen aber nicht eins zu eins umsetzbar. Das ergibt sich schon aus der Tatsache, dass der "Kunde", der Patient nämlich, dringend auf die "Ware" angewiesen ist und nicht die Entscheidungsfreiheit hat, etwas nicht in Anspruch zu nehmen. Und wenn dann eine bestimmte Leistung auch nur von einem einzigen Anbieter zur Verfügung gestellt wird (z.B. Rettungsdienst, bestimmte Medikamente usw.), dann ist eine staatliche Reglementierung unumgänglich.


    Der Unterschied zu anderen Märkten ist nicht die Abhängigkeit von Produkten (bin ich bei Lebensmitteln z.B. auch) sondern von der Tatsache dass der Konsument nicht die Kosten der Leistung trägt. Diese Dreieckskonstruktion aus Leistungserbringer/Kostenträger/Leistungsempfänger verhindert in weiten Teilen echten Wettbewerb. Im Falle des Rettungsdienstes kommt noch ein vierter Teilnehmer (Rettungsdienstträger) hinzu, so dieser nicht gleichzeitig Leistungserbringer ist. Und genau hier ist die Chance ein wenig Wettbewerb zu ermöglichen, ohne den Patienten vor die Wahl mehrerer Notrufnummern zu stellen!


    Viele Grüsse


  • Der Unterschied zu anderen Märkten ist nicht die Abhängigkeit von Produkten (bin ich bei Lebensmitteln z.B. auch) sondern von der Tatsache dass der Konsument nicht die Kosten der Leistung trägt. Diese Dreieckskonstruktion aus Leistungserbringer/Kostenträger/Leistungsempfänger verhindert in weiten Teilen echten Wettbewerb. Im Falle des Rettungsdienstes kommt noch ein vierter Teilnehmer (Rettungsdienstträger) hinzu, so dieser nicht gleichzeitig Leistungserbringer ist. Und genau hier ist die Chance ein wenig Wettbewerb zu ermöglichen, ohne den Patienten vor die Wahl mehrerer Notrufnummern zu stellen!


    Der von dir genannte Punkt spielt ebenfalls eine bedeutende Rolle. Dennoch ist die "Produktabhängigkeit" nicht zu unterschätzen. Wenn ich auf ein bestimmtes Medikament angewiesen bin, dann muss ich es nehmen oder die Konsequenzen tragen (verlängerte Krankeheit, im schlimmsten Fall den Tod). Die Abhängigkeit ist existentiell. Bei fast allen anderen Produkten und Märkten habe ich Auswahlmöglichkeiten, ich könnte sogar den Markt wechseln.

  • Der Kreis Oder-Spree wird den Rettungsdienst künftig als gemeinnützige GmbH durchführen und nicht, wie ursprünglich angedacht, als Eigenbetrieb. Grund hierfür ist ein Gutachten einer Anwaltskanzlei, das Vorteile in einer gemeinnützigen GmbH bei der Bezahlung des Personals im Rettungsdienst sieht. Würde der Rettungsdienst als Eigenbetrieb durchgeführt, müssten die Mitarbeiter nach dem TVöD bezahlt werden; im Falle einer gemeinnützigen GmbH würde ein Haustarif zum Tragen kommen.
    Der Personal- und Rechtsamtsleiter der Kreisverwaltung sicherte zu, dass das Personal nicht schlechter bezahlt wird, als bei ihren bisherigen Arbeitgebern DRK und Johanniter. Angesichts der schwierigen Haushaltslage sei die Lösung der gemeinnützigen GmbH die richtige Entscheidung, so CDU-Abgeordneter Gerhard Möller. Mit großer Mehrheit hatte sich der Kreistag am Mittwoch für die Betriebsform ausgesprochen.


    Quelle: http://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/241631/

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.