Ärztemangel problematisch für Rettungswesen

  • Hmm...

    Zitat

    Mütom: Problemlösungen könnten z.B. auch technischer Natur sein.

    Zitat

    Ani: Kein Arzt in Deutschland wird einen Patienten auf diese Art behandeln.

    ...warum nicht? Wo siehst Du die Probleme?

  • Weil es nicht unseren Qualitätsansprüchen genügt, einen Patienten aus der Ferne zu behandeln. Außerdem wäre das mit großen medicolegalen Problemen verbunden. Zudem wird die Technik keine persönliche manuell-visuelle Untersuchung ersetzen können.

  • Zitat

    Mütom: ..warum nicht? Wo siehst Du die Probleme?


    Zitat

    Ani: Von Szenarien außerhalb des RTW mal ganz abgesehen (bewusstlos auf der Couch, eingeklemmt im PKW etc.).

    okay, wobei dieses Problem ja auch technisch ohne großen Aufwand gelöst werden kann. Z.B. die Fahrzeugbesatzung hat am Helm eine Kamera die für den Arzt live überträgt. Zudem besteht ja permanente Funkverbindung. Das US - Militär agiert bei ihren militärischen Aktionen ja schon seit einem Jahrzehnt so.


    Die Begründung das außerhalb des RTW eine Behandlung per Telemetrie etc. nicht möglich ist somit wohl nicht haltbar. Gäbe es noch andere Gründe, Deiner Meinung nach, die eine derartige Behandlung ablehnen lassen würde?

  • Was haltbar ist und was nicht, legen weder Du noch ich fest. Nur kenn' ich die Auffassung meiner Kollegen zu dieser Thematik besser als Du. Wenn wackelige Helmkameras dem amerikanischen Militär für ihre Zwecke ausreichen, muß das noch lange nicht heißen, daß es den Ansprüchen der deutschen Notfallmedizinern genügt. Wir fahren ja auch keine amerikanischen Autos, nur weil das in den USA schon seit Jahrzehnten üblich ist.

  • Schade Ani und das bedauer ich immer bei Dir, das sehr häufig (bin leider genauso wie Du^^) sehr schnell Totschlagargumente dann herhalten müssen.


    Also Fakt ist, man könnte Bild, Kommunikation und entscheidende Patientenwerte (EKG, RR, Sauerstoffmessung, Kapnometrie und Temperatur) heute problemlos übersenden. Die Rettungsassistenten von heute sind handwerklich z. Teil sicherlich soweit Maßnahmen durchzuführen, damit der Arzt die Werte auch erhält. Eine Kamera kann natürlich auch quasi auf den Boden gestellt werden um Verwacklungen zu vermeiden, hier kann der Arzt ja auch per Kommunikation um bestimmte bitten. Zudem kann das weiterbehandelnde Zielkrankenhaus sich ebenfalls schon sehr schnell ein Bild vom bald kommenden Notfallpatienten machen, was eine beschleunigte Therapieeinleitung ermöglichen würde.


    Erlebt habe ich es in Ansätzen schon. Reanimation im KH, der diensthabende Arzt war Rollstuhlfahrer hat somit nur delegieren können. Käme diesem System schon recht nahe, denke ich mal.


    Ein weiterer Aspekt bei dem ja tatsächlich bestehenden Ärztemangel ist dieser, das ein Arzt wesentlich flexibler mehrere Patienten innerhalb kürzester Zeit so mittherapieren könnte. Beispiel: Bagatellnotfall, Arzt schaut sich das kurz an und schaltet zu einem prioritätsmäßig wichtigeren Einsatz per Knopfdruck.


    Persönlich halte ich diese Vorstellung für gar nicht schlecht, da viele Einsätze tatsächlich gesehen von dem nichtärztlichen Personal selbstständig gelöst werden können, die Qualität der Versorgung und weiterführenden Therapie aber mit dem Zugriff auf das Wissen von Ärzten doch noch erhöht werden kann. Absolute Extremnotfälle sind bekannterweise sehr selten, hier kann dann neben der beschriebenen technischen Arztunterstützung zusätzlich ein Arzt per Zubringer an den Notfall gebracht werden. Ich denke das diese Fälle allerdings reell gesehen sehr selten sind.

  • Kennt eigentlich einer persönlich einen Notarztstandort, der wegen Ärztemangel geschlossen wurde oder ein NEF, daß wegen eines fehlenden Notarztes regelhaft nicht besetzt wird? Von Notfällen mal abgesehen (z.B. plötzlicher Erkrankung des Notarztes). Mir ist das bisher nicht bekannt.

  • Kennt eigentlich einer persönlich einen Notarztstandort, der wegen Ärztemangel geschlossen wurde oder ein NEF, daß wegen eines fehlenden Notarztes regelhaft nicht besetzt wird? Von Notfällen mal abgesehen (z.B. plötzlicher Erkrankung des Notarztes). Mir ist das bisher nicht bekannt.

    Ani, darum ging es ja nicht, natürlich hast Du recht das vermutlich kein NA - Standort geschlossen worden ist. Hier ging es um die Vision, im Falle eines sich weiter anspitzenden Notarztmangel und die Standorte tatsächlich nicht mehr rund um die Uhr besetzt werden können, ob dieses Problem z.B. auf meine Art und Weise gelöst werden könnte.
    Sprich, das Ganze wäre eher ein visionäres Gedankenspielchen.

  • Kennt eigentlich einer persönlich einen Notarztstandort, der wegen Ärztemangel geschlossen wurde oder ein NEF, daß wegen eines fehlenden Notarztes regelhaft nicht besetzt wird? Von Notfällen mal abgesehen (z.B. plötzlicher Erkrankung des Notarztes). Mir ist das bisher nicht bekannt.


    Beispiel 1


    Beispiel 2


    Beispiel 3


    Meinst du solche Beispiele oder meinst du Standorte, wo das NEF komplett eingestampft wurde?

  • Ich hätte da einige Beispiele - sowohl für regelmäßig nicht besetzte NEF als auch für Standorte, die ganz aufgegeben wurden (so z.B. im Landkreis Cochem-Zell an der Mosel, die "ehemaligen" Standorte Cochem und Zell wurden aufgegeben. Jetzt gibt es nur noch einen Standort in Senheim, der - einmalige Konstruktion - durch den DRK LV Rheinland-Pfalz betrieben wird).


    Infos zum Standort: http://mayen-koblenz.drk.de/an…ttungswachen/senheim.html


    Im nicht allzu weit entfernten Bereich um die Gemeinde Morbach wurde die Versorgung bisher mehr schlecht als recht durch niedergelassene "Selbstfahrer" aufrechterhalten, auch dieses System steht unmittelbar vor dem Kollaps (eigentlich ist das System schon kollabiert...).


    Weiterhin steht derzeit im Landkreis Altenkirchen die Schließung eines Notarztstandortes zur Diskussion, da regelmäßig Standorte abgemeldet werden und teilweise kein einziger Standort im ganzen Kreisgebiet (!) besetzt ist. Im Netz finden sich reichlich Berichte zum Thema.


    Die Situation in meinem Heimatlandkreis (ebenfalls im nördlichen RLP) möchte ich nicht kommentieren - nur soviel: Gut geht anders.

  • Hallo!


    Kennt eigentlich einer persönlich einen Notarztstandort, der wegen Ärztemangel geschlossen wurde oder ein NEF, daß wegen eines fehlenden Notarztes regelhaft nicht besetzt wird? Von Notfällen mal abgesehen (z.B. plötzlicher Erkrankung des Notarztes). Mir ist das bisher nicht bekannt.


    ja da gehört mein Kreis dazu!
    schon vor 4 oder 5 Jahren wurde(unser) eins von drei NEF im Landkreis aufgrund Ärztemangel stillgelegt.Das wurde dahingehend geändert, das nun von den 3 NEF immer nur 2 im Dienst sind-praktisch hat jeder Standort 10 Tage im Monat kein NEF.
    Mittlerweile sind bei den NEF-Diensten mindestens noch 5-10(12 Stunden-) Schichten nicht besetzt.
    Alle freien NA die organisiert waren kommen nicht wieder-bei 0-8 Einsätzen in 12 Stunden. 8)
    Und falls jemand denkt zwei reichen...Nein! Nach Durchschnittlicher Einsatzzahl und Eintreffzeit bräuchte es 3 NEF.
    Grüsse

    Wenn man tot ist, ist das für einen selbst nicht schlimm, weil man ja tot ist. Schlimm ist es aber für die anderen...
    Genau so ist es übrigens wenn man doof ist...

  • Kennt eigentlich einer persönlich [...] ein NEF, daß wegen eines fehlenden Notarztes regelhaft nicht besetzt wird? Von Notfällen mal abgesehen (z.B. plötzlicher Erkrankung des Notarztes). Mir ist das bisher nicht bekannt.


    Sind 3 Dienste/Monat "regelhaft"? Dann kenne ich das auch bei nördlichen NEF-Standorten, die nicht an ein KH angebunden sind. Weitergehende Lücken gibt es aufgrund der regional gut verankerten Notarztbörse nicht.

  • Wie wäre es denn mal damit die Leitstellenmitarbeiter vernünftig auszubilden und ihnen SOPs an die Hand zu geben?

    Na vielen Dank auch... :miffy:


    Ich stand mal hinter einem Disponenten als ein Notruf reinkam:
    "Hallo, was ist passiert? .... "Ok, wo müssen wir hin? .... Sollen wir mit oder ohne Blaulicht kommen?

    Komm mich doch mal besuchen! Ich rede so lange mit den Leuten, bis diese keine Hilfe mehr wollen... :D


    Gruß

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Imho sind SOPs und standartisierte Abfrage eher das Problem, als die Lösung. Jede Studie zu dem Thema zeigt, dass nach Einführung dieser Systeme die Alarmierungszahlen in die Höhe gehen und damit auch gleichermaßen die "falschen" Indiktionen.
    Es ist zwar mit Sicherheit sinnvoll nach einem gewissen System/Schema vorzugehen, aber letztendlich sollten Leistellenmitarbeiter wieder lernen nachzudenken und mit ihrem Verstand zu arbeiten. Fehleinsätze und Fehlindikationen wird es immer geben, aber das ist der einzig sichere Weg möglichst echte Indikationen zu erkennen und die Alarmierung somit zu optimieren.. Gleichzeitig müssen ihre Vorgesetzten die getroffenen Entscheidungen natürlich auch verteidigen (wollen) udn hinter ihren Mitarbeitern stehen. Sonst sagt A nämlich wieder ich schicke immer nen RTW+NEF weil B mich sonst verklagt wenn doch mal was schief geht und sich C nicht dafür interessiert...
    Also, weniger Technik, mehr Verstand!

  • Imho sind SOPs und standartisierte Abfrage eher das Problem, als die Lösung. Jede Studie zu dem Thema zeigt, dass nach Einführung dieser Systeme die Alarmierungszahlen in die Höhe gehen und damit auch gleichermaßen die "falschen" Indiktionen.
    Es ist zwar mit Sicherheit sinnvoll nach einem gewissen System/Schema vorzugehen, aber letztendlich sollten Leistellenmitarbeiter wieder lernen nachzudenken und mit ihrem Verstand zu arbeiten. Fehleinsätze und Fehlindikationen wird es immer geben, aber das ist der einzig sichere Weg möglichst echte Indikationen zu erkennen und die Alarmierung somit zu optimieren.. Gleichzeitig müssen ihre Vorgesetzten die getroffenen Entscheidungen natürlich auch verteidigen (wollen) udn hinter ihren Mitarbeitern stehen. Sonst sagt A nämlich wieder ich schicke immer nen RTW+NEF weil B mich sonst verklagt wenn doch mal was schief geht und sich C nicht dafür interessiert...
    Also, weniger Technik, mehr Verstand!


    Der beste Beweis dafür ist die Berliner Feuerwehr. Seit der Einführung von SNAP (Standartisiertes Notrufabfrageprotokoll) ist die Zahl der NA-Alarmierungen ziemlich gestiegen. Allerdings erreicht das NEF in 38% der Fälle nicht mal mehr den Einsatzort, weil es vorher vom RTW abbestellt wird.


    Ich bin der Meinung, dass man die Entscheidungsfindung der Disponenten nicht durch ein Computerprogramm einschränken sollte. Sonst könnte man da ja jeden hinsetzen, der der deutschen Sprache mächtig ist und ein Telefon bzw. einen PC bedienen kann. Jeder Einsatz sollte individuell bewertet werden und dementsprechende Rettungsmittel alarmiert werden.

  • Ich bin der Meinung, dass man die Entscheidungsfindung der Disponenten nicht durch ein Computerprogramm einschränken sollte.


    Computer-Systeme können nur so gut sein, wie die Leute, die sie aufsetzen und in das entsprechende Rettungsdienst-System integrieren.
    Seltsamer Weise funktionieren standardisierte Abfragesysteme in vielen Rettungsdienst-Systemen problemlos.



    onst könnte man da ja jeden hinsetzen, der der deutschen Sprache mächtig ist und ein Telefon bzw. einen PC bedienen kann.


    Plus mindestens eine Fremdsprache und entsprechend geschult, why not?
    Möglicherweise stellt das weitreichende medizinische Fachwissen der Call-Taker beim Einsatz von strukturierten Abfrage-Systemen ein Hauptproblem dar?



    Jeder Einsatz sollte individuell bewertet werden und dementsprechende Rettungsmittel alarmiert werden.


    Nichts anderes macht man mit einer strukturierten Abfrage.
    Die Hinterlegung der entsprechenden AAO bei den jeweiligen Alarmierungsindikationen ist wiederum Sache der Systembetreuer.



    Vielleicht können mir hier die Leitstellenmitarbeiter unter den Forumianern ein paar Fragen beantworten:


    1. Nach wie viel Sekunden wird in Eurer Leitstelle im Durchschnitt ein Anruf entgegen genommen?
    2. Nach wie viel Sekunden wird in Eurer Leitstelle im Durchschnitt der Einsatzort ermittelt?
    3. Nach wie viel Sekunden wird in Eurer Leitstelle im Durchschnitt ein Rettungsmittel zu einem Notfall alarmiert?
    4. Nach wie viel Sekunden wird in Eurer Leitstelle im Durchschnitt eine Reanimationssituation erkannt und mit der Telefonreanimation begonnen?
    5. Nach wie viel Sekunden wird in Eurer Leitstelle im Durchschnitt eine "Arbeitsdiagnose" gestellt und an die ausgerückten Rettungsmittel übermittelt?
    6. Und welche Eurer Leitstelle betreibt ein kontinuierliches Qualitätsmanagement, bei dem u.a. diese Fragen laufen ausgewertet und entsprechende Anpassungen an den IT-Systemen durchgeführt werden?


    Merci schon mal für die Mühen!

  • @Ani. Ich bin wirklich gespannt, wie der Lösungsvorschlag der ärzlichen Lobbyisten aussehen wird, um den notärztlichen RD in D im jetzigen Maße aufrecht zu erhalten.


    Status quo:
    Kleine Krankenhäuser in der Fläche werden geschlossen, diese fallen als NA-Steller aus.
    Oder die Auslastung der NAs steigt, so dass der NA in der Klinik fehlt.
    Oder Die Klinik sagt, sie kann einfach keinen stellen, da dieser in der Klinik gebraucht wird. Darf sie nicht, aber was soll man machen.
    Oder die Dienstpläne bei NA-Vereinen/Gruppen sind nicht besetzt, aus vielschichtigen Gründen.


    Mehr Geld ist keine Lösung, denn auch bei Ärzten hat der Tag nur 24h, und auch Halbgötter können nicht an zwei Orten gleichzeitig sein.


    Ob Deutschkurse für Moldawier, Rumänen, Tschechen die Lösung sind?


    Veränderungen zur Zulassung des Studiums bzw. mehr Studienplätze haben frühestens in 10-15 Jahren Auswirkungen.


    Mehr Kompetenzen für Nichtärztliches Personal wird strikt abgelehnt.



    Also wie soll es funktionieren?

  • zu den interesssanten Fragen von Taubenzüchter noch ein kleiner weiterer Aspekt.


    Mittlerweile hat sich in der Notfallmedizin gezeigt, das die beschleunigte Abarbeitung eines Notfalles für den Patienten von immenser Bedeutung ist. Stay und Play ist out! Rein taktisch gesehen, hat somit der Notarzt an der Einsatzstelle an Bedeutung verloren, da mittlerweile nicht nur von den Patienten, sondern auch von den Ärzten die handwerklichen Basismaßnahmen dem Rettungsassistenten zugetraut werden. Rein die Kosten - Nutzen - Frage ist interessant, ob die notwendige Milderung von Krankheitssymptomen am Notfallort (z.B. medikamentöse Schmerztherapie bei einem HI), die in der Regel mit einer geringen Anzahl von Medikamenten erreicht werden kann, in der heutigen Zeit einen Notarzt vor Ort rechtfertigen.


    ..daher, vielleicht doch die Lösung des Problems mittels Technik?