Da folgender Beitrag aus dem Thema "Fallbeispiele - Verbrennungen" auch den Bereich Ausbildung betrifft, wird dieser zusätzlich an dieser Stelle kopiert:
ZitatAlles anzeigenguten tag.
das thema reizt ein bisschen, etwas dazu zu schreiben. warum? nun, einerseits verfüge ich über eine mehrjährige erfahrung als prüfer in verschiedenen prüfungsformen, u.a. auch RS-prüfungen. andererseits erinnert mich das geschilderte fallbeispiel an eines, das ich fast genauso auch einmal einem RS-anwärter-team gestellt habe. deswegen kann ich es hier auch leider nicht schildern, nur ein paar allgemeine ideen zu diesem thema liefern.
(1) die kandidatInnen erleben die prüfungssituation oft ganz, ganz anders als die beobachtenden. habe es schon des öfteren erlebt, dass durchgefallene, die ich nach der prüfung vor mir sitzen hatte, ganz uneinsichtig waren, weil sie dachten, "doch alles gemacht" zu haben. wo ist der haken? der haken bei der geschichte ist, dass eine erstversorgung, wie wir sie in der prüfung sehen möchten, nicht nur im durchführen und abhaken eines bestimmten massnahmenkataloges besteht. es kommt eben auch und ganz besonders darauf an, welche prioritäten man setzt, wie man (a) mit dem patienten und (b) mit dem teampartner kommuniziert und wie sicher man die BASIS-massnahmen durchführt. meistens müssen wir die kandidatInnen durchfallen lassen, weil sie bestimmte standard-vorgänge nicht sicher beherrschen. DIAGNOSTIK-BLOCK zum beispiel. so manches unterbewertete fallbeispiel hätte bei uns schon bestanden werden können, wenn das team nicht den kopf überstreckt hätte ohne mundrauminspektion, danach den kopf wieder in neutralposition bringt und im anschluss keine atmung feststellt - NUR, weil der kopf nicht überstreckt gehalten wurde. dann der griff zum beatmungsbeutel, den kopf überstreckt, und den patienten beatmet, obwohl aus der prüfungskommission wiederholt der hinweis kommt, dass der patient gegenatmet... so jemand hatte vielleicht den richtigen massnahmenkatalog im kopf und wollte ihn auch durchführen, ist dann aber über so einen stolperstein gefallen und hat sich das fallbeispiel dadurch SELBST verkompliziert.
und dann der klassiker: sympatho-adrenerge reaktion, tunnelblick, und die einzige weitere handlung des prüflings ist es, den beutel auszudrücken, obwohl sich der patient wehrt, und kalte schweissperlen abzuwerfen.
hinterher sagt so jemand gerne mal "das war aber schwer..."
lange rede, kurzer sinn - ich finde es aus der hier dargestellten schilderung des prüfungsfallbeispieles schwer, mich der hier überwiegenden meinung anzuschliessen, die prüfung wäre ungerecht gewesen [ausschliessen kann ich das natürlich auch nicht]. dazu ist die beurteilungsgrundlage HIER zu dünn.
und was die komplexität des fallbeispieles betrifft... es könnten auch 2 fallbeispiele NACHEINANDER gewesen sein. wenn die leute bei uns mit dem ansprechbaren patienten überhaupt nicht klarkommen, dann kann es durchaus eine zweite CHANCE sein, wenn der patient bewusstlos wird - ohne dass man den eintritt der bewusstlosigkeit hätte vorhersehen können. dann können die prüflinge möglicherweise nochmal was reissen... es wäre dann kein realistischer, sondern ein pädagogischer verlauf.
(2) ich habe auch bei mir selbst [im rahmen meiner ERSTEN prüfung zum RS :-)] festgestellt, dass man direkt nach der prüfung noch sehr emotional ist. man ist halt stinkig, die zeit in den sand gesetzt zu haben, nicht mit der urkunde nach hause zu fahren und nicht die nächste KTW-schicht als betreuer zu bekleiden. ich habe mir damals meine prüfungsleistung durchaus schöngeredet. und heute, im rückblick, muss ich zugeben, dass ich mich damals auch hätte durchfallen lassen.
[CAVE: sie merken, dass ich im letzten absatz NUR von mir selbst gesprochen habe]
(3) anschließen kann ich mich problemlos der ansicht, dass der prüfling ein recht darauf hat, zu erfahren, WARUM er durchgefallen ist. es ist nicht nur sinn einer prüfung, zu entscheiden, wer in die freie wildbahn darf und wer nicht. vielmehr geht es darum, den aktuellen stand der kenntnisse und fähigkeiten DARZUSTELLEN und zu sehen, WO es noch hapert. es ist nämlich auch für den prüfer befriedigend zu sehen, wenn kandidaten die anregungen beherzigt haben und in ihrer nachprüfung unter beweis stellen, dass die kritik auf fruchtbaren boden fiel.
(4) nichts ist frustrierender als eine prüfung, bei der man aufgrund der fallbeispielgestaltung nicht unter beweis stellen konnte, dass man der situation eigentlich gewachsen ist. übertrieben unkooperative "patienten" in fallbeispielen gehören da eindeutig dazu, und die sind nicht selten. es gibt da ja welche, die glauben, dass derjenige der bessere darsteller ist, der sich am extrovertiertesten auf dem boden wälzt und die mimisch spektakulärsten schmerz-grimassen hinkriegt. deshalb bin ich der ansicht, dass ein verletzten-darsteller ein [vielleicht sogar routinierter] mitarbeiter des rettungsdienstes sein sollte, der patienten so spielt, wie sie wirklich sind.
entschuldigt diesen pamphlet
vieliegrü
Höpp