Ehrenamt im Rettungsdienst - Probleme für das Hauptamt

  • Nehmen wir an, das zeitgerecht in dieser Situation "sofort" ist (Annahme daher, da unter keiner Verzögerung die notwendigen Maßnahmen im klassischen Sinn "überall" in Deutschland durchgeführt werden)


    "Zeitgerecht" würde man wohl eher mit "rechtzeitig", "früh genug" oder "zeitig" übersetzen als mit "sofort". Womit es dann wieder auf die Frage hinaus läuft, ob dem Patienten ein Nachteil entstanden ist (wenn man sich auf die mehr oder weniger wissenschaftliche Frage konzentriert, die Du weiter oben ins Spiel gebracht hast, und nicht an die Notstandslage denkt).

  • "Zeitgerecht" würde man wohl eher mit "rechtzeitig", "früh genug" oder "zeitig" übersetzen als mit "sofort". Womit es dann wieder auf die Frage hinaus läuft, ob dem Patienten ein Nachteil entstanden ist (wenn man sich auf die mehr oder weniger wissenschaftliche Frage konzentriert, die Du weiter oben ins Spiel gebracht hast, und nicht an die Notstandslage denkt).


    Das ist wohl eine Interpretationsfrage. Wenn eine Maßnahme sofort eingeleitet werden muss, weil sie sonst zu einem weiteren Schaden des Patienten führen würde, dann muss man das wohl so tun. Dazu gehört z.B. der Einsatz der CPR bei Herz-Kreislauf-Stillstand oder die sofortige Defibrillation bei beobachtetem VF Eintritt.
    Wenn ich in diesem Fall mit Zeitgerecht "früh genug" definiere, dann kann innerhalb von 4 min die Situation sich deutlich verschlechtern, in dem der Patienten einen Krampfanfall bekommt unter dem der schon hypoxische Patient weiteren Schaden nehmen kann. Dieses hätte abgewendet werden können, wenn "sofort" interveniert worden wäre. Da ich nicht weiß, wann sich eine drastische Verschlechterung des Patienten ausgehend von seiner Situation entwickelt, ist eine entsprechende Gegenmaßnahme "zeitnah" einzuleiten. Wenn diese Maßnahme natürlich nicht beherrscht wird, stehen wir vor einem Problem. Nehmen wir an, das die Maßnahme als Standardtherapie gilt, die zu erbringen wäre (Beispiel von Ani 3 Beiträge früher) und eine Erwartungshaltung gegenüber dem RettAss besteht in Form der Garantenstellung, wie sieht es dann aus?
    Gibt es dann im Vergleich einen Vorteil dem Patienten gegenüber, wenn ihm durch eine früher eingesetzte (nicht durch den NA sondern von dem RettAss) Therapie dieses erspart geblieben wäre? Welche Antwort würdest Du geben.

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  • Eigentlich kann man, was erweiterte Maßnahmen angeht rechtlich vereinfacht so zusammenfassen: Der Rettungsassistent kann, der Notarzt muß!

  • Zum Thema Maßnahmen und Pharmakotherapie ein Beispiel aus der ärztlichen Delegation:


    "Gib mal x mg von Medikament y"


    Die Erfahrung zeigt, dass diese zu gefühlt 80 % fragenden Blicken führt.
    Bei diesen Fragen folgt, dann entweder seitens des Rettungsdienstpersonals:
    "Ist das die halbe/ganze Spritze?"
    bzw. seitens des Notarztes:
    "Das entspricht z ml"


    So viel zur Realität der Pharmakotherapie im deutschen Rettungsdienst.
    Und hier geht es nicht um das Ergreifen eigenständiger Maßnahmen.

  • Eigentlich kann man, was erweiterte Maßnahmen angeht rechtlich vereinfacht so zusammenfassen: Der Rettungsassistent kann, der Notarzt muß!


    Das ist nur teilweise richtig. Sollten diese Dinge vom RettAss nachweislich beherrscht werden, dann ist aus einem "kann" sehr schnell ein "muss" im Zuge der Garantenstellung zu machen. Es besteht kein Unterschied im Zuge der Notwendigkeit einer Maßnahme (hier die Glucosegabe) bei vorhandener Zumutbarkeit zwischen RettAss und NA. Damit dieses klarer ist, muss eine solche Komponenten im neuen RettAssG verankert sein. Aus dem noch teilweise "kann" muss ein "muss" für den RettAss werden, bezogen auf die ihm zumutbaren Maßnahmen der grundsätzlichen und erweiterten Versorgungsmaßnahmen. Wenn die Intubation für den RettAss weiterhin freigegeben sein sollte, dann ist hier ein "muss" zu fordern, wenn der Patienten (Bsp. GCS <8 ohne Schutzreflexe und Einsatz für Medikamente, dennoch aber vielleicht vorhandener Kreislauf und Atmung) diese Situation präsentiert und nicht ein "ich überleg mir mal ob ich das beherrsche und dann auch mache". Das der RettAss dazu in der Lage ist, ist vom Arbeitgeber und dem RettAss selbst sicher zu stellen. Die Definition der Maßnahmen wird zukünftig noch eine interessante Fragestellung bleiben.


    So viel zur Realität der Pharmakotherapie im deutschen Rettungsdienst.
    Und hier geht es nicht um das Ergreifen eigenständiger Maßnahmen.


    Leider ist das allgegenwärtiger Alltag. Da hast Du wohl Recht. Auf das Beispiel zu kommen: Wir sprechen von Glucose i.v. bei Hypoglykämie. Wenn das nicht durch einen RettAss zu gewährleisten ist, ja dann frag ich mich, wofür es dann RettAss in diesem Rettungsdienst gibt? RettSan würden wohl ausreichen, da keine der weiterführenden theoretischen noch praktischen Kenntnisse hier zum Einsatz kommen.

  • Wie genau willst du nachweisen ob der betreffende die notwendigen Fertigkeiten besessen hat?


    Das ist derzeit schwierig, da es keine verbindlichen Maßnahmenüberprüfungen (sog. Skill Assessments) gibt. Leider noch ein fehlendes Tool in der Qualitätsoptimierung in Deutschland.
    Hier kann aber durchaus von dem "üblichen" Standard der Versorgung durch Rettungsassistenten in Deutschland gesprochen werden. Die Frage ist, ob "man" nachweisen muss, das er die Fertigkeiten besessen hat, oder ob nicht per se davon ausgegangen werden kann, das er sie besitzen "muss".


    Also sollte die Frage lauten:
    "Muss ein RettAss in Deutschland nach derzeitigen Empfehlungen und gängiger Praxis dazu in der Lage sein, einem Patienten in der notwendigen Indikation einen i.v. Zugang zu legen und ihm darüber Glucose zu verabreichen, um die Hypoglykämie zu therapieren?"


    Diese Fragestellung gilt es zu diskutieren.
    Dafür sprechen:
    - Ausbildungsinhalte der RettAss Ausbildungskurrikula unterschiedlicher Bundesländer
    - Empfehlungen der medizinischen Leitlinien zur Therapie der akuten Hypoglykämie
    - Prüfung der RettAss Absolventen im Staatsexamen in dieser Maßnahme an einem überwiegenden Teil der Schulen in Deutschland
    - Durchführung der Maßnahme in einem überwiegenden Teil der Rettungsdienstbereiche in Deutschland


    Dagegen spricht:
    - Unsicherheit in der Maßnahme (Training müsste ggf. durch den RettAss selbst erfolgen, um Handlungsfähig zu bleiben?)
    - unzureichendes Training in der Maßnahme oder seiner Ausbildung (Notwendigkeit der Weiterbildung nicht erfüllt?)

    Einmal editiert, zuletzt von cerebralperfusion ()


  • Ob es nicht zeitgerecht war, kannst Du doch anscheinend nicht feststellen, weil es dazu keine Angaben gibt. Letztlich lassen sich alle drei Fragen nur mit "Wissen wir nicht" beantworten, richtig?


    "Wissen wir nicht" klingt (zumindest für mich) ein wenig nach "es gibt keinen Beweis, also macht es wenig Sinn, sich darüber Gedanken zu machen". Ich werfe mal mögliche Alternativantworten in den Raum: Die Frage, "Wie lange hat es gedauert?" könnte man auch mit "möglicherweise zu lange" und die Frage "Hat der Patient dadurch einen Schaden erlitten?" mit "durchaus denkbar" beantworten. Eine ganz andere Ausgangsbasis für alle nachfolgenden Überlegungen...


    Auf das Beispiel zu kommen: Wir sprechen von Glucose i.v. bei Hypoglykämie. Wenn das nicht durch einen RettAss zu gewährleisten ist, ja dann frag ich mich, wofür es dann RettAss in diesem Rettungsdienst gibt?


    Die Frage ist nicht ganz unberechtigt...! Wenn solche "Basics" nicht beherrscht & konsequent durchgeführt werden, hat der entsprechende Mitarbeiter auf einem RTW ganz sicher nichts verloren. Zumindest das Legen eines venösen Zuganges sollte selbst für einen RS elementarer Standard sein, und bei uns ist es das Gott sei Dank auch.

  • Die Frage ist nicht ganz unberechtigt...! Wenn solche "Basics" nicht beherrscht & konsequent durchgeführt werden, hat der entsprechende Mitarbeiter auf einem RTW ganz sicher nichts verloren. Zumindest das Legen eines venösen Zuganges sollte selbst für einen RS elementarer Standard sein, und bei uns ist es das Gott sei Dank auch.


    Diesem stimme ich persönlich zu, doch ist das auch in Berlin so? Ich behaupte nein und das beruht auf Erfahrung mit dem Rettungsdienst, Gespräche mit vielen Kollegen und den eben erwähnten Protokollen. Hier gilt die Frage: Wie will der Rettungsdienst in Berlin hier eine, für den Patienten und die Qualität, gerecht werdende Veränderung herbeiführen?

  • Diesem stimme ich persönlich zu, doch ist das auch in Berlin so? Ich behaupte nein und das beruht auf Erfahrung mit dem Rettungsdienst, Gespräche mit vielen Kollegen und den eben erwähnten Protokollen. Hier gilt die Frage: Wie will der Rettungsdienst in Berlin hier eine, für den Patienten und die Qualität, gerecht werdende Veränderung herbeiführen?


    Wenn die notärztliche Abdeckung wirklich gut ist (und unter der Prämisse, dass man auch langfristig am gegenwärtigen System festhalten möchte...), sehe ich keine Notwendigkeit von Veränderungen. Weite Teile von Nordrhein-Westfalen und einige deutsche Großstädte (insbesondere Berlin und Hamburg) scheinen hinsichtlich der notärztlichen Abedeckung "Inseln der Seligen" zu sein. Abseits dieser Gebiete sieht die Welt oft anders aus. In weiten Teilen meines Heimat (Bundes-) landes käme man mit den Berliner Strukturen wahrscheinlich nicht allzu weit...


  • Das ist nur teilweise richtig. Sollten diese Dinge vom RettAss nachweislich beherrscht werden, dann ist aus einem "kann" sehr schnell ein "muss" im Zuge der Garantenstellung zu machen. Es besteht kein Unterschied im Zuge der Notwendigkeit einer Maßnahme (hier die Glucosegabe) bei vorhandener Zumutbarkeit zwischen RettAss und NA.




    Das ist derzeit schwierig, da es keine verbindlichen Maßnahmenüberprüfungen (sog. Skill Assessments) gibt. Leider noch ein fehlendes Tool in der Qualitätsoptimierung in Deutschland.



    Du merkst, daß Du Dich hier wieder mal widersprichst? Bei Rettungsassistenten bleibt es derzeit definitiv beim "kann", was erweiterte Maßnahmen (z.B. Medikamentengabe) angeht.

  • Du merkst, daß Du Dich hier wieder mal widersprichst? Bei Rettungsassistenten bleibt es derzeit definitiv beim "kann", was erweiterte Maßnahmen (z.B. Medikamentengabe) angeht.


    Warum widerspreche ich mir hier?
    Es gibt ein Kurrikulum, eine Ausbildungsstruktur und eine Empfehlung der BÄK. Prinzipiell müssen alle RettAss die danach ausgebildet worden sind, auch diese Maßnahmen beherrschen.


    Das dieses noch zusätzlich überprüft wird, über ein Skill Assessment, ist eine andere Geschichte.
    Du wirst ja als Arzt auch nicht jährlich einmal in deinen Maßnahmen überprüft. Trotzdem wird von Dir erwartet, das Du bestimmte Dinge beherrscht.
    Die Erwartung ist also abseits von einer Kontrolle zu betrachten!
    Durch die Garantenstellung hat der RettAss genauso wie der Arzt ein "muss" für bestimmte Dinge, die man von ihm erwartet.
    Das eine Einheitlichkeit und eine Überprüfung der Maßnahmen zur Sicherung der Qualität und der Patientenversorgung nicht flächendeckend vorhanden ist, ändert nichts an der Tatsache, das diese Maßnahmen erbracht werden müssen.

  • "Wissen wir nicht" klingt (zumindest für mich) ein wenig nach "es gibt keinen Beweis, also macht es wenig Sinn, sich darüber Gedanken zu machen".


    Ich hatte mich auf die Beiträge von Ani und cp bezogen, in denen es um die Erkenntnislage geht:


    Nur mal so in den Raum gestellt: gibt es eigentlich in Berlin einen meßbaren Nachteil in der Patientenversorgung oder in anderen Bereichen, wo ähnlich "spärlich" ausgerüstete RTW eingesetzt werden?


    Ich habe gerade 500 anonymisierte Notfallprotokolle des RD Berlin hier liegen, die ich gerade versuche auf die Fragestellung von Ani hin zu untersuchen.


    Als Zwischenergebnis wollte ich festhalten, dass es derzeit keine Erkenntnisse gibt. Das ist für mich zunächst einmal eine wertungsfreie Feststellung. Ich finde aber wichtig, genau das zu tun - wertfrei die Erkenntnislage festhalten -, weil das die Grundlage aller weiteren Diskussionen ist.


    Ich werfe mal mögliche Alternativantworten in den Raum: Die Frage, "Wie lange hat es gedauert?" könnte man auch mit "möglicherweise zu lange" und die Frage "Hat der Patient dadurch einen Schaden erlitten?" mit "durchaus denkbar" beantworten.


    Darüber kann man argumentieren. Aus meiner Sicht wäre allerdings die naheliegenste Vorgehensweise, die Erkenntnislage zu verbessern. Daraus lassen sich dann ggf. begründete Konsequenzen ableiten.


    Jedenfalls gilt das dann, wenn man - wie es cp vertritt - evidenzbasiert arbeiten will. Dann muss man halt erst einmal die Evidenzen prüfen.

  • Durch die Garantenstellung hat der RettAss genauso wie der Arzt ein "muss" für bestimmte Dinge, die man von ihm erwartet.


    Das kann man so allgemein nicht sagen. Ein Fahrlässigkeitsvorwurf kann im Strafrecht aufgrund zweier Umstände erfolgen. Einerseits, wenn der Rettungsassistent, Maßnahmen unterlässt, die durchschnittlichen Anforderungen genügen. Andererseits, wenn er individuelle Sonderfähigkeiten nicht einsetzt.


    Die Durchschnittsanforderungen an Rettungsassistenten bestehen darin, dem Arzt bei dessen Verrichtungen Hilfe zu leisten. So sieht es das einschlägige Ausbildungsregelwerk vor.


    Wer darüber hinaus Sonderwissen erwirbt, kann meines Erachtens in eine unangenehme Zwickmühle kommen: Ihm kann leichter der Vorwurf eines Unterlassens gemacht werden; auf der anderen Seite muss er ggf. Maßnahmen in sehr hoher fachlicher Qualität erbringen.

  • Aus meiner Sicht wäre allerdings die naheliegenste Vorgehensweise, die Erkenntnislage zu verbessern. Daraus lassen sich dann ggf. begründete Konsequenzen ableiten.


    D'accord!

  • "[..]am Notfallort bis zur Übernahme der Behandlung durch den Arzt lebensrettende Maßnahmen bei Notfallpatienten durchzuführen[..]" (§3, RettAssG)


    Der i.v.-Zugang ist Ausbildungsbestandteil genauso wie die i.v.-Gabe von Glucose. Ebenso ist die Glucose in der Empfehlung der BÄK "freigegeben".
    Meiner Meinung nach genug Gründe warum es hier schwierig ist zu argumentieren, warum man den potenziell lebensbedrohlichen Zustand nicht behoben hat.

  • h30


    Der Begriff "lebensrettende Maßnahmen" ist hier nicht näher definiert und man kann aus ihm nicht ableiten, daß der Rettungsassistent eine Glucosegabe vornehmen muß. Die Lagerung in stabiler Seitenlage wäre ebenfalls eine lebensrettende Maßnahme.



    @cp


    Interessant, die Empfehlungen der BÄK ("Notkompetenz") werden regelhaft von Dir abgelehnt, wenn Du sie allerdings brauchst, ziehst Du sie heran. Ich würde gerne sehen, wo steht, daß ein Rettungsassistent eine Medikamentengabe ausführen muß. Die BÄK spricht lediglich von Empfehlungen, ansonsten wird die Medikation des Notfallpatienten meines Wissens nirgendwo allgemein und verbindlich gefordert. Und bedenke, was Deine Forderung bedeuten würde: ich könnte demnach jedem Rettungsassistenten, der eine Hypoglykämie oder eine ventrikuläre Tachycardie nicht behandelt, wegen unterlassener Hilfeleistung drankriegen. Daß das nicht passiert liegt ganz einfach daran: Ihr müsst diese Maßnahmen nicht beherrschen.


    Und laß jetzt bitte den venösen Zugang außen vor. Ich bin auch der Meinung, daß jeder Rettungsassistent diese Maßnahme quasi als Vorbereitung beherrschen sollte. Leider scheitert es immer noch oft daran, auf der anderen Seite habe ich noch nie gehört, daß ein Rettungsdienstler deshalb Probleme bekommen hat.