USA: 55 Prozent Überlebensrate nach Herzstillstand in Seattle/King County


  • Mit dem im Kleingedruckten versteckten massiven Einschränkungen und als Teil eines ganzen Systems.
    Bin ich hier der einzige nicht-fanboy? Auch wenn man von etwas/jemanden begeistert ist, sollte man sich doch die differenzierte Bewertung erhalten.


    Ohne ein hervorragendes, präklinisches System nützt die beste innerklinische Folgebehandlung und Rehabilitation nichts. Also ja, ihre Erfolge.

  • Ansonsten finde ich das, was ich oben geschrieben habe völlig legitim. Werbung für seine Sache zu machen und zu loben passt auch gut in die amerikanische Mentalität und das ist nicht verkehrt, finde ich. Warum stellen wir uns nicht hin und zeigen auf, was wir leisten? Wenn wir in manchen Landkreisen wirklich gute Arbeit leisten - und das ist in Deutschland oft der Fall - warum publizieren wir das nicht stärker und zeigen so den Rettungsdienst als Standortvorteil in unserer Region auf? Dann würden auch Verhandlungen über zusätzliche Mittel für neue Geräte, zusätzliche Fahrzeuge und Personal vermutlich leichter fallen (Angenommen da gibt es noch eine Querfinanzierung, aber das ist ja nun auch keine Seltenheit...).


    Weil Eigenwerbung und Eigenlob in der Regel meistens dazu dienen, den eigenen Anteil an irgendwelchen Dingen überzubetonen und das alleinige Verdienst zu beanspruchen. Wie man hier schön sehen kann: Alles was nach der Einlieferung stattfand, schreibt sich einfach der EMS zu. Unklar ist, was eigentlich im KH so getrieben wurde, also ob man z.B. auch da seine Prozesse verbessert hat

  • Es handelt sich um eine Statistik für beobachtete Kreislaufstillstände mit der zusätzlichen Einschränkung: der erste abgeleitete Rhythmus sollte eine VT, oder ein Kammerflimmern sein. Die guten Zahlen können bei diesen Subgruppen nicht unbedingt verwundern, erst recht weil King County anscheinend ein Leuchtturm in den USA ist. Interessanter aus Public Health Sicht wären jedoch die Zahlen der Patienten die mit einem guten neurologischen Outcome bei beobachtetem Kreislaufstillstand (ohne Einschränkung auf den initial abgeleiteten Rhythmus) entlassen werden und auch noch mindestens 1-5 Jahre später leben. Trotzdem sicher gute Zahlen, keine Frage.




  • Es handelt sich um eine Statistik für beobachtete Kreislaufstillstände mit der zusätzlichen Einschränkung: der erste abgeleitete Rhythmus sollte eine VT, oder ein Kammerflimmern sein. Die guten Zahlen können bei diesen Subgruppen nicht unbedingt verwundern, erst recht weil King County anscheinend ein Leuchtturm in den USA ist. Interessanter aus Public Health Sicht wären jedoch die Zahlen der Patienten die mit einem guten neurologischen Outcome bei beobachtetem Kreislaufstillstand (ohne Einschränkung auf den initial abgeleiteten Rhythmus) entlassen werden und auch noch mindestens 1-5 Jahre später leben. Trotzdem sicher gute Zahlen, keine Frage.


    Genau, jediglich "witnessed VF-arrests" (meist mit "bystander CPR") machen die erfassten 55% aus!.


    Als kleines Beispiel
    Vor >10 Jahren sah es in unserem RD-Bereich (suedlicher Landkreis King) bei einer Einwohnerdichte von ca. 700.000 folgendermassen aus:


    2001 und 2002 - Einsatzgebiet von King County MEDIC ONE (Nicht mit BF Seattle, BF Bellevue, BF Shoreline, BF Redmond oder gar BF Vashon Island MEDIC ONEs zu verwechseln!):


    CPRs Ingesamt: 910
    Entlassen: 14% (123)


    CPRs cardiac etiology: 563
    Entlassen: 17,9% (101)


    Primaeres VF: 196
    Entlassen: 39,3% (77)


    PEA/Asystolie: 367
    Entlassen: 6,5% (24)


    CPRs non-cardiac: 347
    Entlassen: 6,3% (22)


    Michael
    KCM1

  • Wenn cp das jetzt lesen könnte, würde ihn das ganz schön ernüchtern. ;-)


    Danke für die Informationen, dammedic!

  • Das sind jetzt alles keine überraschenden Zahlen, wenn man sich mit Statistikauswertungen zur Reanimationserfolgsrate beschäftigt. Neuere Zahlen (2006-2007) aus King County sind übrigens hier zu finden: Nichol G, Thomas E, Callaway CW, et al. Regional variation in out-of-hospital cardiac arrest incidence and outcome. JAMA 2008;300:1423–31.
    Und auch anderweitig hinreichend publiziert. Über 50 % survival to discharge bei OHCA mit witnessed vf berichten in den USA inzwischen schon einige Kreise, aber das macht die Zahlen nicht weniger beeindruckend.
    In den internationalen Kontext gezogen sind das immer noch herausragende Zahlen. Nicht das wir uns da in Europa (oder Deutschland) verstecken müssten, aber die "magischen" 50 % wurden hier noch nicht geknackt und ich glaube auch nicht, dass das in absehbarer Zeit passieren wird.
    Vergleichsstudie, die wir hier im Forum schon mal gepostet hatten: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20828914


    Dass das immer nur ein kleiner Anteil ist, den man mit VT/VF antrifft ist klar. Aber auch hier weiß man, dass unter anderem die Eintreffzeit der ersten Einheit maßgeblich mitbestimmt wie hoch dieser Anteil ist. Davon abgesehen, dass man auch andere Faktoren mit berücksichtigen muss wie schwer beeinflussbare lokale Gegebenheiten (z.B. die Einnahme von ß-Blockern in der Patientenpopulation,...)


    Also: Man kann sich nicht hinstellen und denken, dass 50 % survival to discharge bei witnessed vf bedeutet, dass die Hälfte aller Reanimationspatienten gesund nach Hause geht, aber wer das tut, der liest entweder nur sehr oberflächlich oder hat sich mit der Thematik nicht auseinandergesetzt. Die Verhältnisse hier und dort kann man auch nicht eindeutig vergleichen, aber Seattle (so wie viele andere Systeme auch) zeigt eindeutig, das man in dem Bereich auf Dauer den Trend zum positiven Verbessern kann. Und wenn das dann in der insgesamten Entlassungsquote heisst, dass bei 1000 Reanimationen statt bisher 140 Patienten 160 das Krankenhaus lebend verlassen können, oder auch nur 10 mehr davon ein lebenswerten neurologischen Status dabei haben, dann sollte man alle Hebel in Bewegung setzen um das zu erreichen. Dafür fehlt nur oft der Wille und das Geld. Und für letzteres ist es durchaus legitim seine Erfolge und Ambitionen darzustellen. Im Zweifelsfall ist witnessed VF dabei eben der Parameter an dem man die größten Veränderungen sieht und was ihn zum publizieren von Daten hervorragend eignet. Dazu muss man sagen, dass was da im Bereich der OHCA-Forschung an Studien durchgeführt wird durchaus beachtlich ist (siehe z.B. https://roc.uwctc.org/tiki/roc-pub-publications)



    Ehrlich gesagt geht mir diese Abwiegelei was das angeht etwas auf die Nerven. Was mich vor allem massiv nervt ist die hier landläufig anzutreffende Meinung: "Da ist nix zu machen, die Sterben ehh alle". Zahlen wie die von Medic One, Rochester,... belegen, dass dies eben nicht so ist. Wenn ein einziger Patient mit gutem Outcome mehr das KH verlässt, wäre das schon alle Zeit und alles Geld wert.
    Die 100-Meter Läufer haben bei 9,70 Sekunden auch nicht gesagt: "Mehr ist da glaube ich nicht mehr drinnen - Lass uns einfach damit aufhören"...


    Ciao,


    Madde

    "You won't like me when I'm angry.


    Because I always back up my rage with facts and documented sources."



    The Credible Hulk.

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  • Es handelt sich um eine Statistik für beobachtete Kreislaufstillstände mit der zusätzlichen Einschränkung: der erste abgeleitete Rhythmus sollte eine VT, oder ein Kammerflimmern sein. Die guten Zahlen können bei diesen Subgruppen nicht unbedingt verwundern, erst recht weil King County anscheinend ein Leuchtturm in den USA ist. Interessanter aus Public Health Sicht wären jedoch die Zahlen der Patienten die mit einem guten neurologischen Outcome bei beobachtetem Kreislaufstillstand (ohne Einschränkung auf den initial abgeleiteten Rhythmus) entlassen werden und auch noch mindestens 1-5 Jahre später leben. Trotzdem sicher gute Zahlen, keine Frage.




    Ein guter Einwand. Ich wäre schon froh wenn ich solche Zahlen mal für meinen RD Bereich finden würde. Aber das wurde abgelehnt (die Daten überhaupt zu erheben.), schade.

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Ehrlich gesagt geht mir diese Abwiegelei was das angeht etwas auf die Nerven. Was mich vor allem massiv nervt ist die hier landläufig anzutreffende Meinung: "Da ist nix zu machen, die Sterben ehh alle". Zahlen wie die von Medic One, Rochester,... belegen, dass dies eben nicht so ist. Wenn ein einziger Patient mit gutem Outcome mehr das KH verlässt, wäre das schon alle Zeit und alles Geld wert.
    Die 100-Meter Läufer haben bei 9,70 Sekunden auch nicht gesagt: "Mehr ist da glaube ich nicht mehr drinnen - Lass uns einfach damit aufhören"...

    Hat hier zumindest doch kein Mensch ernsthaft behauptet, oder? Wenn man sich die Meldung oben im Text so mal schnell durchliest, dann ist aber trotzdem glaube ich vielen nicht auf Anhieb klar, dass hier eine Subgruppenanalyse stattgefunden hat.
    Aus Public Health Sicht würden mich übrigens nicht nur der Anstieg der Geretteten mit gutem neurologischen Outcome interessieren, sondern auch ob die Zahlen von Apallikern, oder Patienten mit schwerstwiegendem neurol. Defizit parallel angestiegen sind. Auch ist von Interesse wie es den geretteten Menschen in zB 1 Jahr geht. Beispiel: es könnte sein, dass zwar ein wenig mehr Menschen mit guten neurol. Outcome bei besserer Reanimation überleben und gleichzeitig könnte die Anzahl der Menschen mit schwerstem neurol. Defizit stark ansteigen, da wird es aus PH Sicht schon schwierig einen Benefit für die Allgemeinheit zu konstruieren (nicht für den "Einzelnen", aber um den kann es aus PH Sicht nicht gehen). Weiterhin könnte es sein, dass von den primär Geretteten zB 98 % innerhalb eines kurzen Zeitraumes nach der Entlassung trotzdem sterben. Leider alles Fragen die sich in so kurzen Meldungen und mit den begrenzten Daten nicht beantworten lassen.


    P.S: das ist kein Plädoyer für "ist eh alles egal", sondern für einen kritischeren Umgang mit klinischen Daten und für mehr patientenzentrierte Forschung unter Beachtung von patientenrelevanten Endpunkten ("Krankenhausentlassung" ist kein alleinig patientenrelevanter Endpunkt, selbst ein Anstieg der reinen Anzahl der Geretteten mit gutem neurol. Outcome wäre es alleine nicht). Alles leider teurer und aufwändiger als die einfacher zu erhebenden Parameter wie ein ROSC, oder eine KH-entlassung. So lange wie gute patientenrelevante Daten fehlen bleibt einem natürlich nichts anderes über als zu spekulieren und zu hoffen, dass mehr ROSC, mehr KH-entlassungen usw. nach Reanimation wirklich auch mehr Benefit für den Menschen bedeuten.