Verfahren gegen Notarzt und Rettungssanitäter wegen unterlassener Hilfeleistung eingestellt

  • Um die Diskussion ein wenig zu bereichern, möchte ich euch noch einige Hintergründe zu diesem Fall schildern. Zu einer Strafanzeige kam es nur deshalb, weil sämtliche Versuche im Vorfeld diesen Einsatz aufzuarbeiten an der Verweigerungshaltung der NEF-Besatzung scheiterten. Auch die zuständige Aufsichtsbehörde sah sich nicht in der Lage einzuschreiten. Dies mag möglicherweise damit zusammenhängen, dass der ärztliche Leiter dieses Rettungsdienstbereichs zugleich mit seiner Partnerschaftsgesellschaft sämtliche NEF Standorte im Hinblick auf die notärztliche Besetzung betreibt. Der vorliegend im Dienst befindlichen Notarzt ist einer der Hauptpartner dieser Gesellschaft. Der ärztliche Leiter hätte also quasi gegen seinen eigenen Mitgesellschafter vorgehen müssen.





    Die Hauptverhandlung in dieser Sache, die ich mir persönlich angeschaut habe, hat mir wieder einige Dinge vor Augen geführt. 1. Der Versuch des Vorsitzenden das Verfahren – aus Richtersicht irgendwie nachvollziehbar – möglichst schlank zu halten und keinen Sachverständigen zu laden, hat vorliegend dazu geführt, dass am Ende eigentlich nichts anderes wie eine Einstellung nach § 153 StPO herauskommen konnte. 2. Vom Lokaljournalismus in der Region sollte man nicht unbedingt eine unabhängige Berichterstattung erwarten. Wenn sich die anwesenden Journalisten schon aufregen, wenn die Staatsanwältin bei den Angeklagten nachfragt, weiß man eigentlich schon vorher, was in der Zeitung stehen wird. Jedenfalls hat die Berichterstattung nur sehr wenig mit den tatsächlichen Begebenheiten übereingestimmt.





    Zusammenfassend bin ich der Meinung, dass solch ein Fall nicht zwingend vor ein Strafgericht gehört. Vielmehr ist es Aufgabe der Aufsichtsbehörden solche Verhaltensweisen zu sanktionieren. Das Strafrecht scheint mir hierfür eine etwas zu harte Keule zu sein. Wenn aber die Aufsichtsbehörden versagen, bleibt dann eben nur die Strafanzeige. Um das Bild noch abzurunden: ich hatte mit diesem NEF (allerdings anderer Notarzt) selbst als OrgL schon einen Einsatz bei dem das NEF den Unfallort schon verlassen hatte als ich ankam. Nach genauer Sichtung und Nachbestellung des LNA mussten dann noch ein NEF, ein RTH und drei RTW nachgefordert werden. Dies alles eine Stunde nach dem Unfallereignis…

  • Warum haut man so früh ab?
    Überforderung? Oder gibts ne einsatzpauschale?



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    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • In dem Fall den ich selbst miterlebt hatte, handelte es sich um einen VU Straßenbahn contra Güterzug. Anstatt zunächst eine ordentliche Sichtung durchzuführen, hat man sich auf den am schwersten verletzten Patienten konzentriert und diesen in die Klinik transportiert. Die anderen Patienten (und 2 RTW's) hat man dann ihrem Schicksal überlassen. Erst dann haben die am Unfallort verbliebenen RTW-Besatzungen den Führungsdienst nachbestellt. Aus meiner Sicht hat man sich also entfernt, weil man offenbar grundlegende Kenntnisse des Abarbeiten eines MANV's nicht hatte.

  • Um die Diskussion ein wenig zu bereichern


    Danke!


    Zu einer Strafanzeige kam es nur deshalb, weil sämtliche Versuche im Vorfeld diesen Einsatz aufzuarbeiten an der Verweigerungshaltung der NEF-Besatzung scheiterten. Auch die zuständige Aufsichtsbehörde sah sich nicht in der Lage einzuschreiten. Dies mag möglicherweise damit zusammenhängen, dass der ärztliche Leiter dieses Rettungsdienstbereichs zugleich mit seiner Partnerschaftsgesellschaft sämtliche NEF Standorte im Hinblick auf die notärztliche Besetzung betreibt. Der vorliegend im Dienst befindlichen Notarzt ist einer der Hauptpartner dieser Gesellschaft. Der ärztliche Leiter hätte also quasi gegen seinen eigenen Mitgesellschafter vorgehen müssen.


    Dass eine ärztliche Leitung, die zumindest mit den Notärzten bzw. den Betreibern der Notarztstandorte personell verquickt ist, kaum in der Lage sein kann, ihre Aufsichts- und Leitungsaufgaben wahrzunehmen, hätte sich eigentlich auch vorher aufdrängen können ...


    Die Hauptverhandlung in dieser Sache, die ich mir persönlich angeschaut habe, hat mir wieder einige Dinge vor Augen geführt. 1. Der Versuch des Vorsitzenden das Verfahren ? aus Richtersicht irgendwie nachvollziehbar ? möglichst schlank zu halten und keinen Sachverständigen zu laden, hat vorliegend dazu geführt, dass am Ende eigentlich nichts anderes wie eine Einstellung nach § 153 StPO herauskommen konnte.


    Vermutlich; ich hatte dazu ja schon etwas (ohne Kenntnis des Falles oder der Hauptverhandlung) spekuliert. :-)


    2. Vom Lokaljournalismus in der Region sollte man nicht unbedingt eine unabhängige Berichterstattung erwarten. Wenn sich die anwesenden Journalisten schon aufregen, wenn die Staatsanwältin bei den Angeklagten nachfragt, weiß man eigentlich schon vorher, was in der Zeitung stehen wird. Jedenfalls hat die Berichterstattung nur sehr wenig mit den tatsächlichen Begebenheiten übereingestimmt.


    Das gilt leider überregional genauso; Ausnahmen sind sehr, sehr selten. Ich kenne ein bis zwei wirklich gute (lokale) Gerichtsreporter, die dann aber auch nichts anderes machen. Was sonst so auftaucht und berichtet, gerade auch von überregionalen Medien, hat bestenfalls (!) nur keine Ahnung von der zu verhandelnden Sache und unserem (Straf-)Rechtssystem an sich ..


    Zusammenfassend bin ich der Meinung, dass solch ein Fall nicht zwingend vor ein Strafgericht gehört. Vielmehr ist es Aufgabe der Aufsichtsbehörden solche Verhaltensweisen zu sanktionieren. Das Strafrecht scheint mir hierfür eine etwas zu harte Keule zu sein.


    Zustimmung - wobei ich die Keule weniger für zu hart als vielmehr für ungeeignet halte. Angesichts der vorhandenen Ressourcen lassen sich solcherlei aufwendige Verfahren, deren Gegenstand bestenfalls an der Grenze der Strafbarkeit liegt, selten erfolgrecih führen.


    Wenn aber die Aufsichtsbehörden versagen, bleibt dann eben nur die Strafanzeige.


    Nicht unbedingt mit Erfolg, wie man dann sieht.


    Um das Bild noch abzurunden: ich hatte mit diesem NEF (allerdings anderer Notarzt) selbst als OrgL schon einen Einsatz bei dem das NEF den Unfallort schon verlassen hatte als ich ankam. Nach genauer Sichtung und Nachbestellung des LNA mussten dann noch ein NEF, ein RTH und drei RTW nachgefordert werden. Dies alles eine Stunde nach dem Unfallereignis?


    Großartig.


    Grüße,
    -thh

  • Im vorliegenden Fall war es m.E. wichtig den handelnden Personen Ihre Verhaltensweisen nochmals vor Augen zu führen und nach außen hin das Signal zu senden, dass ein derartiges Verhaltensmuster nicht ohne Konsequenzen bleibt. Es wäre allerdings wünschenswert gewesen, wenn dies ohne Einschaltung der StA möglich gewesen wäre.

  • Im vorliegenden Fall war es m.E. wichtig den handelnden Personen Ihre Verhaltensweisen nochmals vor Augen zu führen und nach außen hin das Signal zu senden, dass ein derartiges Verhaltensmuster nicht ohne Konsequenzen bleibt. Es wäre allerdings wünschenswert gewesen, wenn dies ohne Einschaltung der StA möglich gewesen wäre.


    Wenn man sich diese mediale Huldigung durchliest, ist die Botschaft leider nicht angekommen:


    http://tip-verlag.de/menschen-…n-unermuedlichen-einsatz/


    :bye2:

  • Zitat

    In dem Fall den ich selbst miterlebt hatte, handelte es sich um einen VU Straßenbahn contra Güterzug. Anstatt zunächst eine ordentliche Sichtung durchzuführen, hat man sich auf den am schwersten verletzten Patienten konzentriert und diesen in die Klinik transportiert. Die anderen Patienten (und 2 RTW's) hat man dann ihrem Schicksal überlassen. Erst dann haben die am Unfallort verbliebenen RTW-Besatzungen den Führungsdienst nachbestellt. Aus meiner Sicht hat man sich also entfernt, weil man offenbar grundlegende Kenntnisse des Abarbeiten eines MANV's nicht hatte.

    Haben alle verletzte Personen überlebt? Wenn ja muss es vielleicht doch kein Fehler gewesen sein. Oder andersrum, es waren noch 2 Rettungsmittel vor Ort. Manchmal ist es sehr schwierig wirklich das Richtige zu tun, vor allem wenn man schnellste Entscheidungen treffen muss.

  • Wenn es keine anderen Rot-gesichteten gab, noch Rettungsmitteln für die Anderen da waren und der Patient seine einzige Chance durch Scoop-and-run hatte, dann hört sich dieses Vorgehen abgesehen vom Bestellen des Führungsdienstes nicht so ganz falsch an.