Führerscheinentzug und Geldstrafe für selbstfahrenden Notarzt wegen Straßenverkehrsgefährdung

  • Was mich jedoch erschreckt, sind die zahlreichen unsachlichen Kommentare aus den eigenen Reihen zu diesem Thema, insbesondere auf Facebook. Dazu kommt dann noch eine völlig dämliche Umfrage zum Thema unter den Nutzern einer Seite für Rettungskräfte. Das Ergebnis lässt einerseits Rückschlüsse auf die Nutzer dieser Seite zu, andererseits zeigt es aber deutlich, wie es um die Einstellung zum Thema "Blaulichtfahrten" bei Vielen bestellt ist - sie sehen die ihnen eingeräumten Sonder- und Wegerechte als Freibrief. Diese Erkenntnis ist sicherlich nicht neu, aber nun wird sie gerade auch prozentual dargestellt. Auch wenn es fast täglich Meldungen zu Unfällen mit Einsatzfahrzeugen gibt wundere ich mich, dass nicht noch viel mehr passiert.


    :D


    Ich bin soeben auch zum Ketzer geworden nur weil ich mal im weiteren Kollegenkreis zu Neutraler Beurteilung aufgerufen habe und drauf hingewiesen habe dass bereits jeder von uns mal einen gefährlichen Fehler beim SoSi fahren gemacht hat und / oder gefährlich fahrende Kollegen aus eigener Erfahrung kennt!

    :rtw: "Rettungsdienst" sind die Typen, die zu einem kommen, wenn man etwas getan hat, wofür man eigentlich zu dämlich ist. :rtw:

  • drauf hingewiesen habe dass bereits jeder von uns mal einen gefährlichen Fehler beim SoSi fahren gemacht hat


    Merkste was?


    Die Eigen- und die Fremdbetrachtung bezüglich der Fahrweise divergieren oft ganz erheblich.
    Wenn ich auf einer Landstraße überholt habe, weil z.B. jemand vor mir abgebremst hat, dann mussten auch schonmal Fahrzeuge aus dem Gegenverkehr Platz machen.
    Vielleicht bin ich da auch ein Raser gewesen.


    Aber eigentlich soll es mir egal sein, da ich nicht vorhabe in Zukunft als Selbstfahrer tätig zu sein. Dafür gibt es dann den NEF-Fahrer.
    Der gibt halt dann 6 Monate seinen Führerschein ab und dann stellen wir uns für die Zeit halt irgendeinen anderen ein.
    Mein Problem sollte es nicht sein.


    Ich werde aber andererseits auch vehement fordern, dass wenn ich einen RTW oder ein NEF bestelle, dies innerhalb der gesetzlichen Hilfsfrist anreist.
    So steht es schließlich im Gesetz und bei Gelegenheit kann ich in meiner Freizeit auch RTWs bei ihrer gefährlichen Fahrweise anzeigen.
    Mein Problem als mündiger Bürger soll es nicht sein.
    Der Dienstleister möge den Spagat wagen, dafür zahle ich schließlich Steuern und das nicht zu knapp.


    Solidarität ist halt schon sehr schwierig...

  • Was mich jedoch erschreckt, sind die zahlreichen unsachlichen Kommentare aus den eigenen Reihen zu diesem Thema, insbesondere auf Facebook.


    Was willste erwarten? Gefühlt 70 % der Bevölkerung sind signifikante Idioten. Das spiegelt sich natürlich auch auf Facebook wider. Und gehäuft zu bestimmten Themen oder in bestimmten Zielgruppen.

  • Merkste was?


    Die Eigen- und die Fremdbetrachtung bezüglich der Fahrweise divergieren oft ganz erheblich.
    Wenn ich auf einer Landstraße überholt habe, weil z.B. jemand vor mir abgebremst hat, dann mussten auch schonmal Fahrzeuge aus dem Gegenverkehr Platz machen.
    Vielleicht bin ich da auch ein Raser gewesen.


    Mir gehts nicht drum wer Schuld hat, sondern drum dass sich die Leute mal fragen wie man sowas verhindert anstatt nun die PKW-Fahrer als Zitat: "assoziale Arschlöcher" und ähnliches zu betiteln.. wohlgemerkt öffentlich und als Rettungsdienstler geoutet!


    Und Zeitgleich sprechen wir vom Notfallsanitäter! :fool2:

    :rtw: "Rettungsdienst" sind die Typen, die zu einem kommen, wenn man etwas getan hat, wofür man eigentlich zu dämlich ist. :rtw:

  • Es ist ein Signal, dass der Justiz die Praxis die Realität des Einsatzdienstes fremd ist.


    Das mag zumindest teilweise so sein, ja. Allerdings wird auch teilweise "die Praxis des Einsatzdienstes" einfach nicht rechtskonform sein. Sich dann über "die Justiz" aufzuregen und nicht die eigene Praxis kritisch zu reflektieren, führt spätestens bei vorhandenem Justizkontakt zu unschönen Ergebnissen.


    Ein Strafbefehl erscheint im übrigen in der Regel auch nicht einfach so auf der Bildfläche. Da wird es vorher Ermittlungen einschließlich Anhörungen des Tatverdächtigen gegeben haben. Wenn man das dann nicht kompetent angehen lässt, muss man sich später eigentlich nicht wundern.


    Das alles sind abstrakte Erwägungen. ich habe keine Ahnung was im konkreten Fall passiert ist und das hält mich mometan von einer Bewertung ab.



    Die Justiz ist kein Selbstzweck, sondern sie dient dem Allgemeinwohl, da auch sie demokratisch legitimiert ist.
    Wenn wir die Wahl zwischen dem Wohl eines Kindes haben und der Rücksichtnahme bzw. Höfflichkeit im Straßenverkehr, dann sollten wir uns auf das Wesentliche konzentrieren.


    Ach bitte, könnten wir die "Es geht doch um die Kinder"-Argumentation weglassen? Ich habe auch was gegen hektische, im Kamikaze-Stil fahrende Retter jeglichen Ausbildungslevels und Beschäftigungsverhältnisses.

  • Die Kommentare unter dem RTL Beitrag (wir erinnern uns, dass N steht für Niveau), sind auch nicht besser, als solche die man auf rette... äh, 'tschuldigung, bei dem anderen genannten Machwerk findet. :shok:

    The reason I talk to myself is because I’m the only one whose answers I accept. George Carlin

  • Sich dann über "die Justiz" aufzuregen und nicht die eigene Praxis kritisch zu reflektieren, führt spätestens bei vorhandenem Justizkontakt zu unschönen Ergebnissen.


    Schön, dass man vor der deutschen Justiz gewarnt wird... :-D
    Aber mal im Ernst:
    Die Justiz spricht nicht Recht für sich, sondern für das Wohl und das Interessen der Bürger. Oder täusche ich mich da?



    Zu der Geschichte mit dem Kind:
    Diese "es geht doch um Kinder Argumentation" ist im übrigen nicht moralisch begründet, sondern medizinisch. Kinder haben pulmonal viel geringere Reserven als Erwachsene und Hypoxie ist bei Kindern die Ursache Nr.1 für einen Herz-Kreislauf-Stillstand. Die werden verdammt schnell blau und bradykard.
    Und da kommen wir zu einem Beispiel:
    Säugling lässt sich nach Einleitung weder mit der Maske beatmen, noch intubieren. Dann wurde sich relativ rasch entschlossen den Atemweg chirurgisch zu sichern.
    Dass das Kind später mal eine Tracheomalazie haben kann, ist durchaus richtig. Nur in der Situation hat man entschlossen gehandelt.
    Im Gespräch mit einer pädiatrischen Chefärztin habe ich schon gehört, dass ihrer Meinung nach Kinder verstorben sind, weil man sich retrospektiv zu spät für eine chirurgische Atemwegssicherung entschieden hat. Aus Angst vor späteren rechtlichen Konsequenzen!
    Ich möchte hier nur die Justiz bitten, reflektiert zu handeln, damit sie sich im Klaren ist, welches Gift sie da unter Umständen verstreut.
    Nicht zu handeln ist nicht nur in der Allgemeinmedizin ein Therapieansatz, sondern sollte sich in manchen Fällen die Justiz auch zu Herzen nehmen.

  • Diese "es geht doch um Kinder Argumentation" ist im übrigen nicht moralisch begründet, sondern medizinisch. Kinder haben pulmonal viel geringere Reserven als Erwachsene und Hypoxie ist bei Kindern die Ursache Nr.1 für einen Herz-Kreislauf-Stillstand. Die werden verdammt schnell blau und bradykard.
    [...]
    Nicht zu handeln ist nicht nur in der Allgemeinmedizin ein Therapieansatz, sondern sollte sich in manchen Fällen die Justiz auch zu Herzen nehmen.


    Ja, ist aber immer noch kein Grund zu fahren wie der Henker. Auch wenn ich den "Drang" als Vater von zwei kleinen Kindern sicher sehr gut nachvollziehen kann, sei er moralisch oder medizinisch begründet.
    Immer noch kein Recht zu fahren wie der letzte Henker und auch immer noch kein Grund für "die Justiz" (schöner Buchtitel übrigens, wird Nachfolger von "Die Firma") einen anderen Maßstab anzulegen.

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  • Das nennt man glaube ich rechtfertigender Notstand, so rasch wie möglich zu einem erstickenden Kind zu fahren.
    Die medizinische Notwendigkeit zur Eile bei einer solchen Meldung wird ein im Gerichtsverfahren bestellter sachverständige Gutachter sicherlich bestätigen.


    Bezüglich der Güterabwägung auf der Einsatzfahrt:
    Die konkrete Lebensgefahr bestand beim Kind. Die abstrakte Gefahr lag in der raschen Einsatzfahrt.

  • Die Justiz spricht nicht Recht für sich, sondern für das Wohl und das Interessen der Bürger. Oder täusche ich mich da?


    Also steht im Zweifel das Wohl und Interesse des einen Patienten gegen das Wohl und die Interessen der 1000 Autofahrer, denen man auf der Anfahrt begegnet.
    Deine Argumentation lässt mich unwillkürlich an Polizeiverfolgungsjagdblaulichtszenen denken, die man aus amerikanischen Actionfilmen kennt. Augen zu und durch, der böse Mann wird gestoppt, auch wenn ich unterwegs die Stadt in Schutt und Asche lege...


    Und was die Hilfsfristargumentation angeht: Da wirfst du ja jetzt ganz schön viele Aspekte durcheinander. Die Einhaltung der Hilfsfrist hängt nicht an dem einen RTW oder NEF, sondern an allen Rettungsmitteln des Bereiches im Jahresschnitt. Wenn die Hilfsfrist also statistisch nicht gehalten wird, werde ich das weder dadurch ändern, dass ich bei Alarmfahrten mehr Gas gebe, noch wird der arme Notarzt dafür belangt werden, wenn er im konkreten Einzelfall die Zeit überbietet, weil viel Verkehr war oder der Einsatzort weit weg.


    Manche Argumentationsketten überraschen mich dann doch etwas.

  • Das nennt man glaube ich rechtfertigender Notstand, so rasch wie möglich zu einem erstickenden Kind zu fahren.
    Die medizinische Notwendigkeit zur Eile bei einer solchen Meldung wird ein im Gerichtsverfahren bestellter sachverständige Gutachter sicherlich bestätigen.


    Bezüglich der Güterabwägung auf der Einsatzfahrt:
    Die konkrete Lebensgefahr bestand beim Kind. Die abstrakte Gefahr lag in der raschen Einsatzfahrt.


    Und das ist bei einem Kind anders als bei einem Erwachsenen und wenn ja, warum?

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  • Die abstrakte Gefahr lag in der raschen Einsatzfahrt.


    Die abstrakte Gefahr kann aber ganz schnell konkret werden, wenn man unterwegs jemanden über den Haufen fährt (vielleicht sogar noch ein Kind!?).
    Wenn der FSJler auf meinen Fahrersitz so argumentieren würde, gäbe es während der Anfahrt ein kurzes und nach dem Einsatz ein längeres Gespräch. Es gab in meiner mittellangen Rettungsdienstzeit sogar Einzelfälle, in denen der Rettungswagen auf der (sicher dringenden) Einsatzfahrt mal kurz rechts rangefahren ist und es zu einem Fahrerwechsel kam, nachdem konstruktive Hinweise zum Fahrverhalten ungehört geblieben waren.

  • Verarschen lassen brauche ich mich eigentlich nicht in der Diskussion.
    Hier geht es eigentlich nur im prinzipielles Kontra.


    Ich wünsche allen Anwesenden, die sich hier als Kavallier der Straße präsentieren, eine zeitnahe Anzeige und zeitnahes Fahrverbot im Kontext einer Einsatzfahrt.


    Ich ziehe mich hier aus der Diskussion zurück, schließlich bin ich nicht Mütom.


    Ein bischen mehr Solidarität für den Kollegen hätte ich mir eigentlich doch gewünscht.


  • Jetzt mal im Ernst: Es geht nicht um ein prinzipielles Contra, sondern um eine unaufgeregte Dieskussion, die sich nicht von wenig hilfreichen Emotionen leiten lässt.
    Oder schließt du wirklich aus, dass es Blaulichtfahrer gibt, deren Fahrstil (trotz größter Not) unangemessen und gefährlich ist?

  • Vorweg:
    Das Thema Einsatzfahrten als Fahrer betriff mich aktuell nicht und wird mich auch in Zukunft aktiv nicht betreffen. Daher habe ich diesbezüglich absolut kein persönliches Interesse.


    Wohl aber sehe ich hier ein Dammbruch.
    Es war in der Vergangenheit bereits zu Recht so, dass man im Falle eines Unfalls auf einer Einsatzfahrt zur Rechenschafft gezogen worden ist.


    Nun haben wir aber eine neue Situation: Es kam zu keinem Schaden. Hier tritt der Dammbruch ein. Wenn man sich dagegen nicht wehrt, wird diese Form der Rechtssprechung zur Regel. Was dann dazu führt, dass in Zukunft jeder Lenker eines Einsatzfahrzeuges durch die Nutzung von Sonder- und Wegerechte sich standardmäßig der Gefahr eines Ermittlungsverfahren aussetzen muss.
    Wer das mag und das befürwortet soll es tun. Mich wundert es, dass hier die direkt Betroffenen nichts dagegen haben.


    Ich werde nicht betroffen sein. Wenn jemand zu gefährlich fährt, dann bitte ich Ihn höfflichst rechts ran zu fahren, damit ich aussteigen kann oder ich kotze ihm gleich ins NEF.
    Jetzt bin ich aber wirklich draußen aus der Diskussion.


  • Es war in der Vergangenheit bereits zu Recht so, dass man im Falle eines Unfalls auf einer Einsatzfahrt zur Rechenschafft gezogen worden ist.


    Gottseidank ist das so.

    Nun haben wir aber eine neue Situation: Es kam zu keinem Schaden. Hier tritt der Dammbruch ein.


    Muss immer erst etwas passieren? (Wird ja auch anderswo gerne verwendet dieser Ausspruch?)
    Wenn ich mit dem Pkw privat geblitzt werde ist auch nichts passiert, trotzdem reicht die Tatsache das ich zu schnell war und vielleicht an dieser Stelle (sonst stünde da ja kein Blitzer) jemanden hätte gefährden können.
    Und nu?

    Wenn man sich dagegen nicht wehrt, wird diese Form der Rechtssprechung zur Regel. Was dann dazu führt, dass in Zukunft jeder Lenker eines Einsatzfahrzeuges durch die Nutzung von Sonder- und Wegerechte sich standardmäßig der Gefahr eines Ermittlungsverfahren aussetzen muss.
    Wer das mag und das befürwortet soll es tun. Mich wundert es, dass hier die direkt Betroffenen nichts dagegen haben.


    Da habe ich ehrlich gesagt nur wenig Angst vor.

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