Bozen - Tödliche Blutung: Rettungssanitäter verurteilt

  • Aus vielen Jahren Urlaubserfahrung in Südtirol/Alto Adige kenne ich auch den politischen Hintergrund:


    da sind die einerseits schon beschriebenen Zustände bzgl. des Einsatzes von Krankenpflegern...die Gewerkschaft lässt grüssen...obwohl das personell gar nicht zu stemmen wäre.


    Dann - jetzt bitte in die späten 40-er und frühen 50-er-Jahre zurücksspulen:

    Südtirol war traditionell deutschsprachig und fühlte sich eher Österreich zugehörig (Südtirol wurde nach dem I. WK Italien zugesprochen.

    In den späten 30-er-Jahren betrieb Mussolini eine radikale Siedlungspolitik und brachte Süditaliener in den Norden.

    Die deutschsprachigen Südtiroler wurden drangsaliert und viele sahen ihre Zukunft als Siedler in den noch zu erobernden Ostgebieten.


    Nach dem 2. WK konsolidierten sich weit bis in die 70-er-Jahre ständig wechselnde Regierungen in Rom.

    Alto Adige fand keine grosse Beachtung - wenn man von der massiven Präsenz der Carabinieri absieht.

    In den frühen 50-er-Jahren eskalierte der Streit um Autonomie und mehr Rechte sogar in Bombenanschlägen die selbst bei der UN Beachtung fanden (Feuernacht).


    Die Bevölkerung lehnte das CRI (Italienisches Rotes Kreuz) als quasi staatliche Institution ab.

    Es kam zur Gründung des Weissen Kreuzes (WK).

    In nahezu allen grösseren Dörfern entstanden Wachen - möglich durch die massive Unterstützung der Bevölkerung.

    Bzgl. der Ausbildung gab es enge Bindungen in Richtung Innsbruck usw.


    "Unterstützung" waren Sachspenden (Unterkunft, Verpflegung, Treibstoffe) und eine auch heute noch riesige Fördermitgliedschaftsbewegung.

    Damit waren Grundlagen für einen modernen Rettungsdienst mit speziellen Akzenten gegeben (VW-Allrad-KTW) sind im Einsatzgebiet sinnvoller wie RTW die in -D- noch weit bis in die 80-er-Jahre Verwendung fanden.

    Den "Notarztdienst" versahen i.d.R. die niedergelassenen Ärzte in den Dörfern.


    Alles entwickelte sich kontinuirlich fort.

    Seit den 90-er-Jahren ist das Weisse Kreuz Mitgliedsorganisation bei "Samaritan International".

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?

  • Wobei man jetzt anmerken muss, dass das CRI auch in sehr vielen anderen Regionen von Italien keine wirklich große Rolle im Rettungsdienst spielte und spielt und es eine deutlich breitere Vielfalt an sonstigen Hilfsorganisationen gibt (Verde, Misericordia, ANPAS, sind ja nur die größten, es gibt zahllose kleinere

    ) als in Deutschland - wobei in den meisten Regionen ja mittlerweile die staatlichen Gesundheitsorganisationen die Hauptlast stemmen.


    Von daher muss man hier beide Perspektiven sehen: Wir wehren uns als Notfallsanitäter ja auch (zu Recht) gegen den "Notfallrettungssanitäter" und andere Varianten der Grenzaufweichung zu unserer Ausbildung. Nichts anderes geschieht in Südtirol (und in geringerem Maße) auch in anderen Regionen.

    Nur sind in Italien, wie in vielen Süd- und Südosteuropäischen Ländern nicht nur in der klassischen Rolle der Gewerkschaft sondern auch als Berufsverband aktiv. (Wer es mal richtig krass sehen will dem kann ich Rumänien empfehlen - die haben sogar ihre eigene Hymne)

    Und ich glaube von Seiten des DBRD käme auch nicht viel Beifall für einen aufgewerteten ehrenamtlichen RS der künftig RTW und NEF alleine mit dem NA besetzen soll. (Siehe anderer Thread hier!)


    Politisch hat die Sache in Südtirol auch noch eine weitere Ebene:

    Um Krankenpfleger zu werden benötigst du einen vergleichsweise hohen Schulabschluss (mittlerweile handelt es sich ja um ein Bachelorstudiengang), dieser setzte und setzt aber gute bis sehr gute Italienischkenntnisse voraus, auch weil es im Gegensatz zum deutschsprachigen Medizinstudium in Innsbruck (hier haben Südtiroler eigene Kontingente) kein Pendant für die Pflege gab - du musstest lange entweder nach Bozen (was für viele Südtiroler ja schon quasi Rom ist) oder noch weiter nach Süden. Das hat die "infermieri" lange Zeit als "Italiener" bzw. als Teil der "Überläufer" geprägt - das Ansehen der Krankenpflege in Südtirol ist immer noch ein anderes als es in anderen Teilen Italiens ist.

    Die "Sanitäter" wurden dagegen vor Ort, im Regelfall ausschließlich auf Deutsch, ausgebildet und man kannte sie ja - sie waren "einer von uns" im Kopf vieler Einheimischer, die Konzepte wurden wie von raphael angesprochen oftmals 1:1 aus dem ähnlich schwierig strukturierten Tirol übernommen, denn ein enormer Teil v.a. der Hausärzte kam und kommt nun einmal von dieser Uni.

    Diese (Haus-)Ärzteprägung hat sich auch bis heute erhalten - und sorgt nun wieder rum dafür, dass es in Südtirol weiterhin kaum Protokolle für die infermieri gibt, dass im Gegensatz zu anderen Regionen (in denen mittlerweile nur noch Anästhesisten und Notfallmedziner als NA eingesetzt werden) weiterhin ein großer Teil der Notfallmedizin von Hausärzten betrieben wird, etc.


    Man muss daher die Rolle des weißen Kreuzes durchaus differenziert sehen - es hat sicherlich seine Berechtigung, aber die aktuelle Haltung in vielen Bereichen sorgt meiner Meinung nach eher für eine tendenziell schlechtere Versorgung als in anderen Teilen des Landes.

  • Viele vom WK Bozen sind zweisprachig (beim CRI wohl weniger) und es arbeiten auch italienische Muttersprachler dort. Die Pflege und Notärzte sollten eigentlich zweisprachig sein, das wird finanziell gefördert, ist aber nicht obligatorisch. Und nicht jeder (Patient) der in Südtirol lebt, spricht verhandlungssicher italienisch. In Bozen vermutlich schon, aber in den nächsten Dörfern schon nicht mehr. Da gibt es schnell eine Schnittstellenproblematik.

  • Übrigens, um auf den Artikel zurück zu kommen, ob hier eventuell ein Sprachproblem vorlag, geht nicht hervor.