New York: Naloxon künftig für Clubs und Bars

  • Wie oft passiert das eigentlich? Immer wieder wird davor gewarnt, aber ich habe es noch nie erlebt und auch noch nie mittelbar berichtet bekommen. Glaubhafte Daten kann ich leider auf die Schnelle nicht auftreiben... also wenn da jemand was hat/ weiß?!

    Als Ex-Bahnhofsviertel-Retter: Ist uns zwei Mal passiert.

    War jetzt kein "tot", aber wir sind zwei Mal zum gleichen Patienten hin.

    In Kurzform:

    Bekannter Polytox, jugendlicher unvernünftiger RettAss, etwas sportliche Naloxongabe(Ja, war "freigegeben") da AF von 2 und der zahnlose Mund scheiße zu beatmen.

    Naloxon tut seine Magie, Patient wacht auf, ist extrem aggro (und mit extrem meine ich extrem), haut schneller ab als wir "POL" rufen können. Mit unserer RR-Manschette am Arm. Wir also zur Wache (war ein Dispoauto=>Wache ganz woanders, steht normalerweise an einer Straßenecke), gerade wieder zurück ins Wachgebiet, "Moritz 3" (=Betrunken) im Gebüsch einer Parkanlage.

    Oh wunder, gleicher Patient, dieses Mal noch bedingt ansprechbar, aber sichtbar schlechter werdend. POL schon vor Ort, NA nachgefordert.

    Ging beim zweiten Mal im Endeffekt ohne Naloxon auf die IMC, war besser so.


    Zweiter Fall im Prinzip ähnlich, da haben allerdings die "Freunde" (die wissen meist ob der Gefahr) angerufen.


    Ich bin ehrlicher Weise mit Naloxon extrem vorsichtig geworden über die Jahre, hatte sowohl in MUC, in .ch als auch in OZ Wachgebiete wo du häufig mit Toxlern zusammen kommst & hab da echt einige somatische Nebenwirkungen miterlebt.

    U.a.:

    - Fiese Hypertonie, v.a. bei Mischkonsum mit Kokain z.B. - Pat. mit eh schon kaputt gespritzten Venen der dann einen 270er Druck hat und quasi nicht auf Urapidil & Nitro reagiert)

    - Krampfanfälle der Hölle die mit Midazolam nicht zu durchbrechen waren. Besonders scheiße wenn du in einem System arbeitest wo es keinen Plan B dazu gibt.

    - Hypotonien

    - Wir hatten in der Schweiz einen regelmäßigen Kunden der (auf eigenen Wunsch und mit seiner Erlaubnis) mit Foto auf der Wache hing - quasi ein "DO NOT GIVE THIS MAN NALOXON" da er darauf in 9 von 10 Fällen Bradykardien bis hin zur Reapflichtigkeit entwickelte. Total netter, aber total fertiger Typ.



    Zitat von Monkeyface

    Wieso kotzt er? Also zu häufige Naloxongaben sind doch mehr oder weniger egal?

    Ist es nicht. Gar nicht, leider. Denn die Dummheit der Menschen ist unergründlich.

    Denn wir reden hier von einer absoluten Laienanwendung - sprich: Da gibt jemand ein potentiell hochwirksames Medikament ohne jegliche Ausbildung.

    Wenn man in die englischsprachigen RD- Social Media Ecken so durchliest ist kaum jemand begeistert davon - umgekehrt wird sogar gefordert, dass man es den EMT-Bs wieder wegnimmt.

    Highlights die ich so erzählt bekommen habe:

    • Bewusstloser nach Trauma, POL rennt erstmal 5min zurück zum Auto (und wieder hin) um Naloxon zu holen, appliziert das, wartet, erst als nix passiert holt man einen RTW und legt den Patienten auf die Seite. Folge massive Aspiration.
    • Die Geschichten von "altered mental state" Diabetikern denen man Naloxon gegeben hat und damit z.B. bestehende Schmerzmedikaton zerhauen hat können mittlerweile wohl Bücher füllen. Gerne auch hier mit "Zuwarten",denn man will den Pat. ja lieber im "Jail" als im "RTW" und außerdem keinen RTW blockieren für einen "Junkie".
    • Dieses Verfahren, zuerst sprühen dann 911 wird übrigens von den Firmen die diese Sprays extrem offensiv bewerben tatsächlich so empfohlen. (HIER) Wohl auch unter der Befürchtung, dass die 911 Calltaker keine Gabe empfehlen könnten - das wurde versehentlich sogar mal publik. Lustiger Weise sind das tlw. die selben Firmen die auch für die Opiatkrise verantwortlich waren. Ein Schelm wer böses dabei denkt.

    • Auch ein Highlight, hier direkt von meinem Kontakt erzählt bekommen: Diabetiker, altered mental state (damit automatisch POL dazu), diese ist zuerst da, haut Naloxon rein. Patient hat zwischenzeitlich aber selber Traubenzucker genommen. Pat. klart auf, daraufhin wird sein Auto und er durchsucht weil das ja quasi der Beweis für den Konsum sei und damit "probable cause". Dort findet man wohl eine Mini-Menge Cannabis, daraufhin erfolgt keine Klinikaufnahme oder so, sondern die Verbringung in die Gefangenensammelstelle.
    • Und natürlich hast du einfach eine massive Eigensicherungsproblematik wenn du den Typen der ggf. den ganzen Tag seinen Po für den einen Schuss herhalten musste nun aus selbigen raus fixt ohne das es dies in den meisten Fällen gebraucht hätte. Denn der ist zu Recht erstmal sauer und eskaliert. Nur: Die Medics in den USA haben tlw. genauso viel Angst wie vor den Patienten. Es gab mehrere Fälle in NYC in denen RD Personal vom polizeilichen Schusswaffengebrauch verletzt oder extrem gefährdet wurden (Treffer in die O2 Flasche z.B.).
    • Und, dass darf man auch nicht vergessen: "Fentanyl" ist ein wenig eine Massenhysterie in Teilen der USA. Gerade im Bereich der Polizeien gab es mehrfach Fälle in denen mehrere Beamte bei Sichtung von weißem Pulver angeblich "highly intoxicated" waren und in die Klinik mussten - richtige Tox-MANV. Nur: Kein einziger dieser Fälle hatte nachher Opiate im Blut.
    • Insgesamt verschleiert es die Problematik halt massiv, da sehr viele Patienten "abgestempelt" werden (gerne schon Synkopen) - wer es bekommen hat und es wurde besser hat ja bestimmt Opioide genommen. So wird dann auch mal der afroamerikanische Rentner oder Student zum "Addict" in der Akte der POL. Was ein massives Problem ist, denn damit bist du für immer ein "Target", für immer besteht ein "plausible cause" für deine Durchsuchung, und schlussendlich sind diese Daten öffentlich einsehbar. Und damit kriegst du auf einmal keine gute Krankenversicherung mehr, kannst nicht mehr in gute Gegenden ziehen (die HOAs -Home owners associations- überprüfen sowas gerne), kriegste viele Jobs nicht mehr, viele Unis nehmen dich nicht mehr, usw.


    Absolut keine sinnvolle Lösung, es gibt eine Menge sehr guter Medics und Ärzte die sich massiv dagegen aussprechen - aber es wird wie gesagt gar nicht so ausgeprägt vom, in den USA sowieso sehr unterfinanzierten und unterrepräsentierten, RD gepushed sondern mehr von den Polizeibehörden, dort v.a. als "Publicity" und PR Maßnahme - ist halt gut wenn man auch mal wen rettet anstatt nur tötet-, aber auch als "Zugeständnis" an die Gewerkschaften im Sinne des "Eigenschutzes". Gleiches gilt im geringen Umfang auch für die fire departmens, allerdings sind diese in Teilen ja mit RD-Ausbildung besetzt.

  • oder wieder Schutzreflexe haben.


    In der Kontrollierten Drogenabgabe wird anscheinend praktisch nie Naloxon gegeben, sondern bebeutelt.

    Das kann ich zumindest für die Druckkammer in Münster vor 10 Jahren bestätigen, da durfte ich hospitieren. :)

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Das kann ich zumindest für die Druckkammer in Münster vor 10 Jahren bestätigen, da durfte ich hospitieren. :)

    Ein lustiges Wortspiel! Ist Druckkammer offiziell gewesen oder ein interner Slang?

  • Die Panik vor Fentanyl geht in den USA so weit, dass bisweilen Polizisten beim bloßen Anblick von weißem Pulver umkippen. Von ihren Kollegen wird dann Naloxon bis zum Abwinken verabreicht, wie hier zu sehen.

  • Jo. Neulich irgendwo eine Aussage des FBI gelesen,dass sie bis heute wohl keinen Nachweis einer Cop-Vergiftung bei normaler SchuPo gehabt hätten.

    Die einzigen die da wohl Probleme hatten waren SWAT und Undercovercops die am Verpackungsprozess beteiligt waren - quasi Allen anderen Fällen konnte man keine Opioide nachweisen oder einen langfristigen Eigenkonsum.

  • All das sind doch Probleme die auf einem ganz anderen Level liegen. Ein völlig kaputtes Polizeisystem zum Beispiel und ein völliger Mangel an Ausbildung. Ich sehe ehrlich gesagt immer noch nicht was dagegen spricht, wenn irgendein Barkeeper einen bewusstlosen und atemdepressivem (so viel Ausbildung und Diagnostik muss natürlich sein) Opiatabhängigem (den der Barkeeper vermutlich kennt, weil beide jeden Tag da sind) Naloxon gibt. Klar, Beutel Maske oder Mund zu Mund geht natürlich auch.

  • Natürlich sind das systemische und gesellschaftliche Probleme.

    Aber das ist die ganze Opiatkrise an sich.