Stuttgarter Nachrichten online
ZitatAlles anzeigenRettungsdienst steckt weiter in tiefroten Zahlen
VON WOLF-DIETER OBST
DRK fährt 428000 Euro Verlust ein - Streit um Krankentransporte vor Verwaltungsgerichtshof
Der Rettungsdienst ist selbst ein Notfall: Obwohl das Rote Kreuz in Stuttgart seine Verluste um 45 Prozent senken konnte, wurde im letzten Jahr immer noch ein Defizit von über 427 000 Euro eingefahren. Die Lage ist seit Jahren alarmierend.
Der Radfahrer lag blutüberströmt auf der Vaihinger Straße in Möhringen, Unfallzeugen setzten sofort einen Notruf ab. Wenig später hatten die Ersthelfer ein erstaunliches Erlebnis: Die Sanitäter kamen an jenem Samstagnachmittag mit einem Löschfahrzeug der Feuerwehr. Das muss so sein: "Der zweite Rettungswagen auf der Wache in Degerloch darf aus Kostengründen am Wochenende nicht eingesetzt werden", erklärte ein Rettungsassistent den Ersthelfern. Wenn"s klemmt, ist auf den Fildern ein Hilfeleistungslöschfahrzeug unterwegs. Womit freilich keine Verletzten abtransportiert werden können - also musste der schwer verletzte Radler den nächsten freien Rettungswagen abwarten.
Schon seit langem beklagt das Forum Notfallrettung, dass Stuttgart bei der Zahl der eingesetzten Rettungsfahrzeuge bundesweit Schlusslicht sei. Bei den Kritikern handelt es sich um Rettungsdienstmitarbeiter, Ärzte und Feuerwehrleute, die regelmäßig erleben, dass der Alltag mit Notfallpatienten am Limit läuft. In Stuttgart sind acht bis zwölf Rettungswagen rund um die Uhr im Einsatz. In Düsseldorf sind es dagegen21.
Doch von einem Ausbau in Stuttgart kann keine Rede sein - im Gegenteil. Der vergleichsweise preiswerte Rettungsdienst hat dem Deutschen Roten Kreuz im vergangenen Jahr einen Verlust von 427 500 Euro beschert. Diese Zahl nannte der Stuttgarter DRK-Kreisvorsitzende Lorenz Menz am Donnerstagabend bei der Mitgliederversammlung im Dienstleistungszentrum SpOrt im Neckarpark. Im Jahr davor waren es sogar 778 000 Euro. Über den Rückgang des Defizits, das zum großen Teil über Spenden zurückgefahren werden muss, kann sich DRK-Geschäftsführer Frieder Frischling nur bedingt freuen: "Die Verbesserung ist überaus zerbrechlich", sagt er, "weil das Entgelt der Kostenträger für die Krankentransporte weiterhin strittig ist."
Der Rechtsstreit mit den Krankenkassen läuft schon seit Jahren. Die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) will für Krankenfahrten 35,50 Euro erstatten, das DRK hält 65 Euro für kostendeckend. Eine Schiedsstelle und das Stuttgarter Verwaltungsgericht legten 55 Euro als Kompromiss fest. Der Sofortvollzug der Summe wurde vom Verwaltungsgerichtshof (VGH) bestätigt, in der Hauptsache hat er aber noch nicht entschieden. "Diese 55 Euro haben dafür gesorgt, dass das Defizit geschmolzen ist", sagt Frischling. Die Zahl der Krankentransporte ging von 29 000 auf 27 900 zurück.
Aber es kommt noch schlimmer: Die Bundesregierung will von 2007 an bei der Gesundheitsreform pauschal drei Prozent der Kostenerstattungen im Rettungsdienst streichen. "Das muss zurückgenommen werden", forderte Kreisvorsitzender Menz, "das würde die Kreisverbände in den Ruin treiben." Im schlimmsten Fall müsse das Rote Kreuz Rettungswagen stilllegen, so Menz: "Die Zitrone ist schon ausgepresst."