Ketanest-Gabe durch RettAss: Rechtsgutachten zum Schreiben des Innenministeriums Rheinland-Pfalz

  • Und man sieht auch hier sehr schön, dass nicht das Recht die Umstände bestimmt, sondern dass die zeitlichen und organisatorischen Bedingungen die Auslegung des Rechts beeinflussen.


    Nachdem das hier ja das Rechtsboard ist, freue ich mich über die Gelegenheit zu einer Randbemerkung in die fachliche Richtung: Ich glaube, dass es bei dem von Dir geschilderten Ablauf weniger um die Auslegung des Rechts geht und mehr darum, ob man sich bestehender Schranken bewusst ist.

  • Es gibt, wenn man mal von den fundamental notwendigen Aussagen wie "Du sollst nicht töten!", welche schlicht das soziale Zusammenleben etwas gesitteter gestalten nur jene Schranken, die man sich selbst auferlegt...

    Unter den Blinden ist der Einäugige der Arsch - er muss allen Anderen vorlesen...

  • Abgesehen davon, dass ich eine solche Aussage für wenig überzeugend halte, ist sie in einem Rechtsboard sicher auch nicht sinnvoll.

  • Ilcor empfielt 2 Punktionsversuch, das includiert die v. Jugularis externa, danach i.o. Bei Kindern unter 6 als Mittel der Wahl. Wir benutzen es aufgrund unserer klinischen Einschätzung. Sehe/taste ich nach Stauung keine Vene und habe das gleiche Problen mit der Jugularis nehme ich den i.o. Auch beim Erwachsenen als Erstangriff. Ich finde es klasse das ein ÄLRD dies dem rd Personal freigibt.

  • @schmunzel: es war gewiss eine ein wenig polemisierend daherkommende Äußerung, obschon sie nicht beleidigend gemeint war. Sicherlich ist deine Sichtweise auf gewisse Umstände und Sachverhalte - unabhängig davon ob sie mit RD zu tun haben oder irgendetwas völlig anderem - durch deine Profession eine andere, als dies bei mir der Fall ist. Ebenso ist deine Fähigkeit, einen Sachverhalt aus rechtlicher Sicht zu beurteilen um Potenzen differenzierter als die meine, aber ich mache gelegentlich - diese Beobachtung ist im Übrigen ubiquitär gültig und nicht allein auf den RD oder gar nur dieses Board beschränkt - eine Tendenz aus, die Dinge ex post juristisch zu zerreden; manchmal bis zu einem Grade, der die juristische Betrachtung im Lichte reinen Selbstzweckes erscheinen lässt.


    Ich denke, Nils wollte darauf hinweisen, dass sich die Auslegung juristischer Texte im Laufe der Zeit ändert, so wie sich der jeweilige Zeitgeist in der Interpretation jedweden Textgutes wiederfindet. Äußere Umstände wie die gegenwärtige wirtschaftliche, soziale und politische Entwicklung, sowie die daraus ableitbaren Faktoren haben sicherlich Einfluss auf die Wahrnehmung des Textes durch denjenigen, der ihn zu interpretieren hat. Das gilt für einen Essay über Postmoderne zwar gewiss nicht im gleichen Maße wie für ein Gesetzbuch, aber die Mechanismen, welche zum Tragen kommen sind zumindest ähnlich.


    Vor diesem Hintergrund mag ich nicht von Schranken sprechen, denn ich fühle mich von der aktuellen Gesetzeslage nicht wirklich beschränkt. Vielmehr scheint sie mir nicht mehr konform mit den Anforderungen unserer Zeit zu sein. Und wenn ich ansonsten im Leben den einfachen Grundsatz beachte, dass meine Freiheit da aufhört, wo die der anderen beginnt, gibt es für mich keine wirklichen Beschränkungen, außer denen, welche ich mir selbst auferlege. Dass dessenungeachtet jeder von uns in einem Geflecht von Pflichten und Verpflichtungen maneuvrieren muss, ist mir durchaus gewärtig, aber gerade in einem Forum wie diesem ist die Freiheit des Geistes -sofern der denn je gelernt hat, zu fliegen - das größte Gut...

    Unter den Blinden ist der Einäugige der Arsch - er muss allen Anderen vorlesen...

  • Nachdem das hier ja das Rechtsboard ist, freue ich mich über die Gelegenheit zu einer Randbemerkung in die fachliche Richtung: Ich glaube, dass es bei dem von Dir geschilderten Ablauf weniger um die Auslegung des Rechts geht und mehr darum, ob man sich bestehender Schranken bewusst ist.


    Auch wenn ich ganz dankbar für die Hilfe des herbeigeeilten mowls bin: mein Beitrag war eher eine Anspielung auf Josef Essers "Vorverständnis". Inwieweit Schranken bestehen, wenn ein Rettungssystem einen präklinischen Notazt (noch) nicht kennt, können wir sicher trefflich diskutieren.


    Der Hinweis auf das Board (keine Berufspolitik an diesem Orte) war mehr als angebracht, vielen Dank für die Erinnerung.

  • Nils,


    ich weiß, was Du meintest, aber ich glaube, mit dem Vorverständnis hat der von Dir geschilderte Ablauf nichts zu tun. Vertiefen möchte ich das nicht mehr, offensichtlich sind komplexere fachliche Überlegungen dazu geeignet, grundsätzlichen Widerspuch hervorzurufen. Der wiederum ist geeignet, mich persönlich daran zweifeln zu lassen, ob meine Freizeit nicht auch andere Beschäftigungen verträgt. Und das wiederum möchte ich - im Moment noch - nicht hochkommen lassen.



    Mowl,


    einfach mal gleich sagen, was man eigentlich sagen will, erleichtert anderen das Verständnis.

  • Nachdem das hier ja das Rechtsboard ist, freue ich mich über die Gelegenheit zu einer Randbemerkung in die fachliche Richtung: Ich glaube, dass es bei dem von Dir geschilderten Ablauf weniger um die Auslegung des Rechts geht und mehr darum, ob man sich bestehender Schranken bewusst ist.

    Ich denke in beiden Denkansätzen, sowohl von Nils, als auch von schmunzel, steckt ein wesentlicher Aspekt:


    Die grundlegenden Umstände werden sehr wohl durch das Recht gegeben und damit auch Schranken der Handlungsmöglichkeiten. Andererseits wird das Recht auch durch veränderte tatsächlich gegeben Möglichkeiten, verändert. Was vor 10 Jahren rechtlich noch sinn- und zweckmäßig war, kann heute zu weitreichend sein.


    Und was die Frage der Schranken angeht, so ist deren Existenz und vor allem deren Erkennen ein wesentlicher Bestandteil der rettungsdienstlichen Tätigkeit. Meine rettungsdienstlichen Möglichkeiten geraten an Ihre Schranken, wenn ich damit meine persönlichen Fähigkeiten übersteige. Das Rettungsfachpersonal ist in seiner Handlungsfähigkeit weniger rechtlich, denn tatsächlich, durch die eigenen Fähigkeiten limitiert. Daher muss man sich im Einzelfall immer die Frage stellen, wieviel Risiko ich meinem Patienten, in Anbetracht meines medizinischen (Halb-)Wissens zumuten kann.


    Erst dort wo man die eigenen Fähigkeiten und mithin die eigenen Schranken übertritt, wird man auch die rechtlichen Schranken übertreten.


    Wenn es nur eine Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über das selbe Thema malen. (Pablo Picasso)

  • Dabei darf ich aber nicht nur von meinen eigenen Fähigkeiten ausgehen, sondern muss auch die der anderen Vertreter des Rettungsfachspersonals mit einbeziehen.
    Sonst kommt der Patient sehr schnell in eine Situation, in dem seine medizinische Versorgung vom Glück bei der Dienstplangestaltung abhängt.


    Gruß, Christian

  • Dabei darf ich aber nicht nur von meinen eigenen Fähigkeiten ausgehen, sondern muss auch die der anderen Vertreter des Rettungsfachspersonals mit einbeziehen.
    Sonst kommt der Patient sehr schnell in eine Situation, in dem seine medizinische Versorgung vom Glück bei der Dienstplangestaltung abhängt.


    Gruß, Christian

    Typisch juristisch könnte man sagen... "Es kommt drauf an"


    Sicher sind für die grundsätzliche rechtliche Wertung eines Vorgehens, die Fähigkeiten des "Standard-RettAss" von Bedeutung und jeder Einzelne muss sich hieran messen lassen. Man wird aber, in manchen Fragestellungen wie beispielsweise bei der Frage eines Unterlassens, auch die individuellen Fähigkeiten zu bewerten haben.


    Und es ist doch Fakt, dass die rettungsdienstliche Versorgung im Großen und Ganzen überwiegend einheitlich ist, im Einzelfall aber doch je nach der tatsächlichen Besatzung divergiert. Teils sogar mit erheblichem Unterschied, so dass man doch von Glück oder Pech der Dienstplangestaltung sprechen kann.


    Wenn es nur eine Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über das selbe Thema malen. (Pablo Picasso)

  • Leider hast Du damit recht.
    Meine Intention war, dass die Schranken sich nicht aufgrund der Fähigkeiten einzelner, motivierter(er) Rettungsdienstmitarbeiter korrigieren lassen, sondern dass sich diese Schranken auf den von Dir zitierten Standard-Rettungsdienstler beziehen sollten. Und damit meine ich die vom Gesetzgeber festgelegten Schranken, innerhalb derer die Berufsausübung geregelt ist.
    Erst wenn es notwendig wird, im speziellen Fall diese Schranken zu überspringen, dann sollten die individuellen Fähigkeiten in Betracht genommen werden - als Rechtfertigungsgrund, und nicht, um dem Mitarbeiter eines auszuwischen.


    Gruß, Christian

  • @schmunzel: da hast du natürlich recht, deshalb sei es hiermit - zumindest aus meiner Sicht - noch einmal deutlich betont, was ich meinte: die Kunst der Jurisdiktion hat ihre Daseinsberechtigung nur dort, wo die Freiheiten der Menschen ernsthaft miteinander konfligieren und gehen dennoch zu oft genau darüber hinaus...


    Schönen Abend noch!

    Unter den Blinden ist der Einäugige der Arsch - er muss allen Anderen vorlesen...

  • Vielleicht nehme ich mir zu wenig Zeit, um über Deine Beiträge nachzudenken. Ich verstehe nicht, was Du Produktives damit sagen möchtest.


    Als "zerreden" kann ich es nicht empfinden, wenn man über Ursachen für Entwicklungen nachdenkt oder in einem Fachforum fachliche Gesichtspunkte zu erörtern versucht. Dass die Welt in den Farben schwarz und weiß bunt genug sei, meinen viele. Richtiger wird es dadurch nicht.


    Angesichts des Umstandes, dass wir gerade ausführlich darüber diskutieren, ob und ggf. was derzeit in diesem Forum falsch läuft, empfinde ich Zwischenbemerkungen wie Deine als ungeschickt. Ich bemühe mich, dem Rechtsboard gelegentlich mal einen Blick hinter die Kulissen des Offensichtlichen zu geben, soweit ich das kann. Das muss nicht jeden interessieren und es muss nicht jeder alles richtig finden, was ich schreibe. Ich habe aber keine Lust, es mir als Glasperlenspiel im Sinne selbstzweckhaften Verhaltens vorwerfen zu lassen, wenn ich das Diskussionsniveau voranzubringen versuche.

  • @schmunzel: Zuallervorderst denke ich, dass du NICHT zu wenig über irgendjemandes Beiträge nachdenkst. Darüberhinaus - und das habe ich glaube ich schon gewürdigt - schätze ich deinen Sachverstand. Was mich nachdenklich gemacht und zu der wahrscheinlich in deinen Augen unnötig provokanten Bemerkung gebracht hat, war der Umstand, dass eine juristische ex post Betrachtung der damaligen Umstände, welche Nils angestellt und auf den Erzählungen eines Zeitgenossen aus jenen Tagen aufgebaut hat wahrscheinlich eine theoretisch höchst interessante Sache darstellt, in der gegenwärtigen Lage aber mMn nur bedingt tauglich ist, die heutigen Probleme zu reflektieren. Wenn ich mich nicht täusche, hat sich die Rechtsinterpretation im Bezug darauf, welche Gesetze für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit das Tuns von RettAss im Rahmen des sog. rechtfertigenden Notstandes zumindest in Teilen gewandelt, so dass die Ausgangslage für aktuelle Betrachtungen - wie etwa den Streit um die Zulässigkeit der eigenständigen Applikation von Ketamin durch RettAss - eine etwas andere als zu Zeiten des reinen RS-Rettertums ist.


    Es war wirklich nicht meine Intention, deine Fähigkeiten als Jurist hier anzugreifen, sondern ich wollte die Frage aufwerfen, in wie weit solche Betrachtungen uns in aktuellen Fragen wirklich weiterbringen und ich wäre dir dankbar, wenn wir einfach zum Thema zurückkehren könnten und du meine diesbezüglichen Wissenslücken füllen würdest. In diesem Sinne einen schönen Tag :prost:

    Unter den Blinden ist der Einäugige der Arsch - er muss allen Anderen vorlesen...

  • Wie einem Rundschreiben des DRK-Landesverband Rheinland-Pfalz e.V. aktuell zu entnehmen ist, wird es wohl keine arbeitsrechtlichen Maßnahmen gegen den Kollegen im letztgenannten Fall geben. Das DRK habe sich gegenüber dem Innenministerium gegen entsprechende Maßnahmen ausgesprochen.


    Gleichwohl wird auch künftig jeder Einzelfall, in welchem gegen das Verbot der Ketanest-Gabe verstoßen wurde, durch das DRK hinsichtlich möglicher arbeitsrechtlicher Sanktionierungen geprüft. Innenminister Hermann-Josef Gundlach begrüßt dies in einem Schreiben an das DRK, weist allerdings darauf hin, dass "diese Bewertung künftig vom Ärztlichen Leiter Rettungsdienst durchzuführen ist."
    Dies deckt sich mit der Stellungnahme des Bundesverbandes Ärztlicher Leiter Rettungsdienst zur Medikamentenapplikation durch Rettungsassistenten, welche einen arbeitsrechtlichen Durchgriff der ÄLRD auf die Rettungsassistenten fordert.


    Im zuletzt angesprochenen Fall, in welchem durch einen Rettungsassistenten in einer kritischen Situation dem Patienten Ketanest verabreicht wurde, hat es der Rettungsassistent laut Schreiben des Innenministeriums versäumt, vor der Verabreichung für ein umfassendes Monitoring des Patienten Sorge zu tragen.
    "Im vorliegenden Falle war nicht in erster Linie die Gabe von Ketamin Anlass der Überprüfung, sondern vielmehr die fehlende Überwachung/Monitoring (Vitalfunktionen: Bewusstsein, Atmung, Kreislauf). Dazu gehört die ständige Blutdruckmessung, EKG-Überwachung, Pulsoxymetrie und ggfls. Kapnometrie. All diese Maßnahmen sind Standardmaßnahmen, die bei medizinischen Notfällen anzuwenden sind und ganz besonders dann, wenn Medikamente wie z.8. Ketanest verabreicht werden."


    Das Innenministerium bittet das DRK darum seine Rettungsassistenten darauf hinzuweisen, "dass sie in solchen Fällen (Anm.: Applikation von Ketanest) persönlich und alleine haften, weil die Anwendung von Ketanest untersagt ist. Wenn sie dieses Medikament trotzdem applizieren, müssen mindestens alle Standardmaßnahmen/Monitoring zum Einsatz kommen."

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Innenminister Hermann-Josef Gundlach begrüßt dies in einem Schreiben an das DRK, weist allerdings darauf hin, dass "diese Bewertung künftig vom Ärztlichen Leiter Rettungsdienst durchzuführen ist."
    Dies deckt sich mit der Stellungnahme des Bundesverbandes Ärztlicher Leiter Rettungsdienst zur Medikamentenapplikation durch Rettungsassistenten, welche einen arbeitsrechtlichen Durchgriff der ÄLRD auf die Rettungsassistenten fordert.


    Ist das arbeitsrechtlich möglich?


    Der ÄLRD ist doch beim Träger angestellt, wie kann er da arbeitsrechtlichen Durchgriff auf Angestellte eines Leistungserbringers haben? Das wäre doch ein weitreichender Eingriff in das Direktionsrecht des Leistungserbringes, oder sehe ich das so falsch?

  • Im zuletzt angesprochenen Fall, in welchem durch einen Rettungsassistenten in einer kritischen Situation dem Patienten Ketanest verabreicht wurde, hat es der Rettungsassistent laut Schreiben des Innenministeriums versäumt, vor der Verabreichung für ein umfassendes Monitoring des Patienten Sorge zu tragen.


    Dann war die Aufregung anscheinend umsonst?

  • Das ist die Frage. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das Innenministerium hauptsächlich aufgrund des fehlenden Monitorings einschaltete (was, nebenbei erwähnt, eine völlig neue Information für mich ist), sondern gehe vielmehr davon aus, dass man zunächst wegen des eigentlichen Verbotes aktiv wurde, nun aber zurückrudert (eventuell aufgrund des Kontraste-Berichts?) und das fehlende (?) Monitoring in den Vordergrund stellt.
    Gerade in Anbetracht der andauernden Diskussion kann ich mir nur schwer vorstellen, dass der betroffene Kollege tatsächlich vollständig auf eine Überwachung des Patienten verzichtete. Allerdings sind mir genaue Umstände dieses Einsatzes auch nicht bekannt.

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Und offen ist die Hintertür...