Nach Unfall auf Kirmes: Kritik an Rettungsdienst in Overath

  • Nach einem Unfall auf der Overather (Nordrhein-Westfalen) Kirmes, bei dem ein junger Mann aufgrund Leichtsinns durch ein Fahrgeschäft schwer verletzt wurde, gibt es Kritik an der medizinischen Versorgung des Mannes.
    Der Betreiber des Fahrgeschäfts würde dem Rettungsdienst aufgrund der seiner Meinung nach langen Eintreffzeit die Schulnote 5 geben. Eine ehemalige Rettungsdienst-Mitarbeiterin, welche als Ersthelferin vor Ort war kritisiert, die freiwilligen Ersthelfer des DRK hätten nicht einmal einen Verbandkasten dabei gehabt. Auch spricht sie davon, dass es endlos lange gedauert hätte, bis Rettungswagen und Notarzt eingetroffen seien.


    Kreissprecher Torsten Wolter wies die Vorwürfe, der Rettungsdienst hätte zu lange gebraucht, zurück. "Der Notruf ging um 21.59 Uhr und 55 Sekunden ein, der Alarm wurde um 22 Uhr und eine Sekunde ausgelöst. Eingetroffen ist der Rösrather Rettungswagen - der Overather war im Einsatz - um 22.12 Uhr." Dies sei genau die Zeit, die laut Rettungsdienstbedarfsplan des Kreises in 90 Prozent erreicht werden müsse. Diese Frist gelte aber auch nur, wenn nicht gleichzeitig ein weiterer Einsatz vorliege.


    Der Overather Rettungswagen, dessen Wache direkt neben der Kirmes liegt, war zum Zeitpunkt des Unfalls bereits im Einsatz.


    Quelle: http://www.rundschau-online.de…tikel/1246895314215.shtml

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Eine wirklich bemerkenswerte Dispositionszeit: 6 Sekunden von Notrufannahme bis zur Alarmierung ;)


    Entspricht es den Tatsachen, dass die Hilfsfrist in NRW nur dann gilt, wenn nicht gleichzeitig ein weiterer Einsatz im jeweiligen Gebiet vorliegt ?? Das kann ich gerade nicht glauben.

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  • Im vorliegenden Rettungsdienstbedarfsplan der Stadt Düsseldorf wird eine Hilfsfrist von 8 Minuten in 90 Prozent aller Einsätze festgeschrieben. Das scheint mir die grundsätzliche Hilfsfrist für NRW zu sein. Ich frage mich daher, wie der Kreissprecher auf 12 Minuten kommt ?
    Von einer Aufweichung dieser Hilfsfrist bei parallel laufenden Einsätzen konnte ich bei der schnellen Übersicht ebenfalls nichts finden. Im Gegenteil:


    Zitat

    Bei der Festlegung der Planungsgrößen für den Rettungsdienst ist die Hilfsfrist das herausragende Kriterium. Die Hilfsfrist und ihre Überwachung begründet Standorte und Anzahl der Rettungswachen und Rettungsmittel im Stadtgebiet. Hierbei muss planerisch generell eine 100%-ige Abdeckung des gesamten Stadtgebietes innerhalb dieser Hilfsfrist angestrebt werden, da in der Realität aufgrund zeitgleicher Einsätze Verkehrsbehinderungen usw. der Erreichungsgrad stets unter dem planerischen Wert liegt.


    Quelle: http://www.duesseldorf.de/feue…le/rettungsdienstplan.pdf


    Ich gehe davon aus, dass sich dies in der Stadt Overath nicht grundlegend unterscheidet. Leider habe ich den dort gültigen Bedarfsplan nicht gefunden.

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  • Fehn/Selen schweigen sich in der aktuellen Auflage "Rechtshandbuch für Feuerwehr und Rettungsdienst" zu einer Hilfsfrist aus. Demnach scheint es sie in NRW landesweit nicht einheitlich zu geben.

  • Interessant, das war mir so bislang nicht bewusst. Bislang ging ich davon aus, dass jedes Bundesland eine landesweit gültige Hilfsfrist festgeschrieben hat. Sollte es tatsächlich so sein, dass in NRW jeder Rettungsdienstbereich seine eigene Hilfsfrist festlegt ?

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Sollte es tatsächlich so sein, dass in NRW jeder Rettungsdienstbereich seine eigene Hilfsfrist festlegt ?


    Für die Hilfsfrist in NRW:


    8 min im städtischen Bereich
    12 min im ländlichen Bereich


    Welche Kriterien für den einzelnen Bereich gelten, damit er so eingeordnet wird, weiß ich nicht.

  • Danke, lumberjack.


    Mich hat die Aussage des Kreissprechers diesbezüglich stutzig gemacht, da alleine schon die erwähnte Alarmierungszeit mehr als fragwürdig klingt.

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Ich find ihr grade nicht, aber dazu gibt es einen Runderlass vom Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit vom 05.04.2000 mit dem AZ: III C 6 - 0712.1.2/0715.1
    Wenn den einer da hat.. bitte (per PN oder Mail) zusenden ;)


    Gruß,


    Marcus


    PS: Ansonsten hat lumberjack recht!

  • Das Thema Hilfsfrist in NRW hatten wir aber schon öfters.


    Die Hilfsfrist in NRW ist gesetzlich nicht verbindlich geregelt, laut Ministerium obliegt diese dem jeweiligen RD-Träger, wobei sich aber 8 Min. in Ballungsgebieten und 12 Min. im ländlichen Raum etabliert haben.


    Ich stellte in dem Zusamenhang schon einmal die Farge der Verfassungskonformität.


    Falls jemand die in dem PDf genannten Erlasse hat, wäre ich sehr interssiet...



    rettungsfachpersonal2020.de/index.php?attachment/198/


  • Für die Hilfsfrist in NRW:


    8 min im städtischen Bereich
    12 min im ländlichen Bereich


    Welche Kriterien für den einzelnen Bereich gelten, damit er so eingeordnet wird, weiß ich nicht.

    Wobei Overath mit fast 30.000 Einwohnern ja nicht unbedingt "Land" ist.

  • Wo bei es oft so ist, dass die Hilfsfrist quasi nur für den primär zuständigen Wachbezirk gilt.
    Sind dort alle Rettungsmittel im Einsatz rutscht man-wenn man Pech hat- unter die 10%, wo die Hilfsfrist nicht eingehalten werden kann.
    Für die sekundär zuständigen Wachbezirke erhöht sich die Eintreffzeit, wenn man nicht gerade in einem Überschneidungsgebiet ist.

  • Lustige Begebenheit:
    Ich kenne einen Bereich, dort gibt es eine Tageswache...
    Abends / Nachts fahren in einem Ort des Einsatzbereichs, der von anderen Wachen nur in >14Min. zu erreichen ist, First Responder.
    Diese haben ein Fahrzeug mit einer Rettungsmittel-Kennung... und schwupps... ist man in der Hilfsfrist

  • Ähm, ist das nicht generell so, dass die Hilfsfrist nur für den "ersten" Notfall gilt? Wenn Dorfwache Kleinkleckersdorf nur mit einem RTW bestückt ist, der zum Notfall alarmiert wird und zwei Minuten später noch ein Notfall in dessen Wachbezirk passiert, dann ist die Hilfsfrist nicht mehr einhaltbar, weil das nächste Rettungsmittel aus dem benachbarten Bezirk "anreist"... Selbst durch Wachbereichsabdeckungen kann man da nicht viel machen...

  • brause, vielen Dank!



    Wie immer, selbstverständlich gerne geschehen...


    ...zumal die Quelle für das PDF mit höchster Wahrscheinlichkeit das hiesige Forum war.


    Insoweit gebe ich den Dank gerne an Unbekannt weiter.



    @All:


    Nein, grundsätzlich gilt die Hilfsfrist unbabhängig davon ob der primäre RTW im Einsatz ist. Für Duplizitätsfälle gibt es ja die Erfüllungsquote. Ausnahmen(Bayern) bestätigen die Regel.

  • Es gibt Gutachten als Basis für Rettungsdienstbedarfspläne, die schließen Duplizitätsfälle von vorneherein als quasi nichtexistent aus...
    :pfeif:

  • Eine ehemalige Rettungsdienst-Mitarbeiterin, welche als Ersthelferin vor Ort war kritisiert, die freiwilligen Ersthelfer des DRK hätten nicht einmal einen Verbandkasten dabei gehabt.

    Zitat


    www.rundschau-online.de


    Zur Frage eines Sanitätsdienstes sagte die Leiterin des Overather Hauptamtes, Elke Becker, gestern auf Anfrage der BLZ: â??Unsere Gefahrenanalyse hat ergeben, dass ein solcher Dienst nicht nötig war.â?? Dies habe zum einen daran gelegen, dass es bei der Overather Kirmes kein Festzelt und keine Disco gegeben habe und zum anderen daran, dass die Rettungswache direkt neben der Kirmes liege.


    Also ich finde eine Eintreffzeit von gut +/- 12 Minuten ganz akzeptabel. Diese ist nicht wirklich ungewöhnlich, oder? Meine Erfahrung und Tätigkeit in einer Leitstelle hat mir gezeigt, das unsere lieben Bürger trotz das ein Rettungsmittel 6 Minuten nach Notrufeingang am Einsatzort ist es schaffen, in diesen 6 Minuten trotzdem noch 4 Mal den Notruf zu wählen und brüllend zu fragen "wo denn der Krankenwagen nun bliebe" und "ob wir zu blöd sind unseren Job zu machen". Auch werden dann noch gerne weiterführende Beleidigungen hinzugefügt! Oft sind die Anrufer erstaunt wenn man ihnen mitteilt das sie nicht vor 20 Minuten, sondern erst vor 8 Minuten angerufen haben. Mein Fazit: Ich gebe nicht viel auf das zeitliche Gefühl der Anrufer, denn die oft medizinischen Laien stehen unter Streß und so entsteht bei dem Anrufer ganz schnell das Gefühl das ein Rettungswagen nicht 12 Minuten gebraucht hat sondern 30 Minuten. Erstaunlich finde ich aber das die (ehemalige) Kollegin auf diesen Zug aufspringt, denn sie müsste es eigentlich besser wissen!


    Viel mehr Interesse weckt bei mir aber die Kritik der (ehemaligen) Kollegin am Sanitätsdienst. Leider ist es ja häufig so das die zuständigen Ordnungsbehörden sich nicht wirklich Gedanken um eine sanitätsdienstliche Absicherung machen oder diesen nicht näher definieren. Und als einen Grund für einen überflüssigen Sanitätsdienst eine zufällig neben dem Ort der Festlichkeit vorhandene Rettungswache anzugeben ist von der Stadt Overath schon ziemlich hohl! Nach welcher Gefahrenanalyse die Stadt Overath gehandelt hat würde mich ja schon mal interessieren. Selbst wenn man die Maurer Formel dazu nutzt sollte auch der gesunde Menschenverstand mit Einzug in eine Entscheidung erhalten. Denn diese spuckt oft merkwürdige Ergebnisse aus!


    Und da Sanitätsdienste ja nix kosten dürfen fallen diese auch oft entsprechend aus. Nämlich mit Sanitätshelfern mit Weltkriegsverbandtasche (die in diesem Fall ja wohl auch gefehlt hat). Und das bei Festlichkeiten mit Bierbuden, Fahrgeschäften und i.d.R. tausenden Besuchern mit entsprechenden Gefahrenpotenzial (übermäßiger Alkoholgenuss, Stürze und gewaltsame Auseinandersetzungen). Leider sind dann da auch noch einige HiOrgs Ortsvereine, SEG, o.ä. so dumm und übernehmen solche Dienste. Oft sogar auch umsonst. Es könnte ja sonst eine andere HiOrg dann da stehen...



    Gruß

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

    Einmal editiert, zuletzt von Harris NRÜ ()

  • Es gibt Gutachten als Basis für Rettungsdienstbedarfspläne, die schließen Duplizitätsfälle von vorneherein als quasi nichtexistent aus...
    :pfeif:


    Es gibt so Tage in meinem Leben, da glaube ich an das Gute im Gutachter...