Lagerung eines Stroke Patienten

  • Hallo,


    habe etwas interessantes im Department für Neurologie gelesen (an der Donau Uni Krems).


    Wer hat schon mal was davon gehört den Patienten bereits präklinisch auf der gelähmten Seite zu lagern?
    Soll ein besseres Outcome ergeben, wenn ich es richtig gelesen habe.
    So die Empfehlung die auch in die Anweisung des ÖRK gegangen ist.


    Nun stelle ich die Frage auch mal hier, da bisher keiner was dazu sagen konnte, klinisch wird das ja so gemacht.


    Gruß CJ

  • Auf unserer Stroke Unit wird kein Patient auf die gelähmte Seite gelegt. Hemiplegische Patienten werden wie alle anderen immobilen Patienten regelmäßig (nach wenigen Stunden) gelagert, um Druckschäden zu vermeiden.

  • Als Betroffener (November 2007) kann ich dies nicht bestätigen.
    Zum einen hatte ich wechselnd betroffene Körperseiten, zum anderen habe ich noch sehr dämmerig mibekommen, wie das Intensivpersonal Lageveränderungen im Sinne prophylaktischer Maßnahmen durchgeführt hat (Decubitus).
    Sonst war nichts.

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?

  • Die Lagerung auf die betroffene Seite kann ich mir erklären aus dem Bobath-Konzept .


    Beispielbild für eine solche Position


    Pro:

    • Je früher die betroffene Seite mit einbezogen wird, desto besser die Reha-Ergebnisse, da weniger Kompensationsmechanismen der Nicht-Betroffenen Seite gefördert werden.

    Contra:

    • Es gerade am Anfang wichtig, Patienten langsam an die Lagerungen zu gewöhnen.
    • Weiterhin wage ich zu bezweifeln ob eine fachgerechte Lagerung auf den engen Tragen möglich ist (so soll z.B. der Arm in Außenrotation gestreckt gelagert werden) und
    • ob Rettungsdienstpersonal das kann - allein schon vom Material her (man braucht im KH etwa 3-4 Kissen für eine solche Lagerung).
    • Ob das allerdings schon in der präklinischen Phase sinnvoll oder gut ist einen Patienten mit großem Hirninfarkt (ICP?) oder DD Blutung flach zu lagern??

    Vielleicht lässt sich ja noch herausfinden worauf diese Empfehlung basiert?


    Grüsse,


    Gerrit

  • Danke für die ausfürliche Antwort und Erklärung.
    So hat mir das eine K+G (arbeitet auf einer Trauma/Neurochir ITS auch schon erklärt).
    Dort wird das gemacht, daher meine Info.


    Sie konnte sich das auch schon präklinsch vorstellen.
    Das mit der ICB ist eine berechtigte Frage.
    Ich habe den Prof. Dr. Dr. h.c. Brainin angemailt, immerhin hängt das in seinem Department rum.
    DAchte nur emand von Euch hätte schon was vernommen.


    Ggf. einer der Kollegen des ÖRK?


  • Sie konnte sich das auch schon präklinsch vorstellen.



    Das Problem bei solchen Aussagen: Pflegepersonal hat wenig Kenntnisse über die Arbeitsbedingungen im Rettungsdienst. Man kann eine patientengerechte Seitenlagerung in einem Pflegebett nicht 1:1 auf die Fahrtrage in einem RTW übertragen. Als Intensivmediziner und Notarzt kann ich mir das gerade nicht vorstellen.

  • Auf unserer Stroke Unit wird kein Patient auf die gelähmte Seite gelegt. Hemiplegische Patienten werden wie alle anderen immobilen Patienten regelmäßig (nach wenigen Stunden) gelagert, um Druckschäden zu vermeiden.


    Das wäre - mit Verlaub - aber ein arges Armutszeugnis für das dort arbeitende Pflegeteam. Außerdem gibt es im stationären Bereich kaum "immobile" Patienten - das wären voll-immobilisierte Patienten, in einer Vakuummatratze zum Beispiel. Ansonsten kann jeder Patient irgendwie bewegt werden.


    Das Stichwort "Bobath" ist ja schon gefallen. Das Konzept sagt grob aus, dass Patienten mit Wahrnehmungsstörungen in genau diesen gestörten Wahrnehmungen gefördert werden sollen. Patienten, die zur Seite aus sensitive gelähmt sind, sollen - immer mal wieder natürlich und nicht dauernd - auf die betroffene Seite gelagert werden, um eine Wahrnehmung des Körpers und seiner Grenzen zu ermöglichen. Dabei sollten Gelenke durchbewegt und anschließend in einer physiologischen Haltung gelagert werden.


    Den Einschränkungen für die präklinische Phase schließe ich mich an. Es fehlt eindeutig an Platz auf der Trage, dem entsprechenden Lagerungsmaterial und den Kenntnissen beim Personal. Zudem geht bei Patienten während eines Transportes die Sicherung vor.


    Gruß, Christian

    Einmal editiert, zuletzt von Mr. Blaulicht ()

  • Eine Stroke Unit versteht sich als eine räumliche Einheit, in der spezialisiertes Personal frühzeitig therapeutisch mit und an dem Patienten arbeiten. Selbstverständlich muss man sich dabei nicht an das Bobath-Konzept halten, es gibt schließlich genug andere Bewegungs- und Lagerungskonzepte. Das einfach "von rechts nach links über den Rücken" reicht aber in keinem Fall aus, Wahrnehmungen zu fördern und Ressourcen auszubauen.


    Gruß, Christian

  • @Mr. Blaulicht


    Leider haben unsere Fachpflegekräfte keinen Platz an der Eliteuniversitätsfachkrankenpflegeschule in Heidelberg bekommen. Sie müssen sich mit dem Unterricht von Lothar Ullrich vom UKM begnügen. Bewegungs- und Lagerungskonzepte sind dort nicht in der Weiterbildung enthalten. Würden die sowieso nicht kapieren, denn dafür sind die zu doof. Kommen halt nicht aus Baden-Württemberg.


    Ach ja, und ich weiß, was eine Stroke Unit ist...

    • Ob das allerdings schon in der präklinischen Phase sinnvoll oder gut ist einen Patienten mit großem Hirninfarkt (ICP?) oder DD Blutung flach zu lagern??

    @Mr. Blaulicht:
    War schon so gedacht.
    So gut wie jeder Patient mit größerem Hirninfarkt entwickelt in den ersten Stunden ein mehr oder weniger ausgeprägtes Hirnödem mit konsekutiver ICP-Steigerung. Daher wurde zumindest bisher eine 30° OK-Hochlagerung empfohlen.
    Daher mein Hinweis auf den ICP ODER Patienten mit Differentialdiagnose Blutung.
    Sorry, wenn es Missverständlich geschrieben war.


    Ich würde Christian ja mit seinem "Armutszeugnis" unterstützen, wenn wir das nicht selbst so oft noch falsch machen würden bei unseren 'Strokies'. :pfeif:


    Grüsse,


    Gerrit

  • @ Ani: Nun hab Dich mal nicht so! Das Bobath-Konzept ist Bestandteil jeder Stroke-Nurse-Weiterbildung, die ich mir heute nachmittag angesehen habe. Diese Weiterbildung ist eine Bedingung zur Zertifizierung als eine Stroke Unit. Zudem sind verschiedenen Bewegungs- und Lagekonzepte auch Bestandteil der Pflege-Grundausbildung und gehört damit zu den Basics in der Pflege. Insofern sind Eure Pflegekräfte nicht ausreichend weitergebildet, oder sie handeln nicht ihrer Ausbildung entsprechend. Beides wäre - aus Sicht der Patienten - sehr bedauerlich.
    Außerdem gehe ich davon aus, dass Du selbstverständlich weißt, was eine Stroke Unit ist. Allerdings bin ich überzeugt, dass viel Rettungsdienstler eben nicht genau wissen, wie eine Stroke Unit funktioniert und was sich hinter dem Begriff verbirgt.


    @ Gerrit: der Hinweis mit dem Unterschied zwischen ICP und ICB war nicht an Dich gerichtet...


    Gruß, Christian

  • Ob das allerdings schon in der präklinischen Phase sinnvoll oder gut ist einen Patienten mit großem Hirninfarkt (ICP?) oder DD Blutung flach zu lagern??


    In der "Rettungsdienst" (32. Jahrgang, Aug. 2009) wurden neurologische Notfälle behandelt.
    Dort stand in dem Bericht zum Thema Schlaganfall dies:


    Zitat

    "Die früher empfohlene Lagerung mit um 30 Grad erhöhtem Oberkörper ist heute obsolet, da dies beim Vorliegen einer Karotisstenose zur kritischen Abnahme der Hirnperfusion führen kann. Nach duplexsonographischer Untersuchung der hirnversorgenden Arterien und nach Ausschluss einer relevanten Karotisstenose wird der Oberkörper hochgelagert. Da dies erst innerklinisch erfolgen kann, muss der Patient in der präklinischen Phase flach gelagert werden."

    Autor: Dr. Peter Rupp, Chefarzt Notfallzentrum Hirslanden, Kliniken Bern

    "You are one of God's mistakes" --->(Placebo - Song to say Goodbye)

  • Der prozentuale Anteil der Stroke-Patienten mit einer derart hochgradigen - nicht zuvor diagnostizierten - Carotis-Stenose dürfte vergleichsweise gering sein. Darüber hinaus müsste die Durchflussvolumeneinschränkung schon sehr fulminant sein (was bei solchen Patienten mit Sicherheit zuvor Symptome gezeitigt hätte), um eine sofortige Minderperfusion zu bewirken. Die Formel zum Volumenstrom


    IV = (pi/8 )*(R4/l)*(P2-P1)/eta (es muss hier heißen r hoch 4 - Formatierung von Formeln ist irgendwie immer schwierig)


    IV = Volumenstrom
    R = Radius des Rohres/Schlauchs
    l = Länge des Rohres/Schlauchs
    P2-P1 = Druckdifferenz zwischen den Rohr-/Schlauchenden
    eta = Koeffizient der inneren Reibung (Viskosität)



    weißt eine vierer-Potenz im Radius auf, was bedeutet, dass das Lumen schon sehr eingeschränkt sein muss, um zur bedrohlichen Unterversorgung zu gereichen. Da alle anderen Patienten definitiv einen Benefit durch die 30°-Hochlagerung des Oberkörpers erfahren, werde ich in Zukunft auch weiterhin so verfahren, es sei denn, eine vordiagnostizierte hochgradige Carotisstenos taucht in der Anamnese auf.

    Unter den Blinden ist der Einäugige der Arsch - er muss allen Anderen vorlesen...

  • Mowl, so eine Antwort hatte ich erwartet (vielleicht mit etwas weniger Zahlen ;) ) aus den Reihen der erfahrenen und praktizierenden RA's (und NA's). Die hochgradige Carotisstenose kann man präklinisch somit gar nicht abklären? Das widerspricht ja der von mir zitierten Aussage.

    "You are one of God's mistakes" --->(Placebo - Song to say Goodbye)

  • Mowl's physikalische Ausführungen sind zwar korrekt, haben allerdings für die Praxis nur wenig Aussagekraft: damit eine Carotis-Stenose klinisch relevant wird und erste Symptome zeigt, muß es schon zu einer deutlichen Lumeneinengung kommen (Zahlen sind mir gerade nicht in Erinnerung, ich meine es müssen schon über 50% des Lumen zu sein). Das heißt, die Zeitspanne von den ersten Symptomen bis zum Schlaganfall ist oft nicht sehr lang.


    Ein weiteres Problem ist, daß ein Rettungsassistent im Rahmen seiner Ausbildung nichts oder nur wenig über die Anamnese (Amaurosis fugax) und klinische Diagnostik (Auskultation) einer Carotis-Stenose hört und somit gar nicht differenzieren kann. Ich bin zwar kein Schlaganfallspezialist, aber die Empfehlung, sich bezüglich der Lagerung am Blutdruck zu orientieren, dürfte nach den aktuellen Kenntnissen völlig ausreichen. Alles andere ist persönliche Detailverliebtheit.

  • weißt eine vierer-Potenz im Radius auf, was bedeutet, dass das Lumen schon sehr eingeschränkt sein muss, um zur bedrohlichen Unterversorgung zu gereichen. Da alle anderen Patienten definitiv einen Benefit durch die 30°-Hochlagerung des Oberkörpers erfahren, werde ich in Zukunft auch weiterhin so verfahren, es sei denn, eine vordiagnostizierte hochgradige Carotisstenos taucht in der Anamnese auf.


    Beim Gesetz von Hagen-Poiseuille gilt für den Radius durch die 4er Potenz folgendes:



    2mal r entspricht 16mal Volumenstrom,
    0,5mal r entspricht dem 0,0625fachen Volumenstrom. (6,25 Prozent des ursprünglichen Volumenstroms)


    Soviel zum mathematischen Wert der 4er Potenz.
    :-)

  • @ani: schon klar, dass die präklinische Ablärung einer Carotis-Stenose nicht einfach ist, aber eine so hochgradige Lumeneinschränkung (ich hatte sogar einen Wert von über 70% im Kopf), dass sie symptombehaftet ist, wurde zumindest nach meiner Erfahrung meist schon zuvor klinisch diagnostiziert und lässt sich somit anamnestisch erheben, ohne überhaupt diganostische Maßnahmen durchführen zu müssen => in solchen Fällen wird die Lagerung modfiziert. Der Prozentuale Anteil von Stenose-Patienten an der Gesamtzahl der Stroke-Patienten dürfte so bei 10-15% liegen, so dass ich (unterstützt durch die Aussage eines Hausneurologen hier in der Uni) behaupten würde, dass der weitaus größere Teil dieses Patientengutes auch weiterhin von der "alten" Lagerungsform profitiert.


    fakl - Danke für den Hinweis, ich hab meine These mathematisch falsch begründet (so spät Abends ist Physik nicht mehr so mein Ding ;-) ), was ich meinte war aber, dass die Lumeneinschränkung schon recht deftig sein muss, um eine tatsächliche Hypoperfusion zu bewirken. Das diese Betrachtung die Veränderung der Strömungseigenschaften in einem gealterten Gefäß nicht komplett berücksichtigt, ist mir bewußt.

    Unter den Blinden ist der Einäugige der Arsch - er muss allen Anderen vorlesen...

  • Es gibt keinen absoluten Wert, ab dem Carotisstenose symptomatisch werden. Dies hängt zum einem vom Perfusionsdruck ab. So können Patienten mit einem hochnormalen Blutdruck durchaus asymptomatisch werden, auch wenn sie höhergradige Stenosen haben, während Patienten schon mit relativ geringen Einengungen Probleme bekommen, wenn der Blutdruck ziemlich niedrig ist.


    Die angegebene Formel ist in sofern nur ein Anhaltspunkt, da es sich bei Arterien ja um ein flexibeles "Rohr" handelt, das sich sowohl in Durchmesser, Elastizität und vor allem auch in der Richtung stark von einem Gartenschlauch unterscheidet.


    Nichts desto trotz kommen sysmptomatische Carotisstenosen relativ zu selten vor, um dadurch eine Handlungsvorgabe für die prä-diagnostische Phase abgeben zu können.


    Gruß, Christian