Beiträge von Jan Waldorf

    Warum sollte man eine 3jährige Ausbildung zum NotSan machen, wenn man stattdessen auch ein 3jähriges Studium absolvieren kann? Das macht ja wenig Sinn.

    Das kann man ja, u.a. in dem man als Regelbesetzung für die ZNA oder Intensivstation auch studierte Notfallsanitäter oder Pflegefachkräfte vorsieht. Das spart soviel ärztliches Personal in der Breite ein, dass man an die wenigen noch notwendigen Ärzte entsprechend höhere Anforderungen stellen kann.

    Das sehe ich ähnlich - und genau deswegen bin ich fest davon überzeugt, dass es die Berufsausbildung zum NotSan nicht mehr lange geben wird. In Anbetracht der sich rapide verändernden Aufgaben wird die Akademisierung im Rettungsdienst deutlich schneller vonstatten gehen als in anderen Gesundheitsfachberufen.

    Ich sehe viele sinnvolle und auch in diesem Forum oft geforderte Ansätze.
    bleibt abzuwarten wie viel davon umgesetzt wird.

    Ich habe gerade nochmal den Thread "Geplante Änderung des Notfallsanitätergesetzes durch das BMG" gelesen. Nachdem meine damaligen Prognosen inzwischen mehr oder minder vollumfänglich eingetreten sind, wird es Zeit für ein paar neue: Das Bachelor / Master-System wird deutlich schneller kommen als es manch einer erwartet. Noch vor dessen Einführung wird es in den meisten Bundesländern zu einer drastischen Ausdünnung der Notarztindikationskataloge kommen. Das Konzept der Vorab- bzw. Generaldelegation wird ebenso wie der Telenotarzt keinen Bestand haben - und mit hoher Wahrscheinlichkeit gilt dies mittelfristig auch für die Berufsausbildung zum Notfallsanitäter in Ihrer heutigen Form. Am ÄLRD-System wird man dagegen (leider) weiter festhalten.

    in dem Medien wird ja von Problemen und Ausfällen beim Mobilnetz berichtet. Gibt es beim Digitalfunk auch Probleme oder funktioniert dieser weiterhin?

    Mein Eindruck vor Ort in Ahrweiler war: Das mit dem Digitalfunk ist optimierungsbedürftig. Viele Limitierungen des Systems sind scheinbar weithin nicht bekannt; wenn alles über TMO abgewickelt wird ist das Ende der Fahnenstange bei solchen Lagen SEHR schnell erreicht. Wir (direkter Nachbarlandkreis) setzen daher in unseren Funkkonzepten sehr stark auf DMO - über TMO läuft nur, was über TMO laufen muss.

    Wie ist denn aktuell die medizinische Lage vor Ort? Dass die ersten Tage angespannt war, kann ich nachvollziehen mit akut Verletzten und Krankenhaus-Evakuierung. Ansonsten sehe ich viele FB- und Whatsapp-Status-Bilder von Bekannten, die vor Kolonnen von RTW/ KTW posieren, aber so richtig was zu tun scheint da nicht zu sein.

    Der Eindruck täuscht nicht. In der Initialphase war das anders, das Gröbste ist aber inzwischen abgearbeitet. Trotzdem gibt es noch massive Herausforderungen im Hinblick auf die medizinische Versorgung der Bevölkerung.

    Der Vergleich mit einem Kriegsgebiet ist durchaus passend. "Real" sieht es in vielen Ortschaften weitaus schlimmer aus als die Fernsehbilder vermuten lassen.

    "Einfach mal losfahren" ist jedoch auch keine gute Idee.

    Jein. Bauern und Bauunternehmer machen da nach meiner (sicherlich subjektiven) Einschätzung einen extrem guten Job. Und viele der Anwohner freuen sich über jede Art der Hilfe, da die regulären Einsatzkräfte in Anbetracht des Schadensausmaßes kaum in der Lage sind "Einzelfallunterstützung" zu leisten (wobei hier die Erwartungshaltung mancher Betroffener vielleicht auch ein wenig unrealistisch ist). Ich habe insgesamt den Eindruck, dass die "Spontanhilfe" erstaunlich effektiv & vergleichsweise gut organisiert ist.
    Aber: Die zahlreichen Spontanhelfer führen hier und da durchaus zu Problemen - mancherorts ist kein Durchkommen mehr & das "Verkehrsaufkommen" in Teilen des Schadensgebietes hat mich auch heute wieder geschockt; diesem Problem versucht man inzwischen mit Shuttlebussen für freiwillige Helfer zu begegnen.

    Eine explizite Ergänzung der Formulierung von §2a um den Aspekt der Analgesie wurde von einzelnen Ausschussmitgliedern und Sachverständigen durchaus gefordert - und hätte für ein deutlich höheres Maß an Rechtssicherheit gesorgt. Stattdessen dürfen wir nun alle raten & munter spekulieren, ob die Analgesie von §2a erfasst ist oder nicht. Selbst die Ausschussmitglieder und Sachverständigen sind sich da ja offensichtlich nicht einig.

    Hilope hat's gut auf den Punkt gebracht: "Es wurde eine Chance vertan, ein besseres Gesetz zu formulieren, obwohl allen Beteiligten die Problematik bekannt war". Aber es zeichnet sich ja schon ab, wie man sich bis zur nächsten Novelle behelfen wird: Indem die Länder massiven Druck auf die ÄLRD ausüben werden, hier zu halbwegs funktionierenden Delegationslösungen zu kommen.

    Wenn die Schmerztherapie eine Notarzt-Indikation darstellt, dann muss die Leitstelle auch einen schicken.

    Und genau das stellt in sehr, sehr vielen Rettungsdienstbereichen leider ein Problem dar - mangels Verfügbarkeit. Und da viele ÄLRD unter Verstoß gegen die jeweiligen Landesrettungsdienstgesetze immer noch nicht gewillt sind auch nur ansatzweise Ihrer Arbeit nachzukommen, bleiben letztlich zwei Möglichkeiten: Das systematische Unterlassen einer indizierten & i.d.R. auch beherrschten Schmerztherapie - oder aber das Eingehen straf- und haftungsrechtlicher Risiken. Anders ausgedrückt: Im Hinblick auf die Rechtssicherheit ist noch nicht wirklich viel erreicht & an einer erneuten Novelle des NotSanG führt überhaupt kein Weg vorbei. Interessant finde ich: Bereits Anfang der 2000er hat sich der Ausschuss 'Notfall-, Katastrophenmedizin und Sanitätswesen' der Bundesärztekammer für eine Liste ausgewählter Notfallmedikamenten ausgesprochen, deren Applikation von Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten im Rahmen der Notkompetenz durchgeführt werden kann - diese Liste beinhaltete auch die Analgesie (ohne Spezifikation des Präparates): Medikamente im Rahmen der Notkompetenz

    Fünfzehn Jahre & ein Berufsbild später fällt nun die versorgungsdienstliche Realität in vielen Rettungsdienstbereichen scheinbar auf das Niveau der 90er Jahre zurück - aufgrund einer Novelle, deren Intention eigentlich die Schaffung von Rechtssicherheit & eine Verbesserung der Versorgungsqualität war. Chapeau, dass muss man erst mal hinbekommen.

    Die aktuell geltende Gesetzeslage für NotSan ist die untenstehende.

    Mir schien, die dadurch verursachte Übersterblichkeit hielt sich in Grenzen ;)

    Ihr merkt schon, dass ihr eigentlich alle einer Meinung seid, oder? :)

    Den Eindruck habe ich nicht.

    Das auch was ändern sollte bestreitet er auch nicht.

    Nicht explizit, ich kann aus den Postings allerdings auch nicht gerade herauslesen dass er eine Änderung für wünschenswert hält - sondern eher das Gegenteil.

    Gilt das eigentlich auch für Schmerzen?

    Das ist eine interessante Fragestellung, hinsichtlich der ich auf einen früheren Post von mir in diesem Thread verweisen muss. Nach meiner Wahrnehmung ist sowohl unter Medizinern als auch unter Juristen eine knappe Mehrheit der Ansicht, dass Schmerzen nicht akut behandlungsbedürftig sind, weil i.d.R. keine schweren Folgeschäden drohen (was aber keinesfalls bedeutet, dass dieser Personenkreis geschlossen der Meinung wäre, dass durch NotSan keine Analgesie erfolgen solle). Eine ebenfalls relativ starke Fraktion sieht das jeweils anders, z.B. im Hinblick auf psychische Folgeschäden oder Folgeschäden durch schmerzinduzierte Bewegungen des Patienten (mit dieser Begründung wurde eine Analgetikagabe übrigens bereits mindestens einmal vor einem Arbeitsgericht als angemessen eingestuft). Sollte erstere Gruppe recht haben, wäre das Thema dringend anzugehen - vorzugsweise im Rahmen einer klarstellenden Ergänzung der zuletzt erfolgten Änderung des NotSanG (wie ja auch durch einzelne Vertreter des Gesundheitsaussschusses des Bundestages gefordert), hilfsweise durch eine ja bereits jetzt schon mögliche Delegationslösung.
    Meine persönliche Meinung ist: Ich tendiere dazu, dass eine Analgesie im Rahmen des §2a NotSanG möglich ist - aber eben nur, wenn im Zweifelsfalle nachvollziehbar dargelegt werden kann, dass Folgeschäden zumindest denkbar bzw. zu erwarten waren. Eine reine "Komfortmedikation" bei leichteren Schmerzzuständen bzw. in Situationen bei welchen keine Gefahr eines Folgeschadens droht dürfte dagegen derzeit (abseits der Delegation) kaum zu rechtfertigen sein.

    Ich habe das Gefühl, Hilope wird hier Mißverstanden. Er beschreibt ja lediglich den Status quo, der grob vereinfacht die Aufgabenteilung vorsieht, dass der Arzt behandelt und der RD ihm den Patienten zuführt. Ob das so sinnvoll ist, steht ja auf einem anderen Blatt und von Hilope garnicht diskutiert.

    Der entscheidende Unterschied zwischen einem Taxi und einem Rettungswagen ist aber eben dass in Letzterem eine (vorübergehende & strikt an den tatsächlichen Notwendigkeiten orientierte) Patientenversorgung stattfindet, die Hinzuziehung eines Notarztes erfolgt im Übrigen bei medizinischer Notwendigkeit. Wenn dies zu einem allseits akzeptierten Konsens werden würde, wären die ganzen Kompetenzdiskussionen schlagartig erledigt. Wir diskutieren doch hoffentlich nicht ernsthaft ob der NotSan Medikamente verabreichen darf, welche in der Apotheke „um die Ecke“ de facto frei verkäuflich sind...?

    Genau darauf hoffe ich. Je sinnfreier und zahlreicher die Diskussionen, umso schneller wird dem Gesetzgeber die Notwendigkeit weiterer Änderungen bewusst werden. Prognose: Bis zur nächsten Novelle wird es nicht lange dauern. Ich tippe auf eine "grace period" von rund 6 Monaten, danach ist das Thema wieder auf der Agenda.

    Nein, es geht um die verdammte Gesetzeslage. Und soweit ich die nach aller Diskussion auf dem Schirm habe, ist es so, dass eine Behandlung durch NFS lediglich bei Notfällen oder durch SOP geregelten Erkrankungen zulässig ist. Ob es dir passt oder nicht. Wenn das demnächst anders aussehen sollte, können wir gerne noch einmal darüber reden.

    Vielen Dank dass Du hier Deinen Beitrag leistest, das Thema schnellstmöglich wieder auf die Agenda zu bringen. Kurzfristig wird man das gerade in RLP über eine SOP lösen (wie in vielen anderen Rettungsdienstbereichen schon geschehen), mittelfristig wird der Gesetzgeber die Problematik jedoch unzweifelhaft einer definitiven & anderweitigen Klärung zuführen (müssen). In vielen mir bekannten Notaufnahmen sieht man sich als NotSan schon heute - zu Recht - äußerst kritischen Nachfragen ausgesetzt, wenn man einen insuffizient versorgten Patienten (und dazu zählt ausdrücklich auch die unterlassene, gleichzeitig jedoch indizierte Gabe eines Antiemetikums) einfach "abkippt". Zudem gab es auch hier in RLP schon mindestens ein (arbeits-) gerichtliches Verfahren, bei welchem die Gabe eines Antiemetikums ohne Notarztalarmierung Gegenstand einer gerichtlichen Würdigung war, ich schicke Dir die Urteilsbegründung gerne mal zu.

    Achso, ups, ich bin ja auch der Arzt, dessen Aufgabe es ist, die Patientin zu behandeln, und nicht der NFS, der sie zu mir bringen soll.

    Ego-Problem? Im Ernst: Auch wenn es für Dich allem Anschein nach schwer vorstellbar ist & ich Deinen wertvollen fachlichen Input an anderer

    Stelle sehr schätze - ich kenne viele fachlich außerordentlich qualifizierte Notfallsanitäter/innen. die durchaus in der Lage sind tatsächliche Notwendigkeiten zu erkennen & der Lage angemessen differenziert zu handeln. Ich zähle mich sogar selbst dazu. Unsere Patienten erwarten eine gute, hochwertige und professionelle Versorgung; Maßstab ist hier für mich (auch) die Erwartungshaltung des Patienten. Wenn ein Patient massive Übelkeit beklagt UND auch ich die Gabe eines Antiemetikums für zweifelsfrei indiziert halte ("condicio sine qua non"), dann wird der Patient entsprechend versorgt - Punkt. Wenn irgendein Arzt mit Ego-Problemen das nicht aushält - gerne, dann diskutieren wir das halt aus. Mit zwei möglichen Ergebnissen: a) das Ganze hat einen gewissen Unterhaltungswert oder b) ich lerne dazu, wobei ich b) klar bevorzuge. Passiert aber leider selten, weil es halt eben oft nur um das eigene Ego und nicht das Wohl des Patienten geht.

    Zu dieser Auffassung kommt aber nur, wenn man meint, als NFS den Arzt ersetzen zu müssen. Die Ausbildung und auch das jetzt verabschiedete Gesetz zielt darauf ab, ernsthafte Gesundheitsgefahren abzuwehren und nicht als Arztersatz durch die Gegend zu fahren.

    Selbstverständlich wird der NotSan bei nicht akut lebensbedrohlichen Notfallbildern (und vermutlich auch noch teilweise darüber hinaus) früher oder später den Notarzt vollständig ersetzen; dies war auch erklärtermaßen Ziel der Novelle - nur ist der gewählte Weg (die Delegationslösung) leider völlig untauglich.

    In diesem Falle wäre übrigens eine Aromatherapie möglich, die dürfte (hoffentlich) nicht unter ärztliche Therapie fallen.

    Darüber könnte man trefflich streiten, bei rein grammatikalischer Auslegung des HPG tut sie das zweifelsohne.

    Nochmal: Es geht weder um dich noch um mich. Es geht um den verdammten Patienten dem es schlecht geht.

    Danke. Der wichtigste Satz im ganzen Thread.

    An der einen oder anderen Stelle fällt wohl gerade auf, dass auch weiterhin erhebliche Rechtsunsicherheiten bestehen. Dreh- und Angelpunkt dürfte dabei die Analgesie werden - während einige Protagonisten (tendenziell in meiner Wahrnehmung eine Minderheit) die Ansicht vertreten, dass diese unter die "Abwendung wesentlicher Folgeschäden" fällt, verweisen andere auf die zwingende Notwendigkeit einer Delegation. Eine dritte Fraktion sieht das Thema noch gar nicht abgeräumt (da die eigenständige Analgesie formal noch nicht "gestattet" & eine Delegation mangels Delegationsfähigkeit dieser Leistung gar nicht möglich sei).

    Und dass es nicht mehr als ein Treppenwitz der Geschichte sein kann, dass ein NotSan jetzt zwar hochoffiziell kardiovertieren darf, bei fehlender Delegation für eine Ampulle Dimenhydrinat jedoch den Notarzt nachfordern muss...nun ja, auch das scheint sich langsam rumzusprechen.

    Die aktuelle Novelle ist aus meiner Sicht reichlich missglückt & und nicht mehr als ein absoluter Minimalkonsens. Erstaunlich ist nur, wie schnell das dieses Mal auffällt. Wartet einfach mal ab, bisher habe ich jedenfalls mit meinen Prognosen ganz gut gelegen ;-)

    Genau darauf hoffe ich. Je sinnfreier und zahlreicher die Diskussionen, umso schneller wird dem Gesetzgeber die Notwendigkeit weiterer Änderungen bewusst werden. Prognose: Bis zur nächsten Novelle wird es nicht lange dauern. Ich tippe auf eine "grace period" von rund 6 Monaten, danach ist das Thema wieder auf der Agenda.

    OK, ich gebe zu, ich habe mich geirrt. Sowohl die Äußerungen in diesem Forum als auch die Äußerungen diverser Politiker lassen mich vermuten, dass die "grace period" noch nicht einmal 6 Wochen andauern wird. Nach gegenwärtigem Stand der Dinge werden es wohl noch nicht einmal 6 Tage :)


    ...und das ist gut so!

    Ja, das mag ja sein, wenn da nur 100 Leutchen auf 100 Quadratkilometer wohnen. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass man in deutlich verdichteten Gegenden mit vielleicht sehr vulnerabler Bevölkerungszusammensetzung oder neuralgischer Infrastruktur wie einer Autobahn, auf der es ständig rappelt, die Standort-Dichte parallel auch ausdünnen kann. Pauschale Aussagen sind eben unsinnig.

    Das habe ich auch nicht behauptet. Wobei in dem Landkreis, den ich ganz konkret im Auge hatte, DEUTLICH mehr als 100 "Leutchen" auf EINEN Quadratkilometer kommen. Und eine ziemlich unfallträchtige Autobahn gibt es (neben zahlreichen ebenfalls sehr unfallträchtigen Land- und Bundesstraßen) auch noch ;-)

    Unsinn ist das ganz sicher nicht. Wir haben in Deutschland ca. 290 Landkreise und ca. 110 kreisfreie Städte, wobei nicht wenige ÄLRD mehr als eine Gebietskörperschaft verantworten. Natürlich gibt es einzelne Bereiche und teilweise sogar Bundesländer in denen der NotSan größere Freiräume bei der Berufsausübung in Anspruch nehmen kann. Insgesamt betrachtet sind das vor dem Hintergrund der o.a. Zahlen aber nicht allzu viele. Und: Ich sprach explizit von der Delegation ärztlicher Leistungen, was in der Regel mit einer Substitution der entsprechenden ärztlichen Tätigkeit einhergeht, nicht von Regelungen / SOP in Bezug auf "1c-Maßnahmen", mit welchen ja ggf. nur die Zeit bis zum Eintreffen des Notarztes überbrückt wird. In den Bereich der Delegation fällt beispielsweise das hier: https://www.aelrd-bayern.de/im…_2c_NotSan_01-04-2018.pdf - womit das ganze Bundesland Bayern mit m.W. 71 Landkreisen und 25 kreisfreien Städten m.E. sehr eindeutig zum Kreis jener Bereiche zählt, in welchen im Hinblick auf die Delegation "wenig bis nichts" passiert ist. Genauso wie auch das gesamte Bundesland Rheinland-Pfalz (24 Kreise, 12 kreisfreie Städte) sowie das gesamte Bundesland Baden-Württemberg (35 Landkreise / 9 kreisfreie Städte bzw. "Stadtkreise"). Nur um mal ein paar Beispiele zu nennen.

    Und, der Vollständigkeit halber: Ich halte die im NotSanG vorgesehene Delegationslösung für einen Irrweg, dies gilt umso mehr nach der am heutigen Tage beschlossenen Änderung des Gesetzes.

    Ich hatte den Eindruck - insbesondere nach dem "Berliner Urteil" -, dass die Haftungsrechtsprechung da sehr strikt ist und schon eher über den derzeitigen status quo hinausgeht.

    Ich kann mich in diesem Zusammenhang nur wiederholen: Die Rechtsprechung hinkt den tatsächlichen Gegebenheiten mind. 10-15 Jahre hinterher und wird sich anpassen müssen. Aber das tut die Rechtsprechung ja durchaus auch - nur eben quälend langsam (was sie andererseits aber natürlich auch verlässlich und berechenbar macht & Kennzeichen eines funktionierenden Rechtsstaates ist). Selbst das BVerfG fällt insbesondere in letzter Zeit häufiger im Zusammenhang mit den Worten „...in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung...“ auf ;-)

    Die Beiträge hier zeigen, dass es auch zukünftig ausreichend Gelegenheit zur Diskussion geben wird.

    Genau darauf hoffe ich. Je sinnfreier und zahlreicher die Diskussionen, umso schneller wird dem Gesetzgeber die Notwendigkeit weiterer Änderungen bewusst werden. Prognose: Bis zur nächsten Novelle wird es nicht lange dauern. Ich tippe auf eine "grace period" von rund 6 Monaten, danach ist das Thema wieder auf der Agenda.


    Oder deine Berufsgruppe nutzt die sich ändernden Zeiten und kämpft endlich mal für ernsthafte Qualifikationsvorgaben im Notarzdienst und stellt damit genau das her: Die flächendeckende vorgelagerte Intensivmedizin durch an der Front kämpfende echte Intensivmediziner.

    Die halt auch genau dafür zum Einsatz kommen und nicht um Oma Schalupke mit dem unkritischen NSTEMI in die Klinik zu fahren oder Tante Hilde mit ihrer OSH Fraktur zu analgesieren.

    Schön auf den Punkt gebracht.

    Ich frage nochmal: Wie wollt ihr die Standortschließungen denn begründen? Es stehen die Fahrzeuge nicht alle auf einem Fleck, sondern (zumindest in der Theorie) taktisch verteilt. Wenn ich 3 von 4 Standorten schließe, hat das letzte doch enorme Anfahrtszeiten und das genau dann, wenn es zu den schweren Fällen ausrücken soll?

    Es gibt Fächenlandkreise gerade in Rheinland-Pfalz, die schon seit einer Ewigkeit mit 1,5-2 NEF klar kommen & trotzdem noch Potential für weitere Reduzierungen bieten. Ich sehe die Zukunft tatsächlich in der Luftrettung. Außerdem heißt ein Warten auf den Notarzt ja nicht, dass in der Zwischenzeit nichts passiert.


    Und wisst ihr was? Ich würde es ausdrücklich begrüßen. NotSan machen das wofür sie ausgebildet wurden/werden - was dann alleine notwendigerweise (endlich) auch zu einer konsequenten qualitätserhaltenden Fortbildung/Überprüfung statt, gerne b.Bed durch den TNA unterstützt. Und der Notarzt kommt nur dann ins Spiel, wenn er auch wirklich gebraucht wird. Was soll daran schlecht sein? Weiß nicht was meine ärztl. Kollegen da teilweise für ein Problem mit zu haben scheinen...?

    Nach meiner Erfahrung begrüßen 90% der ärztlichen Kollegen die entsprechenden Entwicklungen ausdrücklich. Das Problem ist: Die verbleibenden 10% sind relativ "laut" und verfügen über ein ausgeprägtes Sendungsbewusstsein.

    Der jetzige Notarztdienst ist eine Mischkalkulation.


    Ich bleibe bei meiner Meinung. In der Fläche wird es (Schlechtwetter) Luftrettung geben. In den Ballungszentren NEFs.

    Und das NEF an allen Ecken und Enden wird es nicht mehr geben.

    Das ist politisch so gewünscht.

    Das ist nicht nur politisch so gewünscht, das macht sogar Sinn ;-)

    Wie sollten sie das? Dass eine Erstversorgung durch Notfallsanitäter - und in den Jahrzehnten früher: durch Rettungsassistenten - tatsächlich und rechtlich möglich ist (und auch in den Jahrzehnten früher möglich war), ändert doch nichts an der Notarztindikation?

    "Notarztindikation" ist für mich ein sehr relativer Begriff. Notarztindikationen sind nicht gottgegeben, sondern werden schlicht und einfach "festgelegt" - wobei meist nicht nur die medizinische Notwendigkeit eine Rolle spielt. Mit dem Ergebnis, dass die Notarztindikationskataloge je nach Region sehr unterschiedlich aussehen & ich behaupte mal, dass man jeden deutschen Notarztindikationskatalog ohne Auswirkung auf das Outcome problemlos drastisch zusammenstreichen kann. Vielerorts passiert das auch schon. Für mich persönlich gibt es exakt eine "harte" Notarztindikation: Das Team vor Ort entscheidet, dass der Notarzt benötigt wird.


    So wie ich den Entwurf lese, ist damit künftig folgendes Prozedere möglich: Ich injiziere nachts um 03:00 einem Patienten im hypertensiven Notfall Urapidil ohne einen Notarzt zu rufen, der dafür anrücken muss, damit ich ihm im Perfekt erzählen kann, was ich gerade gemacht habe, um danach Papierkram zu erledigen und wieder einzurücken. Stattdessen befördere ich den Patienten im Anschluss in eine Klinik und ersetze dadurch den jetzt durchschlafenden Notarzt durch den ohnehin wachen Aufnahmearzt. Der Notarzt bleibt frei für einen Patienten, bei dem er einen Unterschied macht. Für mich wäre es ein deutlicher Fortschritt.

    Das wird vielerorts seit geraumer Zeit auch genau so praktiziert. Die Rechtslage hinkt der versorgungsdienstlichen Realität leider auch weiterhin mindestens 10-15 Jahre hinterher.


    Das ist nicht aufrichtig.

    Die ganzen Buchstabenkurse sehen keinen Notarzt vor.

    Alle Notfallsanitäter und Rettungssanitäter werden berufsintern nach den Buchstabenkursen ausgebildet.


    Für den Rest wird es den RTH geben.

    Was ist daran nicht aufrichtig? Ich bin ein großer Freund der "Buchstabenkurse" & habe die "Lernkurve" in diesen Kursen immer als recht steil empfunden. Aber: Wie auch die meisten meiner Kollegen bin ich mir der Grenzen meiner Fähigkeiten durchaus bewusst & es macht einen bedeutenden Unterschied, ob man eine Entlastungpunktion während des ITLS-Kurses am Phantom oder am echten Patienten durchführt. Das Problem ist doch viel eher, dass man in der Praxis sehr selten an diese Grenzen kommt & der (in der Praxis leider oftmals gar nicht vorhandene) Wissens- und Erfahrungsvorsprung des Notarztes noch viel seltener wirklich benötigt wird. Insofern stimme ich Dir zu: Das bodengebundene Notarztsystem wird über kurz oder lang abgeschafft werden, in eine ähnliche Richtung zielte ja auch das Forschungsprojekt "PrimAir" (http://www.projekt-primair.de) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.


    Ich erinnere mich an gekündigte RettAss. Das wird wohl kaum noch einer probieren, wenn ein NotSan (eigentverantwortlich!) Maßnahmen ergreift, die er gelernt hat und beherrscht, und die dann gemäß NotSanG auch erlaubt sind. Für mich ist das ein großer Schritt.

    Das sehe ich ähnlich. Wir haben uns, auch in diesem Forum, immer sehr stark auf strafrechtliche Fragestellungen fokussiert, welche in der Praxis zu keinem Zeitpunkt eine relevante Rolle gespielt haben. De facto waren fast alle Verfahren in diesem Zusammenhang arbeitsrechtlicher Natur & ich glaube in dieser Hinsicht wird die neue Regelung einen erheblichen Unterschied machen.

    Korrigiert mich, aber um diese Patient*innen soll es in diesem Gesetzesentwurf doch gar nicht gehen. Der Hypertensive Notfall könnte entweder durch eine SOP abgedeckt werden oder aber in der Regel auch auf einen Notarzt warten.

    Vielleicht muss man dazusagen, dass wir in Baden-Württemberg ja noch nichts erreicht haben, was Delegation betrifft.

    Im Hinblick auf die Delegation wurde noch annähernd nirgends etwas erreicht, weil viele ÄLRD ihre Position eher zur Blockade als zur Gestaltung nutzen. Und deswegen wage ich mal die Prognose, dass es sich bei der nächsten Novelle des NotSanG um entsprechende Maßnahmen drehen wird. Es ist doch ein Treppenwitz der Geschichte, dass der NotSan jetzt zwar kardiovertieren darf, für ein paar mg Urapidil, Metamizol oder Dimenhydrinat aber einen Notarzt nachalarmieren soll (also z.T. für Präparate, welche man in vielen Ländern dieser Erde in jedem gut sortierten Supermarkt findet!).

    Es gibt Neuigeiten.

    Und es sieht aus als hätte die Vernunft gesiegt.

    Wäre das tatsächlich ein gamechanger?

    Bedingt. Wie ja u.a. auch schon Michael Neupert mehrfach in diesem Forum ausgeführt hat, waren die in Rede stehenden Maßnahmen auch bisher durchführbar, ohne (bei Einhaltung der entsprechenden Rahmenbedingungen) strafrechtliche Verfolgung befürchten zu müssen. Der entscheidende Unterschied: Jetzt bzw. bei Inkrafttreten des Gesetzes ist es erlaubt & keine primär verbotene Handlung mehr, für die ich im Nachhinein einen Rechtfertigungsgrund geltend machen muss um straffrei auszugehen. Der Pferdefuß: Letztlich müssen im Wesentlichen immer noch die gleichen Voraussetzungen geprüft werden / gegeben sein wie vorher auch. Ein wirklicher Gamechanger sieht anders aus, aber es ist ein sehr ermutigender Anfang.

    Der Präsenznotarzt wird eine Randerscheinung.

    Das sehe ich noch lange nicht, auch wenn ich bekanntermaßen Verfechter eines Paramedic-Systems bin. Und ganz offen gesagt: Ich glaube die meisten Notfallsanitäter (mich eingeschlossen!) sind froh, wenn sie bei (wirklichem) Bedarf auf einen fähigen Notarzt zurückgreifen können. Es gibt einfach Notfallbilder und Skills, bei denen wird der NotSan einem wirklich qualifizierten Notarzt niemals das Wasser reichen können.
    Wenn die Gesetzesänderung jedoch dazu beiträgt, die leider immer noch unglaublich hohe Zahl von nicht notwendigen NA-Einsätzen (und evtl. auch die Zahl der NA-Standorte) zu reduzieren (was vermutlich eher nicht Intention des Gesetzgebers ist): Gerne. Ich bin der Überzeugung, dass 80-90% aller heutigen Notarzteinsätze von einem durchschnittlich ausgebildeten Notfallsanitäter völlig problemlos im Alleingang abgearbeitet werden könnten, 40-50% wahrscheinlich sogar durch einen erfahrenen RS.

    Allerdings ist es schon eine gesetzgeberische Meisterleistung, nach einem unklaren RettAssG und einem unklaren NotSanG nun noch eine regelungstechnisch unsinnige Ergänzung aufzuschreiben. Man darf gespannt sein. Entweder versucht jemand, da ein U-Boot zu platzieren, oder es sind wirklich Experten am Werk. Na ja, so oder so wird die Praxis einen Weg finden, damit umzugehen

    In der Praxis wird es darauf hinauslaufen, dass man gleich die nächste Novelle planen kann weil der vorliegende Vorschlag annähernd keine Probleme löst - dafür aber eine ganze Menge neuer Fragen und Probleme aufwirft.

    Dem würde ich mich anschließen wollen.


    Ein bundesweit einheitlicher Mindeststandard an Maßnahmen, die erlaubt sind, müsste es meiner Meinung nach geben. Der Umfang sollte sich dann tatsächlich auch an der Ausbildung orientieren. Nur Maßnahmen, die darüber hinausgehen und tatsächlich durch lokale Gegebenheiten begründet sind, sollten auch lokal geregelt werden.

    Ein Mindeststandard wurde im Rahmen des Pyramidenprozesses eigentlich sehr präzise definiert & es ist in höchstem Maße bedauerlich, dass wir bei der Umsetzung dieses Konzeptes in der Fläche völlig gescheitert sind - was gleichzeitig auch das beste Argument dafür ist, dass man die Entscheidung hinsichtlich der Kompetenzen eben nicht in die Hände der ÄLRD legen sollte.

    Meines Erachtens gäbe es auch in unserem föderalen System durchaus Wege, zu einem bundesweiten (Mindest-) Standard zu kommen - und das ohne die Länder in Ihrer Kompetenz im Hinblick auf die Regelung der Berufsausübung wesentlich zu beschneiden. Erster Schritt wäre eine deutlich präzisere Beschreibung der Ausbildungsziele (1c UND 2c, wobei ich diese Differenzierung mangels für mich erkennbarer Sinnhaftigkeit aufgeben würde) in der APrV, welche dann bei Bedarf vergleichsweise einfach (insbesondere ohne parlamentarisches Verfahren) angepasst werden kann - ähnlich dem Pyramidenprozess, nur eben unter direkter Beteiligung des Verordnungsgebers. Zweiter Schritt ist dann die Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde, beschränkt auf eben diese Ausbildungsinhalte - verbunden mit der Festlegung, dass auf Landes- bzw. regionaler Ebene erlassene Algorithmen (nicht SAA) ggf. Vorrang vor der eigenständigen Ausübung heilkundlicher Maßnahmen haben & dass die Übertragung weiterer Kompetenzen nach entsprechender Aus-, Fort- und Weiterbildung im Rahmen der Vorabdelegation zulässig ist. So ist sichergestellt, dass der NotSan im Rahmen der vorgegebenen Ausbildungsinhalte eine "Eskalationsmöglichkeit" (nämlich das Recht zur Heilkundeausübung über die Algorithmen hinaus) für den Fall hat, dass vorhandene Algorithmen nicht weitreichend genug oder schlimmstenfalls gar nicht vorhanden sind. Die ÄLRD werden gleichzeitig mehr oder minder zum Erlass sinnhafter Algorithmen "gezwungen" - oder müssten eben mit der "Quasi-Kurierfreiheit" in ihrem Fürstentum leben, was aber in der Realität nicht vorkommen dürfte. Zu guter Letzt bliebe der größte Vorteil des Föderalismus ("der Wettbewerb um die besten Ideen") bestehen: Auf dem Wege der Vorab-Delegation könnten die ÄLRD weitere Maßnahmen übertragen, soweit sie dies für sinnvoll halten (z.B. die Anwendung bestimmter Arzneimittel an den Gemeinde-Notfallsanitäter), soweit dies aufgrund regionaler Besonderheiten erforderlich ist oder soweit das Aufkommen neuer Therapieverfahren nicht "rechtzeitig" in der APrV abgebildet wird bzw. abgebildet werden kann. Dritter und letzter Schritt wäre dann eine spürbare "Ausdünnung" der NA-Indikationskataloge auf Landesebene - den mancherorts noch praktizierten Luxus jede Nierenkolik und jede hypertensive Entgleisung mit einem Notarzt zu beglücken werden wir uns mittelfristig sicher nicht mehr leisten können; demographischer Wandel und die mittel- bis langfristige Haushaltslage der Krankenversicherer werden in dieser Hinsicht zukünftig ungeahnte Wirkung entfalten.