Im Zuge der bundesweiten Einführung der internationalen Notrufnummer 112 und Umstellung der bisherigen Notrufnummer für den Rettungsdienst, 19222, in Baden-Württemberg, fand am 11.02.2010 in Berlin ein konstruktives Gespräch zur Einführung einer dreistelligen medizinischen Notrufnummer für Deutschland mit dem Präsidenten sowie dem Generalsekretär des Deutschen Roten Kreuzes, Dr. Seiters und Graf Waldburg-Zeil, statt. Das Gespräch angeregt hatten der Vorsitzende des DRK Kreisverbandes Karlsruhe e.V., Kurt Bickel, der DRK-Geschäftsführer Jörg Biermann sowie der Präsident und der Landesgeschäftsführer des Landesverbands Baden-Württemberg, Dr. Menz und Hans Heinz.
Das DRK fordert die Einführung einer eigenen, dreistelligen Notrufnummer für den Rettungsdienst, wie sie in vielen europäischen Ländern bereits vorhanden ist. Hierzu wurde durch den DRK-Kreisverband Karlsruhe folgendes Positionspapier überreicht:
ZitatAlles anzeigenIn nahezu allen europäischen Ländern besteht neben der kürzlich eingeführten Notrufnummer 112 eine gesonderte medizinische Notrufnummer, die es dem Anrufer ermöglicht, selbst zu entscheiden, ob er technische/feuerwehrtechnische, polizeiliche oder medizinische Hilfe in Anspruch nehmen möchte. Von 27 europäischen Ländern verfügen 21 über eine gesonderte medizinische Notrufnummer. So kann man zum Beispiel unter der Tel.-Nr. 15 ist in Frankreich medizinische Hilfe, in Österreich und der Schweiz unter 144, in Großbritannien unter 999 und in Italien unter 118 abzurufen. In den südlichen Bundesländern, unter anderem in Baden Württemberg, Rheinlandpfalz und Bayern, gibt es mit der 19 222, neben der Feuerwehrnotrufnummer 112 und der Polizeinotrufnummer 110, ebenfalls eine eigenständige medizinische Notrufnummer.
Vor der Wiedervereinigung war in der DDR die Notrufnummer 115 für schnelle medizinische Hilfe installiert. Nach § 108 Abs. 2 Telekommunikationsgesetz ist es möglich, neben der europaweit einzurichtenden 112 zusätzliche nationale Notrufnummern zu schalten.
Worin liegt der Vorteil einer eigenen medizinischen Notrufnummer?
Zahlreiche Notfallsituationen aus der jüngsten Vergangenheit, für die Belege in der Anlage übergeben wurden, zeigen, dass bei sich immer häufiger kurzfristig aufbauenden extremen Wettersituationen und Großschadensereignissen mit einem Massenanfall von Verletzten die Leitstellen durch die Hilfesuchenden quasi "überrannt" werden. Unzählige Handy-Anrufe von betroffenen oder beobachtenden Personen nach Großschadensverkehrsunfällen oder ähnlich häufige Anrufe von Geschädigten wegen beispielsweise umgestürzter Bäume, herab gefallener Dachziegel oder Wasserschäden verschiedenster Art haben zur Folge, dass bei nur einer Notfallnummer wie der 112 für alle sicherheitsrelevanten Bereiche die Anrufer gegebenenfalls viele Minuten lang in der Warteschleife hängen bleiben, wie in Berlin bis zu 14,32 Minuten. Die Leitstellen-Technik ist nicht in der Lage, medizinische oder technische Notrufe, zum Beispiel durch einen Klingelton, zu unterscheiden. Dies kann nur der Mensch (Disponent), und der muss zeitaufwändig Anruf für Anruf abarbeiten, weshalb für medizinische
Notrufe eine eigenständige Nummer geschaltet werden muss, die zeitlich vorrangig bedient werden kann. Dem "Überlaufen" einer alleinigen Notrufnummer 112 (früher die Feuerwehrnotrufnummer) ist in zahlreichen Städten bereits dadurch begegnet worden, dass bei Hochwasserlagen wie zum Beispiel in Köln zusätzliche Notrufnummern bekanntgemacht werden. (0221 / 221 242 42)
Der Einwand gegen eine zusätzliche medizinische Notrufnummer, dass nämlich gegebenenfalls zusätzliches Leitstellenpersonal nachgezogen werden kann, ist, wenn überhaupt, nur bei sich langsam aufbauenden Großschadensereignissen stimmig. Betroffenen Personen, die der Leitstelle Sachschäden melden, ist ein Ausharren in der Warteschleife zuzumuten, an Leib und Leben gefährdeten Patienten nicht! Ein Vergleich mit anderen Situationen, in denen Vorsorge gegen Gesundheits- und Lebensgefährdung getroffen wird, ist angebracht: In allen Gebäuden, die massenhaftem Publikumsverkehr ausgesetzt sind, müssen neben den normalerweise benutzten Ein- und Ausgängen zusätzliche Notausgänge bereitgestellt werden.
So wie Gebäudeein- und ausgänge in normalen Situationen ausreichend sind, ist es die Notrufnummer 112 für den alltäglichen Betrieb ohne besondere Gefährdungslagen. In anormalen Situationen der beschriebenen Art muss dem Erfordernis des Wege-Notausgangs die medizinische Notrufnummer als fernmeldetechnischer Noteingang entsprechen.
Und schließlich noch dieses Argument:
Unabhängig von der Qualitätsverbesserung des Rettungswesens wäre auch aus Verbandssicht eine Einführung einer medizinischen Notrufnummer den Interessen des DRK förderlich. Da Notrufnummern in aller Regel mit Piktogrammen beworben werden, würde eine medizinische Notrufnummer mit großer Wahrscheinlichkeit durch ein rotes Kreuz gekennzeichnet. Dadurch würde sich in der Bevölkerung der Eindruck verstärken, dass medizinische Hilfe und Rotes Kreuz quasi "eins" sind.
Vernünftige Argumente gegen die Einführung einer medizinischen Notrufnummer ergeben sich nicht. Der Hinweis, dass sich die Menschen nur eine Notrufnummer merken können, ist es sicherlich nicht. Eher sollte man sich die Frage stellen, warum in der Bundesrepublik Deutschland nach der Wiedervereinigung die in der DDR eingerichtete 115 für medizinische Notfallhilfe abgeschaltet wurde.
Quelle: http://www.drk-karlsruhe.de/ma…/aktuelles/anzeigen/3361/