Facharzt für Notfallmedizin gefordet

  • Durch das Fehlen entsprechend ausgebildeter Fachärzte wird laut Ansicht der Berliner Ärztekammer die Patientengesundheit gefährdet. Die bisherigen Facharztausbildungen liefern nicht das spezielle und umfassende Wissen für den Einsatz in der Notfallaufnahme, so die Berliner Ärztekammer. Die Anforderungen der Notfallaufnahme beschränken sich nicht nur auf den medizinischen Bereich. Der organisatorische Bereich zum Beispiel bei einem Massenanfall an Verletzten, erfordert ebenso eine spezielle Ausbildung. Unter Berücksichtigung dieser und vieler weiterer Argumente empfiehlt die Berliner Ärztekammer die Einführung eines Facharztes für Notfallmedizin.


    Das vollständige Konzeptpapier der Berliner Ärztekammer findet Ihr hier: rettungsfachpersonal2020.de/index.php?attachment/679/

  • Bevor die Diskussionen losbrechen: es geht um einen Facharzt, dessen Tätigkeitsbereich die Notaufnahme und nicht der Rettungsdienst ist. Also kein "neuer" Notarzt!

  • Bevor die Diskussionen losbrechen: es geht um einen Facharzt, dessen Tätigkeitsbereich die Notaufnahme und nicht der Rettungsdienst ist. Also kein "neuer" Notarzt!

    Wie in anderen Ländern, in welchen er bereits etabliert ist, auch. Ich finde es bemerkens- und begrüßenswert, dass nun wieder Bewegung in diese Diskussion kommt.

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Richtig. Wird im deutschen Rettungsdienst nur oft mit einer höherqualifizierten Variante des präklinischen Notarztes verwechselt. Deshalb meine Anmerkung.

  • Naja, ich denke das die präklinische Notfallmedizin - selbst wenn hie rnicht der Fokus liegen wird - in Form des Notarztes von einem solchen Facharzt auch profitieren würde. Auch wenn sich das wohl noch langsamer als der Facharzt selber durchsetzen würde/wird.

  • Damit sich was durchsetzt, muß erstmal ein vermeintlicher Vorteil offensichtlich sein. Und was den "Facharzt für präklinische Notfallmedizin" angeht, wird das aktuell bei denen, die das überblicken, noch nicht gesehen.

  • Ich halte einen solchen Facharzt durchaus für wünschenswert, glaube aber das ein entsprechendes Weiterbildungsangebot unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen nicht wirklich attraktiv ist.
    Denn kaum ein Arzt wird des Rest seines Lebens in einer Notaufnahme zubringen wollen, und für viel mehr taugt ein solcher Facharzt wahrscheinlich nicht (evtl. noch ÄLRD - aber die Zahl dieser Stellen ist ja nun sehr begrenzt).

  • Wer glaubt, dass man mit neuen Qualifikationen, die grundlegenden Probleme des jeweiligen Systems optimieren kann, wird relativ schnell erkennen, dass das zu kurz gedacht ist.
    Für eine nachhaltige Lösung muss man den Kern des Systems verändern und nicht an ein paar Stellschrauben in der Peripherie drehen. Man muss die gesamte "Patientenwertschöpfungskette" betrachten und nicht nur einen kleinen Teilbereich.


    Mit Sicherheit kann man aber feststellen, dass man, um die Kosten im Gesundheitswesen nachhaltig zu stabilisieren bzw. zu senken, die Qualität im System erhöht werden muss.
    Und hier könnte ein Facharzt für Notfallmedizin sehr wahrscheinlich förderlich sein, aber nicht die Wunderwaffe zur Lösung aller Probleme.

  • Damit sich was durchsetzt, muß erstmal ein vermeintlicher Vorteil offensichtlich sein. Und was den "Facharzt für präklinische Notfallmedizin" angeht, wird das aktuell bei denen, die das überblicken, noch nicht gesehen.


    Ne, da hast du mich glaub ich falsch verstanden. Es geht um den Facharzt für Akut- und Notfallmedizin, der dann wohl auch sofern seine Verbreitung genug zunehmen würde auch Stück für Stück die Präklinik mit übernehmen würde/könnte und damit auch dort - zumindest mancherorts - die Qualität dort steigern/verbessern.
    Also kein zusätzlicher reiner Facharzt für präklinische Notfallmedizin. Der wäre meiner Meinung nicht nur nicht notwendig, sondern was die Qualität angeht sogar eher kontraproduktiv.

  • Ich halte einen solchen Facharzt durchaus für wünschenswert, glaube aber das ein entsprechendes Weiterbildungsangebot unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen nicht wirklich attraktiv ist.
    Denn kaum ein Arzt wird des Rest seines Lebens in einer Notaufnahme zubringen wollen, und für viel mehr taugt ein solcher Facharzt wahrscheinlich nicht (evtl. noch ÄLRD - aber die Zahl dieser Stellen ist ja nun sehr begrenzt).


    Da es doch schon eine nicht geringe Zahl reiner Notärzte gibt udn deren Job sicherlich anstrengender ist, sich hier im Gegensatz zum Notarztdienst auch Chef- udn Oberarztposten udn damit bessere Bezahlung und Hintegrunddienste ergeben würden und es in anderen Ländern auch genug Freiwillige für den Job gibt, denke ich nicht das es Probleme bei der STellenbesetzung geben würde - zumindest nicht mehr als in anderen Fachbereichen.

  • Ich halte es generell für problematisch, bei einem Fachkräftemangel weitere Spezialisierungen zu fordern und die Anzahl der Fachleute so noch weiter zu reduzieren. Das gilt für alle Bereiche des täglichen Lebens.

  • Denn kaum ein Arzt wird des Rest seines Lebens in einer Notaufnahme zubringen wollen, und für viel mehr taugt ein solcher Facharzt wahrscheinlich nicht (evtl. noch ÄLRD - aber die Zahl dieser Stellen ist ja nun sehr begrenzt).

    Tja, wenn es diese ÄLRD denn schon überall geben würde...


    Gruß

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Ich weiß nicht. Für mich gibt es an dieser Meldung zwei Kritikpunkte:


    1.) Es gibt diese Forderung ja nicht zum erstenmal. Bisher sind allerdings alle diesbezüglichen Versuchen misslungen bzw. die Bemühungen sind eingestellt worden.


    2.) Eine Notaufnahme ist, zumindest in vielen Fällen, interdisziplinär, was den Vorteil hat, dass Fachärzte mehrerer Disziplinen greifbar sind. Ich glaube nicht, dass es von Vorteil wäre, wenn man diese Spezialisten jetzt durch einen Arzt ersetzt bzw. ersetzen will, der nur eine Schnellbildung in den Fachbereichen absolviert hat, die kompremiert in den Facharzt für Notfallmedizin gepackt werden.


    Allerdings muss man dem System, soweit es denn eingeführt wird, auch die Möglichkeit geben, sich zu bewähren. Vielleicht wird ja auch eine andere Form von Ausbildung angeboten, ich lasse mich da mal überraschen.

  • Der Hintergrund des Facharztes für Notfallmedizin ist ja auch noch ein ganz anderer: 80%(mit deutlich steigendem Anteil bedingt durch die Veränderung in der Landschaft der Niedergelassenen) der Arbeit in einer Notaufnahme ist "Standardkram". Also eigentlich nichts was unbedingt einen Spezialisten erfordert oder bei der eine kurze telefonische Konsultation ausreicht.
    Und hier stellt sich schon die Frage ob es nicht effektiver wäre einen Arzt zu haben der hier effektivere "Fließbandarbeit" machen kann als den Chirurgen der zwischen Notaufnahme, Station und OP pendelt (grade in kleinen Kliniken kommt es ja durchaus noch vor das die Armfraktur 4h unversorgt warten darf weil der Chirurg grade im OP ist), den Internisten der zwischen Station, Wachstation und Notaufnahme pendelt, usw...
    Das es hierbei nicht immer die attraktivsten Stellen sind ist durchaus auch klar. Aber: Auch in der englischsprachigen Welt gibt es Notaufnahmeärzte..Und das sind mit Sicherheit nicht alles nur "Ausschusswareärzte" (nach meiner bisherigen Erfahrung in verschiedensten Ländern sogar eher nicht;) ) sondern "ganz normale Menschen". Da ist von der Familienmutter die 2x die Woche Frühdienst arbeitet (und in .de möglicherweise deswegen Anästhesistin geworden wäre) vom Nachtdienstjunkie alles dabei...


    Und: -Jetzt kommt's- Ich kann mir hier sogar einen Vorteil des deutschen Notarztsystems vorstellen. Denn eine enge Verzahnung von präklinischer und klinischer Notfallmedizin kann ggf. das "Gesamtpaket" Notfallmediziner attraktiver machen.


  • 2.) Eine Notaufnahme ist, zumindest in vielen Fällen, interdisziplinär, was den Vorteil hat, dass Fachärzte mehrerer Disziplinen greifbar sind. Ich glaube nicht, dass es von Vorteil wäre, wenn man diese Spezialisten jetzt durch einen Arzt ersetzt bzw. ersetzen will, der nur eine Schnellbildung in den Fachbereichen absolviert hat, die kompremiert in den Facharzt für Notfallmedizin gepackt werden.


    Ich sehe ebenfalls Vorteile für interdisziplinäre Notfallaufnahmen.

  • Ich sehe das auch als zweischneidiges Schwert. Vor allem glaube ich, dass dieser Arzt für alle invasiveren Tätigkeiten gar nicht mehr so in Frage kommt, da er für alles einen Facharzt herandelegiert (Das Polytrauma wird er weder selber operieren noch narkotisieren und bis in den OP begleiten, dafür gibts es Schockraumteams; der MI-Patient geht weiterhin direkt auf den Kathetertisch). Insofern fragt sich wie er manuelle Skills, die er wenn er im Verlauf präklinisch eingesetzt werden sollte beibehält?



    Ein rein innerklinischer FA wird einen Großteil mit Papierkram und Organisation zu tun haben und nutzt seine Expertise wahrscheinlich meist um eine schnelle Weiterleitung an akut kritischen Patienten in die Richtige Fachabteilung in Gang zu setzen. Fragt sich, wo da die Atraktivität ist, sich sonst nur mit den "banalen 0815-Patienten" zu beschäftigen. Oder sehe ich das zu pragmatisch?

  • 80%(mit deutlich steigendem Anteil bedingt durch die Veränderung in der Landschaft der Niedergelassenen) der Arbeit in einer Notaufnahme ist "Standardkram". Also eigentlich nichts was unbedingt einen Spezialisten erfordert oder bei der eine kurze telefonische Konsultation ausreicht.


    Ich dachte immer, dafür gäbe es den Facharzt für Allgemeinmedizin.

  • Genau das sind u.a. die Gründe, weshalb der Facharzt für Notfallmedizin von den meisten Institutionen abgelehnt wird.

  • Ich sehe das auch als zweischneidiges Schwert. Vor allem glaube ich, dass dieser Arzt für alle invasiveren Tätigkeiten gar nicht mehr so in Frage kommt, da er für alles einen Facharzt herandelegiert (Das Polytrauma wird er weder selber operieren noch narkotisieren und bis in den OP begleiten, dafür gibts es Schockraumteams; der MI-Patient geht weiterhin direkt auf den Kathetertisch).


    Nun sind die wenigsten Fälle aber tatsächlich ein Polytrauma. Auch die wenigsten Patienten müssen auf einen Kathetertisch. Es wird immer den ein oder anderen Notfallpatienten geben, der direkt in eine Spezialabteilung muss. Ein Polytrauma muss je nach Krankenhausaufnahmesituation nicht unbedingt dazugehören, wohl aber der von Dir genannte Katheterpatient und vielleich der Patient, der auf eine StrokeUnit muss. Ob man dafür einen eigenen Facharzt braucht, oder aber (Fach-)Ärzte aus anderen Disziplinen ggf. weiterbildet, mag ich nicht zu beurteilen. In diesem Zusammenhang habe ich letzte Woche einen Vortrag vom Lt. Oberarzt der Notaufnahme der Uniklinik Leipzig gehört, der sich fragte, ob ein Anästhesist vielleicht der Richtige wäre.

    Zitat

    Insofern fragt sich wie er manuelle Skills, die er wenn er im Verlauf präklinisch eingesetzt werden sollte beibehält?


    Ich denke, im Moment geht niemand davon aus, dass ein Facharzt für Notfallmedizin regelhaft auch präklinisch eingesetzt werden soll.


    Zitat

    Ein rein innerklinischer FA wird einen Großteil mit Papierkram und Organisation zu tun haben und nutzt seine Expertise wahrscheinlich meist um eine schnelle Weiterleitung an akut kritischen Patienten in die Richtige Fachabteilung in Gang zu setzen. Fragt sich, wo da die Atraktivität ist, sich sonst nur mit den "banalen 0815-Patienten" zu beschäftigen. Oder sehe ich das zu pragmatisch?


    Ich denke, für die Etablierung eines Facharztes für Notfallmedizin braucht es auch die richtige Infrastruktur. Sinnvoll ist soetwas in meinen Augen nur, wenn man auch eine geeignete Aufnahmestation hat, in der nicht nur Blasenentzündungen und Unterarmfrakturen liegen. Ich bevorzuge eine Variante, bei der ein Patient, egal mit welchem Problem in der Notaufnahme ankommt und dort bis zur endgültigen Diagnosestellung auch (vor- oder teil-)stationär bleibt. Erst zur Therapie sollte er in die entsprechende Fachabteilung weitergeleitet werden. Das ist vor allem dann sinnvoll, wenn es sich um Mischbilder handelt, dem typischen Sturz aus innerer Ursache etwa. Während der Chirurg eher den Knochenschaden im Fokus hat, der Internist eher den Grund für die Synkope sucht, sieht der Notfallmediziner eben beides und kann entscheiden, welche Problematik gerade führend ist, ohne die Begleitsymptomatik aus den Augen zu verlieren.


    Nun kann sich aber nicht jedes Krankenhaus tatsächlich auch eine solche Infrastruktur leisten. Insofern wird es meiner Meinung nach in Zukunft wohl eher so kommen, dass einzelne große Krankenhäuser eine interdisziplinäre Notaufnahme etablieren, mit einem entsprechenden Personalstamm. Von dort werden dann die Patienten in anderen (kleinere oder spezialiserte) Krankenhäuser weiterverlegt, wenn die Diagnostik abgeschlossen ist.
    Vorteil dieses Systems wäre dann zum Beispiel die bessere Wirtschaflichkeit, bessere Personalzufriedenheit, ein geregelterer Arbeitsablauf in den Krankenhäusern außerhalb der Notfallaufnahme, eine mehr steuerbare Großgeräteauslastung etc. Allen voran düfte der Patient am ehsten profitieren, da eine Diagnostik zügig durchgezogen wird.


    Gruß, Christian

  • Während der Chirurg eher den Knochenschaden im Fokus hat, der Internist eher den Grund für die Synkope sucht, sieht der Notfallmediziner eben beides und kann entscheiden, welche Problematik gerade führend ist, ohne die Begleitsymptomatik aus den Augen zu verlieren.


    Genau das ist der Grund, weshalb ich einen FA für Notfallmedizin in der Notaufnahme begrüßen würde.

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.