Rote Karte vom Ärztlichen Leiter

  • lumberjack


    das ist eine gute Frage. Das Schreiben des ÄLRD enthält eine Liste von den oben genannte vier Präparaten mit ihrer Indikation(laut Roter Liste) und den Indikationen, weswegen sie von Rettungsassistenten gegeben wurden(s. Mütoms Post im Novellierungsthread).


  • Interessant ist, daß viele User im Forum die Entscheidung des ÄLRD nicht in Frage stellt, wenn er die Erwartungen des Rettungsfachpersonals erfüllt und sie sogar als Voraussetzung betrachtet (z.B. Freigabe von Medikamenten), aber eine Ablehnung solcher Maßnahmen dann wiederum als nicht rechtmäßig ansieht. Das kann ich nicht wirklich nachvollziehen.


    Ich unterstelle mal, dass allgemein die Forderung nach invasiven Maßnahmen durch nichtärztliches Personal seitens des nichtärztlichen Personals nicht auf Eigeninteresse basiert --> "Medikamentengabe nur als Selbstzweck".
    Ich bin so naiv und behaupte, dass RettAss vernünftige Menschen sind und erweiterte Maßnahmen prinzipiell im Sinne des Patienten fordern.
    Im deutschen RD ist es bedingt durch das getrennte System von RTW und NEF systemimmanent, dass RettAss regelhaft eine Zeitphase bei kritisch kranken oder verletzten Patienten bis zum Eintreffen eines Arztes überbrücken müssen. Diese Zeit ist je nach RD-Bereich sicherlich unterschiedlich und von mehreren Faktoren abhängig (z.B. urbanes/ländliches Gebiet, Anzahl NEF, Ausrückzeit, Standortverteilung), aber es gibt in Deutschland sicherlich keinen Bereich in denen solche Situationen für RettAss nicht eintreffen.


    Anscheinend gab es in München zuvor eine adäquate Organisation des RTW/NEF-Verhältnisses. Erhöhe ich durch eine Anweisung des ÄLRD jetzt schlagartig die Anzahl der NA-Einsätze ohne vorher strukturelle Veränderungen vorzunehmen, erachte ich dies persönlich als die größte Patientengefährdung.
    In anderen RD-Bereichen sind die erweiterten Maßnahmen der RettAss weitaus restriktiver als zuvor in München (z.B. in meinem Eigenen), aber die Anzahl der Notärzte ist entsprechend angepasst.


    Auch wenn ich die geforderte Limitation der invasiven Maßnahmen in München persönlich nicht befürworte - insbesondere da diese unter dem "bundesdeutschen Standard" nach BÄK sind - sind diese zu akzeptieren, wenn auch die erforderliche Organisationsstruktur gegeben ist.

  • @Mütom:


    Weisst Du, warum Ihr die VEL geben dürft? Ich meine, welcher Notfallpatient braucht primär isoliert eine VEL bis der NA eintrifft? Schock evtl.? Kennst Du die Begründung?
    Oder finden die aufnehmenden Kliniken diesen Service einfach nur praktisch? :cursing:

    Speed is life!
    Es gibt 10 Arten von Menschen. Solche, die binär zählen können, und Solche, die es nicht können.

  • Wahrscheinlich gilt die Anlage einer Infusion inzwischen zu den Basismaßnahmen bei einem Notfallpatienten und wird entsprechend als durchzuführend definiert.

  • Wie die Sauerstoffgabe auch. Kann auch Komplikationen machen und braucht auch eine Indikation. Gehört aber auch zu den Basismaßnahmen beim Notfallpatienten.

  • @Mütom:


    Weisst Du, warum Ihr die VEL geben dürft? Ich meine, welcher Notfallpatient braucht primär isoliert eine VEL bis der NA eintrifft? Schock evtl.? Kennst Du die Begründung?
    Oder finden die aufnehmenden Kliniken diesen Service einfach nur praktisch? :cursing:


    ...ehrlich gesagt, diese Frage kann nur Herr Prof. Dr. Kreimeier beantworten, warum er die Meinung vertritt, das wir nach wie vor noch in der Lage sind, einen I.V. - Zugang zu legen bzw. verantwortungsvoll mit medizinischen Sauerstoff rumzugasen.




    Ich denke mal, das dies der Grund sein könnte...wissen tue ich es aber nicht:


    Zitat

    Wahrscheinlich gilt die Anlage einer Infusion inzwischen zu den Basismaßnahmen bei einem Notfallpatienten und wird entsprechend als durchzuführend definiert


    Warten wir mal ab, was in dieser Sache noch berichtet wird. Vielleicht wird diese ganze Angelegenheit dann etwas verständlicher.

  • Klar Ani! Meiner Meinung nach jedoch im Einsatzfalle sekundär. Demgegenüber stehe ja bei O2-Gabe bei akuter Atemnot ein deutlicher nutzen, sprich ein akutes zu bekämpfendes Problem. Eine routinemäßige Anlage einer VEL wiederum geschieht ja in aller Regel nicht aus dem direkten Zweck der Zustandsänderung mithilfe dessen und würde aus meiner Sicht in der Risikomatrix anders bewertet werden.

  • jetzt weiß ich endlich, warum ich nie skrupel habe, zugänge zu legen: wir haben keine risikomatrix dabei!

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  • Coronarspasmen, Gewebeschädigung durch freie Radikale, Aktivierung von Mediatoren etc...


    Das bezieht sich aber auch nur auf die Hochdosistherapie über einen längeren Zeitraum hinweg ;-)
    Und als Komplikationen würde ich das auch nicht bezeichnen. Eher als unerwünsche Nebenwirkung.
    Man darf die Empfehlung ja auch nicht überstrapazieren. Gerade für den kurzen präklinischen Intervall mit mumaßlich nicht wirklich zuverlässiger Möglichkeit der Blut-Sauerstoffstättigung wird im Zweifel auch weiterhin die (hochdosierte) Gabe empfohlen, solange die Klinik es erfordert. Nur bei unkomplizierten Verläufen ohne O2-fordernde Klinik und/oder der sicheren Sauerstoffbestimmung in der Klinik soll die Therapie angepasst (=keine oder reduzierte Sauerstoffgabe) werden.


    Wobei mir die Coronarspasmen in dem Zusammenhang auch noch nicht untergekommen sind.. weder als Anekdote, noch in der Literatur.
    Eine Reduktion des koronararteriellen Blutflusses und einer Erhöhung des vaskulären Widerstandes ja, aber Coronarspasmen noch nicht.
    Wäre dir da dankbar, wenn du mir mit einer Quelle weiterhelfen könntest.



    Gute Nacht

  • Genau darauf wollte ich hinaus: der Nutzen beider Maßnahmen steht im Regellfall über den Risiken und in beiden Fällen sind die Risiken vertretbar.

  • Also......in meinem RD-Bereich ist die Anlage eines PVZ und die Gabe einer VEL nicht Standard bei jedem Notfallpatienten. Wenn ich es ganz genau nehme, gibt der ÄLRD den i.v.-Zugang nur bei CPR, Hypoglykämie und symptomatischer Hypotonie frei. Streng genommen ist selbst bei einem ACS nur die Nitratgabe erlaubt.
    Wir unterbieten ebenfalls die BÄK, da Adrenalin bei Anaphylaxie und ein Antikonvulsivum nicht freigegeben sind.



    Persönliche Erfahrung zu der Empfehlung des ÄRLD:
    Notärzte fühlen sich ziemlich veräppelt, wenn sie zu einem Einsatz (z.B. Nierenkoliken) gerufen werden und sie das Novalgin und die Buscopan, aufgezogen beim Patienten vorfinden und diese dann nur noch applizieren müssen. sind, Höchststrafe ist das Ausrücken der NÄ um 3 Uhr Nachts zu einem Patienten mit einer Hypoglycämie, bei dem schon die Glycose an die Infusion angeschlossen ist. Selbst hier hat schon ein NA moniert, das wir das ja gar nicht mehr dürfen. Vorbereiten ja.......(§ 34 StGB!)


    Das ist bei uns Standard. Selbst für eine Hypoglykämie muss ich ein NEF nachfordern. Medikamente wie z.B. Buscopan oder Novalgin können nur vorbereitet werden, wenn ein Teammitglied wieder zum RTW geht und diese holt, da im Notfallkoffer nur "Notkompetenz"-Medikament nach lokalem Standard vorhanden sind.


    Naja, dafür sind die NEF zahlreich und in der Regel schnell vor Ort......in der Regel.

  • Hallo!


    Wenn ich es ganz genau nehme, gibt der ÄLRD den i.v.-Zugang nur bei CPR, Hypoglykämie und symptomatischer Hypotonie frei. Streng genommen ist selbst bei einem ACS nur die Nitratgabe erlaubt.


    Nur zum Verständnis: Ihr dürft/sollt Nitro geben, ohne dass ein i.v.-Zugang liegt?


    Ciao
    Rettungshund