Zur Interschutz wurde am Verdi-Stand u.a. auch über die Zukunft des Berufsbildes "Leitstellendisponent" diskutiert. Wie viele hier sicher schon wissen, wurde in den letzten Jahren, vor allem in den Fachmedien (z.B. "BOS-Leitstelle Aktuell", u.a.) und auf Kongressen, oft ein eigenes Berufsbild des Leitstellendisponenten eingefordert und die heutige Aus- und Fortbildungspraxis kritisiert [letzteres zurecht, Anm. des Verfassers]. Ein Autor und Meinungsvertreter stach hier besonders hervor: Achim Hackstein. Nun wurde aktuell auf der Interschutz anscheinend eine Rolle rückwärts gemacht:
Auszug aus der Verdi-Broschüre vom Mai 2015 (Bundesfachgruppe Feuerwehr): "Unsere Anforderungen und Thesen zur Arbeit in Leitstellen"
ZitatAnforderungen an das Personal:
Die allgemeinen Qualifikationsanforderungen gelten in der Regel für alle Funktionen in der ILS. Notwendig sind soziale Kompetenz, Teamfähigkeit, Stressresistenz, Grundlagenkenntnisse für EDV-Anwender. Darüberhinaus sind folgende fachliche Qualifikationsanforderungen zu erfüllen: Feuerwehrtechnische und/oder rettungsdienstliche Ausbildung nach Landesrecht, praktische Einsatzerfahrung in der notfallmedizinischen Rettung und/oder in der feuerwehrtechnischen Rettung, Führungsausbildung, Leitstellenlehrgang. Das Leitstellenpersonal ist laufend fort- und weiterzubilden, das umfasst theoretische Kompetenzen analog zum Rettungsdienst und feuerwehrtechnischen Dienst, leitstellenspezifische Fortbildungen und grundsätzliche Einsatzpraxis.
Ich bin etwas überrascht, dass einige der heißen Verfechter des eigenen Berufsbildung für die Leitstelle plötzlich einen Rückzieher machen. Ist hier der Druck der Lobby, z.B. der AGBF, zu groß geworden? Analog für meine Leitstelle bedeutet das in Zukunft (wie auch schon aktuell):
- feuerwehrtechnische Ausbildung BI/BII, Laufbahnprüfung mit Gruppenführerqualifikation BIII (knappe 2 Jahre)
- rettungsdienstliche Ausbildung zum RettAss (bisher, knappe 2 Jahre), aktuell und zukünftig NotSan (3 Jahre), u.a. Nachqualifizierung von aktuellen Betriebs- und Bestandspersonal
- Leitstellenausbildung (leider bisher keine einheitliche Ausbildung, "learning-by-doing")
Grundsätzlich habe ich mit dem Weg kein Problem, wäre aber auch offen für einen Weg zum eigenen Berufsbild (natürlich abhängig von der Art und Umfang der Ausbildung und der anschliessenden Entgeltgruppenordnung). Interessant ist die hier eingeforderte Fortbildung in allen Bereichen Rettungsdienst, Feuerwehr und Leitstelle (wir haben sogar noch das "Problem" der jährlichen HEMS-Fortbildung). Spannend wird es dann erst richtig, wenn es um die geforderte Einsatzpraxis geht. Für reine Kreisleitstellen ohne hauptamtliche Wachbereitschaft oder Berufsfeuerwehr und ohne kreiseigenen Rettungsdienst könnte das schwierig werden. Ich fürchte, dass die Mitgliedschaft in einer freiwilligen Feuerwehr ausreichend sein wird.
ZitatBeschäftigungsverhältnis:
Wir streben für das Personal in Leitstellen unabhängig von ihrer Beschäftigungsdienststelle vergleichbare Beschäftigungsverhältnisse an. Wegen der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben soll das Leitstellenpersonal im Beamtenverhältnis beschäftigt werden, ausnahmsweise könnten Tarifbeschäftigte eingesetzt werden (nicht im feuerwehrtechnischen Dienst oder im feuerwehrtechnischen Dienst mit Einsatzdienst). Dienst in Leitstellen ist ähnlich belastend, wie Einsatzdienst. Daher sollen auch für Beschäftige in Leitstellen die besonderen Altersgrenzen gelten. Wegen der oben beschriebenen Aufgaben und der geforderten Qualifikation sind Leitstellendisponenten mindestens in der Entgeltgruppe 8, soweit sie eine feuerwehrtechnische oder eine rettungsdienstliche Ausbildung vorweisen können und soweit eine feuerwehrtechnische und eine rettungsdienstliche vorliegt, mindestens in der Entgeltgruppe 9 der Entgeltordnung des TVöD/TV-L einzugruppieren. Beamtinnen und Beamte der Feuerwehren, die in der Regel sowohl feuerwehrtechnisch als auch rettungsdienstlich ausgebildet sind, müssen bei Einsatz als Leitstellendisponent dementsprechend mindestens ein Amt in der Besoldungsgruppe A9 der jeweiligen Besoldungsordnung innehaben.
Hier ist auch interessant, dass aufgrund der hoheitlichen Aufgaben der Leitstellen eine Forderung nach einem grundsätzlichen Arbeitsverhältnis im Beamtenverhältnis eingefordert wird. Ich denke, dass gerade die Kreisleitstellen ohne Anbindung an HAW/BF i.d.R. Angestellte sind. Das wird deutschlandweit, mit einigen Ausnahmen, sicher nicht anders aussehen wie in meinem Bundesland. Spannend ist die Forderung nach einem früheren Renteneintrittsalter analog zum Einsatzdienst der Berufsfeuerwehr aufgrund der belastenden Arbeit in Leitstellen (die ich ausdrücklich nur bestätigen kann!). Regelhaft betrifft das eigentlich nur Disponenten im Angestellenverhältnis, da die verbeamtenten Kollegen i.d.R. im Rahmen ihres Dienstverhältnisses bei einer Berufsfeuerwehr ohnehin mit 60 verschwunden sind. Hier sehe ich, was die hoheitliche Aufgabe und die Belastung im Arbeitsalltag angeht, durchaus Parallelen zum Rettungsdienst, was die Notfallrettung betrifft. Ich wünsche mir hier, dass auch unsere Berufsverbände für den Rettungsdienst schnell auf diesen Zug aufspringen und gemeinsam mit den Gewerkschaften hier Druck ausüben. Was seit Jahren im Einsatzdienst der Feuerwehren und bei der Polizei selbstverständlich ist, in den Leitstellen nun auch erkannt wurde, dass gilt selbstverständlich auch für den Rettungsdienst!
Gruß