Badische Zeitung: Leitstelle Ortenau schickt keinen Notarzt zu krankem Kind, Mutter wendet sich an Zeitung

  • Ich sehe ebenfalls überhaupt kein Fehlverhalten bei der Frau. Sie hat sich ernsthafte Sorgen um den gesundheitlichen Zustand ihres Kindes gemacht und den Notruf gewählt. Dort sitzt der Profi, der die Lage beurteilen muss.


    Diese Erwartungshaltung in unserer Gesellschaft, die ja so oft kritisiert wird, ist auch dadurch entstanden, dass die Erwartungen ständig erfüllt werden, weil viele den Weg des geringsten Widerstandes gehen.

    “When I was a boy and I would see scary things in the news, my mother would say to me, "Look for the helpers. You will always find people who are helping.”


    • Fred Rogers

    Einmal editiert, zuletzt von Hauke ()

  • Und jetzt soll ich Dinge von Patienten verlangen, die ich selbst als Profi nicht kann? Da ist es einfacher und sicherer und vermutlich mit einem besseren Outcome behaftet, ihnen zu empfehlen, im Zweifelsfall die 112 zu wählen.


    Ich sehe ebenfalls überhaupt kein Fehlverhalten bei der Frau. Sie hat sich ernsthafte Sorgen um den gesundheitlichen Zustand ihres Kindes gemacht und den Notruf gewählt. Dort sitzt der Profi, der die Lage beurteilen muss.


    Ich habe an keiner Stelle gelesen, dass der Frau vorgeworfen wurde, die 112 zu wählen und sich dort Rat einzuholen.
    Das hat sie getan und der Rat lautete: Bringen Sie Ihr Kind in die Ambulanz der Kinderklinik!


    Ich habe übrigens auch nirgends eine Beschwerde der Frau dahingehend gelesen, dass ihr Kind schlecht versorgt worden sei oder Folgeschäden erlitten habe. Ihr zentrale Beschwerde bezog sich in meiner Wahrnehmung darauf, dass sie auf den Fahrtkosten sitzen geblieben ist. Und das ist nun tatsächlich weder das Problem des Disponenten noch des Rettungsdienstes.


    Man kann aus diesem Fall natürlich noch ganz andere Probleme ableiten, vor allem strukturelle. Es gibt nachts keine (ausreichenden) Krankentransportkapazitäten, sodass für solche Fälle entweder ein Taxi herhalten muss oder der einzige RTW platt gemacht werden muss.
    Ich hab hier mal einen Kartenausschnitt des Ortenaukreises (Quelle: google Maps) angehängt. Der Ortenaukreis ist der flächenmäßig größte Landkreis in Baden-Württemberg. Das kranke Kind befand sich in Lahr. Da steht (nachts) ein RTW. Der nächste RTW steht südlich in Ettenheim. In der Kreisstadt Offenburg (nördlich von Lahr, dort ist auch die Kinderklinik) stehen nachts zwei RTW. NEF stehen in Offenburg und Lahr (jweils eines). Diese Fahrzeuge bedienen eine enorm große Fläche, die topographisch anspruchsvoll (Schwarzwaldausläufer, Berge und Täler) und dennoch dicht besiedelt ist. Unabhängig vom konkreten Fall muss der Disponent also ganz anders mit seinen Rettungsmitteln haushalten als vielleicht in einer Großstadt.


    Das aber nur als zusätzlicher Aspekt in der Diskussion.

  • Meine 2 cents


    Grundsätzlich finde ich es schonmal erfreulich, dass offenbar kein Schaden entstanden ist.
    Ob die Frage, ob ein RTW oder NAW nötig gewesen wäre, kann man weder grundsätzlich ja noch nein sagen.


    Wenn das Kind seit Längerem so hochfiebert, isses wahrscheinlich eher gefährdet, oder wenn das Fieber sprunghaft steigt (weil da nämlich die Gefahr für einen Fieberkrampf deutlich steigt-so hab ichs zumindest mal gelernt). Andererseits habe ich (neben meinen eigenen) auch schon ein paar andere Kinder gesehen, die mit 41 Grad Popotemperatur mir gewunken haben als ich aus dem NEF gestiegen bin.
    Vielleicht wird man mit eigenen Kindern entspannter.


    Einig kann man sich sein, dass eine ärztliche Vorstellung indiziert ist. Und wenn der Arzt nicht kommen kann, dann muss man Nachts auch wenn es nervig ist zum Notdienst fahren.


    Diese Einzelfallentscheidung war offenbar nicht falsch, denn erstens wurde das Kind vorgestellt und zweitens ambulant anbehandelt und dann wieder heimgeschickt.
    Das spricht nach meinem Dafürhalten und der erlebten Praxis der Pädiater dafür dass ein minderschwerer Fall vorlag und allenfalls die DD Noro gestellt wurde.


    Was ich doof finde-und da kenne ich mich als Anästhesist leider nur schlecht aus, weil ich es selten machen muss:
    Die Aussage der AOK, sie hätten die Transportkosten für das Taxi übernommen, wenn ein Notarzt notwendig gewesen wäre, verstehe ich nicht. Und weiterhin: ist es möglich, eine TS nachträglich auszustellen(zB vom niedergelassenen Kinderarzt)?


    Und abschließend: ich habe die LS Ortenau und den Bereich auch kennengelernt und sie gehört zu unserem Flugrevier. Ich kann bisher über die Zusammenarbeit mit dieser Leitstelle nichts Negatives berichten- im Gegenteil, die Aussage der Leiters, dass derDisponent anhand des Geschilderten entscheidet, wer was und wie entsendet wird bzw wer stattdessen zuständig ist, finde ich sehr vernünftig. Und es ist gut dass es so in der Zeitung steht.

  • Es ist immer wieder interessant zu sehen, wie uneinig selbst wir uns als Fachpersonal in manchen Dingen sind. Das sollte man bei so mancher Diskussion im Hinterkopf behalten.


    Übrigens waren nicht nur die Kosten ein Kritikpunkt der Mutter, Jörg:


    Zitat


    Sie versteht nicht, weshalb der Notarzt nicht kam, obwohl es ihrem kleinen Jungen so schlecht ging. "Das war doch ein Notfall", sagt sie. "Was hätte ich sonst tun sollen?"


    Wie man auch in den Kommentaren bei Facebook sehen kann, ist die Einschätzung, was denn nun ein Notfall ist und was nicht, für Laien nur schwer leistbar. Manchmal (zunehmend) fehlt es schlicht auch an gesundem Menschenverstand, wie wir ja in der täglichen Einsatzpraxis erfahren. Mit etwas Empathie (und die scheint mir bedauerlicherweise oft nur mangelhaft vorhanden zu sein) sollten wir aber so manche Situation bzw. Reaktion der Menschen besser bewerten können. Natürlich nervt es, wenn man zum x-ten Mal zu "Nichts" geschickt wird. Aber dieses "Nichts" ist für den jeweiligen Patienten eben nicht "Nichts" und wie man sieht, wissen sich viele Menschen einfach nicht (mehr) anders zu helfen, als die Notrufnummer zu wählen. Da ist es dann die grundlegende Aufgabe der Leitstelle und/oder am Ende die unsere zu entscheiden, ob und welche weitere Maßnahmen notwendig sind und wie diese umgesetzt werden müssen. Und so lange man "Notarzt" und "Ärztlichen Bereitschaftsdienst" in der Bevölkerung nicht unterscheiden kann, wird es aufgrund der fehlerhaft genutzten Bezeichnungen auch immer wieder zu hitzigen Diskussionen kommen, bei denen man aneinander vorbei redet.


    Was genau in diesem konkreten Fall geschehen bzw. wie das Notrufgespräch verlaufen ist, wissen wir nicht. Man darf aber schon die Frage stellen, ob und wenn nein, weshalb nicht auf den ärztlichen Bereitschaftsdienst verwiesen wurde? Das wäre doch in einem solchen Fall die naheliegendste Lösung gewesen?
    Die Reaktion und die (zweifelhafte) Aussage der AOK, eine Fahrkostenübernahme an den Einsatz eines Notarztes zu knüpfen, ist ebenfalls völlig irritierend.


    Alles in Allem mal wieder ein Fall, den man aus der Ferne und mit den vorhandenen Informationen nur schwer beurteilen kann.


    Und so ganz nebenbei: die Diskussionskultur hier im Forum hat meines Erachtens in den letzten Monaten erheblich gelitten, wie man in diesem Thema wieder deutlich sehen kann. Das ist sehr bedauerlich und eigentlich wissen wir doch alle, dass wir das besser können. Hier muss niemand beweisen, dass er der beste oder coolste ist. Wir sind nämlich alle die Besten und Coolsten, deshalb sind wir ja in diesem Forum ;)

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Nochmal: Der ÄBD ist in der Kinderklinik OG. Auf den wurde verwiesen.


    Zur Diskussionskultur:
    VÖLLIG unabhängig von diesem Thread, geht es nicht um cool sein. Ich habe eher das Gefühl, dass sich manche hier nicht ganz Grün sind.

  • Die hast du schon.... Das X in der rechten Ecke. Hilft manchmal. Ich finde bestimmte Auseinandersetzungen auch überhaupt nicht schlimm, solange es nicht persönlich wird.

  • Nochmal: Der ÄBD ist in der Kinderklinik OG. Auf den wurde verwiesen.


    Ich weiß, das ist auch abhängig vom jeweils diensthabenden Arzt, aber muss es für ein fieberndes Kind zwingend der kinderärztliche Notdienst sein? Ein Hausbesuch durch den "normalen" ÄBD wäre vielleicht ausreichend gewesen. Allerdings kenne ich mich mit den Gegebenheiten dort unten nicht aus.

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Wie gesagt, ich kann nur vom stand 2014 reden:
    98% der Ärzte vom ÄBD verweisem direkt ohne Rücksprache mit dem Pat. direkt auf die Kinderklinik.

  • Dieses Problem kenne ich allerdings auch. Daher schrieb ich, dass es auch auf den jeweils diensthabenden Arzt ankommt.

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Die hast du schon.... Das X in der rechten Ecke. Hilft manchmal. Ich finde bestimmte Auseinandersetzungen auch überhaupt nicht schlimm, solange es nicht persönlich wird.


    Entschuldigung, ich hab eins vergessen: :ironie: oder :acute:


    Ansonsten hast du natürlich Recht...nur ob man das Statement, dass hier manche nicht ganz gebacken sind, ausgerechnet da anbringen muss...ist ja wenig inhaltlich, dafür mehr nebulös persönlich.

  • Ich habe eher das Gefühl, dass sich manche hier nicht ganz Grün sind.


    Ansonsten hast du natürlich Recht...nur ob man das Statement, dass hier manche nicht ganz gebacken sind, ausgerechnet da anbringen muss...ist ja wenig inhaltlich, dafür mehr nebulös persönlich.


    Germanistische Intervention: "sich nicht ganz grün sein" und "nicht ganz gebacken sein" bezeichnen unterschiedliche Charakteristika.
    Ich glaube, du hast André diesbezüglich missverstanden.


    :acute:

  • Korrekt, meins ist die mögliche Folge von Andrechens angesprochener Charakteristik.


    Ich bitte um Verzeihung...