MANV-System Neuseeland

  • Aufgrund der aktuellen, schrecklichen Ereignisse in Neuseeland, mal eine Frage:


    Wie sieht es dort mit den entsprechenden MANV-Systemen aus?
    Ehrenamt?
    SEG?
    LNA/ORGL?

  • "We are the Pilgrims, master; we shall go
    Always a little further: it may be
    Beyond that last blue mountain barred with snow,
    Across that angry or that glimmering sea,


    White on a throne or guarded in a cave
    There lives a prophet who can understand
    Why men were born: but surely we are brave,
    Who take the Golden Road to Samarkand."


    James Elroy Flecker

  • Das meiste steht in dem Text, ein paar Anmerkungen aber noch:
    - In Neuseeland werden speziell ausgebildete Paramedics (Special Emergency Response Teams) gemeinsam mit den Spezialeinheiten der Polizei und der Armee (solange diese in Amtshilfe für die Cops aktiv wird) eingesetzt. Diese gehen dann auch in eine Hotzone.
    - Ähnlich wie in Australien gibt es prinzipiell die Möglichkeit Ärzte und Schwestern die speziellen Einheiten innerhalb der Kliniken angehören an die Schadensstelle zu bringen. Praktisch wird das aber sehr selten angewandt - und wurde nach meinem Stand auch hier nicht angewandt.
    - Klassische MANV Strukturen wie man sie aus Deutschland kennt mit ehrenamtlichen Einheiten, etc. kennt man erstmal nicht. Es gibt ein paar Spezialfahrzeuge und Teams, aber diese rekrutieren sich fast ausschließlich aus dem Hauptamt (wenn es am Ort HA gibt - in den Bereichen in denen der RD ehrenamtlich getragen ist schaut es natürlich anders aus). Der RD wird im MANV versuchen einen möglichst schnellen Transport in die Kliniken anzustreben - diese sind generell auf ganz andere Zahlen an Akutpatienten ausgelegt als in .de und können hier deutlich effektiver reagieren. (Häuser mit 10 und mehr Schockräumen in Reihe sind keine Seltenheit und lasten diese auch im Tagesgeschäft gut aus)


    Im konkreten Fall hat man wohl die ganze Sache aus der Tagesvorhaltung abgefrühstückt und mit dienstfreiem Personal das reguläre Geschäft nachbesetzt (u.a. auch weil Crews danach nicht mehr einsatzfähig waren, wenn wunderts auch).
    Aktuell läuft wohl eine größere Verteilungsaktion um Patienten luftgebunden nach Wellington, Auckland and Dunedin zu verlegen, da Christchurch selber ziemlich isoliert liegt und v.a. die ICU Kapazitäten wohl schon vorher am Anschlag waren.
    (Die letzten beiden Zeilen stammen von einem Freund der bei der Wellington Free Ambulance arbeitet)


    Pressemitteilungen:
    http://www.scoop.co.nz/stories…-central-christchurch.htm
    http://www.scoop.co.nz/stories…ident-in-central-chch.htm

  • Als isoliert würde ich Christchurch nicht betrachten, es hat zumindest einige Kleinstädte (Dunedin, Nelson, Ashburton, Greymounth) mit medizinischer Infrastruktur auf der Südinsel.
    Natürlich ist die Region nicht mit mitteleuropäischen Verhältnissen vergleichbar.

  • Naja, das einzige tertiary hospital auf der Südinsel neben Christchurch steht in Dunedin, und das sind bodengebunden knapp 4 Stunden.... Der Rest sind alles kleine Häuser (weniger als 80/90 Betten), die, wenn man von Ashburton mal absieht, auch alle 4 bis 5 Stunden Fahrt weg sind. Luft gebundn gehts natürlich schneller.

    "We are the Pilgrims, master; we shall go
    Always a little further: it may be
    Beyond that last blue mountain barred with snow,
    Across that angry or that glimmering sea,


    White on a throne or guarded in a cave
    There lives a prophet who can understand
    Why men were born: but surely we are brave,
    Who take the Golden Road to Samarkand."


    James Elroy Flecker

  • Du musst hierbei die andere Struktur der Kliniken in Australien und Neuseeland beachten.


    Kleinere Kliniken, selbst wenn sie über ein ED verfügen, besitzen im Regelfall keine eigene chirurgische Abteilung die auf die Versorgung von Notfällen ausgelegt ist sondern arbeiten ausschließlich mit Belegärzten und visiting specialists aus den großen Städten. Eigene chirurgische Services sind oft sehr sehr eingeschränkt und beziehen sich fast nie auf "trauma". Alles was "mehr" ist muss in die größeren Städte transferiert werden da man so sicherstellen will, dass gewisse Fallzahlen in den höherklassigen Kliniken zu Stande kommen bzw. dies als fundamental für die Patientenversorgung ansieht.
    Und "mehr" heißt in diesem Kontext übrigens bereits Oberschenkelhals Fx, etc., Dinge die in Deutschland durchaus in 80 Betten Häusern operiert würden.


    Dementsprechend gering sind auch die Intensiv-Kapazitäten stark zentralisiert. Es gibt in ganz NZ nur eine einzige dedizierte pädiatrische ICU (Starship in Auckland), auf der Südinsel gibt es nur zwei Level 2/3 ICUs (Christchurch & Dunedin) und drei kleine Level 1 ICUs (tlw. nur 4 Betten) (Invercargill, Nelson, Greymouth). Damit kommst du einfach nicht weit, insbesondere eben weil diese ICUs keinerlei Erfahrung mit der längerfristigen Versorgung von "major trauma" haben, da entsprechende Fälle im Regelfall binnen 24h wegverlegt werden.


    Aktuell werden daher Patienten großzügig nach Wellington, Dunedin und v.a. Auckland verlegt.


    (Wobei es da den Neuseeländern noch ganz gut geht. Im Vergleich: In Westaustralien gab es zu meiner Zeit genau 3 Häuser mit Intensivstation, alle drei in Perth. Mittlerweile gibt es eine einzelne kleine ICU in Bunburry, major trauma konzentriert sich aber quasi ausschließlich auf drei große Häuser, 80% davon auf ein bestimmtes KH)

  • (Wobei es da den Neuseeländern noch ganz gut geht. Im Vergleich: In Westaustralien gab es zu meiner Zeit genau 3 Häuser mit Intensivstation, alle drei in Perth. Mittlerweile gibt es eine einzelne kleine ICU in Bunburry, major trauma konzentriert sich aber quasi ausschließlich auf drei große Häuser, 80% davon auf ein bestimmtes KH)

    Wie überbrücken die denn die Zeit bis zur Verlegung, wenn da mal einer schlecht wird? Also gibt es dafür Material und wie stellen die eine zumindest grundlegende Expertise des Personals sicher?

  • Ehrlich? Gar nicht.
    Die EDs in den größeren Landkrankenhäuser (soll heissen mit mehr als 10 Betten) haben durch ihre Notfallmediziner halbwegs Expertise - die meisten Ärzte bleiben hier nur einige Jahre und stammen meist aus den größeren Kliniken-.
    In den kleinen Kliniken kommt halt ein GP, wenn überhaupt, ansonsten halt die nurse. (Der RD ist nur in den größeren Orten Paramedic gestützt, ansonsten gibt's Ehrenamtliche im freiwillige Feuerwehr-Prinzip)
    Ansonsten muss man sich halt im Klaren sein,dass die Versorgung in der Fläche halt Überlebenraten ähnlich denen von Ruanda hat. Wenn der RTW halt 300km Anfahrt hat und der Patient 8-9h bis in den OP braucht dann ist das halt die bittere Wahrheit. Der Landbevölkerung ist das auch klar, den Touristen weniger.

  • Da Neuseeland aber einen hohen allgemeinen Standard hat zwei Fragen:


    wird präklinisch bei eindeutigen EKG-Veränderungen lysiert?
    Telemetrie sollte ja nicht das Problem sein?


    Werden Schlaganfallpatienten in diesen "Buschhäusern" lysiert?
    Auch hier gäbe es mit Neuroradologen und stabilem Internet ja die potentielle Möglichkeit.

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?

  • Mein Vorpost bezieht sich auf Westaustralien, nur zur Erinnerung.
    Was NZ angeht:
    Bei ersterem bin ich mir relativ sicher das ja, bei zweitem meine ich nein. (Diese Häuser haben im Regelfall kein CT/MRT. Wir reden oftmals von Häusern die nicht mal echte Abteilungen haben sondern einen ED, 10 ward Betten für alles was "hausärztliche Belegpatienten" sind und ein bisschen Maternity)
    Ich frage aber nochmal wen - meine Quelle sitzt aber im urbanen Wellington.
    Deren Clinical Guidelines findet man online (wie z.B. auch die Guidelines der PICU im Starship Hospital)
    https://www.wfa.org.nz/what-we-do/clinical-care/