Rettungsdienst in Frankfurt vor dem Kollaps

  • Ein erster Versuch in der Altenpflege das System in D einzuführen scheint zunächst Schwierigkeiten zu haben:

    Link

    Das liegt aber nicht am System an sich, sondern an der Art, wie man die Transformation versucht hat.

    Das konnte so nie funktionieren.

  • Man muss die Trennung von "Denken" und "Machen" stoppen und endlich damit beginnen die Mitarbeitenden wie erwachsene Menschen zu behandeln.

    So sehr mir das vom Grundsatz her sympathisch ist, so sehr ist das m.M.n. auch zum Scheitern verurteilt, weil dafür zu viele Leute unterwegs sind, die mit Klettverschluss an den Schuhen besser zurechtkämen. Ich mag einfach diese vollkommen idealisierten Modelle nicht, bei denen davon ausgegangen wird, dass alle mindestens durchschnittlich intelligent und sozial sind. Die echte Welt sieht leider anders aus.

    They say God doesn't close one door without opening another.

    Please, God, open that door. :oncoming_fist_light_skin_tone:

  • Die echte Welt sieht leider anders aus.

    Nein. Du siehst nur das Ergebnis einer Welt, die nicht mit selbstorganisierten, dezentralisierten, zellstrukturierten Systemen arbeitet. Und zwar nicht nur im Rettungsdienst, sondern vom Kindergarten an in nahezu allen Bereichen. Nicht die Menschen sind das Problem, sondern die Organisationssysteme.


    Die Grossteil der Organisationssysteme, denen wir im Alltag begegnen, basieren auf Prinzipien des "Scientific Management" von Frederic Winslow Taylor (1856 - 1915). Diese Prinzipien wurden in einer Zeit und für eine Welt entwickelt, die primär kompliziert war. Die Welt heute ist komplex und man versucht auf Teufel komm raus den damit verbundenen Herausforderungen zu begegnen, die mehr als 100 Jahre alt sind.


    Hinzu kommt, dass basierend auf den Prinzipien des "Taylorismus" andere Wissenschaftler Theorien aufgestellt haben, wie z.B. Douglas McGregor und seiner "XY-Theorie", welche Menschen in zwei Schubladen steckt und daraus ableitet, wie man mit Menschen in den jeweiligen Kategorien umgehen muss.


    Das sind keine idealisierten Modelle, sondern das ist richtig solide Wissenschaft.

    Das hat nichts mit "New Work" oder "Leader Kult" auf LinkedIn oder XING zu tun.


    Wenn Du Dich tiefer damit auseinandersetzen möchtest, lies gerne die Werke von Niklas Luhmann (Systemtheorie), Mary Parker Follett (Management Theorie) oder W. Edward Deming („Ein schlechtes System wird auch einen guten Menschen besiegen.“)


    Oder schau Dir Unternehmen in Deutschland an, die eine entsprechende Transformation durchlaufen haben und jetzt so aufgestellt sind, z.B.:

    Hier ist nichts idealisiert.

    Hier wurden die Prinzipien einfach umgesetzt und gelebt.


    Verhältnisse schaffen Verhalten - und nicht anders herum.

    Das was Du in Deiner Realität erlebst, ist das Resultat der Verhältnisse.

    Das Ergebnis der Infantilisierung von erwachsenen Menschen.


    Wir müssen aufhören an den Menschen herumzuschrauben.

    Die sind nicht das Problem.

    Es sind die Systeme.

  • Also es fängt ja schon mit kompliziert und komplex an. Die Welt war noch nie kompliziert, sie war per definitionem schon immer komplex.


    Kompliziert: Klare Regeln und Abläufe, die man zB in einer Gebrauchsanweisung verschriftlichen könnte. Kampfflugzeug zB. Unfassbar viel Texhnik, viele verschiedene Systeme die interagieren, aber mit der Perfekten Anleitung und genügend Zeit wird jeder ein funktionierendes Kampfflugzeug bauen können. Und wenn man dann auf Knopf A drückt, wird immer B ausgelöst. Das ist kompliziert, aber eben auch linear, vorhersagen und wiederholter.

    Komplex: Ganz andere Liga. Der Regenwald. Oder andere Ökosysteme. Oder Menschen, erst recht wenn diese interagieren. Hier ist ständig alles in Bewegung und wir werden keine zwei Mal den gleichen Moment haben, dh die gleichen Ausgangsbedingungen für irgend etwas. Das beschreibt der sog. Butterfly Effect ganz anschaulich. Wenn ich in diesem System "auf den Knopf drücke" ist nicht vorhergesagt was passiert. Knicke ich im Regenwald einen Ast um muss gar nichts passieren. Oder der Jaguar wird auf mich aufmerksam und springt mich an. Oder das Pekari wird aufgeschreckt und flieht in wilder Panik, was widerum wer weiß was auslöst. Und es gibt ganz bestimmt keine Gebrauchsanweisung (auch wenn das manchmal echt toll wäre). Es mag zwar vereinfachte Regeln und Erkenntnisse geben, aber die sind eben vereinfacht und haben keinen absoluten Anspruch auf Wiederholbarkeit und Vorhersagbarkeit.

    Hier kommt dann Multiskalarität und Co ins Spiel, aber das sprengt den Rahmen (sehr spannendes Thema).


    Was will ich damit sagen. Es ist nicht einfach und man muss wissen in welchem System man sich bewegt, aber natürlich auch von welchem System man spricht. Aber eben auch, dass man nicht alles vorhersagen kann und nicht für alles Regeln und Bedingungen aufstellen. Bzw man sollte zumindest nicht erwarten, dass diese dann auch das erwartete Ergebnis bringen.. Und, es beschreibt auch ein bisschen das Problem das wir hier diskutieren. Einmal aus der eher theoretischen Sicht mit viel BWL und Projektmanagement und einmal aus der sich des Frontschweins (nicht negativ gemeint, nicht umsonst kennen die Armeen dieser Welt die sog. Feldbeförderung, die anerkennt, dass praktische Erfahrung genau so viel Wert ist oder manchmal sogar mehr als formale Beförderungsbedingungen und theoretische Ausbildung). Jeder dieser beiden sieht aber nur ein Teil des Ganzen (bzw unterschiedliche Aspekte des Ganzen). Schön im Gleichnis "Die blinden Männer und der Elefant" zu lesen oder auch in Orwalls Essay "Shooting an Eleephant".


    Ich glaube daher beide Perspektiven sind nicht nur gerechtfertigt, sondern notwendig und müssen auch beide berücksichtigt werden. Ansonsten werden wir angesichts des komplexen Systems (sic!) In dem wir uns befinden scheitern.

  • die anerkennt, dass praktische Erfahrung genau so viel Wert ist oder manchmal sogar mehr als formale Beförderungsbedingungen und theoretische Ausbildung).

    Du bist nicht zufällig Dozent an einer Notfall-Rettungssanitäter-Akademie? :D

  • Du bist nicht zufällig Dozent an einer Notfall-Rettungssanitäter-Akademie? :D

    Im Krieg sehe ich unseren Rettungsdienst zum Glück noch nicht :grinning_face_with_sweat::grinning_squinting_face:

    Aber.. wenn sie mir ein Angebot machen, dass ich nicht ablehnen kann... Meine Frau malt dann auch die Zertifikate :rolling_on_the_floor_laughing::smiling_face_with_halo:

  • Die Welt war noch nie kompliziert, sie war per definitionem schon immer komplex.

    Ich habe mich hier zu pauschal ausgedrückt. Sorry dafür!


    Es geht um den Unterschied von komplizierten Systemen vs. komplexen Systemen im Kontext der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung.


    Hier eine aus meiner Sicht gute Zusammenfassung der damit verbundenen Herausforderungen und Lösungsansätze: Organize for complexity (PDF)