Notarzt wird wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt

  • Eine 13-Jährige starb vor 3 Jahren an den Folgen einer Hirnhautentzündung. Der Notarztwagen, der sie in eine Klinik bringen wollte, wurde 2 Stunden lang von diversen Kliniken abgewiesen, da dort angeblich keine Kapazitäten zur Verfügung standen.
    Nun wurde eine Oberärztin zu einer Geldstrafe verurteilt, der Notarzt soll wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt werden. Beiden wird vorgeworfen, das dringend gebotene Antibiotikum nicht verabreicht zu haben. Der TV-Bericht zum Fall kann unter folgender Adresse abgerufen werden:


    http://www.zdf.de/ZDFmediathek/content/266848?inPopup=true

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Zitat

    Original von Daniel Grein
    der Notarzt soll wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt werden.


    Wegen unterlassener Antibiose? Hat er doch gar nicht zur Verfügung gehabt.


    Die Irrfahrt ist natürlich der Hammer.

  • Das Gleiche habe ich mich auch gefragt. Ich würde ohne nähere Kenntnis der Umstände und der Anklage davon ausgehen, dass es zumindest aus dieser Sicht zu keiner Verurteilung kommt bzw. kommen kann.

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • die Frage ist natürlich ebenfalls, ob das Kind wegen 2 Stunden Verzögerung verstorben ist. Sooooo fix ist die Antibiose ja auch nicht, daß das zwangsläufig der entscheidende Zeitfaktor war. Entsprechend wenig aussagekräftig scheint ja auch das von der Staatsanwaltschaft angeforderte Gutachten ausgefallen zu sein.


    Ich verstehe jedoch nicht, wie der RD bei Zwickau organisiert ist. Entweder gibts da ne Kinderklinik, dann hat die auch aufzunehmen und sich hinterher ggf. um ein Bett in einer anderen Kinderklinik zu kümmern. ODER aber die Sache ist dort nicht geklärt, dann hat gefälligst die Rettungsleitstelle ein Bett zu organisieren. Dann wäre einfach loszufahren tatsächlich eine seltsame Form der Hilfeleistung.


    Nils

  • In den Kommentaren der Sepsisgesellschaften wird immer wieder darauf hingewiesen, daß bei septischen Geschehen zu zögerlich mit der Antibiose begonnen wird. Bei der Meningokokkensepsis oder Meningitis mit schweren neurologischen Ausfällen ist schon der bloße Verdacht ausreichend, um unverzüglich mit einer Antibiose zu beginnen.



    Gruß,


    Ani

  • ja aber die Frage ist ob die 2 Stunden gereicht hätten das die Therapie angeschlagen wäre und das Kind überlebt hätte. Unabhängig davon das ich Antibiotika noch nie auf nem RTW gesehen habe

  • @rettungsdackel81


    Es ging nur um die allgemeine Notwendigkeit einer zeitnahen Antibiose und bezog sich auf Nils' Aussage.
    Wenn keine Antibiotika da sind oder der Verdacht nicht besteht, kann man natürlich auch nicht mit einer Antibiose beginnen.



    Gruß,


    Ani

  • Zitat

    Original von Daniel Grein
    Nun wurde eine Oberärztin zu einer Geldstrafe verurteilt, der Notarzt soll wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt werden. Beiden wird vorgeworfen, das dringend gebotene Antibiotikum nicht verabreicht zu haben. Der TV-Bericht zum Fall kann unter folgender Adresse abgerufen werden:


    http://www.zdf.de/ZDFmediathek/content/266848?inPopup=true


    aber wie kann man dann den NA wegen unterlassener Hilfeleistung anklagen wenn er was nicht gegeben hat was er nicht hat

    Einmal editiert, zuletzt von rettungsdackel81 ()

  • Zitat

    Original von Ani
    In den Kommentaren der Sepsisgesellschaften wird immer wieder darauf hingewiesen, daß bei septischen Geschehen zu zögerlich mit der Antibiose begonnen wird. Bei der Meningokokkensepsis oder Meningitis mit schweren neurologischen Ausfällen ist schon der bloße Verdacht ausreichend, um unverzüglich mit einer Antibiose zu beginnen.


    Schon klar. Aber das kann ja wohl kaum bedeuten, daß der NA in Zukunft stets eine gut gefüllte Brieftasche mit sich rumschleppen muß, um in solchen Fällen erstmal auf Privatrezept bei ner Apotheke die Sachen einzukaufen, die ihm der Rettungsdienst nicht anbieten kann.



    Nils

  • Versetzt Euch in die Situation der Klagenden - die haben den Tod eines Kindes zu beklagen und letztendlich ist niemand schuld - so zumindest die offizielle Auffassung der Beteiligten.


    Da ist eine Anzeige gegenüber der Klinik / der Oberärztin bzw. dem NA schon allein deshalb dienlich, weil in einem Prozeß alle Beteiligten die Möglichkeit haben werden, ihre organsisatorischen Planungen, Vorschriften, Aufgaben, Möglichkeiten, aber auch die Grenzen ihres Tuns aufzuzeigen.


    Der NA wird schlüssig darlegen, daß Antibiotika noch nie zur Regelausstattung im RD gehört haben und mit Verweis auf entsprechende Rettungsdienstgesetze seinen Verantwortungsrahmen darlegen.
    Umgekehrt wird die Klinik das gleiche Tun.
    Im Zweifelsfall darf der Träger der Rettungsleitstelle und die Kassenärztliche Vereinigung ebenfalls darlegen, wo die Aufgaben- und Verantwortungsbreiche liegen.


    Allein, die Möglichkeit, daß hier eine Versorgungslücke nachgewiesen werden könnte, die mangels vorhandenem Netzwerk / Planungen (weil sich halt nie einer vorher über die Situation X Gedanken gemacht hat...)
    wird Grund genug für einen Prozeß sein.
    Es soll sich halt nicht wiederholen, evtl. Versäumnisse sind abzustellen.

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?

    2 Mal editiert, zuletzt von raphael-wiesbaden ()

  • Ich kann den Beitrag leider nicht öffnen (unser Server lässt mich nicht). Ein Vorwurf gegen den Notarzt muss aber nicht zwingend an der Antibiose ansetzen. Gibt es weitere Hinweise in dem Beitrag?

  • Zitat

    Original von Nils
    Aber das kann ja wohl kaum bedeuten, daß der NA in Zukunft stets eine gut gefüllte Brieftasche mit sich rumschleppen muß, um in solchen Fällen erstmal auf Privatrezept bei ner Apotheke die Sachen einzukaufen, die ihm der Rettungsdienst nicht anbieten kann.



    Sicher nicht...



    Gruß,


    Ani

  • @Schmunzel:


    Gezeigt wird ein Beitrag: 2004 stirbt eine 13-Jährige. Grippesymptome, abends Verschlechterung des Zustandes. Das Mädel fängt an zu fantasieren, deshalb rufen die Eltern in der Rettungsleitstelle an. Nach einigem hin und her (Vaterbeschreibung) werden dann RTW/NEF alarmiert. Vor Ort wird die Verdachtsdiagnose einer Hirnhautentzündug gestellt, der NA drängt (so der Beitrag, die RD-Seite kommt dabei nicht zu Wort!) auf Transport wegen Lebensgefahr. Auf dem Weg in die nächste Klinik kommt die Nachricht: kein Intensivbett frei, keine Aufnahme. So geht das in allen Häusern, die angefahren werden:



    (Quelle: ZDF)



    Nach gut 2 Stunden kommt das Mädchen in ein Krankenhaus, dort wird die Antibiose begonnen, aber das Mädchen fällt ins Koma und verstirbt 8 Tage später.
    Ein Gutachten der Familienanwältin besagt, daß eine rechtzeitige Behandlung mit einem simplen Antibiotikum das Mädchen hätte retten könne, daraufhin wird Strafanzeige gestellt. Die Oberärztin einer weiterreichenden Klinik (Greiz beim zweiten Anlauf dort) wird zu einer Geldstrafe verurteilt (Einstellung gegen Zahlung??), sie hätte dem Mädchen in der Notaufnahme eine Primärversorgung zukommen lassen müssen. Der NA ("der mit dem Mädchen 2 Stunden unterwegs war") wird demnächst wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt. Das Gutachten der Staatsanwaltschaft kommt zu keinem eindeutigen Ergebnis, dort wird weiter ermittelt.

  • Danke für den Sachverhalt.


    Die Entscheidung hinsichtlich der Oberärztin wird vermutlich in Ordnung gehen.


    Was den NA angeht, könnte ich mir als Anknüpfungspunkt für ein Fehlverhalten die Irrfahrt vorstellen: Scheinbar wurde - in Kenntnis der Lebensgefahr - nicht vor Antritt der Fahrt abgeklärt, welches Haus aufnahmebereit war (anders kann ich mir diese Zickzack-Fahrt jedenfalls im Moment nicht erklären). Deshalb könnte es zu der Verzögerung von zwei Stunden gekommen sein, welche möglicherweise den Tod der Patientin verursacht hat.

  • In dieser Frage war der Beitrag leider nur bei einem Krankenhaus wirklich konkret: Das Haus in Plauen hatte ein Bett zugesagt, auf dem Weg dorthin jedoch wurde die Zusage wieder zurückgezogen.


    Bei allen anderen Häusern ist auch mir unverständlich, wie man sich ohne eine konkrete Zusage auf den Weg machen konnte.


    Nils

  • Hmmm, mir stellt sich generell die Frage, weshalb man sich nach der Ablehnung des ersten hauses dazu entschlossen hat, das nächst erreichbare und geeignete Haus zu erreichen, auch wenn dieses keine Bettenkapazität hatte. Eine erstversorgung sollte jedes Krankenhaus leisten können und der Notarzt zumindest nach einigen Klärungsversuchen eine solche Möglichkeit in Betracht ziehen.


    Wenn es nur eine Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über das selbe Thema malen. (Pablo Picasso)

  • Ich versteh eh nicht, warum die ILS da ganz rausgelassen wird... Das ist doch in so nem Fall das erste, was ich mach- ich sag in der Leitstelle bescheid, die soll ein Bett besorgen und mach mich der weil evtl. schon mal auf in Richtung mehrerer Kinderkrankenhäuser, sprich in die nächste größere Stadt...
    Wenns gar nicht anders geht, muss zur Not auch ein Hubschrauber dran glauben oder wirklich ein KH zur Erstversorgung... Es geht doch einfach nicht, dass ich nen vitalbedrohten Patienten 2 h durch die Gegend fahre... Allerdings glaub ich dann nicht wirklich, dass der NA die Situation angemessen eingeschätzt hat bzw diese Meinung auch genügend ausgelegt und verbreitet hat... Hier kommen für mich aber auch wieder die Eltern ins Spiel, die dann nach zwei Stunden doch mal das Druck machen beginnen- jedenfalls würde ich das machen! Und dann frag ich mich wieder, warum der Doc nicht mehr Druck in den KHs gemacht hat...
    Des weiteren, ich kann den Bericht leider auch nicht aufmachen, frag ich mich, warum, wenn mehrere Häuser angefahren wurden und mehrere abgewiesen haben, nur eine OÄ zur Verantwortung gezogen wird... Das kann doch auch nicht so recht sein...
    Ich bin der Meinung, dass in dem Fall einfach so einiges schief gelaufen ist, aber die Schuld mit Sicherheit nicht nur beim NA und der OÄ liegt...
    Auch wenn die RAs vllt aus rechtlicher Sicht keine Schuld trifft, hätte die Zusammenarbeit von ihrer Seite mit der Leitstelle besser funktionieren müssen- einfach alles hätte besser funktionieren müssen- aber das ist mit Sicherheit nicht der einzige Fall, bei dem einiges verbesserungswürdig ist... Nur entweder kommt es bei den meisten nicht zur Anklage oder nicht zum Tod des Patienten- womit es für die Medien ehr uninteressant werden dürfte...