Patientin nicht reanimiert: Rettungsassistent wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt

  • Wenn ich mir persöhnlich und aus guter Erfahrung heraus sicher bin, das der Kampf nicht mehr gewonnen werden kann, fahr ich halt mit halber Kraft.


    Und dann? Reanimieren ist wie schwanger: Entweder ganz, oder gar nicht. Wenn ich anfange, dann gemäß den Leitlinien und entsprechender Motivation. Alles andere ist Augenwischerei.

    "We are the Pilgrims, master; we shall go
    Always a little further: it may be
    Beyond that last blue mountain barred with snow,
    Across that angry or that glimmering sea,


    White on a throne or guarded in a cave
    There lives a prophet who can understand
    Why men were born: but surely we are brave,
    Who take the Golden Road to Samarkand."


    James Elroy Flecker

  • Deswegen hab ich es ja im Vorfeld nochmal erklärt, da ich mich unklar ausgedrückt hatte !


    Um es nochmal ganz klar deutlich zu machen: ICH würde im Zweifelsfall immer die REA einleiten und dann den NA entscheiden lassen, was jemand anderes tut steht auf einen anderen Blatt

    4 Mal editiert, zuletzt von machulle ()

  • So sehe ich das auch. Ich finde eine "halbherzige" Reanimation ziemlich unethisch. Entweder ich versuche alles, oder ich lasse es. Wenn ich es lasse, muss ich es halt gut begrünen können.


    Und es gab eine Zeit, da hab ich mehr gelassen als angefangen. Der wichtigste Punkt ist es hier, die Angehörigen mit ins Boot zu holen: abgelaufene Zeit (Hirntodwahrscheinlichkeit), Vorgeschichte, "es ging ganz schnell, er hat nicht leiden müssen". Wenn die Angehörigen sich ernst genommen fühlen, sind sie dir auch nicht böse. Aber auch: im Zweifel anfangen!

  • Ich kann mich an Situationen erinnern, bei denen keine sicheren Todeszeichen vorhanden waren, der NA noch nicht da war und wir (bzw. ich) entschieden haben, nicht mit der Rea zu beginnen. Das waren sehr wenige Situationen und der eintreffende NA hat dieser Entscheidung immer zugestimmt.
    Das ist aber die Ausnahme. IdR gilt natürlich, das bei unsicheren Todeszeichen mit der Reanimation begonnen wird.
    Und zu Patientenverfügungen. Es sind durchaus auch für den Rettungsdienst Situationen denkbar, in denen genügend Zeit ist, sich mit der Situation auseinander zu setzen und dann eine Entscheidung zu treffen.
    Z.B. wenn der Patient im sterben begriffen ist, aber eben noch nicht Reanimationspflichtig. Mit nicht mehr therapierbaren Krebs nach Hause entlassen. Und jetzt wird man gerufen, weil die Angehörigen einfach nicht erwartet haben, dass der Tod nicht immer auf leisen Sohlen kommt. Man könnte unter Maximaltherapie versuchen, Kreislauf und Atmung zu stabilisieren oder nimmt sich die Zeit für ein Gespräch und lässt den Patienten in Frieden sterben.

  • Ich kann mich an Situationen erinnern, bei denen keine sicheren Todeszeichen vorhanden waren, der NA noch nicht da war und wir (bzw. ich) entschieden haben, nicht mit der Rea zu beginnen. Das waren sehr wenige Situationen und der eintreffende NA hat dieser Entscheidung immer zugestimmt.


    Unabhängig davon, dass es solche Situationen geben mag: Ich habe mich mehrfach mit Notärzten unterhalten, die sich darüber ärgern, dass von ersteintreffenden RTW-Besatzungen häufig "eigenmächtig" auf Reanimationsmaßnahmen verzichtet wurde, weil sie (die NÄ) sich dadurch zu einer Entscheidung genötigt sahen. Sie äußerten dabei die Sorge über das moralische Dilemma, die RTW-Besatzung möglicherweise in Schwierigkeiten zu bringen, wenn sie eine von ihr unterlassene Reanimation dann doch beginnen würden oder eben im Umkehrschluss auch weiterhin auf Reanimationsmaßnahmen verzichteten, obwohl sie indiziert wären.


    Fazit: Oft bleibt den eintreffenden Notärzten vielleicht gar keine (faire) Chance, der Entscheidung nicht zuzustimmen.


    J.

  • Ich kann mich an Situationen erinnern, bei denen keine sicheren Todeszeichen vorhanden waren, der NA noch nicht da war und wir (bzw. ich) entschieden haben, nicht mit der Rea zu beginnen. Das waren sehr wenige Situationen und der eintreffende NA hat dieser Entscheidung immer zugestimmt.


    Out of necessity...
    Was soll er denn anderes machen, wenn die No-Flow-Time durchs Rettungsfachpersonal um weitere 2, 3 oder 5 Minuten verlängert wurde......

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    James Elroy Flecker

  • Die von Jörg und condorp4 angesprochene Problematik, dass der Notarzt evtl. vor vollendete Tatsachen gestellt wird und gar nicht anders entscheiden kann, zeigt wieder einmal, wie wichtig es ist, dass Ärzte und Rettungsfachpersonal zusammenarbeiten und auch gemeinsame Fortbildungen etc. besuchen. Denn nur durch eine enge Zusammenarbeit und Absprache kann man dieses Problem verbessern. Endgültig lösen kann man es wohl nicht.


    Ausser... Das Rettungsfachpersonal beginnt grundsätzlich mit einer Reanimation und erst der nachrückende Notarzt entscheidet über hop oder top... Meiner Ansicht nach nicht unbedingt die beste Lösung.


    Wenn es nur eine Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über das selbe Thema malen. (Pablo Picasso)

  • Ausser... Das Rettungsfachpersonal beginnt grundsätzlich mit einer Reanimation und erst der nachrückende Notarzt entscheidet über hop oder top... Meiner Ansicht nach nicht unbedingt die beste Lösung.

    Vielleicht nicht unbedingt die beste Lösung, aber juristisch ist der Rett.Ass. eben damit auf der sicheren Seite. Und welches Dilemma hat der NA, wenn er entschieden muss, ob weiter reanimiert wird oder nicht? Wenn schon das RTW-Team eher zu nicht anfangen tendiert hat, es aber muss, da keine sicheren Todeszeichen vorlagen, dann sollte es für den Arzt ein leichtes sein, die Rea abzubrechen.


    Und ich bin schon etwas erstaunt. Gibt es bei Euch wirklich nur ganz oder gar nicht bzgl. der Reanimation?

    "You are one of God's mistakes" --->(Placebo - Song to say Goodbye)

  • Wenn Rea dann Rea und kein Theater!
    Im übrigen ist wohl jeder von uns schon in der Grenzsituation gewesen und ich persönlich kenne es zum einen ausschließlich als Teamentscheidung der RTW Besatzung wenn es darum ging ob oder nicht und zum anderen immer abhängig davon ob bekannt ist wer als Notarzt kommt! Ein Veto aus dem Team pro Rea oder wenn nicht bekoannt ist wer als Notarzt kommt füht unweigerlich dazu dass Reanimiert wird..!

    :rtw: "Rettungsdienst" sind die Typen, die zu einem kommen, wenn man etwas getan hat, wofür man eigentlich zu dämlich ist. :rtw:


  • Und ich bin schon etwas erstaunt. Gibt es bei Euch wirklich nur ganz oder gar nicht bzgl. der Reanimation?

    Ja, bei der von mir zu verantwortenden Entscheidungsfindung, ganz klar... Ja.


    Entweder stelle ich die Indikation zur Reanimation, dann schulde ich auch eine leitlinienkonforme Rea und kein Show-Theater... oder ich stelle die Indikation nicht, dann gibts auch keine Reanimation.


    Egal für was man sich entscheidet. Man sollte seine Entscheidung gut fundiert begründen können, dann hat der Notarzt auch nicht das Dilemma, vielleicht anfangen zu wollen, obwohl die RTW-Besatzung etwas anderes entschieden hat.
    Ich begründe meine Entscheidung dem Notarzt gegenüber (und im Übrigen auch den etwaig anwesenden Angehörigen) in der Art, dass diese die Entscheidung nachvollziehen können und meine Argumenation sie überzeugt. In der Praxis bin ich damit bisher sehr gut gefahren...


    Wenn es nur eine Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über das selbe Thema malen. (Pablo Picasso)

  • Und ich bin schon etwas erstaunt. Gibt es bei Euch wirklich nur ganz oder gar nicht bzgl. der Reanimation?


    Ja. Weil alles andere macht keinen Sinn.

    "We are the Pilgrims, master; we shall go
    Always a little further: it may be
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    James Elroy Flecker

  • Nach angenehmem Telefonat mit dem Vorsitzenden:


    Es handelt sich um ein Strafbefehlsverfahren; dementsprechend gibt es kein ausführliches Urteil. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind in der Verhandlung erörtert worden.


    Eine Strafbarkeit wegen eines unechten Unterlassungsdelikts (§ 13 StGB) schied mangels Kausalitätsnachweises aus.

  • Aus einem (inzwischen geschlossenen) Parallelthread:



    Ich gehe davon aus, dass die Staatsanwaltschaft im Falle einer Abwendbarkeit des Todes der Patientin wegen eines Tötungsdeliktes ermittelt hätte (Begehen durch Unterlassen als Garant). Die einfache Unterlassung bleibt aber wohl - unabhängig von der Konsequenz - bestehen.
    [...]
    Jörg


    Eine Strafbarkeit wegen eines unechten Unterlassungsdelikts (§ 13 StGB) schied mangels Kausalitätsnachweises aus.


    Das war das, was ich in meinem ersten Beitrag (ganz am Anfang des Threads) ausdrücken wollte. Danke!


    J. :)

  • Nun sind wir doch wieder genauso weit wie am Anfang:Der Rett.ass. trifft auf eine vermeintlich leblose Person, und da es eine Patientenverfügung nicht gibt, wird angefangen zu reanimieren. In dieser Zeit kann man eine Anamnese erheben und vielleicht noch wichtige Details zum Sterbenden herausfinden. Dies alles sollte in der Phase, in der der Notarzt noch nicht da ist schon gelaufen sein.
    Anhand dieser Übergabe dürfte es für den NA wirklich einfach zu sagen: "Ja, weiterreanimieren" oder eben "Nein, wir hören auf.

    "You are one of God's mistakes" --->(Placebo - Song to say Goodbye)