Bayern: Vorgabe des Innenministeriums sorgt für Verärgerung bei Notärzten

  • Beim Rettungszweckverband Würzburg ist man über eine Vorgabe des Innenministeriums verärgert: innerhalb von zwei Minuten sollen die bayerischen Notärzte nebst Fahrer ausrücken. Weil in einigen Gebieten die Besetzung der Notarztstandorte nicht durchgehend gewährleistet werden kann und einige Standorte über viele Stunden nicht besetzt waren, beteiligen sich Ärzte freiwillig am Notarztdienst. Gerade denen macht die Vorgabe des Innenministeriums aber zu schaffen.
    Kritik gibt es auch an einem Vorschlag des Münchner Instituts für Notfallmedizin (INM), die Krankentransportwagen im Kreis Main-Spessart zu reduzieren. Während die Einsatzzahlen laut Kreisverband Main-Spessart des Bayerischen Roten Kreuzes steigen, sollen die Vorhaltestunden von derzeit 219 Wochenstunden auf 206,5 Wochenstunden reduziert werden. Das BRK lehnt diese Stundenreduzierung ab und verweist darauf, dass die Daten des IMM "nicht valide" seien.


    Quelle: http://www.main-netz.de/nachri…-spessart/art3995,1854565

  • Ich zitiere mal Daniel´s Quelle, von Sefrin: "Schließlich sei der Notarztdienst in Bayern freiwillig". Ist das so? Ich dachte immer, dass der Notarztdienst in Deutschland regulärer Pflichtbestandteil im Rettungsdienst ist. Zählt das nicht an jedem Standort?


    Abgesehen davon: Freiwilligkeit darf keine Verschlechterung von Qualitätsanforderungen nach sich ziehen. Wir haben in unserem KV auch freiwillige, noch dazu lediglich mit einer Aufwandsentschädigung versehene, Helfer. Auch Diese müssen innerhalb von zwei Minuten ausrücken. Dann muss eben Geld in die Hand genommen und der NA-Dienst enstsprechend entlohnt werden. Aber um auch noch ein bischen polemisch zu werden: Der häufige Arzt-Ausfall an besetzten Standorten führt für die übrigen NA zu so langen Anfahrstzeiten, dass 3 oder 5 Minuten Ausrückezeit auch nicht mehr ins Gewicht fallen. Und der NEF Fahrer hat dann noch ein paar Minuten Vorlauf, das Navi startklar zu machen. Prost aus Bayern. :blackeye:
    Wir sollten als Rettungsfachpersonal auch mehr in den Printmedien präsent werden.

    Speed is life!
    Es gibt 10 Arten von Menschen. Solche, die binär zählen können, und Solche, die es nicht können.

  • 2 Minuten. Wenn ich so viel Zeit zum ausrücken hätte, würde ich mich nicht beschweren. Wieso kriegt man bei solchen Pressemitteilungen nur den Eindruck, dass in Bayern hauptsächlich Hobbyretter unterwegs sind?

  • 2 Minuten. Wenn ich so viel Zeit zum ausrücken hätte, würde ich mich nicht beschweren.


    Wobei man ehrlicherweise sagen muss, dass solche Ausrückzeiten sehr schwer einzuhalten sind, wenn der Notarzt während seiner Schicht noch irgendwo im Krankenhaus Stationsdienst o.ä. hat und nicht auf der Rettungswache beim NEF-fahrer sitzt.


    Mein persönliches "Highlight" nach einem Einsatz waren auf dem FMS-Protokoll die registrierten 8 Minuten Wartezeit (zwischen Status 3 und Status 9) des NAW auf den Notarzt.

  • Ich zitiere mal Daniel´s Quelle, von Sefrin: "Schließlich sei der Notarztdienst in Bayern freiwillig". Ist das so? Ich dachte immer, dass der Notarztdienst in Deutschland regulärer Pflichtbestandteil im Rettungsdienst ist. Zählt das nicht an jedem Standort?


    Freiwillig ist er vielleicht nicht.
    Der Notarztdienst wird aber durch die KVB gestellt. Die Ärzte nehmen an diesem Dienst freiwillig teil.
    In der bayerischen Peripherie läuft der Notarztdienst oftmals nebenbei ab.Also neben der Stationsarbeit beim Krankenhausarzt oder neben der privaten Tätigkeit beim niedergelassenen Arzt.
    Da sind 2 Minuten eben ein anderes Wort, als 2 Minuten bei Präsens auf der Wache.

  • 2 Minuten. Wenn ich so viel Zeit zum ausrücken hätte, würde ich mich nicht beschweren. Wieso kriegt man bei solchen Pressemitteilungen nur den Eindruck, dass in Bayern hauptsächlich Hobbyretter unterwegs sind?

    weils so ist :ironie:

    Ich grüße meinen Vater, meine Mutter und ganz besonders meine Eltern :hallo:


    retrovaginale, cerebrale diarrhoe :pfeif:

  • Ein selbstständig tätiger ("freiwilliger") Notarzt bekommt in Bayern eine Bereitschaftspauschale von 4 Euro/ h am Tag und 8 Euro/ h in der Nacht oder am Wochenende. Die Einsätze werden zusätzlich vergütet. In ländlichen, einsatzschwachen Regionen bleibt die Pauschaule häufig die einzige Einnahme. Diese muss der Selbstständige versteuern. Zudem trägt er noch Kosten wie z.B. Einsatzkleidung und deren Reinigung, Versicherung (Haftpflicht, Rechtsschutz, Berufsgenossenschaft oder Unfallversicherung), Aus- und Weiterbildung, Literatur, usw.. Dass sich für dieses Geld niemand findet, der sich auf eine Rettungswache setzt, dürfte nachvollziehbar sein. Dass sich nur wenige finden, die sich zwischen der regulären Arbeit in Krankenhaus oder Praxis noch zu Hause zum Notarztdienst bereithalten ist auch verständlich. An einsatzstarken, lukrativen Standorten bestehen diese Probleme nicht.

  • Absolut verständlich. Aber statt des Engagements für ein paar Euro sollten die freiwilligen Notärzte einfach ein paar Tage keinen Dienst mehr übernehmen. Dann nämlich wäre man gezwungen, an dieser desolaten Situation etwas zu ändern. Solange sich aber immer wieder Freiwillige finden (analog zum Rettungsfachpersonal)...

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Bei diesem "Gehalt" finde ich es schon gerechtfertigt, von "Hobbyrettern" zu sprechen. Und woanders klaptp es ja auch, den NA Dienst ordentlich zu bezahlen.

  • Bei diesem "Gehalt" finde ich es schon gerechtfertigt, von "Hobbyrettern" zu sprechen. Und woanders klaptp es ja auch, den NA Dienst ordentlich zu bezahlen.

    vor allem in hh stichwort kv notdienst.....einer der größten sozialbetrügereien die ich kenne :motz:

    Ich grüße meinen Vater, meine Mutter und ganz besonders meine Eltern :hallo:


    retrovaginale, cerebrale diarrhoe :pfeif:

  • Absolut verständlich. Aber statt des Engagements für ein paar Euro sollten die freiwilligen Notärzte einfach ein paar Tage keinen Dienst mehr übernehmen. Dann nämlich wäre man gezwungen, an dieser desolaten Situation etwas zu ändern. Solange sich aber immer wieder Freiwillige finden (analog zum Rettungsfachpersonal)...

    Es bleiben ja auch viele Standorte zeitweise unbesetzt. Eine lokale Lösung kann es aber nicht geben, da die Vergütung über die KVB (Kassenärztliche Vereingung Bayerns) einheitlich geregelt ist. Zum ersten Quartal 2011 wollte die KVB die Bereitschaftspauschale an die Einsatzhäufigkeit anpassen, hat dies aber wieder revidiert, da die Anpassung routinemäßig angestoßen worden sei, bevor die vorgesehenen Strukturmaßnahmen berücksichtigt werden konnten (was auch immer das heißen mag).

  • Bei diesem "Gehalt" finde ich es schon gerechtfertigt, von "Hobbyrettern" zu sprechen. Und woanders klaptp es ja auch, den NA Dienst ordentlich zu bezahlen.


    Das Gehalt passt dann woanders in Bayern auch, wenn die Einsatzzahlen für den NA-Standort stimmen.
    Geld bringt nicht die Stundenvergütung, sondern die Einsatzpauschale.


    Was dann im Umkehrschluss oftmals zu folgendem Bild führt:
    Einsatzschwache Standort werden nur von jungen Notärzten oder Idealisten besetzt.

  • Das heißt dann aber, dass der AN (der Arzt) Glück haben muss, um Geld zu verdienen. Ich stelle mir vor, ich würde ein vergleichbar lächerliches Grundgehalt kriegen und ob ich mehr kriege, hängt von den Einsatzzahlen ab. Und wenn ich dann mal pro Schicht nur 2-3 Einsätze kriege, habe ich halt Pech gehabt???
    Das kann es doch nicht sein!
    Wer arbeitet, kriegt Geld. Und zwar angemessen viel. In einem anderen Thread wurde ein Prämiensystem zugunsten von Einsätzen als verwerflich bezeichnet und hier soll es jetzt ok sein?

  • Das entspricht aber der Realität.
    Es ist auch ein Grund, warum viele Notärzte in einsatzschwächeren Regionen gerne ohne Fahrer fahren.
    Für die geringe Pauschale setzt sich niemand freiwillig auf eine Rettungswache.
    So nehmen die Notärzte halt das NEF mit nach Hause und fahren von dort dann zum Einsatz.

  • Das heißt dann aber, dass der AN (der Arzt) Glück haben muss, um Geld zu verdienen.

    Genau, es ist ein Glücksspiel und an manchen Standorten verlierst du regelmäßig. Viele Notärzte gehen einer Vollzeitbeschäftigung in Krankenhaus oder Praxis nach. Wenn ein Krankenhausarzt sich seine Überstunden nicht ausbezahlen lässt, sondern frei nimmt und in dieser Zeit einen Notarztstandort auf einer Rettungswache besetzt, dann lohnt sich das nur, wenn er deutlich mehr verdient, als ihm die Ausbezahlung der Überstunden erbracht hätte. Das wird bei einer Stundenpauschale von 4 Euro brutto nicht gelingen. Und selbst wenn er einen Einsatz hat, macht er noch Verlust (ein Kassenpatient bringt zw. 7 und 22 Uhr bei einer Einsatzdauer bis zu 75 Minuten pauschal 91,00 Euro brutto)

  • Das entspricht aber der Realität.
    Es ist auch ein Grund, warum viele Notärzte in einsatzschwächeren Regionen gerne ohne Fahrer fahren.
    Für die geringe Pauschale setzt sich niemand freiwillig auf eine Rettungswache.
    So nehmen die Notärzte halt das NEF mit nach Hause und fahren von dort dann zum Einsatz.


    Ich bin wirklich kein besonderer Kenner des BayRDG, aber steht da nicht irgendwas von einem Fahrer drin?


    Ich verstehe, dass die Ärzte das nicht machen wollen. Aber dann sollen sie es bleiben lassen und nicht zum selbstfahrenden Langausrücker werden.

    Speed is life!
    Es gibt 10 Arten von Menschen. Solche, die binär zählen können, und Solche, die es nicht können.

  • Ich bin wirklich kein besonderer Kenner des BayRDG, aber steht da nicht irgendwas von einem Fahrer drin?

    Zitat

    Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes
    (AVBayRDG)
    Vom 30. November 2010

    § 6


    Besetzung der Einsatzfahrzeuge

    (1) 1 Der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung kann in begründeten Ausnahmefällen von dem Erfordernis, das Notarzt-Einsatzfahrzeug mit einer Fahrerin oder einem Fahrer zu besetzen, absehen. 2 Der Durchführende des Rettungsdienstes, der mit der Vorhaltung und dem Betrieb des Notarzt-Einsatzfahrzeugs beauftragt ist, und die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns sind vor der Entscheidung anzuhören.

    Zitat

    Ich verstehe, dass die Ärzte das nicht machen wollen. Aber dann sollen sie es bleiben lassen und nicht zum selbstfahrenden Langausrücker werden.

    Ist halt die Frage, ob es besser ist, z.B. 3 Minuten Ausrückzeit zu tolerieren oder den Standort zu schließen und den Notarzt aus dem 30 km entfernten Nachbarkreis anfahren zu lassen, der schon nach 1:30 Minuten ausgerückt ist.

  • Ist halt die Frage, ob es besser ist, z.B. 3 Minuten Ausrückzeit zu tolerieren oder den Standort zu schließen und den Notarzt aus dem 30 km entfernten Nachbarkreis anfahren zu lassen, der schon nach 1:30 Minuten ausgerückt ist.

    Ist hier nicht die Frage, warum funktioniert das in anderen Bundesländern nur in Bayern nicht. Dann muß Bayern doch einfach mal richtig dem Wert entsprechend Zahlen. So wird aber die Bequemlichkeit mancher Ärzte gefördert? Wenn ich so einen Dienst übernehme, dann sollten bestimmte Dinge Grundsatz sein.


    Kann hier die Auffregung der Ärzte mit der der Ausrückzeit nicht verstehen... Das einzigste was ich versteh, ist die Aufregung über die Aufwandtsentschädigung, Gehalt oder Lohn darf man das ja fast nicht mehr nennen im Vergleich zu anderen BL....




    Grüße


    Dulex

  • Ist halt die Frage, ob es besser ist, z.B. 3 Minuten Ausrückzeit zu tolerieren oder den Standort zu schließen und den Notarzt aus dem 30 km entfernten Nachbarkreis anfahren zu lassen, der schon nach 1:30 Minuten ausgerückt ist.



    Das liest sich in Bayern schon eher wie ein begründeter Dauerzustand (und ich habe keine anderen Infos als z.B.die Zeitungsartikel oder eigene Erfahrungen). Die Forderung darf nicht dahin gehen, die Qualität nachhaltig auszuhöhlen. Wenn sich sowas eingeschlichen hat, bekommt man es nur schwer wieder weg. In meinen Augen ist es nicht zu tolerieren, sondern man muss den Zustand der Bevölkerung präsentieren. Möglicherweise mit Fristen bis zur Einstellung des Dienstes o.ä.. Selbstverständlich muss der Notfallpatient versorgt werden. Weil nicht zuletzt bin ich es (als RD-Mitarbeiter, neben dem Patienten), der länger auf den Notarzt warten muss. Maßnahmen verzögern sich, ohne das Alternativen geschaffen werden. Hier sehe ich die Politik in der Pflicht, auf lokaler Ebene Druck zu machen.

    Speed is life!
    Es gibt 10 Arten von Menschen. Solche, die binär zählen können, und Solche, die es nicht können.

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  • Das heißt dann aber, dass der AN (der Arzt) Glück haben muss, um Geld zu verdienen. Ich stelle mir vor, ich würde ein vergleichbar lächerliches Grundgehalt kriegen und ob ich mehr kriege, hängt von den Einsatzzahlen ab. Und wenn ich dann mal pro Schicht nur 2-3 Einsätze kriege, habe ich halt Pech gehabt???
    Das kann es doch nicht sein!


    Ja, das kann so nicht sein.... Weil 2-3 Einsätze in 24h geht ja noch. Es gibt genug Standorte, gerade im Nirgendwo, die auf weniger als 400 Einsätze pro Jahr kommen... Da gibt es genug Schichten, in denen kein einziger Einsatz gefahren wird. Solche Standorte lassen sich aktuell nur dadurch besetzen, dass die Notärzte aus der Praxis, der Klinik oder der Freizeit zu Hause heraus fahren..... Und diese brauchen dann gerne mal länger als 2 Minuten, bis sie auf dem Auto sitzen.....

    "We are the Pilgrims, master; we shall go
    Always a little further: it may be
    Beyond that last blue mountain barred with snow,
    Across that angry or that glimmering sea,


    White on a throne or guarded in a cave
    There lives a prophet who can understand
    Why men were born: but surely we are brave,
    Who take the Golden Road to Samarkand."


    James Elroy Flecker