Vorwürfe: Notarzt bescheinigte natürliche Todesursache bei Mordopfer

  • Ich bin mal die gängigen Verlage (Kohlhammer,Dokuform usw) durchgegangen, die haben zwar die Formulare für S-H, machen aber ein Geheimnis aus dem Layout und stellen maximal die erste Seite (Anleitung zum Ausfüllen des [nicht gezeigten] Formulars) online. Interessante Fundstelle: Vorgehen nach Todesfeststellung im Notarzteinsatz (Segeberg).


    Zur Überschrift: da doch eigentlich ein Raub und keine Tötungshandlung geplant war, dürfte es doch eigentlich kein Mord sein, oder?

  • und in Hamburg auch der Tod durch Feuerwehrbeamte festgestellt werden kann/konnte.

    Rettungsassistenten dürfen in Hamburg lediglich sichere Todeszeichen (Leichenstarre, Leichenflecke, Verwesung und Enthauptung) feststellen und danach den Notarzt abbestellen. Die Polizei übernimmt bei Leichen das weitere Vorgehen und zieht einen Arzt hinzu, der die Todesursache feststellt oder veranlassen einen Transport in die Gerichtsmedizin.


    Ciao,


    Madde

    "You won't like me when I'm angry.


    Because I always back up my rage with facts and documented sources."



    The Credible Hulk.

  • Also zumindest für Österreich kann ich sagen, dass nur Destriktsärzte oder bestellte Ärzte den Tod feststellen dürfen. Dies regeln die Landessanitätsgesetze der Bundesländer.
    Von daher stellt der Allgemeinmediziner fest, dass die Person wohl verstorben ist und stellt einen Behandlungsschein aus. Im weiteren Verlauf muss binnen 6 h sich dann der Destriktsarzt / oder bestellte Arzt hin bemühen um zusagen natürlich oder unnatürlich verstorben.
    Aber nicht bemerkte Morde gibt es auch in dem System und auch in UK wird es dies geben.

  • Rettungsassistenten dürfen in Hamburg lediglich sichere Todeszeichen (Leichenstarre, Leichenflecke, Verwesung und Enthauptung) feststellen und danach den Notarzt abbestellen. Die Polizei übernimmt bei Leichen das weitere Vorgehen und zieht einen Arzt hinzu, der die Todesursache feststellt oder veranlassen einen Transport in die Gerichtsmedizin.


    Ciao,


    Madde

    Also mal ganz ehrlich:


    Wenn ich bei einer Wohnunsöffnung eine Leiche vorfinde, die dort schon seit mehreren Tagen liegt und die Polizei sowieso schon vor Ort ist und einen Polizeiarzt nachbestellt, sehe ich auch bei uns keinen vernünftigen Grund warum sich ein Notarzt zur Einsatzstelle bemühen sollte, der wird nämlich auch nicht mehr machen als eine RTW-Besatzung- und meine Pflicht dafür zu sorgen, dass sich ein Arzt der Sache annimmt sehe ich auch als erfüllt an.

  • Danke für den Link, Nils. Ich bin noch nicht fündig geworden, bin mir aber sicher, irgendwo auf der Festplatte die Formulare zu haben. Doof, wenn selbst virtuell das Chaos regiert...


    Um Missverständnissen vorzubeugen, es gibt auch in Schleswig-Holstein die Möglichkeit für Notärzte, keine Leichenschau durchzuführen und dies an einen anderen Arzt zu delegieren. Sollte man sich jedoch zur Leichenschau entscheiden, entfällt die Möglichkeit, einen ungeklärten Tod zu dokumentieren und damit ein Ermittlungsverfahren auszulösen. Wie heißt es so schön in dem Link:

    Zitat

    Nebulöse Meldungen wie "Fremdeinwirkung nicht auszuschließen" oder "Unklare Todesursache" (ohne vorangegangene Recherche beim Hausarzt und Befragung Angehöriger) führen zwangsläufig und zu Recht zu Fragen und unnötigen Diskussionen.

    und

    Zitat

    keine zusätzliche Anforderung der Polizei wegen "unklarer Todesursache o.ä." !

    Ohne eindeutige Hinweise auf einen nicht-natürlichen Tod obliegt es dem leichenschauenden Arzt, das Umfeld in die Ermittlung der Todesursache einzubeziehen (Befragung von Angehörigen, evtl. anderer behandelnder Ärzte). Das ist natürlich mit Arbeit verbunden und kostet Zeit, die sich im Notarztdienst wohl die wenigsten nehmen würden oder können. Wobei die Hausärzte nicht zwingend besser sind ("was meint ihr denn, was trag ich denn da jetzt bei Todeszeitpunkt ein?", "ich kenn den doch auch nicht, der war das letzte mal vor 10 Jahren in der Praxis" - Leichenfund im Ziegenstall im Winter).


    Ich würde die Einführung eines spezialisierten Arztes analog des Coroners ebenfalls befürworten. So wie es zur Zeit läuft ist das eher suboptimal.

    What I cannot create, I do not understand. (Richard Feynman)


    Mein Name ist Hans, das L steht für Gefahr.

  • Für mich ist es auch oft ein Ärgernis, wenn ich zu Leichenauffindungen gerufen werde. Offensichtlich scheint es für die Polizei in vielen Bereichen ein Problem zu sein, einen Arzt für diese Tätigkeit zeitnah zu organisieren, so daß man gerne auf den Notarzt zurückgreift. Vor allem, wenn er eh alarmiert wurde. Begriffe wie "Polizeiarzt" oder "Gesundheitsamt" führen nur zu einem mitleidigem Lächeln. Und die für die Polizei freiwillig tätigen Honorarärzte werden üblicherweise nicht zu dieser Tätigkeit herangezogen. Ob das nicht vorgesehen oder Faulheit ist, weiß ich nicht. Mein Versuch, Samstagsnacht lediglich ein DIVI-Protokoll mit Todesfeststellung dazulassen stieß bei den Beamten auf völliges Unverständnis, auch wenn es in NRW dem Recht damit Genüge getan ist. Ohne offizielle Todesbescheinigung geht gar nichts, und die ist an einen Arzt gebunden.


    Vor kurzem wurde unser ITH zu einer bewußtlosen Person gerufen. Auf dem Anflug dann die Rückmeldung der RTW-Besatzung, daß es sich um einen Verstorbenen handelt. Man wollte dann einen Streifenwagen zu einem vorausgewählten Landeplatz schicken und nur mich zum Ausfüllen der Todesbescheinigung zum Patienten fahren. Das hat unser Pilot dann glücklicherweise abgelehnt.

  • Ich bin mal die gängigen Verlage (Kohlhammer,Dokuform usw) durchgegangen, die haben zwar die Formulare für S-H, machen aber ein Geheimnis aus dem Layout und stellen maximal die erste Seite (Anleitung zum Ausfüllen des [nicht gezeigten] Formulars) online. Interessante Fundstelle: Vorgehen nach Todesfeststellung im Notarzteinsatz (Segeberg).


    Zur Überschrift: da doch eigentlich ein Raub und keine Tötungshandlung geplant war, dürfte es doch eigentlich kein Mord sein, oder?


    doch: § 211 Absatz 2 Nummer 3

  • Über den Erlass der württembergischen Kreisregierungen von 1832:
    "Neben der Beschreibung der Pflichten des Totenschauers nahm vor allem die Frage der Diagnostik und der Behandlung des Scheintod breiten Raum ein. Bemerkenswert ging die Instruktion nicht dezidiert von der Tatsache aus, dass nur Chirurgen zur Leichenschau hinzugezogen werden. Vielmehr wird zwischen "reinen" Leichenschauern und "Leichenschauern, die zugleich Chirurgen sind", differenziert. Offensichtlich unterstellte das Innenministerium, dass sich die Gruppe der Leichenschauer - entgegen der eigentlichen Zielsetzung - nicht alleine aus medizinischem Personal rekrutieren würde. Bereits 1854 erschien zudem ein 51seitiger "Catechismus für den Leichenschauer". [...]." Er gab Antwort auf 135 Fragen zur Leichenschau. Es gab 6 Hauptaufgaben der Totenschauer. Die erste und wichtigste Pflicht war es sicherzustellen, dass niemand lebendig begraben würde. Die zweite Pflicht war es sicherzustellen, dass alles geschehe, damit ein Scheintoter reanimiert würde. Der Catechismus führte hierzu einen Vielzahl von Totenzeichen und Mittel zur Wiederbelebung an. Als drittes hatte der Leichenschauer für eine angemessene Lagerung des Verstorbenen zu sorgen und zudem sollte er sicherstellen, dass eine Beerdigung frühestens 48h nach der Todesfeststellung erfolge. Die anderen Aufgaben waren die Feststellung heimlicher Verbrechen und ansteckender Krankheiten, sowie die Führung eines Leichenschauregisters.
    Zusammengefasst und zitiert aus Groß, Dominik: Die Entwicklung der inneren und äußeren Leichenschau in historischer und ethischer Sicht, Würzburg 2002, 33-35.
    Weiter bin ich onch nicht:-)


    Wünsche noch einen schönen Sonntag:-)

    We are the pilgrims, master; we shall go always a little further.

  • "Neben der Beschreibung der Pflichten des Totenschauers nahm vor allem die Frage der Diagnostik und der Behandlung des Scheintod breiten Raum ein.


    Und an dieser Stelle sei auch noch einmal auf dieses interessante Thema hingewiesen: Patient tot - oder doch nicht ? Das Lazarus-Phänomen (zum Thema außerdem: Notarzt erklärt Frau irrtümlich für tot )

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Wie des öfteren in Deutschland ist es historisch gewachsen, dass auch die Leichenschau Ländersache ist. In manchen Bundesländern scheint ein PJler zu reichen, auf den Halligen braucht mal (laut Buch) dafür kein Medizinstudium. So lässt sich über "die Leichenschau" auch nur sehr schwer eine generalisierte Aussage treffen. Im diesem Buch wird des weiteren diskutiert, dass durch die Tatsache, dass den Medizinern für eine Leichenschau kriminalistisches Gespür abverlangt wird, sie in eine Ecke gedrängt werden, die sie nicht erfüllen wollen oder auch gar nicht können (An dieser Stelle schlägt das Buch einen Coroner vor).


    Weiter bin ich noch nicht, nächstes Update kommt mit der Zeit:-)

    We are the pilgrims, master; we shall go always a little further.