Nach einer Berichterstattung über Lücken im Rettungsdienstnetz in der Region um Aschaffenburg (Bayern) hat sich eine Diskussion um das Mehrzweckfahrzeugsystem entwickelt. Bei jedem zweiten Notfalleinsatz des Rettungsdienstes im Spessart rund um Weibersbrunn und bei jedem vierten Einsatz rund um Schöllkrippen (Kreis Aschaffenburg) wird die vorgeschriebene Hilfsfrist nicht eingehalten, wie aus einem Gutachten des Instituts für Notfallmedizin und Notfallmanagement der Ludwig-Maximilian-Universität in München hervorgeht. Die Rettungswagen der Region werden als Mehrzweckfahrzeuge eingesetzt, ein Umstand, den Kritiker für die Verfehlung der Hilfsfrist verantwortlich machen.
Das Gutachten schlägt zur Behebung der Problematik diverse Maßnahmen vor, darunter auch einen neuen Rettungswagen-Standort in der Gemeinde Sailauf. Kritiker bezweifeln, dass dies helfen wird: "Die Probleme sind doch weitgehend hausgemacht; solange die Leitstelle die Außenwachen ständig für Krankentransporte missbraucht, wird sich wenig ändern", so ein Kommentar auf Main-Netz.de.
"Wir müssen die Rettungswagen für Krankentransporte einsetzen", wie der Chef der Integrierten Leitstelle in Aschaffenburg, Marc Weigandt, gegenüber Main-Netz.de erklärt. In den Bedarfsplanungen für den Rettungsdienst sei ausdrücklich vorgesehen, dass RTW auch diese weniger dringlichen Fahrten übernehmen. Von den 1639 Einsätzen im Jahr 2011, die auf den in der Wache in Schöllkrippen stationierte Rettungswagen fielen, waren 68 Prozent Notfalleinsätze und 22 Prozent Krankentransporte. Die verbleibenden zehn Prozent entfallen zum Beispiel auf abgebrochene Einsätze oder die Absicherung eines Nachbarbereichs. Für den RTW aus der Wache Weibersbrunn gab es im Jahr 2011 eine fast deckungsgleiche Verteilung: Dort lag der Notfallanteil bei 66 Prozent. Wert legt Marc Weigandt auf die Feststellung, dass bei den beiden Rettungswagen aus Weibersbrunn und Schöllkrippen der Krankentransportanteil unterhalb der Werte von anderen Wachen am bayerischen Untermain liege.
Rolf Kirchner, Ärztlicher Leiter für den Rettungsdienst, hält die Vorwürfe an die Leitstelle grundsätzlich für verfehlt: "Das Problem ist: Die Versorgung mit Rettungswagen reicht derzeit nicht, da kann die Leitstelle nichts machen." Genau dies habe auch das aktuelle Gutachten aus München belegt. Sowohl Leitstellen-Chef Weigandt als auch der ÄLRD Rolf Kirchner glauben, dass die im Gutachten vorgeschlagenen Änderungen zu einer Verbesserung führen werden. Das Rettungsdienst-Netz werden dichter geknüpft, wesentliche Lücken geschlossen. Zudem habe das Gutachten auch belegt, dass es in der Stadt Aschaffenburg einen erhöhten Bedarf für Krankentransportwagen (KTW) gebe, gleichzeitig aber in Miltenberg auf KTW-Kapazitäten verzichtet werden könne. Wenn diese umgeschichtet würden, könnte die Situation zusätzlich entschärft werden.
Quelle: http://www.main-netz.de/nachri…dt/stadt/art11846,2350601