Notarzt meldet sich ab

  • Was ich nicht so ganz verstehe ist, wieso es gerade aus dem Bereich des RFP immer wieder den Wunsch gibt (bzw. die Meinung vorherrscht), dass alles wort-wörtlich, glasklar, absolut und abschließend in irgendwelchen Gesetzestexten verankert sein muss.....



    Danke!
    Ich dachte schon ich bin der Einzige, dem dieses "Paragrafenarmageddon" hier aufn Sack geht!

  • ihm-al


    Das ist nicht richtig, was Du sagst. In der Medizin ist nicht alles von Paragraphen abhängig. Vor allem, weil es nicht für alles Paragraphen gibt. Es gibt keinen Paragraphen, der explizit das Venenzuganglegen durch Rettungsassistenten oder die Gabe von Nitro-Spray zur Blutdrucksenkung regelt. In solchen Fällen muß man nach anderen Regelungen können. Und einer davon spielt in der Medizin eine große Rolle: ist eine Maßnahme üblich und wissenschaftlich anerkannt.



    Vossi & condorp4


    :positiv:

  • Was ich nicht so ganz verstehe ist, wieso es gerade aus dem Bereich des RFP immer wieder den Wunsch gibt (bzw. die Meinung vorherrscht), dass alles wort-wörtlich, glasklar, absolut und abschließend in irgendwelchen Gesetzestexten verankert sein muss.....


    Ich würde mutmaßen dass es daran liegt, dass den Rettungsassistenten in der Vergangenheit oft und immer wieder vorgehalten wurde - gerade von ärztlicher Seite -, dass sie diese und jene Maßnahme nicht durchführen dürfen und es darüber zahlreiche Diskussionen gab. Da erscheint es mir verständlich, dass viele Rettungsassistenten den Wunsch hegen, sich auf eindeutige oder wenigstens handfeste Regelungen beziehen zu können. Im Idealfall scheint das natürlich ein Gesetz zu sein. Daher sicherlich auch der Wunsch vieler Kolleginnen und Kollegen, das Notfallsanitätergesetz könnte nun endlich regeln, was sie denn nun dürfen und was nicht.
    Das längst nicht alles in einem Gesetz geregelt werden kann, ist wieder eine andere Geschichte.

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Daher sicherlich auch der Wunsch vieler Kolleginnen und Kollegen, das Notfallsanitätergesetz könnte nun endlich regeln, was sie denn nun dürfen und was nicht.


    Das wird sich in dieser Form nicht regulieren lassen. Rechtliche Grauzonen, bzw. nicht regelbare Bereiche wird es in der Medizin immer geben. Es ist ein Irrglaube, Absicherung rein rechtlich zu gewährleisten zu können.

  • Daniel hat es finde ich sehr gut auf den Punkt gebracht. Es ist einfach ein Unterschied, ob ich mich für eine Massnahme rechtfertigen muss, weil es immer noch Bereiche gibt, in denen diese einfach "nicht üblich" ist (da hilfts auch nicht, wenn ich sag: in anderen RD Bereichen ist das aber normal), oder ob ich z.B. eine "Kompetenzliste" (z.B. vom ÄLRD) hab, auf der steht, dass der RA bestimmte Massnahmen durchführen darf und muss und deshalb aus den eigenen Reihen oder von den (Not-)Ärzten schonmal kein Gegenwind kommt. Klar, dass ich rechtlich immer noch selber dafür gerade stehen muss, aber die Grundlage für die Durchführung der Massnahme ist einfach eine andere.

  • Daniel hat es finde ich sehr gut auf den Punkt gebracht. Es ist einfach ein Unterschied, ob ich mich für eine Massnahme rechtfertigen muss, weil es immer noch Bereiche gibt, in denen diese einfach "nicht üblich" ist (da hilfts auch nicht, wenn ich sag: in anderen RD Bereichen ist das aber normal), oder ob ich z.B. eine "Kompetenzliste" (z.B. vom ÄLRD) hab, auf der steht, dass der RA bestimmte Massnahmen durchführen darf und muss und deshalb aus den eigenen Reihen oder von den (Not-)Ärzten schonmal kein Gegenwind kommt. Klar, dass ich rechtlich immer noch selber dafür gerade stehen muss, aber die Grundlage für die Durchführung der Massnahme ist einfach eine andere.


    Da ich mich noch nie ausserhalb eines Protokolles rechtfertigen musste, habe ich eine Frage an die "Betroffenen". Wie sieht eine solche Rechtfertigung aus, bzw. wer fordert sie ein? Ist das eine mündliche oder schriftliche Begründung? Geht der NA zum RD-Leiter? Muss er/sie ja fast, denn sonst hat er/sie keine arbeitsrechtliche Möglichkeit, eine Begründung ausserhalb des Protokolls wirksam einzufordern. Oder liege ich da falsch?

    Speed is life!
    Es gibt 10 Arten von Menschen. Solche, die binär zählen können, und Solche, die es nicht können.

  • Bei meinem ehemaligen AG wollte der ÄLRD das wir für jede EVM einen kleinen Zettel ausfüllen. Da waren die verschiedenen erweiterten Maßnahmen aufgeführt und man konnte zwischen "mit Delegation" und "ohne" wählen. Bei ohne sollte man eine Kurze Begründung in ein dafür vorgesehenes Feld schreiben.

  • Eine ehemaliger Arbeitgeber wollte nach so einer Beschwerde sämtliche Massnahmen, die über die Notkompetenzempfehlung hinausgehen (und da gehörte ein "Routinezugang" ohne "lebensrettendes Potential" und ohne NA dazu) untersagen (also praktisch den rechtfertigenden Notstand aushebeln).
    Natürlich kam er damit nicht durch (danke an den Betriebsrat), aber das zeigt schonmal, wie kurzsichtig da teilweise gedacht wird.


    (edit: Rechtschreibfehler)

    Einmal editiert, zuletzt von Blodwyn76 ()

  • Bei meinem ehemaligen AG wollte der ÄLRD das wir für jede EVM einen kleinen Zettel ausfüllen. Da waren die verschiedenen erweiterten Maßnahmen aufgeführt und man konnte zwischen "mit Delegation" und "ohne" wählen. Bei ohne sollte man eine Kurze Begründung in ein dafür vorgesehenes Feld schreiben.


    Sowas gabs in Lübeck auch mal um 2005-2007 herum. Hab ich (glaube ich) zweimal ausgefüllt und ansonsten vergessen. Wenn die nen anständigen Überblick haben wollen, sollen die auf elektronische Dokumentation umsteigen statt so seltsame Rechtfertigungszettel einzuführen.

  • Bei meinem ehemaligen AG wollte der ÄLRD das wir für jede EVM einen kleinen Zettel ausfüllen.


    Ist bei uns auch so. Dazu wird allerdings das Bemerkungsfeld auf dem normalen Notfallprotokoll verwendet. Dort findet sich ein Stempel, in den man die Maßnahme und die (mutmaßlich) Einwilligung des Patienten eintragen und dies dann vom später hinzukommenden Notarzt oder dem aufnehmenden Klinikarzt abzeichnen lassen muss. Ein Kopie dieses Protokolls bekommt dann der ÄLRD, der passende Briefkasten hängt in der Notaufnahme "unseres" Krankenhauses. Diese Mitteilungspflicht gegenüber dem ÄLRD besteht für alle EVMs mit wenigen Ausnahmen.
    Hört sich vielleicht erstmal nach bürokratischem Mehraufwand an, tut aber in der Praxis überhaupt nicht weh.
    Die neuen Protokolle werden das Feld mit dem Stempel schon vorgedruckt habe und es wird zwei Durchschläge geben.


    Eine ehemaliger Arbeitgeber wollte nach so einer Beschwerde sämtliche Massnahmen, die über die Notkompetenzempfehlung hinausgehen (und da gehörte ein "Routinezugang" ohne "lebensrettendes Potential" und ohne NA dazu) untersagen (also praktisch den rechtfertigenden Notstand aushebeln).


    Naja, im Aktionismus wird gern mal die Rechtslage, die für jedermann gleichermaßen gilt, vergessen.

    They say God doesn't close one door without opening another.

    Please, God, open that door. :oncoming_fist_light_skin_tone:

  • Naja, eine einfache Meldung bei bestimmten Maßnahmen für QM Zwecke einzufordern ist das Eine und völlig okay.


    Wenn man dann aber bspw für jeden Zugang, den man, abgesehen von einer Reanimation, vor Eintreffen des NA gelegt hat eine Rechtfertigung schreiben und häufig trotzdem noch zum Gespräch gebeten wird, dann wird es lächerlich.


    Resultat:
    Der eine, größere Teil der Kollegen hat dann halt einfach keinen Zugang mehr gelegt. Die Notärzte haben diese Tätigkeit auch nur äusserst selten delegiert.
    Entsprechend schlecht, will heißen nicht vorhanden war dann auch der Trainingsstand.


    Der andere, kleinere Teil hat die Zettelchen nicht ausgefüllt oder frisiert und gelogen dass sich die Balken biegen.


    Hauptsache beim hämorrhagischen Schock soll der RA möglichst noch vor Eintreffen des NA ein bis zwei großlumige
    Zugänge legen.


    War übrigens mitten in Hessen, im Nachbarlandkreis arbeiten die Morphin-Assistenten.

  • Aus einem RD-Bereich, wo ich früher gefahren bin, kenne ich das dokumentieren der durch RA durchgeführte Maßnahmen auch.
    Dort hatte jeder RA ein Heft, in dem er entsprechende Maßnahmen selbst dokumentiert hat (Maßnahme, Einsatznummer, (kurze) Indikation). Ziel war es einerseits, Daten für das QM zu generieren und andererseits eine Dokumentation für den entsprechenden RA zu haben, durch die dieser nachweisen kann, dass er entsprechende Maßnahmen regelmässig durchführt und damit auch nachweisen kann, dass er die entsprechende Erfahrung hat.

    "We are the Pilgrims, master; we shall go
    Always a little further: it may be
    Beyond that last blue mountain barred with snow,
    Across that angry or that glimmering sea,


    White on a throne or guarded in a cave
    There lives a prophet who can understand
    Why men were born: but surely we are brave,
    Who take the Golden Road to Samarkand."


    James Elroy Flecker

  • So ist das ja meiner Meinung nach auch völlig okay. Eine Übersicht über die durchgeführten Maßnahmen haben wir übrigens nie bekommen.

  • Ich finde das aus Sicht des ÄLRD schon nachvollziehbar, dass er eine Übersicht haben will, was die von ihm geschulten und geprüften Leute in der Praxis so treiben. Allein schon für die eigene Absicherung.
    Aber wenn das ausartet, ist es natürlich vollkommen unlustig. Ein problemlos (!) gelegter Zugang ist bei uns beispielsweise eine der Maßnahmen, die zwar dokumentiert gehört (würde man ohnehin machen), jedoch nicht dem ÄLRD vorgelegt werden müssen.
    Unser ÄLRD vertritt zwar die Auffassung, dass allein der rechtfertigende Notstand dem RettAss irgendwelche Maßnahmen "erlaubt" und dass Rettunsgdienst immer Arztsache bleiben wird, aber gleichzeitig haben wir ein recht umfangreiches EVM-Repertoire und man traut uns da auch genug zu. Dazu kommt eben, dass nach über 10 Jahren noch kein Fall vorliegt, in dem irgendwas gründlich schiefgegangen ist. Und die Kollegen gehen auch mit dem gebotenen Maß an Zurückhaltung vor.

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  • Alrik:
    Ähmm... Das ging nicht von irgendeinem bösen, das RFP knechten wollenden ÄLRD aus, sondern von der RD-Leitung.
    Und es ging hier nicht um die patientenbezogene Dokumentation, die ja zwingend notwendig ist, auch wenn da im RD manchmal arg geschlampt wird, sondern um die anwenderbezogene Dokumentation von Maßnahmen, auch und gerade von den unproblematischen.
    Der Auslöser war, dass es Ende der 90ziger Jahren dort einen Fall gab, bei dem es zu einer Anzeige kam. Passiert war damals, dass ein RA bei einem etwas ausgetrocketem Patienten (infolge Infekt) eine 17G Viggo am Ellenbogen in eine Arterie gelegt hatte, was nicht sofort erkannt wurde und dann, als es erkannt wurde, wurde die Viggo entfernt (im KH) aber wohl nicht adäquat komprimiert so dass es bei antikoaguliertem Patienten (Marcumar) zu einer Nachblutung mit Hämatom kam, welches operativ entlastet werden musste. Damals war es so, dass der entsprechende RA für sich selbst über mehrere Jahre hinweg seine Maßnahmen alle dokumentiert hatte und der ermittelnde Staatsanwalt das Verfahren eingestellt hatte, da er aufgrund der Dokumentation des RA davon ausgegangen war, dass der RA diese Maßnahme regelmässig ausübt und damit auch fachgerecht durchführen kann und es damit einfach "Pech" war. Die anzeigende "Partei" hatte damals wohl explizit mit der Unerfahrenheit des RD-Personal bezüglich der Maßnahme argumentiert.

    "We are the Pilgrims, master; we shall go
    Always a little further: it may be
    Beyond that last blue mountain barred with snow,
    Across that angry or that glimmering sea,


    White on a throne or guarded in a cave
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    Who take the Golden Road to Samarkand."


    James Elroy Flecker

  • Ich empfinde das gar nicht als große Belastung, die Maßnahmen gegenüber dem ÄLRD (zusätzlich) zu dokumentieren. Ob ich jetzt ein personenbezogenes Fleißheft führe, oder ob der Kram in der Buchhaltung in "meinen" Protokollen nachzulesen ist, ist doch unter'm Strich egal, wenn jemand den Erfahrungsschatz eines bestimmten Mitarbeiters abfragen will. Das Heft ist wahrscheinlich für diesen Anwendungsfall die übersichtlichere Variante.

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  • Bei meinem ehemaligen AG wollte der ÄLRD das wir für jede EVM einen kleinen Zettel ausfüllen. Da waren die verschiedenen erweiterten Maßnahmen aufgeführt und man konnte zwischen "mit Delegation" und "ohne" wählen. Bei ohne sollte man eine Kurze Begründung in ein dafür vorgesehenes Feld schreiben.

    Bei uns? Ich muss ehrlich sagen, dass ich davon noch nie was gehört habe, im Moment wird nur das Feld EVM auf dem Protokoll angekreuzt, mehr passiert in die Richtung nicht. War das nur bei deiner HiOrg so oder wurde das irgendwann wieder abgeschafft?


    Zitat

    War übrigens mitten in Hessen, im Nachbarlandkreis arbeiten die Morphin-Assistenten.

    Ab nächstem Jahr ist dann bei uns zumindest Ketanest freigegeben ;-)

  • Nein, die Wetterau meine ich nicht.


    Zitat

    Ab nächstem Jahr ist dann bei uns zumindest Ketanest freigegeben


    Kannst Du da schon Genaueres sagen? Gerne auch per PN.