Fehler im Praktischen Jahr: Medizinstudent wegen Babytod verurteilt

  • http://www.spiegel.de/unispieg…-verurteilt-a-914839.html


    Zitat

    Fataler Fehler im Praktischen Jahr: Weil er einem Baby versehentlich eine tödliche Spritze verabreicht hat, wurde ein junger Arzt wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Es ist das erste Mal, dass ein Mediziner wegen Fehlern in der Ausbildung belangt wird.

    "We are the Pilgrims, master; we shall go
    Always a little further: it may be
    Beyond that last blue mountain barred with snow,
    Across that angry or that glimmering sea,


    White on a throne or guarded in a cave
    There lives a prophet who can understand
    Why men were born: but surely we are brave,
    Who take the Golden Road to Samarkand."


    James Elroy Flecker

  • Tragischer Vorfall, keine Frage.
    Wenn der Spiegel Artikel stimmt ist das ein Fall fürs CIRS, wenn die Pflege ein orales Antibiotikum in einer Spritze hinlegt.
    PJ'ler sind keine fertigen Ärzte, also hätte die Entscheidung von oben abgesegnet werden müssen. Falls die i.V. Gabe ohne Rücksprache geschah, ist das natürlich fahrlässig.


    Trotzdem find ich die Entscheidung vom Gericht gut, ihm die berufliche Zukunft als Arzt nicht zu verbauen.

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    Aktuelle "Patient bleibt zu Hause Quote": 67% :stop_1:

  • Ich begrüße diese Entscheidung.


    Er nahm die unbeschriftete Spritze, und hatte keine Informationen dazu. Einfach irgendwas spritzen MUSS Strafe hageln. Das es so ausging ist traurig für die Mutter. Ich hoffe der PJler begreift was er getan hat.


    Wer in der Medizin unterwegs ist, spielt nicht im Sandkasten.

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • M1k3


    Genau solche Beiträge wie Deiner sollten zukünftig der Vergangenheit angehören. Ich empfehle Dir mal das "Faktor Mensch"-Seminar zu besuchen oder Dich anderweitig mit dem Thema Fehlermanagement und CRM zu beschäftigen. Wir müssen weg von der "Blame & shame"-Mentalität und einen konstruktiven Umgang mit Fehlern erlernen.

  • Blame, shame and Name !
    Ich gebe dir Recht, Ani, man muss aus Fehlern lernen und nicht den nächsten, äh *N*, am nächsten Baum aufhängen.
    Glücklicherweise entwickelt sich diese Kultur gerade.


  • Wer in der Medizin unterwegs ist, spielt nicht im Sandkasten.

    Genau darum ist es wichtig, dass wir zu einer professionellen Fehlerkultur gelangen. "Blame & shame", wie in deinem Beitrag angedeutet, begünstigt die Vertuschung von Fehlern und ist damit auf lange Sicht schädlich. Wo Menschen arbeiten passieren Fehler. Um so wichtiger ist es, sich mit den strukturellen Gegebenheiten, die zu dem Fehler geführt haben, zu beschäftigen. Gerade dieser Fall ist ein Paradebeispiel für Voraussetzungen, die zu potentiell fatalen Fehlern führen können.

    What I cannot create, I do not understand. (Richard Feynman)


    Mein Name ist Hans, das L steht für Gefahr.

    Einmal editiert, zuletzt von Zoidberg ()

  • Um es noch mal klar zu stellen: jeder muß natürlich für seinen Fehler (auch juristisch) die Verantwortung übernehmen. Aber man muß sich auch immer fragen, ob er das auch tatsächlich auch in diesem Umfang kann. Und bei solchen komplexen Ereignissen ist das wirklich die Frage, ob man dem schwächsten Glied in der Kette die alleinige Schuld geben kann und für alle büßen lässt.

  • die antwort liegt in der mitte, finde ich. einerseits liegt auf der hand, dass der student einen vermeidbaren, tödlichen fehler gemacht hat. die entscheidung des berufungsgerichtes finde ich angemessen, weil sie einerseits ein deutliches zeichen setzt, andererseits aber bewusst davon abstand nimmt, die künftige karriere zu beenden, bevor sie angefangen hat. M1K3 hat insofern recht. ein ganz anderer aspekt ist die tatsache, dass in diesem fall wohl mehrere faktoren zusammengewirkt haben, um das fatale ergebnis zu zeitigen. es wurden i.v.-spritzen für die applikation oraler medis verwendet (was man inzwischen geändert hat, soviel ich hörte), die spritze war nicht beschriftet, und die ganzen psychologischen mechanismen, die dazu geführt haben, dass der student die spritze in den zugang gedrückt hat, kann man von außen kaum überschauen. wahrscheinlich waren schon gewisse mechanismen der klinischen hierarchie am werk, wie man sie auch im rettungsdienst kennt. manch einer lässt die kollegInnen schon spüren, wenn sie nicht richtig "funktionieren" und ist gereizt, wenn man zu viel fragt oder zu oft hilfe braucht oder suhlt sich darin, wenn man andere auf ihre fehler hinweisen kann, am besten vor versammelter mannschaft. möglicherweise hat dem studenten auch nie jemand systematisch erklärt, was er darf und was er nicht darf. da besteht durchaus ein gewaltiges verbesserungspotenzial, und CRM-veranstaltungen wie faktormens.ch sowie CIRS und fehlermanagement sind sicherlich einiges an geld und aufwand wert. die juristische verantwortung existiert aber trotzdem, auch wenn sie nur einen sehr einseitigen aspekt des typischen, fatalen medizin-fehlers beleuchtet.

  • Fehlermanagement ist wichtig, aber ein Mensch mit nem halben hirn wird eine unbeschriftet daliegende Spritze doch nicht in ein Kind spritzen...... irgendwo hört Fehlermanagement auf und grobe Fahrlässigkeit fängt an..... ich frage mich mal ob alle Bedanker auch so mit dem Medizinstudenten umgehen würden die ihr Kind gerade getötet hat.
    Abgesehen davon haben sogar wir extra Spritzen für orale Applikation....das KH hat viel Arbeit vor sich was die Definition von überwachter Ausbildung undsicherer Materialumgang betrifft.

  • dem schwächsten Glied in der Kette


    Das ist der springende Punkt. Es wird nicht so gewesen sein, dass sich der PJler gedacht hat 'cool, ne Spritze, spritz ich die mal' - vielmehr wird (ob tatsächlich oder implizit sei dahingestellt) eine Erwartungshaltung seitens des restlichen Personals vorhanden gewesen sein, der er sich gebeugt hat.

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  • M1k3


    Genau solche Beiträge wie Deiner sollten zukünftig der Vergangenheit angehören. Ich empfehle Dir mal das "Faktor Mensch"-Seminar zu besuchen oder Dich anderweitig mit dem Thema Fehlermanagement und CRM zu beschäftigen. Wir müssen weg von der "Blame & shame"-Mentalität und einen konstruktiven Umgang mit Fehlern erlernen.

    Ich bin ein großer Fan von CIRS, und begrüße moderne Ansätze vom Fehlermanagment. Ich erzähle auch gerne von Fehlern oder Beinnahefehler die ich begehe, und teile das. Damit habe ich kein Problem, und ich glaube das muss noch viel mehr werden.


    Es geht aber bei einem Gerichtsverfahren nicht um "Blame & Shame" sondern darum, das jemand für unrechtmäßiges belangt wird, sollte er für schuldig befunden werden.


    Unabhängig vom Organisationsverschulden, das in meinen Augen besteht, hat dieser Mensch (der medizinisch Vorgebildet sein möchte, und bald selbstständig an Menschen tätig werden will) eine unbeschriftete Spritze genommen, und den Inhalt in einen Patienten gespritzt. Egal ob er nun PJler, Arzt, GuKP, RettAss oder Putzfrau war, für diese dumme Aktion MUSS er grade stehen, wenn daraus ein Schaden entsteht. Es war ja keine Kleinigkeit, sondern ein Kind ist gestorben. Und nicht weil im Stress ein Fehler passierte, sondern weil er zu faul, desinteressiert, dumm, kurzsichtig war, noch mal zu fragen, was damit ist.


    Eine moderne Fehlerkultur darf doch nicht Narrenfreiheit bedeuten für schlichtweg unüberlegte und dumme Aktionen die Menschenleben kosten! :nein:

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  • Wo Menschen arbeiten passieren Fehler. Um so wichtiger ist es, sich mit den strukturellen Gegebenheiten, die zu dem Fehler geführt haben, zu beschäftigen. Gerade dieser Fall ist ein Paradebeispiel für Voraussetzungen, die zu potentiell fatalen Fehlern führen können.

    Vollste Zustimmung! Das kann aber auch mit dieser Verurteilung passieren.

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  • Die Wortwahl, die Du an den Tag legst zeigt, daß Du meilenweit von dem entfernt bist, was Du gut findest und begrüßt. Ich bilde mir sogar an, eine gewisse Verachtung für diese von Dir vorgeführten Menschen zu erkennen.


    Und selbstverständlich muß ein Umdenken in der Fehlerkultur auch auf die Rechtssprechung erfolgen. Und daß jeder in seinem Rahmen zur Verantwortung gezogen werden muß, habe ich oben bereits geschrieben. Aber man kann nur für das verantwortlich gemacht werden, was man getan. Das Kind ist nicht alleine daran, gestorben, weil der Student die Spritze falsch verabreicht. Es wurden viele Fehler gemacht. Und nicht nur von dem armen Teufel alleine. Und so was muß sich letztendlich auch in einem Gerichtsurteil wiederfinden.

  • Ich begrüße, das der Tagessatz herabgesetzt wurde. Er hat Gelegenheit aus dem Fehler zu lernen.


    Ich finde auch, das einige zu gut wegkommen, das hab ich oben schon geschrieben (Organisationsverschulden).


    Viele Käsescheiben hatten schon eine ungünstige Konstellation, nun kommt einer der die letzten drei Scheiben auch noch einreiht...


    Verachtung empfinde ich nicht für ihn. Aber es ist für mich kein kleiner Schusseligkeitsfehler.


    In der Luftfahrt geht man besser mit Fehlern um. Wenn einer stirbt wird trotzdem ein Verantwortlicher gesucht UND Fehlermanagment betrieben.

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  • Was ich bemerkenswert finde Ani, ist das du immer sehr viel Täterbedauern zeigst aber sich nie auch nur ansatzweise eine Anerkennung des Opferleidens zeigst. Kann es sein das deine Familie noch nie am falschen Ende eines wie von Dir genannten armen Teufels saß? Wenn Menschen so entgültig zu schaden kommen das sie Sterben dan muss das mehr Folgen haben als eine überarbeitung der Fehlerkultur. Der Durchführende hat die entgültige Sorgfallspflicht. Dieser ist er aus vielen Gründen nicht nach gekommen. Sein Handeln hat direkt und ursächlich zum Tode eines Menschen geführt. Dies ist nunmal ein Tatbestand wenn es keine Notwehr oder ein unglücklicher Unfall war.

  • Unabhängig vom Organisationsverschulden, das in meinen Augen besteht, hat dieser Mensch (der medizinisch Vorgebildet sein möchte, und bald selbstständig an Menschen tätig werden will) eine unbeschriftete Spritze genommen, und den Inhalt in einen Patienten gespritzt.


    Hast du noch nie eine unbeschriftete Spritze angereicht?


    Dinge die mir jetzt aus meinen klinischen Erfahrungen durch den Kopf gegangen sind:


    1.) Kürzlich sollte ein Kind auf Station Midazolam per os erhalten. Die Pflegekräfte trauten sich die Gabe nicht zu, so dass ein Arzt dies machen musste.
    Ich fragte nach dem Midazolam-Saft. Er sei bereits hergerichtet... man drückte mir eine Spritze in die Hand...
    Instinktiv sträubte ich mich dagegen die Spritze zu verwenden und bat um einen Becher. Irgendwie war es für mich unbewusst klar: Spritze ins Blut... Becher in den Mund...
    Was würde ich persönlich instinktiv mit einer Spritze machen? Ab ins venöse Gefäßsystem damit...


    2.) Es war auf einer Station nicht unüblich, dass die Pflegekräfte sämtliche i.v. Medikation auf einem Tablett anrichteten. Da war dann ein Aufkleber drauf mit: "Müller, Lasix, 16 Uhr" Das Vorbereiten übernahm die Pflege und das Spritzen die Ärzte...äh.. Studenten. Ich habe mich eigentlich immer darauf verlassen, dass auch z.B. wirklich Lasix in der Spritze war...


    3.) Desöfteren gab es Pflegekräfte, die mir in meinem Studium Anweisungen erteilen wollten oder es auch manchmal erfolgreich gemacht haben (Wir kennen sie alle... die OP-Schwester ;-) ). Das ist sicher eine Frage des Typs, wie man mit den Anweisungen umgeht. In manchen Situation neigte man aber dazu sie unreflektiert auszuführen, um Streit aus dem Weg zu gehen...


    Alle 3 Erfahrungen lassen mich zu einem Schluss kommen:
    Der junge unerfahrene fakl kriegt von der strengen Oberschwester unter 4 Augen eine Spritze in die Hand gedrückt mit den Worten: "Das muss man noch geben."
    Was macht der junge fakl? Er gibt es venös...


    Fast:
    Eine Sache hätte ich aber auch gefragt, wenn ich vollkommen eingeschüchtert und übermüdet gewesen wäre:
    Wieviel? Welche Dosis? Und zuvor: Was ist das?
    --> Leider gibt es hierüber keine Aussagen durch den PJler. Er hat nur angeführt: "Die hat gesagt, dass ich das geben soll."
    Das war fahrlässig!



    Fazit:
    Einige organisatorische Probleme haben meiner Meinung nach den Vorfall begünstigt (Rolle des PJler auf Station, ggf. mangelnde Erreichbarkeit der Stationsärzte und das Aufziehen eines oralen Medikamentes in eine i.v. Sprize, was meiner Meinung nach auch fahrlässig ist).
    Schlussendlich bleibt es aber eine grobe Fahrlässigkeit des durchführenden Medizinstudenten...

  • @fakl....vieles richtig, aber wie ich es las wurde die Spritze dem pjler nicht angereicht oder gegeben sondern er fand sie im Zimmer..... kann mich aber auch irren.

  • @Maggus


    Doch, das gab es auch schon. Aber ich habe grundsätzlich Verständnis dafür, daß Fehler passieren. Auch wenn ich oder meine Angehörigen Opfer waren. Und da mir selber schon zwei schwere Behandlungsfehler unterlaufen sind (wovon aufgrund glücklicher Umstände nicht tödlich war), sehe ich das sehr nüchtern, weil ich weiß, wie schnell das passieren kann und daß das ja auch in den meisten Fällen eigentlich ganz menschliches Verhalten wie Unaufmerksamkeit, Fehleinschätzung, fehlende Sorgfalt oder Konzentration oder ähnliches ursächlich sind. Fehler passieren halt einfach und sind in den meisten Fällen nicht grobfahrlässig oder mit Vorsatz entstanden.


    Zum dritten Mal für Maggus: ich lehne keine Strafe für Fehler ab! Man muß selbstverständlich die Verantwortung für sein Handeln übernehmen. Aber man das Problem einfach im Ganzen sehe. Auch im Umgang mit den Schuldigen. Hier sind vor allem Mitarbeiter, Betroffene, aber auch die Medien gefordert.

  • http://www.aerzteblatt.de/nach…elt-nun-doch-gegen-Klinik


    Zitat

    Nach der Verurteilung eines Medizinstudenten wegen fahrlässiger Tötung ermittelt die Staatsanwaltschaft Bielefeld nun doch gegen die Klinik. Es sei ein Ermittlungs­verfahren eingeleitet worden, bestätigte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft auf Anfrage. Der Blick richte sich auf die „Verantwortlichen der Kinderklinik“ im Evan­gelischen Krankenhaus Bielefeld.

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