Ärztemangel trifft Reiterverein - Für Sanitätsdienst bezahlen?

  • Wenn man unbedingt noch eine professionelle Einrichtung braucht, gründet man die halt. Da kann sich dann gerne jedes Vereinsmitglied auch noch betätigen, wenn das wirklich erforderlich ist.


    Meinst du sowas damit: der Pflasterverein Beispielstadt e.V. gründet eine Pflasterverein Sanitätsdienst gGmbh?

  • Ich teile euer Verständnis von Ehrenamt, Freiwilligkeit und der "kostenlosen" Arbeit. Dennoch - und das hatte ich oben auch schon geschrieben, gab es hier in den letzten Jahres große Versäumnisse in den Verbänden- vielleicht mangels eines professionellen Umgang mit Ehrenamtlichen und mangels einer strukturierten Freiwilligenarbeit.
    Das führte in der Konsequenz aus meiner Sicht häufig zu "oh mein Gott, wir finden keinen, der sich morgen auf das Reitturnier setzt- Thomas, ich leg noch nen zwanni drauf- gehste dann?"
    Die Hilfsorganisationen sind zweifelsohne selbst verantwortlich für den Status Quo.
    Dennoch haben sie aus meiner Sicht und hier vor Ort massiv Angst davor, ihr Gesicht zu verlieren-
    sei es gegenüber einem Veranstalter, dem man vielleicht auch mal sagen muss "Du, ich sichere an dem gleichen Wochenende schon zwei andere Veranstaltungen ab, ich kann Deine nicht auch noch leisten (geschweige dessen qualifiziert betreuen)" (am Ende müsste ich ihm sogar noch eine Nachbargliederung oder die feindliche Hilfsorganisation am anderen Ende der Stadt empfehlen Oo!!!!!) (außerdem haben sich alle anderen Veranstalter schon mit der sanitätsdienstlichen Betreuung befasst, als sie die Veranstaltung geplant haben und nicht erst zwölf Stunden (und ja, das habe ich tatsächlich schon mehrfach erlebt) vorher, wenn noch immer kein Sanitäter einfach vom Himmel gefallen ist...
    Auf der anderen Seite haben die Hilfsorganisation auch ein Gesicht in der Öffentlichkeit zu verlieren.
    Streiche ich heute die Aufwandspauschalen bei uns weg bzw. auf zum Beispiel die (zu belegenden) Fahrtkosten runter, dann gibt es sicherlich einen großen Aufschrei! Es wird einen Aufschrei geben, der mindestens dem des "kostenpflichtigen Sanitätsdienstes" gleichkommt (hoffentlich journalistisch anspruchsvoller aufbereitet), weil die "armen Ehrenamtlichen" ja nicht mal mehr angemessen entschädigt werden. (Ganz abzusehen davon, dass es für mich steuerrechtlich interessant wäre, wenn ich, davon ausgehend, dass die Aufwandsentschädigung ja zumindest in angemessener Relation zum Aufwand stehen soll, die Pauschale plötzlich zum Beispiel von neun Euro die Stunde auf 0,30 € / km Anfahrtsweg runterkürze- wäre aus meiner Sicht interessant, inwieweit das im Zweifelsfalle noch rückwirkend steuerrechtliche Auswirkungen auf die Hilfsorganisation haben kann)


    Zusammenfassend heißt das für mich: wir haben ein selbst geschaffenes Problem, aus dem wir aus selbstgeschaffener Angst nicht ausbrechen (können).
    Inwiefern diese Angst begründet ist, das bleibt denke ich für jeden einzelnen Verband zu klären.
    Ich kann nur für mich sprechen- und auch ich habe "Angst" davor, den Schritt zu gehen und die Aufwandsentschädigung zu kürzen. Ebenso (zur Not nennen wir es einfach extrinsische Motivation für die Tätigkeit, dann lassen sich "Hauptamt" und "Ehrenamt" aus meiner Sicht sehr gut vergleichen) wird kein Arbeitgeber der Welt ein Gehalt kürzen, weil er es plötzlich für unangemessen hoch hält bzw. wird es zumindest kein Arbeitnehmer mit sich machen lassen.
    In der Schule hieß das schon "eine Klausur kann in einer Nachkorrektur bei einem Fehler des Lehrers verbessert werden. Aber nicht verschlechtert."
    In der Arbeitswelt hat der AN dann die Möglichkeit zu gehen, der AG hat die Möglichkeit, den AN1 zu entlassen und einen neuen AN2 für ein geringeres Entgelt einzustellen.
    Einen Ehrenamtlichen aber einfach so gehen zu lassen, ist nicht einfach - und in Zeiten des Fachkräftemangels wird sich auch der Arbeitgeber im Beispiel drei mal überlegen, ob er AN1 entlässt oder nicht, weil er vielleicht keinen neuen (gleich- oder besserqualifizierten) AN2 findet. Auch die Ehrenamtlichen laufen nicht mehr rum wie Sand am Meer; in neue Ehrenamtliche muss ich sehr viel Zeit und Geld (nicht nur für die Qualifikation, auch Ausstattung, ggf. professionelle Einführung etc.) investieren, das ich vielleicht nicht habe, nicht investieren kann, oder in anderen Bereichen (und da sind wir auch wieder bei der Komplexität der Hilfsorganisationen angelangt) "besser" einsetzen.

  • "eine Klausur kann in einer Nachkorrektur bei einem Fehler des Lehrers verbessert werden. Aber nicht verschlechtert."


    Prüfungsrechtlich stellt das kein Problem dar. Selbstverständlich kann in einer Nachkorrektur nicht nur rechtsfehlerhafte Korrektur belastender Natur beseitigt werden, sondern auch eine rechtsfehlerhaft begünstigende Korrektur. Das ist durchaus ein Risiko auf Seiten des Widerspruchführers, wenn die Note nicht rechtskräftig wird.

  • Unser OV stellt für ehrenamtliche Helfer (= die selbst tatsächlich nichts bekommen, außer es gibt zufällig Catering) Pauschalen ist Rechnung. Und das ist der einzige Weg, wie man so etwas gegenfinanziert bekommt.
    Da natürlich auch von uns die vollen neunzig Prozent (danke!) nicht wissen,

    sind wir im Gegenzug abends um halb neun vielleicht noch etwas geistig frischer, wenn anderswo der routinierte Hauptamtler auf Stammtisch-Platitüden-Niveau angelangt ist. Hach, was freue ich mich auf den Tanz in den Mai... :hi:


    Äh, ich mache das nicht hauptberuflich, sondern frei und willig.
    Tatsächlich bin ich sowohl frühberentet als auch schwerbehindert - was jede Menge (sanitätsdienstliche) Aktivitäten ausschliesst bzw. beeinträchtigt.
    In der Zeit davor habe ich tatsächlich mein Geld als GKP/RA verdient und war zusätzlich ehrenamtlich engagiert.


    Meine Aussagen sind auch keine Stammtischparolen eine Hauptamt-contra Ehrenamt-Polemikers, sondern beruhen auf ca. 30 Jahre Beobachtung unterschiedlicher BOS-Gruppierungen im Umkreis von 50km bei Veranstaltungen rund um meinen Wohnort.

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?


  • obwohl es keine privatwirtschaftliche Organisation der Welt gibt, die diesen Dienst (überhaupt oder zumindest zu diesen Konditionen) leisten kann und will)


    Die Aussage ist -mit Verlaub- absoluter Blödsinn. Die Schwesterveranstaltung Rock im Park wurde Jahre lang von einem privaten RD betreut - der seine Mitarbeiter damals noch ganz anständig bezahlt hat-. Das ging solange gut, sich die lokalen HiOrgs dermaßen angepisst gefühlt haben, dass sie mit einem Angebot das knapp 70% unter dem Angebot des letzten Jahres lag mitgeboten haben...
    Der Veranstalter ist Geschäftsmann. Und er wäre ein schlechter Geschäftsmann wenn er nicht merken würde, dass sich in diesem Moment die Machtverhältnisse gedreht haben.


    Aus dem Rest halte ich mich raus, ist mir zu blöde die Diskussion, sorry.

  • Ergänzung zu meinem letzten Beitrag:
    Es geht mir keinesfalls um die Reanimation eines total blöden Themas namens Haupt- contra Ehrenamt!
    Alle BOS "verkaufen" eine Dienstleitung: SICHERHEIT.
    Bei den staatl. BOS hat der Bürger -hier ein x-beliebiger Veranstalter - keine Wahlfreiheit; bei den nichtstaatl vorhandenen Ressourcen im Sinne der BOS als Leistungserbringer eines Sanitätsdienstes sehr wohl.


    Der Veranstalter hat hierbei regelhaft keine bis wenig Kenntnis er ist deswegen gezwungen, sie auf dem freien Markt einzukaufen.
    Seine Bewertung - und damit die Entscheidung über seine Zufriedenheit als Kunde, der die gleiche Leistung ggf. wiederholt benötigt erfolgt aufgrund von Äusserlichkeiten.
    Allenfalls am Rande hat er sich informiert bzw. belehren lassen müssen, was er alles an Aufgaben zu erfüllen hat, bevor ihm die Veranstaltung überhaupt genehmigt wird.
    Diese Anforderungen sind übrigens seit der LoPa/Duisburg ganz allgemein erheblich gestiegen und sehr viele Veranstalter stöhnen durchaus über diese Auflagen.


    Wenn ich mir die grundsätzliche Notwendigkeit durch die Brille des Veranstalters betrachte, entdecke ich u.U. viele Dinge, die mir mißfallen.
    Um es an einem Bsp. zu verdeutlichen:
    im Rahmen eines mehrtägigen Städteurlaubs fährt Sanitätshelfer "x" in die Großstadt "y".
    Dort benötigt er de Dienste eines Taxis. Alle Fzg. am Stellplatz haben die Einheitsfarbe.
    Er kann lediglich aufgrund von "Kleinigkeiten" wie Fahrzeugmarke, Sauberkeit des Taxi's, Aussehen des Fahrers und Innenraumzustand des Fzg. eine "Bewertung" treffen.
    Die gesetzl. Details der Personenbeförderung sind ihm nicht bekannt/zugänglich.
    Jeder möge sich selbst fragen, welches Taxi aufgrund welcher individueller Entscheidung jetzt gewählt wird...


    D.h. (für mich) das der potentielle Leistungserbringer eines Sanitätsdienstes sehr wohl darauf achten muß, daß er nicht nur die objektiven Voraussetzungen, sondern eben auch die subjektiv-individuellen
    Eindrücke zu beachten hat.
    Ich kann nicht glauben, daß es noch Gegenden geben soll, wo einzig EINE Hiorg als potententieller Leistungserbringer zur Verfügung steht.


    Was wohl mittlerweile im allerletzten OV angekommen ist: der Nachwuchs kann nicht mehr beliebig vom Baum gepflückt werden.
    Dies bedeutet, daß dieser Nachwuchs sowohl eine gute Schulung benötigt als auch "Fun-Aspekte".
    Das darf aber nicht dazu führen das bei Sanitätsdiensten eine Einsatzleitung unter Führung nur die detaillierte Kenntnis von takt. Zeichen versteht.
    Unter Führung verstehe ich auch die Beachtung einer Einsatzdisziplin. Wird diese mißachtet, muß es auch entsprechende Sanktionen geben.
    Das kann im Extremfall bedeuten, daß ein Helfer diese Gliederung verlassen muß - damit ein gewisser Standard gehalten werden kann.


    Im hauptberuflichen RD hat hier der Dienstvorgesetzte durchaus arbeitsrechtliche Möglichkeiten.
    "Helfernachwuchsmangel" im Ehrenamt ist aber für mich kein Argument; es macht den Einsatzleitungen/Führungskräften Arbeit, diese Arbeit ist unangenehm und sie wird einem auch nicht gedankt - sie muß dennoch geleistet werden.
    Nach meinen subjektiven Erfahrungen gelingt dies bei den Freiwilligen Feuerwehren und beim THW; bei beiden sehr wohl auch im Jugendbereich.
    Es sollte also bei ASB / DLRG / DRK / JUH / MHD ebenso möglich sein.

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


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  • Meinst du sowas damit: der Pflasterverein Beispielstadt e.V. gründet eine Pflasterverein Sanitätsdienst gGmbh?


    Meinst du sowas damit: der Pflasterverein Beispielstadt e.V. gründet eine Pflasterverein Sanitätsdienst gGmbh?


    Das wäre zum Beispiel eine Möglichkeit.


    Franka, Gesichtsverlust hin oder her, die Alternative ist Verlust des Kerns von Hilfsorganisation.

  • @ krumel: Bevor Du über die Diskussion als Ganzes in einer derart unangebrachten Art und Weise urteilst und meinen Beitrag zu demontieren versuchst, würde ich Dich für die Zukunft einfach bitten, auch das komplette Zitat zu lesen: Da steht nicht, dass die Privaten doof oder schuld sind- da steht, dass die Hilfsorganisationen blöd genug sind, dem Großveranstalter, der eigentlich auch wesentlich mehr bezahlen könnte, ein Angebot zu machen, das die Privaten nicht halten können oder wollen, weil es wirtschaftlicher Nonsense ist. Im Übrigen war auch in meinem Beitrag die Rede von Rock im Park, es ging also nie um die Schwesterveranstaltung.


    @ Schmunzel: Mein Beitrag sollte keine Wertung enthalten, sondern lediglich eine Darstellung aus meiner Sicht sein.


  • Aus Interesse: Was wären die anderen Möglichkeiten? Gern auch via PN.

  • Da bin ich gerne dabei und präzisiere, auch mit Blick auf frankas umfangreichen Beitrag: Wenn die Hilfsorganisation Kostendeckung betreibt, geht das in Ordnung. Ich hab nur bislang wenig nachvollziehbare Berechnungen der tatsächlichen Kosten gesehen, aus denen sich die oft geforderten Beträge ergeben könnten.


    Oft werden die Tarife "aus dem Bauch heraus" festgesetzt, das stimmt, aber in der Regel eher zu niedrig.


    Man kann sich ja einmal hinsetzen und zusammenzählen, was die Aus- und Fortbildung der Helfer kostet, berechnet auf die Zeit, die sie im Schnitt für Sanitätsdienste zur Verfügung stehen; die Kosten einer rettungsdienstlichen Ausbildung sind nicht unbeträchtlich, und nicht selten stehen die Leute (dank Studium oder anderweitigem Wegzug oder aufgrund einer Interessenverlagerung zu einer nebenamtlichen Tätigkeit im RD) gar nicht so lange zur Verfügung. Es erscheint mir dabei durchaus zulässig, auch die Kosten der innerbetriblichen Fortbildung mit "fiktiven" Ausbilderhonoraren zu berechnen, schließlich leistet das Vereinsmitglied ehrenamtliche Arbeit zur Förderung der HiOrg, nicht des (oft kommerziellen) Leistungserbringers.


    Dann kommen Bekleidung und pers. Ausrüstung dazu, wieder berechnet auf Einsatzdauer oder Verschleiß. Reinigung und Ersatz der Ausstattung. Kosten für medizinisches Material und für die Erstvorhalt8ung und Umwälzung von Verbrauchsmaterial. Kosten für Fahrzeuge, die dann, wenn sie ein anderer Bereich zur Verfügung stellt, durchaus intern (fiktiv) verrechnet werden dürfen. Anteilige Mietkosten für Lager-, Verwaltungs- und Aufenthaltsbereiche. Kosten der Telekommunikation. Erstattungen an Helfer (Fahrt-/Verpflegungskosten, Wäsche der Einmsatzbekleidung, falls nicht zentralisiert).


    Insgesamt kommt da durchaus ein großer Batzen zusammen, von dem natürlich wieder "Parallelnutzungen" abzuziehen sind, wenn bspw. Fahrzeuge und Material (und Bekleidung aus den Mitteln) des KatS verwendet werden. Dabei kommt dann aber das nächste Problem, nämlich die Frage der Zulässigkeit: darf das Material pp. für diese Zwecke verwendet werden, und selbst wenn ja, muss ggf. bei einer Alarmierung der San-Einsatz abgebrochen werden? Der Träger des KatS will aller Voraussicht nach nicht damit leben, dass "seine" KatS-Einheiten während eines (bezahlten) Sanitätseinsatzes nicht zur Verfügung stehen.


    So etwas wie 9 Euro "Aufwandsentschädigung" - deutlich mehr als der diskutierte Mindestlohn - für "Ehrenamtliche", die ihrem Hobby nachgehen, gehört sicher nicht dazu.


    Ich betone auch hier und immer wieder: ehrenamtlicher Einsatz erfolgt ohne Entschädigung für die investierte Zeit und nur gegen Ersatz echter Auslagen, d.h. für Fahrtkosten, Verpflegung, usw. Die kann man auch pauschalieren, aber jede Bezahlung nach Zeit, insbesondere bei diesen Beträgen, ist keine ehrenamtliche, sondern eine nebenamtliche Tätigkeit, und genau so formuliert mit Recht auch der Gesetzgeber in § 3 Nrn. 26, 26a EStG. Auch wenn man das gerne "Ehrenamtspauschale" oder "Übungsleiterpauschale" nennt. Wer allerdings bis zu 200,- € und mehr im Monat mit seinen Nebentätigkeiten verdient, ist sicherlich nicht "ehrenamtlch" tätig.


    Als gemeinnütziger Verein habe ich bei wirtschaftlichen Großveranstaltungen mit einem gemeinnützigen Konzept in der Regel nichts verloren. Wenn ich mich da betätigen möchte, muss ich entweder auf Basis meiner Gemeinnützigkeit sehr konkret kalkulieren oder mir eine Struktur überlegen, in der ich solche Prozesse vernünftig abbilden kann (wenn ich das öfter machen möchte).


    Unterhalb dieser Schwelle spricht absolut nichts dagegen, wenn eine reiterliche Vereinigung die örtliche Hilfsorganisation mit Spenden bedenkt, damit diese ihre satzungsgemäßen Aufgaben wahrnehmen kann. Und Hilfsorganisationen müssen ihre satzungsgemäßen Aufgaben sicher nicht gegenüber Personen erbringen, die sich nicht dafür interessieren, wie die Hilfsorganisation das bezahlt.


    Ja, klar.


    Ich bin der Meinung, dass jede erbrachte Leistung einer HiOrg grundsätzlich nach Möglichkeit kostendeckend erfolgen sollte und man sich sehr genau überlegen muss, wo man Tätigkeiten - soweit zulässig - gegen "Naturalien" erbringt oder wo man sie bewusst kostenlos oder nicht kostendeckend erbringt (und den Rest eben durch Spenden abdeckt). In aller Regel gibt es dafür genügend Gründe und Möglichkeiten, ohne dass man Leistungen wie RD, Sozialdienst, Ausbildung oder SanD kostenlos oder gegen "Almosen" erbringt.


    Man sollte dabei auch die Motivation der Ehrenamtlichen nicht aus den Augen verlieren. Es gibt oft Dienste, die macht niemand - der einige Jahre dabei ist - gerne, meist weil sie schlicht totlangweilig sind. Gerade angesichts der Nachwuchs- und Personalbindungsprobleme muss man sich dann gut überlegen, ob man Personal dort "verschleißt" oder ob es nicht sinnvoll ist, dafür zumindest ein wenig an Gegenleistung zu verlangen. Auch das kann durchaus - sogar ohne persönliche monetäre "Entlohnung" - motivierend wirken nach dem Motto "dafür, dass ich hier sitze, stiftet der XY-Verein die Preise für die nächste Tombola oder ermöglicht unserer Jugend dieses oder jenes". Man "tauscht" ja teilweise auch Ausbildung gegen Ausbildung.


    (Bei der Entgegennahme von Spenden für kostenlose Dienstleistung sollte man allerdings IMO aufpassen. ;))

  • Bei mir geht das einfach ueber die steuerrechtliche Moeglichkeit der Ehrenamtspauschale.


    Ah! Die Regelung hatte ich nicht auf dem Schirm, danke. (§ 3 Nr. 26a EStG ist ja auch neueren Datums ...)


    Früher bestand nämlich tatsächlich das Problem, dass der Veranstaltungssanitätsdienst eher nicht § 3 Nr. 26 EStG unterfällt ...


    Grüße,
    -thh


  • Wie passt denn Veranstaltungssanitätsdienst unter § 3 Nr. 26 EStG?


    Grüße,
    -thh

  • Oh nein, das sage ich nicht! Ich sage, dass die Rechtsgrundlage den entsprechenden Rahmen dafür schafft und das grundsätzlich möglich ist- sicher aber nicht, dass das bei "meinen Ehrenamtlichen" so läuft geschweige dessen, dass das meiner Meinung entspräche.
    Nicht ganz unabhängig davon halte ich es für notwendig, sich die heutige Anerkennungskultur in den Vereinen anzusehen.
    Wir sind - zumindest in meiner Gliederung - selbst dafür verantwortlich, dass die Anerkennung unserer Ehrenamtlichen Kräfte über Jahre hinweg monetarisiert wurde. Der ehrenamtliche Einsatz war mit einer Aufwandsentschädigung "abgegolten" (wenn auch noch Welten von 9 Euro entfernt).


    Entschuldigung, aber das ist dann kein ehrenamtlicher Einsatz mehr, sondern eine nebenamtliche, vielleicht dabei schlecht bezahlte, Tätigkeit.


    Ich halte es für psychologisch sehr wichtig, Ehrenamt und schlechte bezahlte Nebentäigkeiten nicht miteinander zu vermengen, insbesondere dann, wenn dieselben Personen sowohl rein ehrenamtlich als auch nebenamtlich tätig sind. Dafür habe ich zu oft die Diskussionen führen müssen, warum der RettSan, der 10 h auf einem Sanitästdienst eingesetzt ist, dafür (fast) nichts bekommt, der Ausbilder in der Breitenausbildung (mit niedrigerer Qualifikation) aber als Honorarkraft für deutlicher weniger Zeit einen habhaften Betrag bekommt, oder warum im Rettungsdienst x Euro pro Stunde gezahlt werden, im Sanitätsdienst aber nicht. Das kann man genauso auch für interne contra externe Ausbildung oder Jugendarbeit contra Sanitätsdienst diskutieren; schnell ist da das Klima vergiftet (oder die Abwanderung zu den "lukrativen" Dienstbereichen setzt ein), namentlich dann, wenn alle angeblich "Ehrenamtlichen" ansonsten gleich behandelt werden.


    Nicht zuletzt ist das auch ein Rechtsproblem, weil längst nicht jede nebenamtliche Tätigkeit von der "Übungsleiterpauschale" des § 3 Nr. 26 EStG erfasst wird. Daher muss man Neben- und "echtes" Ehrenamt klar trennen.


    Dafür gibt es halt inzwischen nicht mehr jeden Monat einen gemeinsamen Ausflug mit Grillfest- was in aller Konsequenz "besser" ist oder auch für die Ehrenamtskultur in einem Verein langfristig zielführender, das ist eine schwierige Frage, aber eben ein selbstgeschaffenes Problem.


    Was macht ihr denn in den Bereichen, in denen noch echte ehrenamtliche Arbeit geleistet word? Oder gibt es das gar nicht (mehr)?


    Grüße,
    -thh

  • Wenn ich im ehrenamtlich tätig bin brauch ich kein Geld - Aber ich erwarte dann eine gute Organisation des Dienstes, meine Verpflegung muss sichergestellt sein, das Material muss vernünftig sein und die Aus- und Fortbildung muss auch organisiert und möglichst hochwertig sein.


    Exakt.


    (Und auch das kostet Geld, das der Verein einnehmen muss. Nicht zwingend nur über Spenden, sondern auch durch Berechnung der erbrachten Dienstleistungen.)

  • Ich teile euer Verständnis von Ehrenamt, Freiwilligkeit und der "kostenlosen" Arbeit. Dennoch - und das hatte ich oben auch schon geschrieben, gab es hier in den letzten Jahres große Versäumnisse in den Verbänden- vielleicht mangels eines professionellen Umgang mit Ehrenamtlichen und mangels einer strukturierten Freiwilligenarbeit.
    Das führte in der Konsequenz aus meiner Sicht häufig zu "oh mein Gott, wir finden keinen, der sich morgen auf das Reitturnier setzt- Thomas, ich leg noch nen zwanni drauf- gehste dann?"


    Wie gesagt: ich kenne das Problem sehr gut, wenn auch nicht aus den 2000ern, sondern 90er Jahren.


    Die Hilfsorganisationen sind zweifelsohne selbst verantwortlich für den Status Quo.
    Dennoch haben sie aus meiner Sicht und hier vor Ort massiv Angst davor, ihr Gesicht zu verlieren-
    sei es gegenüber einem Veranstalter, dem man vielleicht auch mal sagen muss "Du, ich sichere an dem gleichen Wochenende schon zwei andere Veranstaltungen ab, ich kann Deine nicht auch noch leisten (geschweige dessen qualifiziert betreuen)" (am Ende müsste ich ihm sogar noch eine Nachbargliederung oder die feindliche Hilfsorganisation am anderen Ende der Stadt empfehlen Oo!!!!!) (außerdem haben sich alle anderen Veranstalter schon mit der sanitätsdienstlichen Betreuung befasst, als sie die Veranstaltung geplant haben und nicht erst zwölf Stunden (und ja, das habe ich tatsächlich schon mehrfach erlebt) vorher, wenn noch immer kein Sanitäter einfach vom Himmel gefallen ist...


    Ja. Professionell ist leider anders, aber eine Änderung fällt nicht leicht.


    Neben den rein innervereinlichen Fragen - mache ich mir den Verein nicht dadurch kaputt, dass ich meine Ehrenamtlichen stattdessen als nebenamtliche Kräfte einsetze - darf man aber auch die rechtliche Seite nicht völlig aus dem Blick verlieren. So kompliziert ist sie (meistens) gar nicht, aber es ist insbesondere dort wichtig, klar zu denken und zu formulieren.


    Streiche ich heute die Aufwandspauschalen bei uns weg bzw. auf zum Beispiel die (zu belegenden) Fahrtkosten runter, dann gibt es sicherlich einen großen Aufschrei!


    Hier ist - rechtlich - ganz große Vorsicht angesagt, weil Du eine Erstattung tatsächlichen Aufwands (auch als Pauschale) mit der Bezahlung für investierte Zeit (gerne "Aufwandsentschädigung" genannt, richtiger und rechtlich aber Bezahlung für nebenamtliche Tätigkeit!) vermengst.


    Erstattung tatsächlichen, belegbaren Aufwands ist m.W. steuerfrei möglich. Sie kann auch pauschaliert werden, soweit die Pauschalen den tatsächlichen Regelbetrag abdecken und nicht (weit) überziehen; man denke an die Verpflegungssätze, die üblicherweise bezahlt werden dürfen. Eine Aufwandspauschale, die tatsächliche Aufwendungen ersetzen soll, kann daher niemals eine Pauschale "pro Stunde" sein, weil es keinen Aufwand gibt, der linear mit der Länge des Dienstes zusammenhängt. Aufwand werden idR Fahrtkosten mit dem privaten Pkw sein, angemessene Kosten für Verpflegung vor Ort und ggf. Aufwendungen für Wäsche der Dienstkleidung pp. wenn diese privat erfolgt. Diese Aufwände sind aber (mit Ausnahme der Verpflegung) von der Dienstlänge unabhängig, und auch die Verpflegungssätze erhöhen sich nicht stündlich, sondern in Sprüngen.


    Eine solche Aufwandserstattung auf den Freibetrag von 2400 bzw. 720 EUR anzurechnen ist daher nicht erforderlich, weil es sich um keine Einnahmen aus der Tätigkeit handelt.


    Alles, was aber über die Erstattung tatsächlichen Aufwands hinausgeht, kann nicht ohne weiteres gezahlt werden, denn das ist dann - rechtlich - eine Bezahlung für nebenamtliche Tätigkeit. Die bekannten Steuerfreibeträge haben dabei Voraussetzungen; das Erfordernis einer Tätigkeit "im Dienst oder Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat belegen ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, oder einer unter § 5 Absatz 1 Nummer 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallenden Einrichtung zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung)" ist dabei für HiOrgs meistens kein Problem. Dank der Neuregelung des § 3 Nr. 26a EStG sind Zahlungen bis zu 720 EUR auch ohne Bindung an bestimmte Tätigkeitn zulässig. Bei weiteren Zahlungen bis 2.400,- EUR ist aber daran zu denken, dass nur bestimmte nebenamtliche Tätigkeiten von der Vergünstigung erfasst sind. Nach meinen, möglicherweise veralteten, Kenntnissen ist ein Einsatz im RD dabei unter "Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen" zu fassen, ein Veranstaltungssanitätsdienst aber nicht.


    Zudem muss auch die HiOrg darauf achten, dass der Freibetrag nicht überschritten wird, Stichwort Sozialabgaben pp., und der Helfer muss daran denken, dass bezahlte Nebentätigkeiten - und ja, "ehrenamtliche Tätigkeiten", für die irgendetwas auf Grundlage von § 3 Nrn. 26, 26a EStG gezahlt wird, sind keine ehrenamtlichen, sondern bezahlte Nebentätigkeiten! - nicht selten beim Arbeitgeber oder Dienstherrn genehmigungs- oder zumindest anzeigepflichtig sind! Es gehört m.E. zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, darauf hinzuweisen.


    (Sollte ich bei der im wesentlichen steuer- und sozialrechtlichen Beurteilung hier fehlgehen, freue ich mich jederzeit über eine Korrektur und entsprechende "Nachhilfe", wenn möglich mit konkreten Bezug auf die entsprechende gesetzliche Regelung, Rechtsprechung, Kommentierung oder Verwaltungspraxis, bspw. durch BMF-Rundschreiben.)


    Es wird einen Aufschrei geben, der mindestens dem des "kostenpflichtigen Sanitätsdienstes" gleichkommt (hoffentlich journalistisch anspruchsvoller aufbereitet), weil die "armen Ehrenamtlichen" ja nicht mal mehr angemessen entschädigt werden.


    Wer ehrenamtlich arbeitet, wird für seine Arbeitszeit nicht "entschädigt". Das ist so einfach.


    (Ganz abzusehen davon, dass es für mich steuerrechtlich interessant wäre, wenn ich, davon ausgehend, dass die Aufwandsentschädigung ja zumindest in angemessener Relation zum Aufwand stehen soll, die Pauschale plötzlich zum Beispiel von neun Euro die Stunde auf 0,30 € / km Anfahrtsweg runterkürze- wäre aus meiner Sicht interessant, inwieweit das im Zweifelsfalle noch rückwirkend steuerrechtliche Auswirkungen auf die Hilfsorganisation haben kann)


    Die Bezahlung für nebenamtliche Tätigkeiten muss sich nicht an einem "Aufwand" orientieren, sondern allenfalls an üblicher Bezahlung. Die Erstattung von Aufwand darf nur materiellen (!) Aufwand erfassen. Das Problem stellt sich mit einer Herabsetzung also nicht; wenn, dann besteht durch die jetzige Umsetzung ein Problem ... (Ein, wie ich hinzufügen möchte, zumindest in den 90ern noch sehr verbreitetes Problem.)


    Grüße,
    -thh

  • Danke fürs Rausarbeiten, thh. Imho sieht man daran schön, warum manche Schuhe für manche Gelegenheiten etwas zu groß sind. Ich persönlich habe zum Beispiel schlicht keine Lust, als Justitiar diese Dinge gründlich durchzuprüfen. Ich mache das schließlich auch ehrenamtlich...

  • (Bei der Entgegennahme von Spenden für kostenlose Dienstleistung sollte man allerdings IMO aufpassen. ;))


    Kein Synallagma, schon klar. Das kann man auch durchaus verdeutlichen.


    Genau wie vieles andere auch. "Unser" örtlicher Reitverein war beispielsweise lange Zeit ein von den ehrenamtlichen Helfern gern besuchter Veranstalter, weil es in der Gaststätte der dortigen Reithalle sehr ordentliches Essen gab. Irgendwann fand der Reitverein heraus, dass ihm das zu teuer sei. Da waren die Dienste schwerer zu besetzen. Und ich habe mir auch nicht nehmen lassen, einem der Granden zu erklären, dass wir zwar verpflichtete Helfer in unseren Reihen haben, dies aber a) nicht auf alle zutrifft und b) sich nur auf den Katastrophenschutz erstreckt, dessen Erforderlichkeit ich in der Reithalle nicht erkennen konnte.

  • Ehrlich gesagt ist es mir nach den vielen Beiträgen mit sich teilweise überschneidenden Themenbereichen und div. Doppelungen nicht möglich, eine strukturierte Antwort zu verfassen.
    Dennoch möchte ich feststellen, dass meine Beiträge zum Teil nicht entsprechend ihrer ursprünglichen Intention wiedergegeben werden bzw. meine Aussagen mit denen anderer User vermischt wurden (zum Beispiel habe ich immer noch nicht gesagt, dass ein Helfer in meiner Organisation neun Euro die Stunde bekommt oder dass ich das auf ehrenamtlicher Basis gut finden würde)


    Trotz allem habe ich deutlich geschrieben, dass sich meine Beiträge auf Bayern und die dortige Handhabung beziehen, einen anderen Referenzbereich kenne ich aus eigener Erfahrung im Umgang mit Freiwilligen nicht.
    In Bayern ist allerdings zum Beispiel die Teilnahme an einer Großveranstaltung als Sanitätshelfer eindeutig der Übungsleiterpauschale zugeordnet (siehe http://www.finanzamt.bayern.de…mt.php?f=lfst&c=n&d=x&t=x Punkt 2.25 )


    Davon abgesehen sollten Aufwandsersatz und "Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten", wie es im thh so wohlbekannten EStG heißt, nicht vertauscht oder vermischt werden. Daraus resultieren leider auch in der Praxis sehr oft fragwürdige Rückschlüsse...

  • @ Schmunzel- ganz von der übrigen Thematik abgesehen erlaube ich mir, Dir auch im Rahmen Deiner Tätigkeit als ehrenamtlicher Justiziar die Kompetenz abzusprechen, einen Einsatz des Katastrophenschutzes zu veranlassen oder über die Notwendigkeit und damit das Feststellen einer Katastrophe zu urteilen.


    Ebenfalls halte ich nicht viel davon, irgendwelche KSchutzeinheiten / -materialien im Sanitätsdienst zu binden.
    Anders verhält es sich aus meiner Sicht im erweiterten Rettungsdienst, wobei ich zum Beispiel in meinen Einsatzvereinbarungen vertraglich festhalte, dass eine ggf. angeforderte Unterstützung des Regelrettungsdienstes gegenüber der Veranstaltung vorrangig ist und die sanitätsdienstliche Absicherung entsprechend kurzzeitig unterbrochen werden kann. Alles eine Frage der Gestaltung...