Mannheim: Gutachten belegt Defizite bei der Notfallmedizin / Konsequenzen noch umstritten

  • man darf auch nicht vergessen, dass zwischen dem notarzt und dem patienten in der regel noch drei weitere instanzen mitspielen: der notrufende angehörige, die leitstelle und der kommunikationsprozess zwischen beiden. ich habe in der letzten zeit vor allem den eindruck, dass die notrufenden zunehmend die situation absichtlich dramatisieren, um zu erreichen, dass die hilfe schneller kommt. manchmal geben diese leute das in erste-hilfe-kursen sogar offen zu. oder war das früher auch schon so?


    Ja, dass (subjektive) Gefühl habe ich oft auch (vor allem durch Arztpraxen, die scheinbar kein Bock auf die KTW-Wartezeiten haben). Ich glaube jedoch, dass nicht grundsätzlich jeder Anrufer uns böses will. Und da stimme ich Dir auch zu, dass nämlich der Eindruck des Anrufers zur Situation, der auch oft eher subjektiv wie objektiv ist, und auch eine Besserung einer Situation zu nicht passenden NACA Score eines NA-Einsatzes führen. So kann eine Kreislaufdysregulation bzw. Synkope als bewusstlose Person gemeldet worden sein, was zur Entsendung eines RTW mit Notarzt führt. Vorgefunden wird dann eine weniger dramatische Situation, die dann letztendlich nicht als NACA 4 oder 5 eingestuft wird, sondern nur als 3 oder 2 eingestuft wird. Gleiches gilt auch für andere Einsatzmeldungen, wie "schwere" Verkehrsunfälle, die sich als weniger schlimm herausstellen. Eine akute Atemnot, die sich als Hyperventilation herausstellt, aber für den Betroffenden und Beobachter der Situation als sehr bedrohlich empfunden werden. Situationen können sich ändern, sie können besser und auch schlechter werden (auch ein Grund warum wir bei der Notrufabfrage dem Anrufer sagen, dass er sich bei einer Änderung der Situation nochmals melden soll). Und dann wäre da noch die Informationslage. Je mehr Informationen und je präziser diese vorliegen, je sicherer kann eine Dispositionsentscheidung getroffen werden. Letztendlich wird sich das nicht wirklich verhindern lassen, auch nicht mit Einsatzkatalog und standardisierter Abfrage. Nur wenn der NA grundsätzlich nicht mehr primär mit alarmiert wird und nur aufgrund der Rückmeldung bzw. Nachforderung des RTW entsendet wird, wird sich eine höhere NACA Einstufung ermöglichen lassen, d.h. also eine wirkliche NA-Erforderlichkeit ohne großartige Fehleinsatzqoute ermöglichen lassen.


    Gruß

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.


  • Daraus:


    Zitat

    "Beide hoffen, dass nun eine öffentliche Diskussion in Gang kommt. Es sei, so Viergutz, "ein Strukturfehler, dass eine Frage der öffentlichen Gefahrenabwehr nur intern in der Selbstverwaltung von Krankenkassen und Rettungsdiensten diskutiert wird". Pitz bescheinigt dem Ersten Bürgermeister Christian Specht, dass er sich "in das Thema reinhängt". Wenn sich die Kommunalpolitik da mehr einschalte, sei das "nicht mit Gold aufzuwiegen"."


    Es ist irgendwie schon aberwitzig, dass die absurde rechtliche Konstruktion in Baden-Württemberg (Besetzung der Bereichsasuschüsse) die Kommunalpolitik nun dazu nötigt, als quasi "letztes Mittel" die Öffentlichkeit via Medien ins Boot zu holen, um ein paar Minimalziele zu erreichen. Aber ich find's gut, dass man dann halt diesen Weg geht. Die Bürger dürfen ruhig wissen, was da (nicht) läuft.


    J. :cool_1:

  • Würde es etwas bringen die vorhandenen RTWs etwas dezentraler zu verteilen und die vorhandenen KTWs aufzustocken? Dritter NA inclusive versteht sich.

    "...Was Sie brauchen haben Sie und was Sie nicht haben brauchen Sie auch nicht.."

  • Den NA nur bei eindeutiger Indikation (z.B. "die drücken auf dem rum", Anforderung durch Fachpersonal etc.) zu alarmieren, wäre für mich, idealerweise natürlich mit erweiterten Kompetenzen den NotSans die sinnvollste Lösung. Gerade der Bewusstlose z.B. ist doch in den seltensten Fällen noch bewusstlos, oder wenn doch, dann auch durch RFP behandelbar (Hypoglykämie) bzw. versorgbar bis der NA eintrifft.
    Funktioniert in anderen Bereichen wieder mal ganz gut. (Nach-)Alarmierung des NA-Pendants nur in ca. 5% der Einsätze nötig.
    Klar hat es bei uns deutlich höhere Kompetenzen der RS auch ohne NA, aber ein grosser Teil, v.a. der Naca <4 Einsätze könnte auch in D dadurch eingespart werden und dann würde die Ressource NA wieder für die eigentlich für ihn gedachten Einsätze zur Verfügung stehen.

  • Den NA nur bei eindeutiger Indikation (z.B. "die drücken auf dem rum", Anforderung durch Fachpersonal etc.) zu alarmieren, wäre für mich, idealerweise natürlich mit erweiterten Kompetenzen den NotSans die sinnvollste Lösung. Gerade der Bewusstlose z.B. ist doch in den seltensten Fällen noch bewusstlos, oder wenn doch, dann auch durch RFP behandelbar (Hypoglykämie) bzw. versorgbar bis der NA eintrifft.
    Funktioniert in anderen Bereichen wieder mal ganz gut. (Nach-)Alarmierung des NA-Pendants nur in ca. 5% der Einsätze nötig.
    Klar hat es bei uns deutlich höhere Kompetenzen der RS auch ohne NA, aber ein grosser Teil, v.a. der Naca <4 Einsätze könnte auch in D dadurch eingespart werden und dann würde die Ressource NA wieder für die eigentlich für ihn gedachten Einsätze zur Verfügung stehen.


    Ich finde, die sinnvollste Lösung wäre erstmal, die benötigten Rettungsmittel zu implementieren und zu finanzieren.

  • Die Anzahl der Rettungsmittel hat sich aber am System zu orientieren und das ist und bleibt in Deutschland in näherer Zukunft -Gott sei Dank- notarztgebunden.


    Wenn du anderst disponieren willst ist der erste Schritt, dass du das System als solchen ändern musst mit wesentlich größeren Kompetenzen. Und es ist ja schon heute nicht selten, dass der RTW erstmal gucken fährt...

  • Klar. Aber mit o.g. System bräuchte es halt schon mal deutlich weniger NA besetzte Rettungsmittel.


    Du meinst deutlich weniger als die beiden NEF in Mannheim? Mannheim hat gut 300.000 Einwohner, der Rhein-Neckar-Kreis, der mitversorgt wird, ist der bevölkerungsreichste Landkreis in Ba-Wü. Hier ist der größte Rangierbahnhof Deutschlands und der zweitgrößte Binnenhafen. Von Risiko-Betrieben in der Industrie fange ich jetzt gar nicht an.
    Ich glaube nicht, dass ein drittes NEF für Mannheim besonders luxuriös ist. Und den Bedarf bestreitet witzigerweise ja auch gar niemand.


    J.

  • Kennst du die Verteilung der RTW im RD-Bereich Mannheim?


    Nein nicht vor Ort. Nur durch die Beschreibung in den Artikeln. Aber bei mir ist der Eindruck entstanden dass die doch relativ dicht beieinander stehen? Idee: ich schau es mir mal bei LeitstelleSim.de an. :smile_1:

    "...Was Sie brauchen haben Sie und was Sie nicht haben brauchen Sie auch nicht.."


  • Nein nicht vor Ort. Nur durch die Beschreibung in den Artikeln. Aber bei mir ist der Eindruck entstanden dass die doch relativ dicht beieinander stehen? Idee: ich schau es mir mal bei LeitstelleSim.de an. :smile_1:


    Die beiden NEF stehen sehr dicht zusammen, die RTW nicht. Aber da liegt das Problem auch nicht, glaub mir.

  • Ein grosses Problem sind doch die im Nachhinein nicht gerechtfertigten NA Einsätze. Bei Laiennotrufen kann ich es verstehen, wenn ich zu einer Synkope rausfahre, die sich als nicht so dramatisch heraus stellt. Die Einsatzindikation alleine am NACA Score festzumachen, halte ich persönlich nicht für gut. Eine Fraktur, die ich analgesiere oder eine Hypertensive Krise, die ich behandel sind dirchaus gerechtfertite NA Einsätze, auch wenn ich nicht begleite und die haben dann auch nur einen NACA 3 Wert.
    Überprportional häufig (so mein Empfinden) sind doch Fehleinsätze, bei denen ein NA von Fachpersonal (Ärzten) angefordert wird, weil sie die Kompetenzen des RD Fachpersonal nicht kennen (Überwachung der Vitalfunktionen, Erkennen wann es gefährlich wird und Erstmaßnahmen zur Stabilisierung des Patienten bis ein NA eintrifft) und sobald sie ein Fahrzeug mit Sondersignal anfordern einen NA mitbestellen (z.B. Z.n. hypertensiven Notfall, durch Arzt bereits therapiert, Stroke, Notfallverlegungen bei Stroke, Z.n. Kollaps, klinisch unauffälliger Pneumothorax, Zufallsbefund Lungenembolie bei Belastungsdyspnoe seit 6 Wochen,...). Beim solchen Anforderungen hat ja der Leitstellendisponent kaum eine Handhabe. Könnte man vielleicht auch in der Fortbildung der niedergelassenen Ärzte die Leistungsfähigkeit und Ausbildung der RettAss thematisieren?
    Auch Anforderungen durch die Polizei sind in der Regel keine NA Indikationen (wie oft fahren wir zu Tablettenintoxikationen oder Kreislaufkollapsen auf Anforderung durch die Polizei?)
    Wobei ich relativ gerne Ausrücke, da bei mir jeder Einsatz Geld bringt :cool_1:
    Aber ob solche Einsätze wirklich gewinnbringend fürs System sind??? Ich weiss nicht ...

    »Wenn das deutsche Volk nur aus den tumben Idioten bestünde, die Angst vor einer Überfremdung und dem Aussterben des deutschen Volkes haben, wäre es ein Segen für die Welt, wenn ihre Ängste berechtigt wären«

  • Keine Frage das man bei diesem Einsatzgebiet und der Einwohnerzahl ein 3. NEF sinnvoll ist. Warum gab es das noch nicht viel früher?


    Trotzdem könnte man die RettAss mit entsprechenden erweiterten Kompetenzen/Handlungsanweisungen austatten so das diese z.B einen respiratorisch/bewusstseinsklaren Apoplex, einen Asthmaanfall/exacerbierte COPD, Hypoglykämie etc. erstmal alleine abarbeiten könnten. Falls sich der Zustand verschlechtert kann natürlich der NA nachgefordert werden. Das würde vielleicht die NA's etwas entlasten.


    Trotzdem sehe ich es genauso das die Zahl der RTW und NEF zu niedrig gemäß der heutigen Einsatzzahlen ist und entsprechend angepasst werden sollte.







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  • Die beiden NEF stehen sehr dicht zusammen, die RTW nicht. Aber da liegt das Problem auch nicht, glaub mir.

    Ich lasse mich gerne diesbezüglich aufklären wo die Probleme liegen. Aber ich finde schon wenn man sich die Karte anschaut dass man den einen oder anderen RTW verlagern könnte. Wie gesagt immer vorausgesetzt man stockt die KTWs eklatant in Mannheim auf. Da müsste man eventuell auch mit einer privaten Konkurrenz leben. Siehe Stuttgart. Nehmen wir mal die Wache vom ASB Käfertal. Da stehen lt. LtStSim gerade fünf RTW unter der Woche als MZF. Stimmt das soweit? Wenn dem so wäre und die RTWs eben keine MZF mehr sind wäre das meiner Meinung nach Quatsch diese dort so zentralisiert zu belassen. Da könnte man einen nach Mannheim Sandhofen stellen und einen nach Ladenburg. Da sind schon Lücken in diesem Ballungsgebiet finde ich. Nur mal so Beispielhaft aus der Vogelperspektive. Also wenn man da andere Großstätte vergleicht gibt's da vergleichsweise mehr Standorte. Sonst könnten die ja ihre doch kürzeren Hilfsfristen auch nicht halten.

    "...Was Sie brauchen haben Sie und was Sie nicht haben brauchen Sie auch nicht.."

  • ich habe in der letzten zeit vor allem den eindruck, dass die notrufenden zunehmend die situation absichtlich dramatisieren, um zu erreichen, dass die hilfe schneller kommt.


    Angesichts der Medienberichte, die in letzter Zeit veröffentlicht werden, wundert mich das nicht. Wenn man so in die Zeitung schaut oder sich vom Boulevard-TV berieseln lässt, gewinnt man ja fast den Eindruck, dass man sowieso kaum eine Chance auf eine zeitnahe Rettung hat...





  • MANNHEIM: CDU FORDERT BESSEREN RETTUNGSDIENST


    16. September 2014 18:34


    Die Mannheimer CDU fordert eine Verbesserung des Rettungsdienstes in der größten Stadt der Region. So müsse in der im Bau befindlichen Feuerwache Mitte eine gemeinsame Leitstelle von Feuerwehr und Rettungsdienst installiert werden, die über den Notruf 112 erreicht wird. Hintergrund ist ein jetzt bekannt gewordenes Strukturgutachten, das speziell für Mannheim deutlichen Verbesserungsbedarf in der Notfallrettung und in der notärztlichen Versorgung feststellt. Bemängelt werden dabei Alarmierungswege und zu lange Anfahrtzeiten zu den Einsatzorten. So müssten nicht selten in Mannheim Notärzte aus Südhessen und der Pfalz aushelfen, weil die Mannheimer Organisation überlastet sei. bs
    </article>

  • Noch ein Kommentar aus dem "Mannheimer Morgen" zum Thema: https://www.morgenweb.de/mannh…e-hilfeleistung-1.1885431


    Daraus:


    Und das ist eigentlich derSkandal schlechthin. Mir ist in BaWü kein Gutachten bekannt, dass einen RD-Bereich sinnlos mit Fahrzeugen vollstopfen wollte. Mit den in den Gutachten zugedachten Fahrzuegen ist es in aller Regel möglich bei normalen Bedingungen (Kein Schneereicher Winter, etc.) die 95 % bei 15 Minuten einzuhalten. Und nun eiern die Leistungserbringer schon wieder einem "Kompromiss" entgegen. Es bleibt nur eins, wenn man in BaWü die Situation entscheidend verbessern will: Abschaffung der Bereichsausschüsse. Das Innenministerium oder meinetwegen die Landratsämter legen den Bedarf fest, alle 2 Jahre gibt es eine Überprüfung. Das wäre ein gangbarer Weg.

  • Jörg: Ein Kollege von mir berichtet von häufig 15-20 Einsätzen pro 24h-NEF-Dienst. Kannst Du das so bestätigen?
    Falls ja können einen die schlechten Zahlen ja kaum wundern.


    Das stimmt zumindest im Durchschnitt nicht, vielleicht in Einzelfällen. Der Schnitt wird bei den beiden städtischen NEF bei jeweils 12-15 liegen. Exakt weiß ichs nicht.


    J.