Mindestlohn im Rettungsdienst

  • Kann mir das jemand der juristisch versierten User nochmals zusammenfassen (gerne mit Bezug auf die entsprechende Norm), weshalb man in Zukunft als "Ehrenamtlicher", der Dienstplanmäßig 2-4 Dienste im Monat macht und dafür 5€/h bekommt zum einen eigentlich eine "nebenamtliche" und keine "ehrenamtliche" Beschäftigung ausübt und zum anderen warum man als "Nebenamtlicher" nur den Mindestlohn und nicht den Tariflohn erhalten muss?

  • Da ich jetzt maximal verwirrt bin: gilt der Mindestlohn auch für Überstunden?

    "Alle Menschen müssen sterben", meinte Boileau einst am Hofe Ludwigs XIV.
    Als der Sonnenkönig ihn darauf scharf ansah, korrigierte sich
    Boileau sofort: "Fast alle Menschen, Sire, fast alle!"

  • Zitat

    Da ich jetzt maximal verwirrt bin: gilt der Mindestlohn auch für Überstunden?


    Ich vermute du meinst die Mehrarbeit im Rahmen der Arbeitsbereitschaft?

    "...Was Sie brauchen haben Sie und was Sie nicht haben brauchen Sie auch nicht.."

  • Kann mir das jemand der juristisch versierten User nochmals zusammenfassen (gerne mit Bezug auf die entsprechende Norm), weshalb man in Zukunft als "Ehrenamtlicher", der Dienstplanmäßig 2-4 Dienste im Monat macht und dafür 5€/h bekommt zum einen eigentlich eine "nebenamtliche" und keine "ehrenamtliche" Beschäftigung ausübt


    Das gilt nicht "in Zukunft", sondern war immer schon so. Ehrenamtliche Tätigkeit ist durch ihre Unentgeltlichkeit gekennzeichnet.


    Die entsprechenden Normen für die "Aufwandsentschädigung" für "Ehrenamtliche" (§ 3 Nr. 26 EStG, die sog. "Übungsleiterpauschale" von derzeit 2.400,-€, und seit einigen Jahren auch § 3 Nr. 26a EStG, die sog. "Ehrenamtspauschale" von derzeit 720,- €) lauten daher auch wie folgt (Hervorhebungen von mir):


    Zitat von § 3 Nr. 26 EStG


    Steuerfrei sind ...
    26. Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer oder vergleichbaren nebenberuflichen Tätigkeiten, aus nebenberuflichen künstlerischen Tätigkeiten oder der nebenberuflichen Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen im Dienst oder im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat belegen ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, oder einer unter § 5 Absatz 1 Nummer 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallenden Einrichtung zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung) bis zur Höhe von insgesamt 2 400 Euro im Jahr. ...


    Zitat von § 3 Nr. 26a EStG


    Steuerfrei sind ...
    26a. Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten im Dienst oder Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat belegen ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, oder einer unter § 5 Absatz 1 Nummer 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallenden Einrichtung zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung) bis zur Höhe von insgesamt 720 Euro im Jahr.


    Das Gesetz spricht auch von "Einnahmen", nicht mehr von "Aufwandsentschädigungen"; überdies ist der Freibetrag nach der Rechtsprechung auch zu gewähren, wenn die Einnahmen insgesamt deutlich höher sind bzw. sogar das Zehnfache des Freibetrags erreichen, solange die Tätigkeit nur "nebenberuflich", also mit nicht mehr als 33% der Arbeitskraft ausgeübt wird.


    Dass der Gesetzgeber selbst mit mit den Regelungen eine "Förderung des Ehrenamts" - oder auch nur des "bürgerschaftlichen Engagements", was nicht gleichbedeutend sein muss - bezweckt, was auch immer er darunter genau versteht, führt m.E. zu keiner anderen Betrachtung. Schlecht bezahlte Tätigkeit ist keine ehrenamtliche Tätigkeit.


    Grüße,
    -thh

  • Kann mir das jemand der juristisch versierten User nochmals zusammenfassen (gerne mit Bezug auf die entsprechende Norm), weshalb man in Zukunft als "Ehrenamtlicher", der Dienstplanmäßig 2-4 Dienste im Monat macht und dafür 5€/h bekommt zum einen eigentlich eine "nebenamtliche" und keine "ehrenamtliche" Beschäftigung ausübt und zum anderen warum man als "Nebenamtlicher" nur den Mindestlohn und nicht den Tariflohn erhalten muss?


    Nachdem thh bereits die steuerliche Seite beleuchtet hat und Licht in das bisherige Dunkel brachte, dass die Steuerfreibetragspauschalen für bestimmte Nebentätigkeiten kein Ehrenamt sind, versuche ich mal den rest zu beantworten.


    Grundsätzlich haben alle Beschäftigten den Anspruch auf Tariflohn (mit den bekannten Ausnahmen: wenn sie tarifgebunden sind usw.). Egal ob sie eine Schicht oder 25 Schichten im Monat fahren. Zu finden ist dies im § 4 I Satz 2 TzBfG.


    Der Tariflohn darf ab 1.1.2015 nicht durch Ansatz der faktorisierten Arbeitszeit (oder wie auch immer die regionale Formulierung heißt: Bereitschaftsanteile, Bereitschaftszeit etc.) dazu führen, dass weniger als der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro bezahlt wird.

  • Die DRK Bundestarifgemeinschaft hat wohl eine Stellungnahme zu den möglichen Forderungen auf Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohnes für den DRK Reformtarifvertrag an seine Mitglieder veröffentlicht. Diese sehen, wie zu erwarten, die Sache natürlich anders. Dirt ist man der Meinung das die vereinbarten Stundenentgelte ja über 8,50 liegen würden wenn man bei diesen auch Arbeitsbereitschaft von 48 h einberechnet.

    "...Was Sie brauchen haben Sie und was Sie nicht haben brauchen Sie auch nicht.."

  • Das wäre ja eine Reduzierung des Stundenlohns über die Hintertüre. Komischerweise werden aber Überstunden zum regulären Stundensatz plus Zuschlag berechnet, und nicht mit einem imaginären reduzierten. Man legts aus, wie man es braucht.....

  • Dumme Gedanken haben die genug, nicht nur an der Spitze. Unserem Chef erklärt der Anwalt des BR regelmäßig, wo er sich seine dummen Gedanken hinschieben kann.


    Diese Argumentation bringt doch das ganze Tarifgefüge durcheinander.


    Zu einen stimmen die Stundenentgelte und Überstundenentgelte nicht mehr,
    zum anderen werden AN im RD bei gleicher Eingruppierung mit höherer Wochenarbeitszeit schlechter be
    zahlt als AN mit niedrigeren.


    Unfuckingfassbar.....

  • Habe es soeben selber durchgelesen. Die sagen wirklich:....." die Stundenvergütungen der nach dem DRK Reform Tarifvertrag eingruppierten Mittarbeiter im Rettungsdienst liegt auch unter Berücksichtigung einer 48 Std. Woche über dem Mindestsatz von 8,50€...." :shok:

    "...Was Sie brauchen haben Sie und was Sie nicht haben brauchen Sie auch nicht.."

  • Habe es soeben selber durchgelesen. Die sagen wirklich:....." die Stundenvergütungen der nach dem DRK Reform Tarifvertrag eingruppierten Mittarbeiter im Rettungsdienst liegt auch unter Berücksichtigung einer 48 Std. Woche über dem Mindestsatz von 8,50€...." :shok:


    Das sollte sich doch durch Anwendung einfacher Mathematik klären lassen, oder? Bruttowochenverdienst / Arbeitszeit müsste => 8,50 € ergeben.

  • Zitat

    Das sollte sich doch durch Anwendung einfacher Mathematik klären lassen, oder? Bruttowochenverdienst / Arbeitszeit müsste => 8,50 € ergeben.


    Das würde bedeuten dass die reguläre Wochenarbeitszeit dann eben 45 bzw. 48 Std. betragen würde. Dann hätte man sich im DRK RTV auch den $12(1) die Wochenarbeitszeit beträgt im mobilen Rettungsdienst vorbehaltlich Abs. 6 (Regelungen zur Arbeitsbereitschaft) 38,5 Std. , schenken können.

    "...Was Sie brauchen haben Sie und was Sie nicht haben brauchen Sie auch nicht.."


  • So ist es! Man kann aber auch jetzt versuchen das Pferd anders herum zu zäumen. Wenn dann die erweiterte AZ quasi Regelarbeitszeit wäre müsste man nach deren Argumenrationlogik den vollen Stundensatz zur Anwendung bringen?

    "...Was Sie brauchen haben Sie und was Sie nicht haben brauchen Sie auch nicht.."


  • Das würde bedeuten dass die reguläre Wochenarbeitszeit dann eben 45 bzw. 48 Std. betragen würde. Dann hätte man sich im DRK RTV auch den $12(1) die Wochenarbeitszeit beträgt im mobilen Rettungsdienst vorbehaltlich Abs. 6 (Regelungen zur Arbeitsbereitschaft) 38,5 Std. , schenken können.


    So ganz ich Dir jetzt nicht folgen.


    Für Mindestlohnbetrachtungen wird es entscheidend sein, dass bei Bruttoverdienst ./. Arbeitsstunden ein Ergebnis von mindestens 8,50 € steht. Nach dem Pflege-Mindestlohn-Urteil (BAG, Urteil vom 19. November 2014, Az. 5 AZR 1101/12) wird zu den Arbeitsstunden im Sinne der vorgenannten Berechnung mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Zeiten der Arbeitsbereitschaft zu zählen sein.


    Die Berechnung des tariflichen Lohns mag davon abweichen, darf aber nicht unter den Mindestlohn "abrutschen".

  • So ganz ich Dir jetzt nicht folgen.


    Für Mindestlohnbetrachtungen wird es entscheidend sein, dass bei Bruttoverdienst ./. Arbeitsstunden ein Ergebnis von mindestens 8,50 € steht. Nach dem Pflege-Mindestlohn-Urteil (BAG, Urteil vom 19. November 2014, Az. 5 AZR 1101/12) wird zu den Arbeitsstunden im Sinne der vorgenannten Berechnung mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Zeiten der Arbeitsbereitschaft zu zählen sein.


    Die Berechnung des tariflichen Lohns mag davon abweichen, darf aber nicht unter den Mindestlohn "abrutschen".

    Wenn dem so wäre dann hätte sich aber der Herr Rechtsanwalt aus Franken ordentlich missverständlich ausgedrückt bei seiner Info die er verschickt hat. :rolleyes2:

    "...Was Sie brauchen haben Sie und was Sie nicht haben brauchen Sie auch nicht.."

  • Ich warte zur Zeit nur gespannt die aktuellen Verhandlungen zur Entgeltordnung im öffentlichen Dienst ab, wo die Leitstellendisponenten und auch die Notfallsanitäter mit TVöD EG 9 abschneiden "könnten".


    Update zur den aktuellen Verhandlungen zur Entgeltgruppenordnung im öffentlichen Dienst (TVöD) - betreffend Eingruppierungsmerkmale für Leitstellendisponenten, NotSan, RettAss und RettSan:


    Von unserem Personalrat habe ich heute gehört, dass die Verhandlungen wohl noch bis Ende 2015 dauern werden. Als Grund wird angegeben, dass die Arbeitgeberseite möglichst alle noch offenen Berufsgruppen im öD auf einmal abarbeiten möchte. Aktuell geht die nächste Verhandlungsrunde morgen, am Dienstag den 02.12., weiter.


    Also wird sich die Durststrecke für die Angestellten im öD noch einige Zeit, wohl Jahre, hinziehen. Dazu passt ja aktuell auch die Stellenausschreibung der Berufsfeuerwehr Wolfsburg für NotSan/RettAss für TVÖD EG 5...


    Gruß

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.