Baden-Württemberg: Ist die Abholung eines Notarztes im Dienst von Zuhause rechtens?

  • Darf ein Notarzt im Dienst im Einsatzfall von Zuhause abgeholt werden oder muss sich dieser auf der NEF-Wache aufhalten? Diese Frage beschäftigt derzeit den Bereichsausschuss im Kreis Rottweil sowie das Landratsamt und das Innenministerium. Der stellvertretende Vorsitzende des Bereichsausschusses und Kreisvorsitzende des DRK, Thomas J. Engeser, sieht keinen Grund, an dem derzeit bestehenden System, bei welchem die diensthabenden Notärzte im Einsatzfall von Zuhause abgeholt werden, etwas zu ändern: "Insgesamt passt's", so Engeser. Auch das Landratsamt als Aufsichtsbehörde sowie die Krankenkassen als Kostenträger sehen keinen Grund, die langjährige Praxis zu ändern. Die Hilfsfristen der Notärzte würden zu 94,7 Prozent eingehalten.
    Das Innenministerium indes hält dieses Vorgehen für rechtswidrig, wie aus einem Schreiben hervorgeht: "Eine Notarztabholung bei einer Privatadresse sollte daher immer nur als ultimo Ratio (sic) und nur interimsweise geduldet werden, bis eine anderweitige Notarztversorgung gewährleistet werden kann." Dies sieht man im Landratsamt nicht so: die hiesige Praxis verstoße nicht gegen das Gesetz, da dort nicht eindeutig vorgegeben sei, dass der Notarzt auf der Wache warten müsse.


    DRK-Kreisvorsitzender Engeser vermutet, dass das Deutsche Institut für Katastrophenmedizin in Stuttgart und Tübingen mit seiner entsprechenden Anfrage an das Innenministerium seine Dienste auch auf Rottweil ausweiten möchte. Die private Einrichtung unterstützt Krankenhäuser bei der Besetzung von Notarztdiensten mit Honorar-Notärzten.


    Quelle: http://www.suedkurier.de/regio…-Kritik;art416015,8111315

  • Das ist sowas von lächerlich. Immer diese kack Hilfsfristargumente! Ich kenne es als Disponent aus dem Ortenaukreis und das Zuhause abholen verzögert alles. Klar gibt es NÄ die direkt an der Wache wohnen aber das ist selten so! Super, RW hat 94% dann gibts ja keinen Grund vll. 96-98% zu erreichen. Schiss haben die, dass die Ärzte abspringen und nix anderes.

  • Man kann das sicherlich nicht allerorten über einen Kamm scheren. In meiner Heimatstadt ist der Notarztdienst traditionell so gewachsen, dass die Notärzte, wenn sie in einem bestimmten Umkreis um die Wache wohnen (ca. 2 km), im Dienst von zu Hause abgeholt wurden. Grund dafür war, dass zu Anfang des Notarztwesen in Borken nur die beiden Chefärzte der chirurgischen Abteilung, die das Notarztystem aufgebaut hatten, "nebenbei" in ihrer Freizeit diesen Dienst versehen haben und am nächsten Tag weitergearbeitet haben. Ich selber war bis 2010 Notarztstandortleiter und habe dieses Konstrukt auch ohne Probleme weitergeführt. Dabei bin ich selber von zu Hause gefahren (ca. 1 km von der Wache entfernt). Subjektiv hatte ich nie den Eindruck, dass ich signifikant später als der RTW eingetroffen bin als in Einsatzgebieten, in denen ich heute von der Notarztwache aus fahre oder wenn ich tagsüber vom Krankenhaus gefahren bin.


    Fakt ist und das gilt dagegen für überall: es steigert die Bereitschaft, am Notarztdienst teilzunehmen. Und in einer Zeit, in der es immer schwieriger wird, Notärzte zu gewinnen und wir an diesem System, sollten wir solche Softskills nutzen. Es hat zu deutlich weniger Problemen in der Dienstplangestaltung geführt und wenn ein Notarzt mal unerwartet ausgefallen ist, war die Bereitschaft deutlich größer, "mal eben" von zu Hause aus einzuspringen.

  • Und wie ist das mit TRBA 250, IfSG, Arbeitsschutz usw. zu sehen?
    Das scheint irgendwie plötzlich alles egal...



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    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Ich finde die Begründung auch irgendwie ein bisschen urig, dass dadurch ja der Job attraktiver wird, sorry. Das würde er für mich bestimmt auch. Wieso nicht auch den RTW mit nach Hause nehmen und ich sammele noch schnell den Kollegen ein? Und beim Heli könnte der Pilot den Landeplatz im Garten nicht nur steuerrechtlich geltend machen, sondern wir könnten den "Zu-Hause-Bleib-Radius" ja auch noch was vergrößern.
    Entweder man hat Dienst dann ist man auf der Wache, oder man hat keinen Dienst dann darf man sein wo man will. Attraktiver werden solche Dienste nicht durch einen Zu-Hause-bleib-Bonus, sondern durch gerechte Bezahlung. Nur irgendwie will da keiner ran...

  • Du brauchst Dich dafür nicht entschuldigen. Finanziell stimmt das meistens auch. Aber irgendwann ändern sich die Wertigkeiten.

  • Bei einer angemessenen Bezahlung (was auch immer das dann sein mag) würden ganz sicher noch mehr Ärzte ihren KH-Job zugunsten der Notfallmedizin reduzieren oder gar kündigen.


    Es ist ein doch ein reiner Verdränungswettbewerb. Wer am Ende die schlechtesten Bedigungen bietet schaut in die Röhre.

  • Ich arbeite im Rettungsdienst Rottweil. Dass Notärzte bei uns abgeholt werden ist keine Ausnahme, sondern am Wochenende und werktags nach 16:00 Uhr die Praxis.


    Beim Abholen der Ärzte müssen bis zu 3 km gefahren werden. In einem anderen Fall muss das NEF regelhaft durch eine Spielstraße. Wie man meinem Geschreibsel zwischen den Zeilen entnehmen kann, halte ich diesen Zustand für absoluten Unfug. Das Komfort-Argument kann ich verstehen, wiegt man es aber gegen die Behandlungsverzögerung und einer damit verbundenen möglichen Schädigung des Patienten auf, sollte die Entscheidung leicht fallen.


    Das Nicht-ärztliche Personal ist sich in dieser Frage geschlossen einig.
    Und leider entsteht hier der Eindruck, dass das Landratsamt seiner Aufsichtspflicht nicht in dem Maß nachkommt, wie es zu wünschen wäre.


    Interessant ist auch, dass tatsächlich einige Notärzte des Rottweiler Standorts damit drohen im Falle einer zukünftigen 'Stationierung auf der Wache' ihre Tätigkeit als Notarzt einstellen zu wollen. Allerdings auch auf anderen Wachen als Notarzt fahren und dort selbstverständlich auf der Wache ihren Dienst versehen.


    Dass der Präsident dem Tübinger Institut für Katastrophenmedizin den "Schwarzen Peter" zuschiebt finde übrigens schade. Das Institut stellt tagsüber an Werktagen den Notarzt an einem der drei Notarztstandorte und in unregelmäßigen Abständen auf einem weiteren Standort. Das Institut ist sehr beliebt, da überwiegend fitte, motivierte Anästhesisten im Einsatz sind. Die gerade wegen ihrer Beliebtheit bei ein paar der etablierten Ärzte Futterneid entstehen lassen.

  • Also ich kann über die Tübinger Kollegen, die am Standort Schramberg den Dienst versehen, auch nur positives berichten. Vom Dialekt mal abgesehen....... :pfeif: :biggrin_1:Hatte vom Nachbar KV aus des öfteren mal gemeinsame Einsätze.


    Ich kenne noch einen anderen Bereich, in dem bis 2013 auch noch zu Hause abgeholt wurde. Z.T. waren das bis zu 10 Minuten Anfahrt bis zur NA-Wohnung. Der gesunde Menschenverstand und der Druck wegen den Hilfsfristen hatten gesiegt. 3 NAs haben tatsächlich den Dienst quittiert. Das hat sich aber in kürzester Zeit bestens neu eingespielt und so erinnert man sich nur naoch am Stammtisch an die alten Zeiten.

  • In Berlin möchte die FW sogar die NEFs von den KH weg haben, weil die Ausrückezeit der Wachen-NEFs deutlich besser ist, als die der KH-NEFs.



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  • Das dürfte nicht nur in Berlin der Fall sein. Kann ich so bestätigen. Ist ja auch logscg, dass ich schneller bin, wenn ich neben dem NEF sitze, als wenn ich noch gerade ne Rectoskopie fertig mache.....

  • Bei uns ist das Problem einfach, dass sich das Landratsamt aus praktisch allen rettungsdienstlichen Angelegenheiten raushält. Stattdessen überlässt man dem "Quasi-Monopolisten DRK" das Feld, ohne irgendwas zu regulieren.

  • Ich arbeite im Rettungsdienst Rottweil. Dass Notärzte bei uns abgeholt werden ist keine Ausnahme, sondern am Wochenende und werktags nach 16:00 Uhr die Praxis.


    Beim Abholen der Ärzte müssen bis zu 3 km gefahren werden. In einem anderen Fall muss das NEF regelhaft durch eine Spielstraße. Wie man meinem Geschreibsel zwischen den Zeilen entnehmen kann, halte ich diesen Zustand für absoluten Unfug. Das Komfort-Argument kann ich verstehen, wiegt man es aber gegen die Behandlungsverzögerung und einer damit verbundenen möglichen Schädigung des Patienten auf, sollte die Entscheidung leicht fallen.
    ....



    Wenn 2-3 Minuten Verzögerung, während denen das Rettungsfachpersonal "alleine" agieren muss, zu einer Patientenschädigung führt, würde ich mir ganz andere Sorgen machen.....


    Klar ist das Abholen ein gewisser Zeitverlust und es ist auch abstraktes Risiko wenn das NEF einen Umweg fährt, aber wenn dafür überhaupt ein NA kommt (wo sonst der Dienst evtl unbesetzt oder unwirtschaftlich besetzt werden müsste) finde ich diesen Kompromiss akzeptabel.


    Diese Diskussion wurde doch nur angeregt weil ein privater Dienstleister seine Ärzte verkaufen will. Also eher politisch als medizinisch oder einsatztaktisch motiviert.

  • Das Argument ist mir bekannt. Ich sehe das allerdings aus mehreren Gründen anders:
    Grundsätzlich haben wir in Deutschland im Rettungsdienst ein Notarzt-zentriertes System. Mit dem Anspruch jedem lebensbedrohlich kranken oder verletzten Menschen schnellstmöglich einen Arzt zur Hilfe zu schicken.
    (So sagt es übrigens auch das Baden-Württembergische Rettungsdienstgesetz: "Jede Verzögerung ist zu vermeiden")
    Dass der Trend sich in letzter Zeit mehr in Richtung eines Mischsystems (ähnlich der Schweiz) bewegt steht auf einem anderen Blatt.


    Außerdem finde ich es interessant wie sich gerade oftmals Ärzte, die sonst gegen erweiterte Versorgungsmaßnahmen wie bspw. Analgesiekonzepte sind, in Situationen wie dieser dann argumentieren man hätte gut geschultes nicht-ärztliches Personal, das die Zeit bis zum Eintreffen des Arztes problemlos überbrücken könne.


    Natürlich sind wir uns einig, dass nur ein kleiner Anteil unserer Einsätze wirklich lebensbedrohlich für den Patienten sind, aber in diesen Fällen möchte ich nicht der Patient sein, der vier Minuten länger auf den Notarzt wartet weil dieser im Feierabendverkehr die Rottweiler Heerstraße (3km) einmal hoch und wieder runter gefahren werden muss, um zum Patienten in der anderen Richtung zu kommen.


    Ich denke ein Rettungsdienst mit arztbesetzten Rettungsmitteln ist einem Paramedicsystem überlegen, aber nur solange gut ausgebilde Ärzte so schnell wie möglich zum kranken Patienten gelangen.

  • Bei uns ist das Problem einfach, dass sich das Landratsamt aus praktisch allen rettungsdienstlichen Angelegenheiten raushält. Stattdessen überlässt man dem "Quasi-Monopolisten DRK" das Feld, ohne irgendwas zu regulieren.


    Das hat aber auch damit zu tuen,dass das Landratsamt kaum die Möglichkeit hat in BaWü einzugreifen.

  • Moin!
    Ich bin da ganz bei @Ani-zumindest hier im Kreis. Die meisten NA wohnen im Ort der RW, können so praktisch innerhalb von wenigen Minuten abgeholt werden. Bei der grösse des Einsatzgebietes interessieren niemand die paar Minuten... Als eine Diskussion über eine nächtliche Abschaffung des Standortes im Gange war, wären sofort mind. 6 NA weggefallen. Weil das die sind, die nach ihren KH oder Praxiszeiten das NEF besetzt haben.
    Bei ca. 4 Einsätzen in 12/h ist keiner von denen bereit,die knappe Freizeit auf der RW -auch noch weg von der Familie zu verbringen.
    Börsennotärzte lassen sich bei der geringen Einsatzfrequenz und Bezahlung auch nicht finden-also ist doch klar das es von Seiten des Trägers "geduldet"wird. Der Träger hat momentan mehr Probleme die Arbeitszeit der NA zu begrenzen...
    Großstadt: Hier darf man offizielll nicht mal die zwei Kilometer zum Diensttausch ohne NA fahren, also entsteht so jeden Tag ne halbe Überstunde für uns..
    Aber interessiert ja eh keinen... ;-)
    Grüße

    Wenn man tot ist, ist das für einen selbst nicht schlimm, weil man ja tot ist. Schlimm ist es aber für die anderen...
    Genau so ist es übrigens wenn man doof ist...