Mangelnde Rechtssicherheit bei BtM-Gabe - Selbstanzeige

  • Ich habe es bewusst überspitzt dargestellt um auf die Unterschiede hinzuweisen da ich selbst bei einem - wenn auch unwahrscheinlichem - positiven Ausgang für das gesamtdeutsche RFP keine Möglichkeit sehe ein solches Handeln auf unsere tägliche Arbeit zu übertragen. Und dieser Fakt scheint "in der Szene" noch nicht hinreichend klar zu sein.

    Alle sagten: "Das geht nicht!". Dann kam einer, der wusste das nicht und hat es einfach gemacht.

  • Ich habe es bewusst überspitzt dargestellt um auf die Unterschiede hinzuweisen da ich selbst bei einem - wenn auch unwahrscheinlichem - positiven Ausgang für das gesamtdeutsche RFP keine Möglichkeit sehe ein solches Handeln auf unsere tägliche Arbeit zu übertragen. Und dieser Fakt scheint "in der Szene" noch nicht hinreichend klar zu sein.


    Und man will ihn da auch zumeist gar nicht hören - so meine Erfahrung und auch die von Kollegen, die bei entsprechenden Tagungen / Sitzungen eingeladen waren.

  • Spaß beiseite: Die große Frage ist ob dieser Fall, sofern er höchstrichterlich entschieden wird, auch eine Grundsatzentscheidung für eine Anwendung von BTM durch Nicht-Ärzte zur Analgesie darstellt(Und das dürfte ja in der Mehrzahl der Fälle die Indikation sein). Denn bei der hier durchgeführten Verabreichung sehe ich schon eher einen rechtfertigenden Notstand(Ohne Morphingabe droht die Erschöpfung der Atemmuskulatur und damit ein Atemstillstand) als bei einem kaputten Schienbein.


    Bevor wir hier Mythen befeuern: Das kann man so nicht sagen.
    Wichtig bei Patienten mit Atemnot: Die Ursache!
    Ist es eine Bronchospastik, ein Lungenödem etc.?


    Mit der Sauerstoffgabe erhöhe ich den paO2 im Blut praktisch immer. Das CO2 kann ich dadurch natürlich nicht abatmen oder reduzieren.
    Nun stellen wir uns eine massive Bronchospastik mit beginnender Hyperkapnie vor. Was droht ist die "CO2-Narkose".
    Die bekämpfst du sicherlich nicht suffizient mit Morphin, eher im Gegenteil, die kannst du so verschlimmern. (Stichwort: terminale Sedierung in der Palliativmedizin...)
    NIV ist halt hier neben der kausalen medikamentösen Therapie einfach die beste Lösung. :-) Gabs aber leider im genannten Fall nicht. :-(


    Meiner Meinung nach hast du in der oben genannten Situation zwei lebensrettende Basismaßnahmen: O2-Gabe und je nach Situation Ursachenbekämpfung (Lasix bzw. Medikamente die bronchodilatatorisch wirken). Morphin ist eher eine adjuvante Therapie.
    Nicht falsch verstehen: Ich verwende auch öfters bei Atemnot Morphin, aber nicht mit dem lebensrettenden Hintergedanken, sondern als "Komfortmedikament" um dem Patienten Angst und subjektive Atemnot zu nehmen.

  • Meiner Meinung nach hast du in der oben genannten Situation zwei lebensrettende Basismaßnahmen: O2-Gabe und je nach Situation Ursachenbekämpfung (Lasix bzw. Medikamente die bronchodilatatorisch wirken). Morphin ist eher eine adjunvante Therapie.
    Nicht falsch verstehen: Ich verwende auch öfters bei Atemnot Morphin, aber nicht mit dem lebensrettenden Hintergedanken, sondern als "Komfortmedikament" um dem Patienten Angst und subjektive Atemnot zu nehmen.


    Um das hier anzuhängen: nach meiner eher strengen Auffassung - man kann das sicherlich auch anders sehen - erfordert die Rechtfertigung einer rechtswidrigen Btm-Gabe unter Notstandsgesichtspunkten (§ 34 StGB), dass die Btm-Gabe unerlässlich ist und auch nicht durch die Verabreichung nicht dem BtMG unterstehender Substanzen ersetzt werden kann. Das bedeutet dann im Umkehrschluss, dass nur solche Btm-Gaben durch § 34 BtMG abgedeckt sind, bei denen der Verzicht auf das Btm behandlungsfehlerhaft wäre und sich daher für einen Arzt als Kunstfehler darstellen würde. Oder andersherum: wenn sich die ärztliche Entscheidung, auf ein - freilich vorhandenes - Btm zu verzichten, als therapeutisch vertretbar darstellt, kommt eine Gabe außerhalb einer ordnungsgemäßen ärztlichen Behandlung (die eine Untersuchung des Patienten durch den Arzt und eine entsprechende Indikationsstellung erfordert), gerechtfertigt durch § 34 StGB, nicht in Betracht.


    Das würde die eigenständige Btm-Gabe durch Rettungsfachpersonal weitgehend ausschließen - was der sehr restriktiven Linie des Gesetzgebers und der Rechtsprechung für den Umgang mit Btm entspräche.


    Zielführend wäre es, wenn auf entsprechende Leitlinien zurückgegriffen werden könnte, die in der jeweiligen Indikation eine Verabreichung von Btm für den Arzt als unerlässlich darstellen.

  • fakl: Das das keine absolut lebensrettende Maßnahme ist, wollte ich nicht sagen, mir ging es nur darum festzuhalten, dass die Anwendung bei einer Atemnot im Vergleich zur Analgesie bei einem isolierten Extremitätentrauma eher als rechtfertigender Notstand angesehen werden kann.


    Das man mit sedierenden/atemsepressiven Substanzen vorsichtig sein sollte ist klar, aber bei einer massiven Globalinsuffizienz wird der pCO2 auch durch forcierte Atmung nicht sinken, wohingegen die Erschöpfung droht. Mit dem Morphin(vorsichtig dosiert) schafft man sich eine kleine Galgenfrist, so wollte ich das ausdrücken;)

  • Das man mit sedierenden/atemsepressiven Substanzen vorsichtig sein sollte ist klar, aber bei einer massiven Globalinsuffizienz wird der pCO2 auch durch forcierte Atmung nicht sinken, wohingegen die Erschöpfung droht. Mit dem Morphin(vorsichtig dosiert) schafft man sich eine kleine Galgenfrist, so wollte ich das ausdrücken


    Nichts vermischen! :-)


    Warum atmet der Patient nach Morphingabe weniger?


    Der durch das CO2 induzierte Atemantrieb wird reduziert, d.h. er toleriert ein höheres CO2. Im Umkehrschluss führt es zu einem weiteren Anstieg des Partialdruckes von CO2 im Blut.


    Was passiert bei einer verminderten Atemarbeit (d.h. Erschöpfung)?


    Das Ateminutenvolumen sinkt, hierdurch steigt auch der Partialdruck von CO2 im Blut.


    Die Oxygenierung ist in beiden Fällen primär durch die FiO2 bestimmt, d.h. Sauerstoffgabe.


    Stoppen bzw. stabilisieren bzw. verbessern kannst du die Situation mit einer NIV-Therapie. Den Teufelskreis kannst du endgültig aber nur Durchbrechen in dem du die Lunge "reparierst", d.h. z.B. das Lungenödem oder den Bronchospasmus therapierst.

  • Wie gesagt, ich verstehe das Mo nicht als Therapie, sondern als verschaffen einer Galgenfrist, zumal da eine geeignete Therapie(NIV) nicht zur Verfügung stand.

  • Ich lese im übrigen aus dem Artikel weder heraus dass noch dass keine anderen Medikamente gegeben wurden.

  • Wie gesagt, ich verstehe das Mo nicht als Therapie, sondern als verschaffen einer Galgenfrist, zumal da eine geeignete Therapie(NIV) nicht zur Verfügung stand.


    Und ich wollte dir mit meinen Ausführungen zeigen, dass es ein Irrglaube ist.
    Es macht (lediglich) die Situation für den Patienten erträglicher und angenehmer.

  • Vernünftigerweise stellt man so etwas direkt bei der Staatsanwaltschaft nach § 153 StPO ein und weist auf die Folgen bei erneutem Verstoß hin.


    Es steht allerdings zu befürchten, dass bei einer solchen Einstellung oder einer Nicht-Verurteilung aufgrund § 34 StGB manche das wie ein Grundsatzurteil auslegen und darin quasi eine Legitimation für die BTM-Gabe der RA/NFS sehen. Danach würde sich ein Teil der Retter-Szene in vermeintlicher Sicherheit wiegen und es könnte dann zu einem bösen Erwachen kommen.


    Eddy

  • Ich kann es nicht einschätzen, würde aber vermuten das sich eine Staatsanwaltschaft Ihr handeln nicht durch solch ein Argument ändern wird.

  • Für die Helden vielleicht eine Lösung. Aber leider sind ja solche Helden nicht nur ganz unten in der Hierarchie.


    Wenn es dann einen vielleicht gutgläubigen AN trifft, weil er das in Schule und auf der Wache als rechtssicher vermittelt bekam, ist das halt schon bitter.

  • gutgläubigen AN trifft, weil er das in Schule und auf der Wache als rechtssicher vermittelt bekam, ist das halt schon bitter.


    Wer in der Schule aufgepasst hat und nicht auf den Kopf gefallen ist, der weiß, dass er kein Morphin geben darf ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.


  • Wer in der Schule aufgepasst hat und nicht auf den Kopf gefallen ist, der weiß, dass er kein Morphin geben darf ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.


    Naja, bei solchen Konzepten, wie sie beispielsweise von der RKiSH beworben und praktiziert werfen, bezweifle ich das.

  • Für Rettungsassistenten / Notfallsanitäter der Bundeswehr (immerhin ca. 2000 an ihrer Zahl) stellt sich dieses Problem im Einsatz (Vgl. Paragraph 26 BtMG) übrigens nicht. Schade das im zivilen Bereich so ein Drama veranstaltet werden muss.

    Alle getätigten Aussagen stellen meine private Meinung dar und stehen in keinem Zusammenhang mit meiner beruflichen Tätigkeit.

  • Sicher?




    Juristen vor!
    :-)

  • Für Rettungsassistenten / Notfallsanitäter der Bundeswehr (immerhin ca. 2000 an ihrer Zahl) stellt sich dieses Problem im Einsatz (Vgl. Paragraph 26 BtMG) übrigens nicht. Schade das im zivilen Bereich so ein Drama veranstaltet werden muss.


    Bei uns hat aber jeder Soldat (im Einsatz) 1-2 Morphinautoinjektoren in der Beintasche, die auch vom Kameraden neben mir verabreicht werden dürfen. Das ist aber wohl hauptsächlich dem Umstand geschuldet, dass in der nächste Arzt länger als 12 Minuten braucht bzw. die Situation (Gefecht) es gar nicht zulässt einen Arzt zeitnah zuzuführen.