Was tut sich berufspolitisch im Bereich Ausbildung?

  • Ich starte mal einen neuen Thread, da wir uns in den aktuellen Threads oft meilenweit vom Ursprungsthema
    entfernt haben.....


    In den letzten Threads drehte sich das Thema oft um eine Verbesserung des bestehenden Berufsbilds
    Rettungsassistent. Regelkompetenz, Bezahlung, Rechtssicherheit, erweiterte invasive Massnahmen etc.


    Ich finde, im Moment wird das Pferd wieder arg von hinten aufgezäumt, soll heissen, dass es ärztlicherseits
    imho so viele Vorbehalte gegen erweiterte Massnahmen und eigenständigeres Arbeiten gibt, weil die Grundlage
    eines hochqualifizierten Berufes fehlt: eine den Anforderungen entsprechende Ausbildung.


    Wie sieht es denn momentan mit einer Novellierung der Ausbildung aus? Ich bin da berufspolitisch nicht
    wirklich im Bilde. Passiert was, passiert nix??


    Mit einer reformierten Ausbildung würden sich, meiner Meinung nach, die geforderten "Verbesserungen" der
    aktuellen täglichen Arbeit viel eher einführen lassen.....


    Bin gespannt,
    der Felix

  • Es tut sich NICHTS:


    Zitat


    Nach Eröffnung der Sitzung durch den Vorsitzenden Prof. Dr. Altemeyer, referierte PD Dr. Blumenberg über den aktuellen Stand der Novellierung des Rettungsassistentengesetzes. Als Ergebnis muss zusammengefasst werden, dass es bislang keinen Fortschritt von Seiten des Bundesministeriums für Gesundheit gibt, zumindest einen Rohentwurf zu den Punkten Ausbildungsziel und Ausbildungsinhalte zu verfassen. Hierfür sah der bisherige Zeitplan den Abschluss für Ende Oktober vor.


    PD Dr. Blumenberg wird diesbezüglich noch Recherchen beim BMG anstellen.


    http://www.dbrd.de/content/cms…nt.php?idcat=73&idart=283

  • Als unbeteiligter Beobachter teile ich Deinen Eindruck, Felix. Auch wenn die von Dir aufgegriffenen Fragestellungen zweifellos wichtig sind und auch, wenn ein verändertes Ausbildungswesen nicht notwendig zu Veränderungen bei diesen Fragen führt, glaube ich: In jeder Diskussion - egal über welche Frage - wird man über kurz oder lang an den Punkt kommen, wo die vergleichsweise geringe Qualifikation des Standard-Rettungsassistenten zum Problem wird.


    Deswegen frage ich mich zum Beispiel seit längerem, ob es wirklich zielführend ist, durch entsprechende Stellungnahmen immer wieder den Eindruck zu stützen, die Probleme könnten innerhalb des vorhandenen rechtlichen Rahmens beherrscht werden (ganz deutlich bei der Diskussion um Kompetenzen). Man setzt sich dann in einen gewissen Widerspruch zu den eigenen berufspolitischen Forderungen.

  • :D
    Ich habe Schwierigkeiten mit deinem Juristendeutsch....
    Ich habe deine Sätze jetzt bestimmt 10 Mal gelesen und bin mir immer noch unsicher,
    ob ich sie verstanden habe und ob meine Interpretation deiner Sätze mit deiner übereinkommt.


    Ich denke noch ein bisschen nach und vielleicht schreibt ja noch jemand seine Meinung dazu....


    *schweissvonderstirnwisch*

  • Im gleichen Rahmen muss auch diskutiert werden (und auch das ist in anderen Diskussionen angeklungen), wer eine reformierte Ausbildung durchführen soll.


    Nicht nur eine Höherqualifizierung des Rettungsdienstpersonals scheint notwendig zu sein, sondern auch eine entsprechende Anpassung der Qualifikation der Lehrenden im Rettungsdienst.
    An den meisten Rettungsschulen ist der Status Quo doch wohl, dass (von bestimmten, teilw. ärztlichen, Fachreferenten abgesehen) die Ausbildung der angehenden Rettungsassitenten durch andere Rettungsassistenten durchgeführt wird. Die pädagogische, methodische und didaktische Qualifikation dieses "Lehrpersonals" beschränkt sich in der Regel auf ein paar Wochen interner Lehrgänge zum "Lehrrettungsassitenten", "Dozenten im RD" o.ä.
    Viele dieser "Ausbilder" sind zwar sicherlich fachlich fitte Autodidakten, eine einheitliche, geregelte Qualifikation für das Lehrpersonal an rettungsdienstlichen Berufsschulen ist meiner Meinung nach dennoch überfällig, spätestens bei einer Reform der Ausbildung aber zweifellos obligat.


    Auch diesen Aspekt sollte man meines Erachtens mit in die Gesamtdiskussion einfließen lassen.


    Jörg

  • Nach der Sachantwort jetzt die subjektive Antwort:



    Hi Felix,
    für meinen Teil bin ich mit der derzeitigen Situation nicht sonderlich unzufrieden. In erster Linie stört mich vor allem, dass es keinerlei Zugangsbeschränkungen zur Ausbildung gibt, also jeder [Kraftausdruck durch die Forumszensur verhindert] die Ausbildung beginnen kann und sie dann auch irgendwann beenden wird. Oder ganz konkret: wenn ein Absolvent des praktischen Jahres bei uns anfängt und in 4 Wochen Tätigkeit als Dritter (!) lediglich beweist, dass sowohl medizinische Kenntnisse als auch rein praktische Tätigkeiten wie z.B. das Schieben der Trage um eine Ecke ohne gegen ebendiese zu prallen nicht von ihm zu erwarten sind, dann frage ich mich, welche Schule und welche besch.... Lehrrettungswache so jemanden durchkommen läßt. Oder anderes Beispiel: einem Schnupperpraktikanten wird schwarz auf weiß attestiert, für den Beruf völlig ungeeignet zu sein. Kommentar des Schulleiters: der hat bezahlt, wir können ihm doch jetzt nicht die ganze Zukunft verbauen. Es hakt offensichtlich an allen Enden der Ausbildung, da sitzen Leute auf Schlüsselpositionen, die völlig fehl am Platze sind, da werden Lehrrettungsassistenten beschäftigt, denen die Funktion der Niere so fremd ist, dass sie auf eine rein informative Frage nicht antworten können. Ist ja auch kein Wunder, wenn die RS-Ausbildung alles ist, was sie jemals durchlaufen haben. Es ist unglaublich, wie schlecht an einigen Standorten die Betreuung von Auszubildenden organisiert ist, und die betriebsinternen Fortbildungen sind meist sowieso unter aller Kanone. Zusammenfassend: es wurde und wird alles unternommen, eine qualitativ hochwertige Aus- und Fortbildung zu unterlaufen. Und hinterher schreit alle Welt auf, dass bei solch bescheiden ausgebildetem Personal doch kein eigenverantwortliches Arbeiten bewilligt werden könnte.
    Soviel zum RettAssG. Da gehört einiges geändert und vieles verschärft. Vor allem gehören die ausbildenden Schulen und Betriebe unter deutlich schärfere Beobachtung der Aufsichtsbehörden.


    Das andere ist ist die Berufspraxis, und hier sehe ich (nicht übereinstimmend mit den Verlautbarungen des DBRD) eigentlich wenig Veränderungsbedarf. Denn Rechtssicherheit, invasive Maßnahmen etc. sind nicht das große Problem. Eigentlich ist das alles anständig geregelt bzw. zumindest nicht derart strafbewehrt, wie viele meinen. Das eigentliche Problem liegt hier an anderer Stelle, nämlich an dem massiven Druck aus Reihen der Ärzteschaft. Unter dem Eindruck der Stellungnahmen von BÄK, DIVI, BAND usw. wird hier eine Gutachterfunktion konstruiert und von einigen Juristen auch noch gestützt, die in den bisherigen Gerichtsverfahren nie zur Anwendung kam. Anders als in der Realität beschränkt sich die Frage in den konstruierten Bedrohungen nämlich nicht auf die Frage, ob der Rettungsassistent so verhalten habe, wie es ein Arzt in der gleichen Situation ebenfalls getan hätte. Nein, es wird unterstellt, dass es einer wie auch immer gearteten, aber keinesfalls nachweisbaren "Erfahrung" in der Anwendung bedürfe, um sich straffrei zu halten. Wie heißt es im Urteil aus Elmshorn (wo übrigens [mal wieder, müsste man schon fast sagen] ein eingeschnappter Arzt Anlaß des Rechtsstreits war): mit Entschlossenheit und Vorsicht, aber auch mit dem gebotenen Mut und nicht mit dem eines Verwaltungsbeamten habe der Rettungsdienstler an seine verantwortungsvolle Tätigkeit heranzugehen. DAS ist juristische Realität, alles andere sind Rauchbomben; aber die Nebelkerzen dominieren noch immer die Ausbildung des Rettungsdienstpersonals. Es gibt keine riesigen Probleme in der Praxis der Berufsausübung, meist sind es zwischenmenschliche Probleme zwischen Arzt und Rettungsdienstler, die dann auf solche "Kompetenzrangeleien" verschoben werden um sich nicht mit dem eigentlichen Problem befassen zu müssen, dass man sich nicht sonderlich grün ist. Richtig problematisch wird es dann, wenn der Geschäftsführer (oder wie auch immer der Chef des jeweiligen Rettungsdienstanbieters seine Position nennen mag) sich mehr dem in "seiner Liga" spielenden Arzt verpflichtet fühlt als seinen Angestellten, denen er eigentlich den Rücken stärken müsste. Dass es auch anders geht, zeigt ja beispielsweise der RKiSH, der durch einen seiner leitenden Angestellten in einem Leserbrief deutlich Position bezog. Dass dies nicht nur leere Worte sind, zeigt sich schon an der Tatsache, dass einer der beiden Rettungssanitäter aus dem Arbeitsprozess in Elmshorn dort ebenfalls Unterschlupf gefunden hat. Es geht also! Ein Unternehmen, das seine Angestellten regelmäßig ohne Arzt rausschickt, setzt seine Angestellten nunmal der Situation aus, das ein oder andere Mal ohne Arzt vor Ort zu sein. Dies gegen die Mitarbeiter auszulegen und es ihnen zum Vorwurf zu machen, halte ich für eine mehr als fragliche Firmenpolitik, welche offensichtlich vor allem im südlichen Deutschland sehr offensiv gelebt wird. Dann müsste man aber auch konsequent sein, und in hübscher Zusammenarbeit mit der BÄK auf jeden RTW einen Arzt als medizinischen Ansprechpartner zu setzen, der halt (für relativ wenig Geld) stets mit "als erster" vor Ort ist. Alles andere ist inkonsequent und argumentativ ziemlich dünn. Oder anders: ein Gesetzgeber, welcher aus Kostengründen den Notarzteinsatz auf wenige Fälle beschränkt und den großen Teil an Rettungsdiensteinsätzen von Fachpersonal durchführen läßt, welches nach landläufiger Meinung keine Diagnosen stellen darf, setzt den Patienten stets dem Risiko aus, einer Fehlbeurteilung durch das eingesetzte Personal zu unterliegen. Dies im gleichen Zug unter das Damoklesschwert der sofortigen und scharfen Strafverfolgung zu stellen, wäre inkonsequent und widersprüchlich. In diesem Sinne sehe ich relativ wenig Risiko für meine Person als Rettungsassistent, auch wenn selbstverständlich klare Rahmenbedingungen auch die letzten Zweifel ausräumen würden. Diese fehlen aber bislang mangels verfolgter und veröffentlichter Fälle von Patientenschädigung durch Rettungsassistenten, hier kamen bislang nur Gewaltdelikte zur Verhandlung.


    Ist etwas länger geworden. Gruß nach Hannover, leider steht unser erstes gemeinsames Bier ja noch immer aus.


    Nils


  • Deswegen frage ich mich zum Beispiel seit längerem, ob es wirklich zielführend ist, durch entsprechende Stellungnahmen immer wieder den Eindruck zu stützen, die Probleme könnten innerhalb des vorhandenen rechtlichen Rahmens beherrscht werden (ganz deutlich bei der Diskussion um Kompetenzen). Man setzt sich dann in einen gewissen Widerspruch zu den eigenen berufspolitischen Forderungen.


    Die Auffassung, dass der derzeitige rechtliche Rahmen ausreichend ist für ein eigenverantwortliches Tätigwerden am Patienten, steht sicher im Widerspruch zu gewissen Forderungen nach einer Regelkompetenz etc.
    Hier ist sicher die Polemik (derer es im Kampf der Interessengruppen ja offensichtlich bedarf, denn Polemik unterstelle ich den Vertretungen der Ärzteschaft lieber als eine ersatzweise zu unterstellende Inkompetenz), allerdings wäre eine Regelkompetenz ja auch weiterführend als das bisherige Tätigkwerden bis zur Übernahme durch den Notarzt bzw. hilfsweise mangels NA durch den aufnehmenden Klinikarzt: sie wäre eine Festschreibung der Grenzen, welche es derzeit in dieser Form nicht gibt. Analog zur Berufsordnung für Hebammen könnte ich mir sehr gut vorstellen, gewisse Rahmenbedingungen vom Gesetzgeber fixieren zu lassen. Womit ich mir schwer tue ist die derzeitige Praxis, es irgendwelchen ÄLRD zukommen zu lassen, diese Regeln festzulegen. Dafür fehlt mir irgendwie der verfassungskonforme Indienststellung dieser Position. Und wieso sollte ein Patient in 2 aneinander grenzenden Kreisen unterschiedlich "kompetenten" Rettungsdienstlern begegnen, wenn diese sich in der Praxis ständig auf das Gebiet des jeweils anderen ÄLRD begeben? Lokalfürstentum ist bei diesem Thema wenig weiterführend, es schreib ja auch nicht jedes Gesundheitsamt für seinen Kreis die eigene Hebammenordnung.

  • :D
    Ich habe Schwierigkeiten mit deinem Juristendeutsch....
    Ich habe deine Sätze jetzt bestimmt 10 Mal gelesen und bin mir immer noch unsicher,
    ob ich sie verstanden habe und ob meine Interpretation deiner Sätze mit deiner übereinkommt.

    Ich weiß das auch nicht, weil ich nicht weiß, was Du verstanden hast...

  • Womit ich mir schwer tue ist die derzeitige Praxis, es irgendwelchen ÄLRD zukommen zu lassen, diese Regeln festzulegen ... Und wieso sollte ein Patient in 2 aneinander grenzenden Kreisen unterschiedlich "kompetenten" Rettungsdienstlern begegnen, wenn diese sich in der Praxis ständig auf das Gebiet des jeweils anderen ÄLRD begeben ... Lokalfürstentum ist bei diesem Thema wenig weiterführend ...


    Du beschreibst hier einen Meinung, die geprägt ist, von der typisch-nationalen Struktur. Alles muss "von oben nach unten" gehen. Die Folge ist eine vollkommene Unbeweglichkeit, wartet jeder doch auf ein O.K. von oben. Der Notarzt hört auf den ÄLRD, der ÄLRD auf die Landesärztekammer, diese auf die Bundesärztekammer, diese fordert Regelungen durch das Parlament und die Regierung. Die Notkompetenzstellungnahme und deren Umsetzung sind m.E. das beste Beispiel hierfür.
    Trotz das Deutschland ein Bundesstaat ist, geht die Kompetenzpyramide immer von oben nach unten. Als (politisch) extremstes System, was mir gerade einfällt, dürfte man den französischen Zentralismus zählen.


    Das ist in vielen Ländern anders. Dort bestimmt nur der ärztliche Leiter vor Ort. Er kann flexibel reagieren und sich an den Gegebenheiten seines Rettungsdienstbereich orientieren. Funktioniert.

  • Zu den Zielen bzw. Vorstellungen des DBRD verweise ich auf die Stellungnahmen bzw. Positionspapiere unter Stellungnahmen und Positionen des DBRD .


    Darin ist unter anderem auch zu lesen, dass der DBRD eine entsprechende Qualifizierung der Lehr- und Ausbildungskräfte an Schulen sowie an den Lehrrettungswachen fordert (berufspädagogische Weiterbildung). Der derzeitige Ist-Stand kann - wir Jörg schon richtig feststellte - nur als unzureichend bezeichnet werden. Um später qualifiziertes Personal zu bekommen, bedarf es zunächst entsprechend qualifizierter Ausbilder.


    Ich bin - entgegen Nils - sehr wohl der Meinung, dass es eines klar geregelten Kompetenzbereichs bedarf. Nur so lassen sich künftig Diskussionen über das Können und Dürfen sowie gerichtliche Auseinandersetzungen wie aktuell im Fall Mayen vermeiden und das Personal im Rettungsdienst wird nicht erneut durch fehlende oder - je nach Auslegung - möglicherweise strafbewehrte rechtliche Rahmenbedingungen verunsichert. Es kann nicht sein, dass die tägliche Arbeit am Patienten unter dem Deckmantel des rechtfertigenden Notstands, welcher für Ausnahmesituationen gedacht ist, ausgeführt wird. Ein klar beschriebender Kompetenzbereich schafft meines Erachtens für alle Klarheit und weitgehend Rechtssicherheit. Dieser Kompetenzbereich muss sich an allgemein anerkannten Erkenntnissen und dem jeweiligen Stand der notfallmedizinischen Wissenschaft orientieren und daran muss sich auch die Ausbildung des Rettungsfachpersonals orientieren.

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Hio Daniel,
    ich will dich ja ungerne auszählen, aber genau solche Positionen sind jene, die ich oben unter Polemik zusammenfasste:



    Es kann nicht sein, dass die tägliche Arbeit am Patienten unter dem Deckmantel des rechtfertigenden Notstands, welcher für Ausnahmesituationen gedacht ist, ausgeführt wird.


    Darf ich fragen, zwischen welchen beiden Rechtsgütern du dich bei der täglichen Arbeit am Patienten entscheiden musst? Das würd mich ernsthaft interessieren, denn ich bezweifle eine praxisrelevante Argumentationsmöglichkeit auf dieser Schiene. Beispiel: Unverletzlichkeit der Wohnung ist ein Rechtsgut, Recht auf ein freies, selbstbestimmtes Leben ebenfalls. Wenn ich bei einem brennenden Haus die Tür eintrete (Bruch des Rechtsguts Unverletzlichkeit der Wohnung), dann tu ich dies, um ein zweites zu retten, nämlich das Leben des Patienten. Das darf ich, dafür gibt es den 34StGB.


    Derartige Konstrukte auf die "normale" Arbeit des RD zu übertragen, scheint mir schwierig. Ich wäre um anschauliche Praxisbeispiele dankbar. Allerdings befürchte ich, dass es sich bei der o.g. Argumentation lediglich um Showeffekte handelt, die einer näheren Betrachtung nicht stand halten werden.

  • Ein banales Beispiel ist das regelhafte Legen einer Venenverweilkanüle bei einem Notfallpatienten. Ist dieser gegenwärtig kreislaufstabil, hat keine Schmerzen und ein medikamentöses Eingreifen ist aktuell nicht indiziert gibt es genau genommen für mich keinen Grund, präklinisch einen Zugang zu legen. Lege ich ihn dennoch, da ich es bei einem Notfallpatienten, den ich anschließend in eine Notaufnahme transportiere als Standardmaßnahme ansehe (aus Gründen der Vorsorge und da spätestens im KH diese Maßnahme zum Zwecke einer Blutentnahme durchgeführt wird), verletze ich dadurch das Recht des Patienten auf körperliche Unversehrtheit, obwohl dies nach Maßgabe des rechtfertigenden Notstands nicht erlaubt wäre.

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Ähm grundsätzlich ist hier die Frage nach einer Rechtfertigung zu stellen. Der rechtfertigende Notstand aus § 34 StGB ist hierbei nur eine Möglichkeit. Das von Daniel angeführte Beispiel wird jedoch in aller Regel über eine Einwilligung des Patienten gerechtfertigt, sofern dieser zuvor sachgerecht aufgeklärt wurde. Damit bedarf es nicht des rechtfertigenden Notstandes in unserer täglichen Arbeit, sondern vielmehr dem aufklärenden Gespräch mit dem Patienten.


    Wenn es nur eine Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über das selbe Thema malen. (Pablo Picasso)

  • Damit bedarf es nicht des rechtfertigenden Notstandes in unserer täglichen Arbeit, sondern vielmehr dem aufklärenden Gespräch mit dem Patienten.

    Womit wir aber gleich wieder bei der Frage wären, welche Maßnahmen in den (regelhaften) Kompetenzbereich eines RettAss fallen, und dazu gehört die Anlage eines PVK derzeit nach weit verbreiteter Auffassung eben nicht. Somit muss ich den Patienten aktuell darüber aufklären, dass ich kein Arzt bin und diese Maßnahme daher eigentlich nicht regelhaft, sondern lediglich im Rahmen der "Notkompetenz" durchführen dürfte. Völliger Unsinn, aber ich denke dadurch wird deutlich, wie wichtig ein beschriebener Kompetenzbereich, welcher sich an den aktuellen Anforderungen und Gegebenheiten orientiert, ist.

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Nachtrag Nils:


    Übrigens halte ich solche Aussagen nicht für Polemik, vielmehr spiegeln sie die aktuell vorherrschende Rechtsunsicherheit unter dem Rettungsfachpersonal wider.

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Es gibt also kein Beispiel zum 34STGB? Denn bislang habe ich nur etwas von Einwilligung des Patienten gehört, und das ist etwas weiter hinten im StGB verankert

  • Ein banales Beispiel ist das regelhafte Legen einer Venenverweilkanüle bei einem Notfallpatienten. Ist dieser gegenwärtig kreislaufstabil, hat keine Schmerzen und ein medikamentöses Eingreifen ist aktuell nicht indiziert gibt es genau genommen für mich keinen Grund, präklinisch einen Zugang zu legen. Lege ich ihn dennoch, da ich es bei einem Notfallpatienten, den ich anschließend in eine Notaufnahme transportiere als Standardmaßnahme ansehe (aus Gründen der Vorsorge und da spätestens im KH diese Maßnahme zum Zwecke einer Blutentnahme durchgeführt wird), verletze ich dadurch das Recht des Patienten auf körperliche Unversehrtheit, obwohl dies nach Maßgabe des rechtfertigenden Notstands nicht erlaubt wäre.

    Dieses Beispiel zeigt meines Erachtens, dass jedenfalls in einem erheblichen Teil der rettungsdienstlichen Arbeit keine Rechtsunsicherheit besteht, weil klar ist, dass - nach dem geltenden Recht - der Zugang nicht gelegt werden dürfte (übrigens auch nicht nach der Ansicht, die sich auf § 3 RettAssG stützt, würde ich meinen, aber darüber habe ich noch nie nachgedacht). Dass die Antwort nicht gefällt, hat mit dem Recht nichts zu tun.


    Es handelt sich vielmehr um ein rein berufspolitische Frage, nämlich die, ob Rettungsassistenten standardmäßig Venenzugänge legen sollen. Dafür sprechen sicher gute Gründe.


    Wie oepfae schon schrieb, verletzt Du das Recht des Patienten auf körperliche Unversehrtheit im Übrigen nicht, wenn Du ihn mit seiner Einwilligung piekst.


    Beste Grüße

  • Du musst dem Patienten erläutern über welches Rechtsgut er zu welchen Bedingungen disponiert. Wenn du die Anlage eines PVZ als indiziert ansiehst, wirst du das dem Patienten unter Darlegung der Gründe auch mitteilen. Hinzu kommt dass du kein Arzt bist und welche Risiken mit der Venenpunktion verbunden sind. Ich sehe das Problem weniger in der Frage der "Notkompetenz" denn in der Frage der argumentativ richtigen Indikationsstellung. Die Begründung "Machen wir halt, weil´s so gehört" kann nicht ausreichen.


    @ Nils:
    Das habe ich so nicht gesagt, bzw. mich unglücklich ausgedrückt. Natürlich gibt es auch Fälle in denen der § 34 STGB zum Tragen kommt. Aber in erster Linie würde ich solche Probleme über das Konstrukt der Einwilligung bzw. der mutmaßlichen Einwilligung lösen und erst dann zu einer möglichen Anwedung von § 34 StGB übergehen. Was meinst du, dass die Einwilligung weiterhinten kommt?


    Wenn es nur eine Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über das selbe Thema malen. (Pablo Picasso)

  • Eines möchte ich noch ergänzen: Niemand sollte sich in der Illusion wiegen, dass der rechtfertigende Notstand aus dem Leben eines Rettungsassistenten verschwindet, wenn es eine Regelkompetenz gibt. Es wird lediglich zu einer Verschiebung der Grenze kommen - und, zugegeben, wahrscheinlich zu einer Verringerung der strittigen Fälle.