Rettungssysteme sollten Vorteile von Paramedics und Notärzten kombinieren


  • Hier muss man doch aber differenzieren: volkswirtschaftlich sind weniger Notarzteinsätze sehrwohl mit Kostensenkungen verbunden, da neben einer Pauschale für jeden Einsatz zusätzliche Kosten für die Gestellung des Notarztes anfallen - weniger Einsätze - weniger Zahlungen durch die Kosenträger - geringere Belastung für die Allgemeinheit.
    Die Kosten für den Rettungsdienstunternehmer indes bleiben nahezu gleich, da stimme ich dir zu.


    Hier muss man differenzieren, das hängt ganz von der Organisation des Notarztdienstes ab. Da gibt es ja (grob unterteilt) 2 Modelle:
    1) Der Notarzt ist auf einer Dornröschenwache mitten im Nichts auf einer Wache zur Abdeckung eines Gebietes abgestellt.
    2) Ein Krankenhaus stellt Ärzte zum Notarztdienst ab und läßt sie zwischen den Einsätzen in der Klinik Arbeit verrichten, von der sie jederzeit kurzfristig abgezogen werden können. Sicher das häufigere Modell, wobei Modell 1 im Rahmen weiterer Krankenhausschließungen zunehmen wird.
    Darüber hinaus gibt es in einigen südlichen Bundesländern noch die Besonderheit des selbst fahrenden Hausarztes im Notarztdienst, hier erfolgt jedoch eine selbständige Abrechnung durch den Arzt, soweit ich informiert bin. Deshalb dürfte dieses Modell hier nicht von Interesse sein.


    Im Modell 2 erfolgt mit der Notarztpauschale eine Abgeltung an das Krankenhaus, mit dem die Fremdleistung des Notarztes bezahlt wird. Quasi ein Abwesenheitsausgleich. Hier stimmt der Einwurf: Weniger Einsätze werden zu geringeren Kosten für die Rechnungszahler führen. Dabei sollte jedoch nicht unterschlagen werden, dass die Kosten für den NA halt nur ein Produktionskostenfaktor unter vielen ist, nebenbei müssen ja auch der Fahrer, das Fahrzeug und für diese beiden auch noch Unterkunft und Garage finanziert und abgegolten werden. Dies führt in den rettungsdienstlichen Kosten zu einer Steigerung des Rettungsdienstanteils an der Endrechnung - und damit auch zu steigenden Entgelten für den NEF-Einsatz. Dennoch könnte es (ausgehend von einem gleichbleibenden Fixkostenblock für Fahrer und Fahrzeug bei abnehmenden Kosten für den Notarztdienst) zu einer Senkung der Produktionskosten kommen, welche sich zwar nicht in der einzelnen Rechnung, aber in dem Jahresergebnis niederschlagen.


    Im Modell 1 greift dieser Einwurf hingegen nicht, da hier die fixen Kosten (der Notarzt sitzt da nun mal rum) auf die wenigen anfallenden Transporte umgelegt werden müssen, ergo kommt es zu höheren Rechnungssummen für den einzelnen Notarzteinsatz.


    Gruß, Nils



    edit: letztendlich wollte ich mit dem vorhergehenden Beitrag jedoch nur darauf hinweisen, dass viele Wege nach Rom führen und eine Absenkung der NA-Einsätze nicht der einzige Weg ist, ihn effizienter einzusetzen. Das Beispiel mit der notärztlichen Sichtung und einer großzügig gestellten Indikation für die Nichtbegleitung des Transportes wäre eine andere Lösung, bei der die notärztliche Beteiligung an der Patientenversorgung nicht reduziert würde, jedoch ein schnelles Freiwerden für den nächsten Notfall gegeben wäre.
    In der Realität gibt es dieses Modell ja mit der Anweisung "Wir begleiten den Transport, sind aber im Notfall abrufbereit" - was die Transportbegleitung ja per se als nciht notwendig klassifiziert.

  • Bei uns sind die Notärzte bis auf Ausnahmen (Klinikärzte während der Dienstzeit, meist werktags tagsüber) "selbstständig", d.h. sie verrechnen ihre Einsätze direkt mit der KVB.
    So gibt es viele Klinikärzte, die in ihrer Freizeit auf eigene Rechnung NA Dienste machen.


    Grüße,


    Markus

  • Dann verstehe ich doniel wohl falsch, der ausdrücklich zur Frage der Parallelalarmierung geschrieben hat und nicht zur Frage einer Nachforderung.



    Und ehrlich gesagt verstehe ich an doniels Standpunkt nicht, warum bei einer potentiell lebensbedrohlichen Situation ("Mein Mann kriegt keine Luft") lieber das Risiko einer falschen Nichtentsendung des Notarztes als das Risiko einer überflüssigen Entsendung eingegangen werden soll.

    Ich glaube hier schon wieder ein Missverständnis zu entdecken.
    Ich verstehe den Zusammenhang mit der "Paralellalarmierung" so, dass alleine das Einsatzstichwort "Atemnot" den NA auf den Plan ruft.
    Und dies recht undifferenziert.
    Es macht einen Unterschied, ob jemand anruft und sagt "Ich bekomme keine Luft - und das schon seit Tagen" und "Kommen Sie schnell, mein Mann bekommt keine Luft und wird ganz blau."
    Wenn die Einsatzmeldung selbst schon den lebensbedrohlichen Zustand des Patienten beinhaltet, muss die Alarmierung des NEF auch initial erfolgen.


  • Ich verstehe den Zusammenhang mit der "Paralellalarmierung" so, dass alleine das Einsatzstichwort "Atemnot" den NA auf den Plan ruft.
    Und dies recht undifferenziert.
    Es macht einen Unterschied, ob jemand anruft und sagt "Ich bekomme keine Luft - und das schon seit Tagen" und "Kommen Sie schnell, mein Mann bekommt keine Luft und wird ganz blau."
    Wenn die Einsatzmeldung selbst schon den lebensbedrohlichen Zustand des Patienten beinhaltet, muss die Alarmierung des NEF auch initial erfolgen.


    Aber das Einsatzstichwort vergibt doch die Leitstelle. Niemand ruft an und sagt: "Atemnot". Ich gebe Dir recht, was Dein erstes Beispiel angeht. Aber das kriegt man doch wohl besser dadurch in den Griff, dass man auf die Leitstelle jemanden setzt, der sich ein Urteil über die potentielle Lebensgefahr bilden kann.


    Vielleicht äußert sich doniel ja noch einmal dazu, was er gemeint hat.

  • Warum schicken wir nicht eigentlich erst mal einen KTW zum Einsatzort. Der kann ja dann bei Bedarf einen RTW mit Rettungsassistenten nachfordern. Und die dann bei Bedarf den Notarzt. Das zum Thema: "Der Patient muß schnell ins Krankenhaus!". Das führt den PHTLS so richtig schön ad absurdum...

  • Ich möchte Schmunzel zustimmen, dass viele "überflüssige" NA-Einsätze durch unzureichende Abfragen bzw. Informationen durch den Anrufer entstehen.
    Bei einer Luftnot, die aufgrund einer Pneumonie schon seit Tagen besteht, ist die NA-Indikation imho anders (zurückhaltender) zu stellen als bei einem akuten Ereignis. Aber pauschal zu sagen, wir lassen den RTW erst mal kucken und dann nachfordern ist grad bei den akuten Ereignissen definitiv nicht patientenorientiert.

  • Mal der Reihe nach:
    Hans: Ich hoffe dass der Tag an dem der NA ausschließlich vom RTW vor Ort nachgefordert wird nie kommt.


    Nochmal: Gefühlte 90% der Atemnöte (ist das der Plural??) die ich so sehe sind schwerwiegende kardiovaskuläre bzw pulmonale Erkrankungen. Ich sehe keinen Grund dafür den Einsatz eines Notarztes (nach vernünftiger Abfrage durch die RLST) zu verzögern nur um dem RA mehr Platz zum Spielen zu lassen. Wir schwächen das System Rettungsdienst doch nur durch die Verlängerung der präklinischen Zeitspanne.
    Vielleicht sollte einige hier doch in Betracht ziehen dass ein erfahrener Internist deutlich mehr Ahnung von der Diagnose und Therapie der Atemnot hat als der Durchschnitts-RA.


    Das die Kosten-Debatte hier Alibi-Funktion hat brauch ich wohl nicht weiter auszuführen.

  • Es gibt auch notfallmedizinisch fitte Chirurgen (Paradebeispiel "Christoph 9"). Aber die Mehrzahl der in Kliniken tätigen Notärzte sind Anästhesisten (ca. 50%). Also kein Grund zur Klage... ;)

  • Ich frage mich bei diesen Diskussionen immer, wie Menschen, die nicht in Deutschland, Österreich oder Frankreich leben, die präklinische Phase denn überstehen.


    Große Teile der Welt müssen wirklich rückständig sein :ironie: , weil sie das Leben ihrer Bürger "Nichtärzten" anvertrauen.


    Ich wünsche mir kein reinen Paramedic-System, aber ich wünsche mir ein System, dass nicht immer als bestes Rettungsdienst-System benannt wird, nur weil ein Arzt rausfährt.


    Sondern ein System wo ein Arzt kommt, der auch Profi in diesem Geschäft ist und Profi ist man nicht, wenn man mal den Fachkundenachweis Rettungsdienst erworben hat.


    Ich wünsche mir ein System, in welchem sich auch der Notarzt durch eine übergeordnete Instanz an geltende Richtlinien halten muss, sprich einen ärztlichen Leiter für die Notärzte.


    Wenn ich eine strikte Hierarchie habe, wie sie in Paramedic-Systemen üblich sind, kann ich viel schneller und vor allem verbindlich auf neue Richtlinien eingehen und vorgeben.


    Ich denke der ärztliche Einfluss, den ich auch will, wäre viel stärker, als er heute wäre.


    Mir ist sehr wohl bewußt, dass dies mit dem jetzigen Rettungsassistent nicht zu erreichen ist.


    Wir müssten nicht nur die Dauer diskutieren, sondern auch die Inhalte, wie z. B. Ausbildung nach internationalen Standards.


    Auch ein modulares Ausbildungskonzept wäre mir lieber. Man würde eine Ausbildungsstufe (z.B. RS) erreichen in der man sich bewährt, und dann würde es in die nächste Runde gehen.


    Abschließend wünsche ich mir ein System, wo professionelles Fachpersonal unter Kontrolle eines starken ärztlichen Leiters Pat. versorgen und bei lebensbedrohlichen Einsätzen ein Notarzt kommt, der dann aber wirklich ein Fachmann in Notfallmedizin ist.


    Grüsse Rubi

  • @Ani


    Ich will doch auch gar nicht verallgemeinern. Ich kenne selbst sehr gute Notärzte, die Chirurgen sind.


    In unserer Klinik fahren leider so gut wie keine Anästhesisten Notarzt und wenn doch dann dürfen sie ab 16 Uhr fahren, wenn die OP´s gelaufen sind. Oder natürlich am Wochenende in der Freizeit.


    Mir will es einfach nicht einleuchten, dass nur, weil jemand Arzt ist, er auch gleichzeitig ein guter Notarzt ist und es keine Berufsgruppe geben würde, die das nicht vielleicht auch so gut oder sogar noch besser machen könnte.


    Ich muss vielleicht dazusagen, dass der Hauptteil in meinem Bereich klinische Chirurgen und Internisten sind, aber auch Niedergelassene fahren.


    In den Nachbarlandkreisen fahren ein Gynäkologe, ein Arbeitsmediziner und ein Arzt der im Gesundheitsamt war.


    Grüsse Rubi

  • Weil sie oft von "Nichtärzten" einfach eingepackt und schnell ins Krankenhaus gebracht werden. Einige bleiben dabei sicherlich auch auf der Strecke, aber das ist nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich. Und auch wenn ich mich wiederhole: ein Paramedic-System war nie Ziel dieser Länder, sondern sie entstanden aus der Not heraus, weil es an Ärzten mangelte. Viele Länder versuchen aktuell, ein Notarztsystem zu etablieren oder weiter auszubauen (z.B. Schweiz).

    Ich frage mich bei diesen Diskussionen immer, wie Menschen, die nicht in Deutschland, Österreich oder Frankreich leben, die präklinische Phase denn überstehen.

  • Mir will es einfach nicht einleuchten, dass nur, weil jemand Arzt ist, er auch gleichzeitig ein guter Notarzt ist und es keine Berufsgruppe geben würde, die das nicht vielleicht auch so gut oder sogar noch besser machen könnte.


    Du meinst, dass ein Apotheker oder ein Mediengestalter vielleicht auch ein guter Notarzt sein könnte?


    J. ?(

  • Jörg


    Nein das glaube ich nicht, das Rubi sich einen Maurer als NA vorstellen kann. Sondern er wünscht sich einen qualifizierten RA und einen NA, der auch wirklich qualifiziert auf Notfallrettung ist.

  • Jörg


    Nein das glaube ich nicht, das Rubi sich einen Maurer als NA vorstellen kann. Sondern er wünscht sich einen qualifizierten RA und einen NA, der auch wirklich qualifiziert auf Notfallrettung ist.


    Wenn einfach jeder seinen Job macht, wäre das doch mal ein Anfang.
    J.

  • @Ani


    Da will ich Dir auch gar nicht widersprechen, wie gesagt ich wünsche mir kein reines Paramedic-System,


    die Frage ist nur welches Notarzt-System ich installieren will.