Ich stelle weiterhin die Behauptung auf, dass mindestens 80% meiner Kolleginnen und Kollegen in der beschriebenen Situation die Patientin NICHT selbst analgosediert hätten.
Deine Zahlen dürften meiner Einschätzung nach bei uns genau in die entgegengesetzte Richtung gehen, was vermutlich einer der Gründe dafür ist, dass ich diesbezüglich eine so gegensätzliche Meinung habe. Ich kenne es in unserem Rettungsdienstbereich nicht anders, dass im Notfall auch durch Rettungsassistenten medikamentös eingegriffen wird (immerhin seit nun fast 15 Jahren). Und weil dies so ist, herrscht eine relative Sicherheit im Umgang mit den Medikamenten. Aber vielleicht hatten alle in den vergangenen 15 Jahren auch einfach nur Glück.
Ich frage mich, was die Kollegen, die sich hier so strikt gegen einen medikamentösen Eingriff in einem wie im eingangs beschriebenen Fall aussprechen, getan hätten - 31 lange Minuten bis zum Eintreffen eines Notarztes, neben einer Patientin, die unter stärksten Schmerzen leidet. Ich kann ja verstehen, dass gerade in Rettungsdienstbereichen, in denen permanent Druck durch einen ÄLRD ausgeübt wird, große Zurückhaltung herrscht. Und ich kann auch verstehen, dass generell bei Maßnahmen, in welchen man nicht geübt ist, zurückhaltend gehandelt wird. Ist man sich in einer Sache unsicher, sollte man sie konsequenterweise unterlassen, sofern sie nicht ein Leben retten kann. Aber es gibt - wie auch dieser Fall wieder zeigt - immer wieder Ausnahmesituationen. Und ich bin wirklich erschüttert darüber wenn ich lesen muss, dass dies dann eben das Pech des Patienten ist und das Rettungsfachpersonal mit den Händen in der Hosentasche daneben steht und das Eintreffen eines Notarztes abwartet. Dafür schäme ich mich.
Natürlich kann es nicht sein, dass - wie von _BC_ angesprochen - das Rettungsfachpersonal irgendwelche Systemfehler kompensieren muss. Das wäre in der Tat der völlig falsche Weg. Aber diese strikte Haltung, die hier zum Nachteil der uns anvertrauten Patienten wird, ist meiner Meinung nach ebenfalls der völlig falsche Weg. Und weil hier immer wieder erwähnt wird, dass man für das klägliche Entgelt, dass man als Rettungsassistent erhält nicht noch mehr Verantwortung übernehmen möchte: was gibt es denn noch mehr an Verantwortung, als für die Gesundheit und das Leben unserer Patienten?? Denn diese Verantwortung hat jeder von uns heute schon - tagtäglich.
Und nein, ich führe hier keine erneute, berufspolitische Diskussion, sondern eine grundsätzliche, die maßgeblich mit dem persönlichen Selbstverständnis zu tun hat.