Wegen Rechnungsstellung für Fehlfahrten im Rettungsdienst: Hausarzt empfiehlt Notruf über Kassenärztlichen Notdienst

  • Weil die Stadt Aachen (Nordrhein-Westfalen) für sogenannte "Fehlfahrten" des Rettungsdienstes eine Rechnung an den vermeintlichen Patienten oder dessen Angehörige stellt, empfiehlt ein Hausarzt, der am Bereitschaftsdienst des Kassenärztlichen Notdienstes teilnimmt, sich in Notsituationen an dessen kostenpflichtige Nummer (0180/5044100) zu wenden.
    Zuletzt sorgte der Fall einer arbeits- und mittellosen 54-Jährigen für Gesprächsstoff, der die Stadt eine Rechnung über 106,25 Euro gestellt hatte. Nach einem Sturz mit dem Fahrrad erklärte die Frau, keinen Krankenwagen hinzuziehen zu wollen, da sie die Praxisgegühr über 10 Euro nicht aufbringen konnte. Als dennoch ein Rettungswagen der Feuerwehr eintraf, verweigerte sie mit Hinweis auf die Kosten die Mitfahrt ins Krankenhaus. Nach Angabe der Frau wurde sie jedoch nicht darüber aufgeklärt, dass in diesem Falle die Hälfte der sonst üblichen Gebühr fällig wird und von ihr zu bezahlen ist. Hilfsbereite Leser der Zeitung "Aachener Nachrichten" haben die Kosten mittlwerweile übernommen.
    Auch für die Anfahrt bei einer leblosen Person, die beim Eintreffen für tot erklärt wurde, stellte die Stadt den Angehörigen eine Rechnung. Den Rettungsdienst gerufen hatte ein Mitarbeiter eines ambulanten Pflegedienstes, der ob der privaten Rechnungsstellung für solche Einsätze von allgemeiner Verunsicherung berichtet. Die Kosten für den Einsatz wurden letztlich aus Kulanz von der Krankenkasse übernommen.


    Haus- und Facharzt für Chirurgie und Allgemeinmedizin, Wolfgang Schlemmer, hält die Rechnungsstellung der Stadt für einen abgelehnten Krankentransport "völlig indiskutabel". Er weist in einer Stellungnahme in den "Aachener Nachrichten" darauf hin, dass bei einem Notruf über die 112 ein Rettungswagen mit zwei Rettungsassistenten entsandt wird. Da es sich dabei aber nicht um Ärzte handelt, könne vor Ort keine adäquate Diagnose und Therapie erfolgen, weshalb ein Transport in ein Krankenhaus notwendig wird. Da ein Transport aber oftmals nicht notwendig ist, würde eine kostenpflichtige Fehlfahrt abgerechnet. Der Arzt empfiehlt daher, sich in Notsituationen an den Kassenärztlichen Notdienst zu wenden.


    Quelle: http://www.an-online.de/lokale…-fuer-Verunsicherung.html


    Zum Thema siehe auch
    Tote sollen zahlen - Ärger um Gebührensatzung im Kreis Oder-Spree
    BSG-Urteil zum Kostenersatz von Fehlfahrten

  • oder gleich erst mal die Oma anrufen, die bei ner Freundin nachfragt deren Neffe Heilpraktiker ist ob das ganze Tara überhaupt notwendig ist... :mauer:


    (Hat mal live daneben gestanden als beim KV Notdienst ein Anruf einging dessen Verdachtsdiagnose ganz klar ein frischer Schlaganfall war.. und wünscht das keinem Patienten!!)

  • (Hat mal live daneben gestanden als beim KV Notdienst ein Anruf einging dessen Verdachtsdiagnose ganz klar ein frischer Schlaganfall war.. und wünscht das keinem Patienten!!)


    ...
    klakon (hat schon oft live beim KV-Notdienst Anrufe entgegen genommen, dessen verdachtsdiagnosen frische Schlaganfälle waren. Und das wünsche ich mir bei meinem Schlaganfall irgendwann mal auch genau so)


    Wie ich Verallgemeinerungen wegen einzelner Vorkommnisse liebe ... :dash:

    "Glück ists wenn man sich dort kratzen kann wos einen juckt" - L. Hirsch
    »Das Problem der Welt ist, dass intelligente Menschen voller Zweifel und Dumme voller Selbstvertrauen sind!« – Charles Bukowski

  • Unabhängig der Qualität von der Abfrage durch die Zentrale des Kassenärztlichen Notdienstes, hat ein Notruf nur über die 112 zu erfolgen und nicht über einen Kassenarzt. Das sollte denke ich klar sein.
    Diese Darstellung hier entspricht wohl eher einem Einzelfall, der hochgepuscht wurde.
    Eine Übernahme der Kosten wird in jedem Fall von der Krankenkasse oder dem Sozialamt erfolgen, sollte die Dame sich dieses nicht leisten können. Eine Notfallgebühr würde auch vom Kassenarzt anfallen, in Höhe von 10 EUR.


    LG

  • Zitat

    Da es sich dabei aber nicht um Ärzte handelt, könne vor Ort keine adäquate Diagnose und Therapie erfolgen


    Frechheit, diese Aussage. Als ob wir nur jeden auf die Bahre schmeißen können und ins Krankenhaus fahren würden... Dann hat der Allgemeinmediziner wohl auch keine Arzthelferin, denn die kann ja dann auch nicht in der Praxis therapieren.


  • Diese Darstellung hier entspricht wohl eher einem Einzelfall, der hochgepuscht wurde.
    Eine Übernahme der Kosten wird in jedem Fall von der Krankenkasse oder dem Sozialamt erfolgen, sollte die Dame sich dieses nicht leisten können. Eine Notfallgebühr würde auch vom Kassenarzt anfallen, in Höhe von 10 EUR.

    Das ist so schlicht und ergreifend falsch. Sollte sich der Rettungsdienstträger entscheiden, Gebühren für Fehlfahrten zu verlangen, wird sich die Krankenkasse auf die Hinterbeine stellen und argumentieren, dass keine Transportleistung erbracht wurde und sie folglich nicht zahlungspflichtig ist. Dieses Spiel durfte ich schon im familiären Umfeld miterleben, da ging es um fast 400 Euro für einen von Dritten alarmierten RTW.


    Auch wenn die Logik des Hausarztes fragwürdig ist halte es für eine Unsitte und politisch unverantwortlich, Gebühren für Fehlfahrten zu verlangen. Den Rettungsdienstträgern sollte klar sein, dass die Krankenkassen diese Gebühren nicht übernehmen müssen. Konsequenterweise würde ich als Mitarbeiter in einem solchen Rettungsdienst bei den meisten Patienten auf einen Transport drängen, der dann mit Folgekosten für die Krankenkasse einhergeht. Sicherlich kontraproduktiv für das Gesundheitssystem, aber besser für mein Gewissen als eine Privatrechnung an den 80jährigen Rentner, der eigentlich nicht mit in ein Krankenhaus will und muss und den Rettungsdienst möglicherweise nicht einmal selbst verständigt hat.

    What I cannot create, I do not understand. (Richard Feynman)


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  • Es kommt doch darauf an, wie man Fehlfahrt definiert. Bei uns gilt folgendes:


    Fehlfahrt = keine Behandlung
    kostenpflichtiger Einsatz = Transportverweigerung, Behandlung vor Ort, o.ä. (wird anteilig in Rechnung gestellt)
    Transprt = volle Leistung wird abgerechnet


    Ich bin da recht "großzügig" und packe unter Fehlfahrt auch alle Untersuchungen die kein Geld kosten bzw. sehr wenig (bspw. BZ-Messung). Dies wird von unseren staatlichen Verwaltungsbehörden aber eigentlich schon als kostenpflichtig gesehen. Das Modell, gibt´s vermutlich recht häufig so, ist nachvollziehbar.


    Zum Fall:
    Es ist, wie immer, ungemein schwer einen Sachverhalt nur aus einer Quelle zu bewerten. Also kann auch ich nur vermuten, aber ich kann für mich die Aussage des Arztes nachvollziehen.
    Das Problem ist doch, dass es sich bei dem KV-Arzt eben um einen Arzt handelt. Dieser kann Transporte anordnen, was wir, streng genommen, eben nicht können. Deshalb benötigen wir ja immer die berühmte Unterschrift auf dem Trapo. Bei uns geht auch beim KV-Dienst ein Arzt ans Telefon. In seltenen Fällen eine Arzthelferin, aber auch dann ist ein Arzt ja zügig erreichbar. Damit ist die Kostenübernahme klar, denn im Ernstfall unterschreibt eben jener Arzt. Auch, das wissen wir doch alle, ist das Wort eines Arztes nicht selten gewichtig. Ein Arzt, der einen Krankenhausaufenthalt empfiehlt ist evtl. nochmal eine andere Ebene des Zugangs zu einem Patienten. Auch sehen bestimmt nicht wenig Pat. die imaginären Dollar-Zeichen in den Augen ihrer "Transporteure", da die ja, so wird geglaubt, nur transportieren wollen um Geld zu verdienen (was ja auch ab und an stimmt... :pfeif:).
    In sofern sehe ich die Aussage des interviewten Arztes, dass man in Fällen wo man als unkundiger Pat. unsicher ist ob ein Pat. ins KH soll oder nicht, nicht als die schlechteste Idee an. Sicherlich wäre es besser hier die 112 anzurufen, aber die werden auch nicht selten nen RTW "mall zum nachschauen" hinschicken. Damit beißt sich dann die Katze in den Schwanz.

  • kostenpflichtiger Einsatz = Transportverweigerung


    Dh wenn ich mich mit meinem Fahrrad auf die Fresse lege, jemand nen RTW ruft, du mir zB einen Verband über eine Schürfwunde anlegst und ich nicht mit will, dass es dann kostet?

  • Monschi: Ich bleibe dabei, solange (der nicht-ärztliche Teil) Rettungsdienst in Deutschland als Transportleistung im Sozialgesetzbuch definiert ist hat auch nur diese abgerechnet zu werden. Es ist schlicht unredlich, jemanden mit einer Privatrechnung dafür zu bestrafen, dass er nicht unnötigerweise ins Krankenhaus möchte. Wie kann das rechtens sein? Eine kostenpflichtige Behandlungsleistung durch den (nicht-ärztlichen) Rettungsdienst ist in Deutschland nicht vorgesehen.

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  • Wenn ein Transportschein eingereicht wird, ist das in der Regel kostenpflichtig. Zumindestens im Rahmen einer notärztlichen Untersuchung und ggf. Behandlung.

  • maverick:
    Das kommt, für mich, auf den Fall an. Streng genommen ja. Aber eben deshalb schrieb ich "geringe Kosten". Ein Verband wäre hier für mich darunter zu halten.


    Zoidberg:
    Dein Argument ist nicht von der Hand zu weisen, ganz klar. Eine kostenpflichtige Behandlung ist ohne Arzt (zugegeben) selten, ich glaube auch nicht, dass ich eine schon mal hatte. Nur in Zusammenhang mit einer Transportverweigerung bzw. böswilliger Alarmierung, aber die ist ja unstrittig.

  • Bei einer böswilligen Alarmierung ist der Anrufer schadensersatzpflichtig, klar. Aber was ist für dich eine Transportverweigerung? Was ist beispielsweise mit dem Diabetiker, der wieder auf ein adäquates Blutzuckerlevel gebracht wird und anschließend nicht mit ins Krankenhaus möchte?

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  • Kostenpflichtige Behandlung, da hier aber ein Arzt vor Ort ist auch kein Problem. Es sei denn es ist eine massive Zuckerentgleisung, die einer Abklärung im KH bedarf oder erstmaliges Ereignis, etc. Dann ist es eine Transportverweigerung.


    Transportverweigerung = ein notwendiger Transport ins KH wird abgelehnt. Dies lass ich mir dann unterschreiben.
    Kostenpflichtiger Einsatz = eine Behandlung vor Ort findet statt, ein Transport ins KH ist nicht notwendig. Somit ist auch eine Unterschrift auf der Verweigerung unnütz.

  • Transportverweigerung = ein notwendiger Transport ins KH wird abgelehnt. Dies lass ich mir dann unterschreiben.
    Kostenpflichtiger Einsatz = eine Behandlung vor Ort findet statt, ein Transport ins KH ist nicht notwendig. Somit ist auch eine Unterschrift auf der Verweigerung unnütz.


    Das kann bei uns (vom RTW) beides NICHT abgerechnet werden. Gilt beides als "Leerfahrt".


    J.

  • Monschi: Ok, und wenn, aus welchen Gründen auch immer, kein Arzt vor Ort wäre, bekäme der Patient eine Rechnung? Das finde ich nicht in Ordnung, Gründe dafür habe ich ja bereits angebracht.


    Jörg: So sollte es in meinen Augen sein, dann entspricht es auch dem zugegebenerweise nicht der realen Situation in vielen Rettungsdienstbereichen angepassten Sozialgesetzbuch. Soweit ich das Überblicke sind solche Gebührenordnungen wie in Aachen und in Monschis Wirkstätte die Ausnahme - Gott sei Dank.

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  • Monschi: Ok, und wenn, aus welchen Gründen auch immer, kein Arzt vor Ort wäre, bekäme der Patient eine Rechnung? Das finde ich nicht in Ordnung, Gründe dafür habe ich ja bereits angebracht.


    Ja, die bekämen sie. Zusammen mit einem netten Begleitschreiben, dass sie diese bei der Kasse einreichen sollen. In den allermeisten Fällen wird diese wohl auch bezahlt von der Kasse. Diese können auch rechnen und sehen ein, dass sie so billiger wegkommen als wenn solche Pat. regelmäßig ins KH gefahren werden, obwohl dies eigentlich ja nicht notwendig ist.
    Und nochmal: Deine Argumentation finde ich gut und logisch, deshalb versuche ich die Grenzen aus soweit es mir möglich ist zu dehnen. Aber letztendlich sind wir Gefangen im System.

  • Und nochmal: Deine Argumentation finde ich gut und logisch, deshalb versuche ich die Grenzen aus soweit es mir möglich ist zu dehnen. Aber letztendlich sind wir Gefangen im System.


    Interssant würde es ja, wenn ein Patient die Zahlung (in Berufung auf das SGB V) verweigern würde.


    J.

  • Das hat schon jemand versucht und das Bundessozialgericht sagt:

    Zitat

    Es bestehe ein Erstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 1 SGB V, weil die Klägerin einer wirksamen Kostenverpflichtung ausgesetzt gewesen sei und den Rettungswagen im Sinne des Gebührensatzungsrechts "bestellt" habe. Für die Kosten müsse die Beklagte aufkommen, weil eine Rettungsfahrt nicht erfordere, dass auch ein Transport des Versicherten stattfinde.[..]Daher reiche es aus, wenn - wie hier bei einem in Betracht kommenden Herzinfarkt - der Rettungswagen ausrücke, um den Versicherten zur Abklärung eines subjektiv bedrohlich erscheinenden Zustandes in ein Krankenhaus zu bringen. Schon die Anfahrt sei Teil der Rettungsfahrt, die krankenversicherungsrechtlich und gebührenrechtlich einheitlich gewürdigt werden müsse.


    Wurde hier im Forum verlinkt und ist für mich als juristischer Laie unverständlich und das völlig falsche Signal.


    Monschi: Aus eigener Erfahrung stellt sich mindestens die AOK Westfalen-Lippe (gibt es die so noch?) völlig stur und argumentiert unter anderem mit obigem Urteil.

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