Stehen Rettungsdienste in Deutschland bald vor dem Kollaps?

  • ...halte ich aufgrund des förderalen Systems in der Bundesrepublik für derzeit nicht machbar. Bestes Beispiel (hier könnte Jörg vielleicht was zu sagen) ist der Bildungssektor. Da gelingt es aus was weiß ich für Gründen ebenfalls nicht, zumindest teilweise Vereinheitlichungen in der schulischen Fortbildung zu erreichen.


    Der Grund dafür ist eben das föderale System, das ja durch unsere Verfassungsgeber im Grundgesetz ganz bewusst implementiert wurde. Darüber kann man sicher geteilter Meinung sein, man wird es aber so schnell nicht ändern (können).
    Ich persönlich halte das föderale System für besser als seinen Ruf und habe kein grundsätzliches Problem damit, dass die Länder verschiedene Bereiche unterschiedlich ausgestalten. Daraus resultiert in bestimmten Bereichen auch eine Vergleichbarkeit und in gewissem Sinne eine Konkurrenzsituation, da man sich eben am "Nachbarn" messen lassen muss. Gerade im Bildungssektor kann das ganz förderlich sein. Gleichzeitig besteht eine unproblematische "Durchlässigkeit" zwischen den Ländern, eine Anerkennung der jeweiligen Abschlüsse sowieso.
    Wenn man sich als Gegenbeispiel Frankreich anschaut, wo alles sehr zentralistisch geregelt und einzig auf Paris konzentriert ist, haben die vielleicht andere Probleme als wir, aber sie haben auch welche. Und wenn man keine hat, macht man sich eben selbst welche - habe ich manchmal den Eindruck.


    J. :)

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  • Motzivierte Mitarbeiter


    Schöner Neologismus..... :thumbsup:

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    James Elroy Flecker

  • @ Jörg


    So habe ich es bisher noch nicht gesehen. Mich verwundert halt nur immer das die Schulabschlüsse der südlichen Bundesländer wesentlich höher bewertet werden, als die der nördlichen Nachbarn. Der nächste Punkt ist der, das die Noten der Schulabschlüsse z. Teil ein Leben lang ihre Gültigkeit behalten. Andersrum kann ich Dir wiederum nur beipflichten, das Konkurrenz eigentlcih eine gute Sache ist, zumal somit die Länder gezwungen werden etwas zu unternehmen.


    Im Rettungswesen halte ich derzeit das förderale System, die Vergabe des Rettungsdienstes an "dritte Personen" für hinderlich im Bezug auf notwendige Reformen. Irgendwie erweckt sich mir der Eindruck im deutschen Rettungswesen, das jede beteiligte Gruppierung nur noch ihre persönlichen Interessen vertritt und somit jegliche Reformen zumindest blockiert werden. "Viele Köche verderben halt den Brei".


    Allerdings denke ich weniger, das es zum Kollaps im deutschen Rettungswesen kommt, vielmehr werden die Probleme mit schlechen Gesetzen, Verordnungen etc. versucht zu beheben. Z.B. Mindestlohn im Rettungsdienst. Kommerzialisierung mittels Vergabe an den preisgünstigsten Anbieter, Verlängerung der Hilfsfristen und andere unschöne Sachen.


  • Aber zum eingentlichen Thema, warum schaffen es Rettungswachen ohen Verlust zu Arbeiten bei Mitarbeiterfreundlichen gegebenheiten und manche nicht


    Zum zweiten: Personalpolitik. Wer große Teile seines Personals mit kurzen befristeten Verträgen abspeist, wird aufgrund der hohen Mitarbeiterfluktuation niemals eine große Bindung an die Rettungswache erreichen. Wieso sollte ich mich besonders engagieren, wenn ich sowieso damit rechnen kann, nach spätestens 2 Jahren nicht verlängert zu werden? Zudem rekrutieren sich die "Funktionsträger" (MPG/Lager/Desinfektor...) ja hauptsächlich aus den hauptamtlich Beschäftigten. Wenn ich aber nur 5-7 solcher Mitarbeiter habe, ist es doch vorhersehbar, dass ich für billig Geld keinen stellv. Wachenleiter finde. (Wir suchen auf unserer Wache schon seit 4 Monaten!)


    Wer weiß, dass er die nächsten 15 Jahre noch im Betrieb verbringt, wird eine andere Einstellung haben.

  • Zitat von Mütom

    ...halte ich aufgrund des förderalen Systems in der Bundesrepublik für derzeit nicht machbar.


    Zitat von Jörg

    Der Grund dafür ist eben das föderale System, dass ja durch unsere Verfassungsgeber im Grundgesetz ganz bewusst implementiert wurde. (...) Ich persönlich halte das föderale System für besser als seinen Ruf und habe kein grundsätzliches Problem damit, dass die Länder verschiedene Bereiche unterschiedlich ausgestalten.


    Der Föderalismus wird gerade hier im Forum gerne kritisiert. Aber kann und muss es Aufgabe des Staates (Bundes) sein, jedes Detail des Bevölkerungsschutzes zu regeln ? In den bayerischen Alpen sind andere (rettungsdienstliche) Bedingungen zu erfüllen, als auf einer nordfriesischen Hallig. Damit macht es doch viel mehr Sinn, diese Aufgabe durch die "Experten vor Ort", also die Landesregierungen zu regeln.


    Jörgs angeführte "zwischenstaatliche Konkurrenzsituation" ist ebenfalls ein interessanter Aspekt.


    Zitat von Jörg

    Wenn man sich als Gegenbeispiel Frankreich anschaut, wo alles sehr zentralistisch geregelt und einzig auf Paris konzentriert ist, haben die vielleicht andere Probleme als wir, aber sie haben auch welche.


    Das klassische Beispiel. Was unter dem Eiffelturm problemlos umsetzbar ist und funktioniert, wird auch in den korsischen Bergen vorgegeben.

  • Wieso reden denn jetzt plötzlich alle vom Bundesrettungsdiest? Ich habe es in meinem Eingangspost schon geschreiben und ich denke es ist auch weiterhin eher realistischer, dass es irgednwann Landesrettungsdienste gibt. Sagt ja niemand, dass man den Förderalismus ganz abschaffen muss - aber stark einschränken sollte man ihn im RD (im Vergleich zu jetzt) denke ich schon.

  • Ne, wir haben Landesrettungsdienstgesetze.. aber keinen landeseinheitlichen Retungsdienst.. zumindest nicht in den Bundesländern die ich bisher kennen lernen durfte (und das dürften die meisten sein)

  • Doch, da ist der Rettungsdienst auch einheitlich. Nämlich einheitlich so, wie es das jeweilige Landesrettungsgesetz vorgibt.

  • Scherzkeks. Genau das ist ja das Problem.... de fakto sind es also Stadt- und Kreisrettungsdienste und je nach regionaler Struktur dank verschiedener beteiligter Partner arbeiten nicht mal die einheitlich (womit wieder nicht nur das medizinscihe, sondern alles vom FZG über den (Tarif)Vertrag bis zur Ausbildung gemeint ist).

  • Scherzkeks


    Ich hab´ nicht damit angefangen, Äpfel und Birnen zu vermengen. Dein Problem ist nicht der Föderalismus, sondern dass es kein Landesamt für den Rettungsdienst gibt. Das sollte man schon auseinanderhalten.

  • Wie sieht es bei euch denn eigentlich mit freien Stellen aus?
    Also ich meine nicht,dass man der Meinung ist "Wir brauchen mehr Personal", sondern habt ihr wirklich offene Stellen die nicht besetzt werden können?

  • @ Securo

    Was die Durchführung vom Rettungsdienst angeht, wäre es sogar sinnvoll wie es derzeit ja schon läuft in der Bundesrepublik, das es die Experten (auch wenn manche jetzt lachen, ich tue es auch^^) vor Ort schon machen, sprich die in den Rettungsdienstbereichen.
    Mir gehts vielmehr um die Rahmenbedingungen und die sollten für alle Rettungsdienstbereiche gleich sein. Geographische (f anstatt ph für die Neumodischen) Gegebenheiten des Rettungsdienstes kann man durchaus in die Rahmenbedingungen ja auch mit einfließen lassen.

  • @Schmunzel. Das mit den Äpfel udn Birnen hatten wir schon mal.
    Es geht hier nicht darum, was es gibt, sondenr was wir uns vorstellen/wünschen würden, damit der RD in Deutschland nicht kollabiert oder an Qualität verliert. Siehe auch Initialpost von Daniel.


    Wir (NRW, Rettungsdienstfeuerwehr mit guter Aussstattung und interessantem Einsatzspektrum) haben gegenwärtig (wie eig immer schon die letzten Jahre) Minusstellen. Gibt nicht genug Bewerber und die Bewerber die es gibt können nicht mal ihre Bewerbungen richtig schreiben. Ähnlich sieht es mit den Jahrespraktikanten aus...

  • Also bei uns gibt's keinerlei Probleme, da wir selber (3-jährig und bezahlt) ausbilden. Dabei haben wir auf 3 Stellen rund 40 Bewerber aus ganz Deutschland.
    Die Stellen werden, wenn es freie gibt, durch die fertigen Azubis besetzt, somit haben wir Personal, das die Gegend und die Geflogenheiten kennt.


    Wie es bei den anderen HiOrgs im Kreis aussieht weiß ich nicht genau, jedoch scheint es auch weder größere Probleme bei der Besetzung noch großen Überschuss (wenn wir keine freien Stellen haben kommen die allermeisten fertigen Azubis irgendwo im Kreis unter) zu geben.

  • Wie sieht es bei euch denn eigentlich mit freien Stellen aus?
    Also ich meine nicht,dass man der Meinung ist "Wir brauchen mehr Personal", sondern habt ihr wirklich offene Stellen die nicht besetzt werden können?

    Ich kann von meinem ehemaligen Arbeitgeber zumindest berichten, dass es schwer war, meine Stelle sowie die eines Kollegen, der kurz nach mir aufgehört hat, zeitnah zu besetzen. Eine Stelle konnte ab Januar (also drei Monate nach meinem offiziellen Ausscheiden) nachbesetzt werden, was mit der anderen ist weiß ich nicht. Und eigentlich stimmen die Rahmenbedingungen (TVöD, unbefristete Rettungsassistentenstellen).


    Im Norden war es aber auch schon vor zwei Jahren deutlich entspannter für Arbeitssuchende, zurück in NRW sieht es nicht so aus, als würde groß gesucht werden.

    What I cannot create, I do not understand. (Richard Feynman)


    Mein Name ist Hans, das L steht für Gefahr.

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  • Zitat

    sondern habt ihr wirklich offene Stellen die nicht besetzt werden können?

    Offene Stellen haben wir, inwiefern die nicht besetzt werden können ist eine andere Sache. Aber auch Rettungsassistenten, die den Einstellungstest schaffen, wachsen offensichtlich nicht an Bäumen.





    Zitat

    Ne, wir haben Landesrettungsdienstgesetze.. aber keinen
    landeseinheitlichen Retungsdienst.. zumindest nicht in den Bundesländern
    die ich bisher kennen lernen durfte (und das dürften die meisten sein)

    Ich möchte nicht behaupten das der Rettungsdienst in S-H landeseinheitlich ist, aber hier gibt es wenigstens ein einheitliches Erscheinungsbild (Fahrzeuge und zum Großteil auch Kleidung) und das sogar organisationsübergreifend.



    Zitat

    Also bei uns gibt's keinerlei Probleme, da wir selber (3-jährig und bezahlt) ausbilden.

    Machen wir auch und trotzdem haben wir vierteljährliche Einstellungsrunden bei denen manch Wache leer ausgeht.

  • Und eigentlich stimmen die Rahmenbedingungen (TVöD, unbefristete Rettungsassistentenstellen).

    Aus Neugier: Diese stimmenden Rahmenbedingungen drücken sich konkret in welcher TVÖD-Entgeltgruppe aus?


    Gruß

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • So wie es in S-H leider üblich ist: 5. Trotzdem mehr als bei den HiOrgs und vor allem gibt es keine Zeitverträge. Und Geld ist ja nicht alles...

    What I cannot create, I do not understand. (Richard Feynman)


    Mein Name ist Hans, das L steht für Gefahr.

  • So wie es in S-H leider üblich ist: 5. Trotzdem mehr als bei den HiOrgs und vor allem gibt es keine Zeitverträge. Und Geld ist ja nicht alles...

    So etwas dachte ich mir leider schon! 5 sind mindestens 3 EG zu wenig für einen RettAss (meine Meinung). Auch wenn Geld vielleicht nicht alles ist, ist Geld jedoch enorm wichtig um vernünftig leben zu können...


    Gruß

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.