Ehrenamt im Rettungsdienst - Probleme für das Hauptamt

  • Warum die Ehrenamtlichkeit an sich einen negativen Einfluss auf das Ansehen des Berufsbildes haben sollte, erschließt sich mir dagegen überhaupt nicht - auch viele Ärzte engagieren sich ehrenamtlich, sei es in Hilfsorganisationen oder in internationalen Hilfsprojekten. Und bei dieser Berufsgruppe mehrt es sogar das Ansehen des Berufsstandes.


    Beides ist leider überhaupt nicht vergleichbar, da es sich bei Ärzten um eine hoch angesehene Berufsgruppe handelt, über deren Ausbildung (Studium) und Arbeit die Öffentlichkeit relativ gut informiert ist. Was weiß die Öffentlichkeit hingegen über die Arbeit des Rettungsdienstes? Das breite Wissen dürfte ungefähr so aussehen: es gibt Rettungssanitäter, manche machen das hauptberuflich, andere machen das nur am Wochenende und an Feiertagen in ihrer Freizeit. Und dann gab es da noch die Zivis, die heute durch das FSJ und den Bufdi abgelöst wurden. Und im Rettungsdienst wirken Notärzte mit. Ärzte und Rettungsassistenten in diesem Punkt zu vergleichen ist meiner Ansicht nach daher kaum möglich bzw. zeigt einen deutlichen Vorteil auf ärztlicher Seite, was das Ansehen und das Wissen um den Beruf in der Öffentlichkeit anbelangt. Wie oft wurde ich gerade in meinen Anfangsjahren im Rettungsdienst gefragt, ob ich Zivi sei oder das ehrenamtlich mache. Was mich persönlich am meisten erstaunte waren die Reaktionen wenn ich erklärte, dass ich diese Tätigkeit hauptberuflich ausübe. DAS hat mir gezeigt, wo wir stehen und welches Bild in der breiten Öffentlichkeit von uns herrscht.


    Ich sehe nur einen Weg, das Ansehen des Berufsstandes signifikant zu verbessern:


    - eine deutliche Verschärfung hinsichtlich der Zugangsvoraussetzungen zum Berufsbild
    - deutliche höhere Anforderungen an die Ausbildungsstätten und Dozenten
    - längerfristig umfassende Veränderungen hinsichtlich der Ausbildung (evtl. Bachelor-Studium)


    Die absehbare Novelle des RettAssG wird in dieser Hinsicht bei weitem nicht ausreichend sein. Hinzu kommt: Ein Großteil derjenigen selbst ernannten "hauptamtlichen Vollprofis", die heute am lautesten gegen die Ehrenamtlichen wettern, wird unter den von mir skizzierten Rahmenbedingungen bestenfalls noch als Fahrer einsetzbar sein. Schon mal drüber nachgedacht?


    Absolut richtig! Die von dir beschriebenen "hauptamtlichen Vollprofis" sind aber weshalb im Rettungsdienst? Weil es ihnen leicht gemacht wurde und teilweise auch weiterhin gemacht wird. Und weshalb wurde es ihnen leicht gemacht? Weil sich die Ausrichtung und Anforderungen der Qualifikationen im Rettungsdienst in der Vergangenheit maßgeblich an den Belangen des Ehrenamtes orientierten - ich verweise hier nur an das RettAssG.


    Solange das Berufsbild Rettungsassistent aber noch zu 60% von Kollegoiden geprägt wird, die nach rudimentärer Schulbildung & einer kostengünstigen Schmalspur-Berufsausbildung auf die Menschheit losgelassen werden, empfehle ich das Backen ganz, ganz kleiner Brötchen & nach Möglichkeit auch eine realistische Einschätzung der eigenen Position.


    Hierzu verweise ich auf meine Ausführung zuvor. Und bei allem Respekt: der letzte Teil deines Satzes klingt sehr überheblich. Und ohne dir vermutlich darüber im Klaren zu sein, wendest du gerade die gleiche Taktik an, wie sie ärztliche Standesorganisationen uns gegenüber immer wieder gerne anwenden: einer Besserstellung der Rettungsassistenten mit dem Hinweis auf den aktuellen Status quo (der nur teilweise durch die RettAss selbst verschuldet wurde) zu widersprechen. Berufspolitisch kein geschickter Zug und ich bin etwas verwundert, das von dir zu lesen.


    Insofern: Als Teilzeit-Mitarbeiter (hauptberuflich Betriebswirt) mit ehrenamtlichen Wurzeln freue mich auf den nächsten Dienst mit meinem ehrenamtlichen Kollegen (angehender Jurist). Auf dem Auto sitzen dann zwei Lehrrettungsassistenten mit mehrjähriger "Praxiserfahrung" auf allen Rettungsmitteln incl. ITW & Baby-NAW, zertifiziert in diversen "4-Buchstaben-Kursen", beide als Dozenten tätig, mit zahlreichen Weiterbildungen (ab Freitag hoffentlich auch noch Desinfektor ;-) ). Ganz ehrlich: Wir werden uns keinerlei Gedanken darüber machen, welche Auswirkungen unsere Arbeit auf das Ansehen des Berufsstandes hat. Wir werden uns, wie so oft, wahrscheinlich mehr Gedanken darüber machen, welchen Eindruck manch andere Fahrzeugbesatzung bei Ärzten, Patienten und Angehörigen hinterlässt.


    Dieser Absatz könnte ebenfalls dazu dienen, die ewigen Diskussionen zwischen Haupt- und Ehrenamt zu erklären. Um dies besser zu verstehen versuche ich ihn zu übersetzen, wie man ihn aus der Sicht eines Hauptamtlichen lesen könnte:


    Im Hauptberuf bin ich deutlicher besser gestellt, verdiene mehr Geld als ich es mit einer hauptamtlichen Tätigkeit im Rettungsdienst tun würde und kann mir so auch leisten, diverse, kostenpflichtige Weiterbildungen für den Rettungsdienst, für den ich in meiner Freizeit lebe, zu besuchen. Ich habe schon ein paar Dienste auf sämtlichen Rettungsmitteln, die es so gibt, gemacht und kenne mich daher aus. Und hey - ich bin Lehrrettungsassistent und Dozent an einer Rettungsdienstschule! Auch wenn ich den Rettungsdienst nur nebenbei mache habe ich also mehr drauf, als die meisten Hauptamtlichen, über die ich manchmal nur den Kopf schütteln kann.


    Eigentlich müsste man nach deinem Statement denken: wieso besetzen wir den Rettungsdienst nicht grundsätzlich mit super aus- und fortgebildeten, motivierten und erfahrenen Ehrenamtlichen? Das würde dem Rettungsdienst doch einen ungeahnten Qualitätsschub geben, im Vergleich zur Leistung der meisten hauptamtlichen Kolleginnen und Kollegen, die nur in diesem Beruf arbeiten, weil sie zu dumm waren, etwas anderes zu machen oder es sich nicht leisten konnten.


    Ich bin mir eigentlich sicher - gehe zumindest davon aus - dass du es so nicht gemeint hattest. Aber genau so kommt es höchstwahrscheinlich für viele hauptamtliche Kolleginnen und Kollegen rüber und das ist einer der Gründe, weshalb es immer wieder zu der auch von dir so als überflüssig empfundenen Diskussion zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen kommt.


    Ich bin kein Lehrrettungsassistent, kein Dozent an einer Rettungsdienstschule, habe lediglich hauptamtliche Erfahrung auf RTW/KTW und NEF, habe eine "Schmalspurausbildung" zum Rettungsassistenten und auch nicht zahlreiche kostenpflichtige Weiterbildungen absolviert, was den einfachen Grund hat, dass ich es mir als hauptberuflich Tätiger im Rettungsdienst mit Familie einfach nicht immer leisten kann. Nach deinen Ausführungen bin ich also einer der Kollegoiden, die auf die Menschheit losgelassen werden und das auch noch hauptberuflich.
    Dennoch behaupte ich von mir, ein ambitionierter, guter Rettungsassistent zu sein, der sich für sein Berufsbild und die Weiterentwicklung des Rettungsdienstes einsetzt, weil ich die Mängel und Unzulänglichkeiten aus erster Reihe sehe. Und diese sind nun einmal auch immer wieder mit dem Thema Ehrenamt verknüpft.


    Was wäre ich froh um einige ehrenamtliche Mitarbeiter, die den Stellenplan nicht wirklich belasten, die mich leichter einen besseren und kollegenfreundlicheren Dienstplan machen lassen würden, aber die (im Durchschnitt gesehen) die gleiche Arbeit mit dem gleichen Erfolg verrichten wie die hauptberuflichen Kollegen. Und keiner meiner MitarbeiterInnen würde in Ihnen eine Bedrohung für seinen Arbeitsplatz oder sein Ansehen sehen. Im Übrigen auch nicht in der Kollegin, die während ihrer Elternzeit als gfB 3 Schichten im Monat abdeckt.


    Wenn deinem Arbeitgeber durch die Kostenträger das Personalbudget gekürzt werden würde mit der Forderung, X-Personalstunden mit Ehrenamtlichen aufzufangen, würde sich dein Wunsch vermutlich ganz schnell in Wohlgefallen auflösen. Insbesondere dann wenn du plötzlich merkst, dass man mit dem Einsatz von Ehrenamtlichen nicht wirklich zuverlässig planen kann.

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Ich glaube, es werden hier auch immer zwei Dinge vermischt:


    • die Qualifikation bzw. Professionalität der Ehrenamtlichen im Vergleich mit den Hauptamtlichen
    • die berufspolitischen Auswirkungen bzw. die Arbeitsbedingungen für Hauptamtliche durch den Einsatz Ehrenamtlicher


    Man muss beides voneinander getrennt sehen.


    Persönlich - und das habe ich schon mehrfach erwähnt - arbeite ich gerne mit motivierten und engagierten ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen zusammen. Sie sind oftmals eine Bereicherung und bringen durchaus auch immer wieder mal frischen Wind in den Alltag. Auch traue ich so manchem ehrenamtlichen Kollegen mehr zu, als so manchem hauptamtlichen Kollegen. Ich denke es ist allen hier bewusst, dass die Form der Anstellung nicht zwingend über die Qualität der Arbeit entscheidet. Natürlich spielt gerade im Rettungsdienst die Erfahrung eine sehr große Rolle, aber was nutzt die Erfahrung, wenn man daraus nicht die richtigen Schlüsse ziehen und umsetzen kann?


    Berufspolitisch gesehen hat das Ehrenamt aber bislang überwiegend Nachteile für das Hauptamt gebracht - angefangen bei der Berufsausbildung für Rettungsassistenten, damit verbunden die Bezahlung und letztlich die Stellenbesetzung. Was die Arbeitsbedingungen für die HA betrifft: natürlich freuen sich die Hauptamtlichen über einen Ehrenamtlichen, der ihnen einen Dienst abnimmt. Es bleibt ihnen aber auch oft gar nichts anderes übrig, denn dort, wo die Ehrenamtlichen eingesetzt werden, gibt es oft schlicht zu wenig hauptamtliches Personal, um benötigten Urlaub oder Krankheit entsprechend auffangen zu können. Da ist man dann um jeden ehrenamtlichen Kollegen froh, der einen Dienst übernehmen kann.

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Zitat

    Da Zoidberg mir mit seiner Antwort zuvor kam, verweise ich einfach auf sein Beschreibung der Arbeitsbedingungen in der RKiSH.

    Warte wenn ich jetzt die Arbeitsbedingungen in einem Rettungdienstbereiche beschreibe die besser sind als die der RKiSH habe ich Recht ?
    Das im Süden wo es die bösen Ehrenamtlichen gibt, viel schlechtere Arbeitsbedingungen und weit schlechteres Lohngefüge herrscht,
    kennt er nur vom Hörensagen. Es müsste sich ja Schwarz auf Weiß einfachst belegen lassen, das der Durchschnittsverdienst in Bereichen
    ohne Ehrenamtliche wesentlich von den Bereichen mit Ehrenamtlichen abweicht. Ich für meinen Teil kann in meinem Gebiet genau das Gegenteil
    feststellen, nur deswegen Maße ich mir nicht an dies als grundsätzlich gültig festzulegen.


    http://www.gehaltsvergleich.co…-Rettungsassistentin.html spricht eine andere Sprache, auch wenn ich dieses
    Zahlenmaterial für gänzlich ungeeignet halte irgendwelche Beweise anzutreten.


    Zitat

    Nein, kein hauptamtlicher KatS. Eine SEG aus hauptamlichen Kräften. HA Mitarbeiter wurden mit DME ausgestattet und werden im Einsatzfall bezahlt. Das Finanzierungskonzept muss ich nicht haben, ich kann dir aber versichern das es funktioniert.


    Ah du würdest also Hauptamtliche dazu verpflichten, in ihrer Freizeit/Urlaub trotzdem alamierbar zu sein. Gratuliere damit hättest du die Forderung nach ehrenamtlicher Mitarbeit (die halt per Aufwandsentschädigung bezahlt wird) durch die Hintertüre eingeführt, ja sogar explizit gefordert.


    Zitat

    Praktikanten aus dem KatS sind nicht nur geduldet, sondern gern gesehen

    Da sie ja alle Hauptamtlich sind, braucht es das ja nicht mehr. Dummerweise wurde aber die Mitwirkung auch als dritter abgelehnt.

  • Mir geht diese Diskussion nur punktuell auf den Geist. Im Großen und Ganzen zeigt das Aufflammen dieses Themas hier und dort ja, dass es nach wie vor aktuell ist und sich eben viele Leute Gedanken darüber machen.
    Ich selbst kenne - wie viele von uns - beide Seiten der Medaille und denke, dass viele Differenzen zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen mehr oder weniger in der unterschiedlichen Perspektive begründet sind. Da wäre zum Beispiel das Argument mit der Routine. Und es stimmt. Meine Leistung im Rettungsdienst hat ein erstes lokales Maximum erfahren, als ich vor mehr als 10 Jahren Rettungsassistent im Praktikum war, die erste Vollzeit-Tätigkeit in meinem Leben. Irgendwann kannte ich mein Fahrzeug auswendig, mein Patienten-Handling wurde gezielter, besser, mein Einschätzungsvermögen schärfte sich mit der zunehmenden Routine, und sogar meine Ortskenntnis wurde passabel [keine Sprüche bitte]. Ich machte darüber hinaus eine Erfahrung, die mir in der Retrospektive zunächst negativ vorgekommen ist: Ich war eine zeitlang wirklich ein wenig überheblich und habe es vor allem ausgelassen an geringer qualifizierten Ehrenamtlichen. Das nennt man wohl einen Höhenflug. Jetzt sehe ich das etwas lockerer, denn Höhenflüge sind ja was ganz normales und kommen in allen Branchen vor. Sie enden regelhaft mit sogenannten Dämpfern.
    Nach meinem Anerkennungsjahr flaute meine Routine ab, und ich merkte, dass ich tatsächlich unsicherer wurde. Nach ein paar Wochen Pause brauchte ich tatsächlich wieder länger für die Einsätze, und wieder war es so, dass die Routine meine Performance verbessert hat. Nun bin ich der Großvater. Ich bin hauptamtlich, ich bin routiniert. Und in den letzten Jahren merke ich zunehmend, dass Routine und Einsatzerfahrung auch Nachteile haben. Das mit dem psychiatrischen Patienten, der weiter oben geschildert wurde, ist ein treffendes Beispiel dafür. In meiner Zeit auf dem Freizeit-RTW am Edersee hätte ich mich über den Einsatz gefreut und mich mit Enthusiasmus ins Zeug gelegt. Man wartete ja schließlich auf jeden Einsatz. Ich wäre mit einer Engelsgeduld und mit Spaß bei der Sache gewesen. Einige hundert solcher Patienten später hat sich mein Weltbild tatsächlich etwas gewandelt. Heute weiß ich, dass es nicht nur professionelle Retter, sondern auch professionelle Patienten gibt. Patienten, die sich in der psychischen Betreuung eingerichtet haben wie in einem bequemen Daunenbett. Die ihren sekundären Krankheitsgewinn auskosten und in die Länge ziehen wie ein erfahrener Liebhaber. Das soll im Übrigen kein Schuldvorwurf sein, denn die Gesellschaft mit ihrem Gesundheitswesen bestärkt den Profipatienten in seinem Verhalten, und wer hat nicht gern menschliche Wärme um sich herum. Aber mit den Jahren schärft sich der Blick für diesen Teil des Patientengutes. Wer dreimal die Woche fährt, geht einem halt irgendwann auf die Nerven, und ich bin ehrlich gesagt manchmal angewidert davon, dass mich routinierte Patienten dahingehend taxieren, wie gut ich es ihnen jetzt mit meiner Betreuung besorge. Mir hat sogar mal ein Patient gesagt, dass ich mit der Körpersprache, die ich ihm präsentiere, keinen Blumentopf gewinnen würde. Da hatte er wahrscheinlich recht. Er meinte zur Leitstelle, dass wir ihn an der Tankstelle gegenüber abholen sollten, damit seine Freundin nichts merkt. Da kann man sich schonmal instrumentalisiert fühlen, oder? Und das ist der Nachteil jahrelanger Routine. Ich spüre eine gewisse Tendenz dazu, in manchen Situationen die Professionalität sausen zu lassen, weil ich mit manchen Verhaltensweisen einfach bis zur Hutkrempe übersättigt bin. Und ich profitiere dann vom Ehrenamtlichen, weil er (oder sie) meistens weniger Probleme mit solchen Situationen hat und eine Vermittlerrolle einnimmt und es mir damit erleichtert, durch solche Einsätze zu kommen. Manchmal beneide ich die ehrenamtlichen KollegInnen geradezu für ihr Engagement, das mir bei bestimmten Sachen einfach so allmählich schwindet. Totalausfälle wie Patienten allein im Patientenraum zu lassen dürfen natülich auf keinen Fall vorkommen. Aber dass man von bestimmten Dingen die Schnauze voll hat, ist ja auch menschlich.
    Mit professioneller Routine wird man sensibler für Situationen, in denen man instrumentalisiert wird. Dies ist die zweite Kehrseite des Professionalismus. Flächendeckender Rettungsdienst mit verbindlichen Regeln zu Qualifikation, Ausstattung und Hilfsfrist usw. implizieren auch eine Institutionalisierung der Hilfe, die vom moralischen Wert der Hilfe an sich ablenkt. Wenn man bezahlt wird, wird man nicht mehr unbedingt als guter Samariter wahrgenommen. Entgeltliche Hilfe gilt als abgegolten mit dem Entgelt. Jemandem, der dafür bezahlt wird, braucht man nicht mehr zu danken. Im Gegenteil, man stellt Ansprüche an die Hilfe und macht Abstriche beim eigenen Verhalten gegenüber dem Hilfe leistenden. Das soll keineswegs heißen, dass Rettungsdienst nicht eine Hilfeleistung wie alle anderen auch ist oder dass man irgendwie besser ist als alle anderen Menschen. Ich habe aber das Gefühl, dass den Menschen die Tatsache, dass wir als Zivildienstleistende gezwungen sind oder als Profis bezahlt werden, zur Entschuldigung gereicht, den Retter auf seine Arbeit zu reduzieren und auf jeglichen Respekt im Umgang zu verzichten. Man sagt oft "Am Anfang stand die Berufswahl", und das stimmt auf eine Weise, die damit selten gemeint ist. Wer in einen sozialen Beruf geht, trifft ja tatsächlich eine Wahl, und ich kenne niemanden, der am Anfang nicht mit Enthusiasmus, Idealismus und anderen -ismen an die Sache herangeht. Die Verbitterung kommt halt erst später, wenn man ein paar Jahre lang als Krankenwagenfahrer und Gepäckträger wahrgenommen wurde. Im Umkehrschluss sollte man sich an die Ideen der Aufklärung erinnern und selbst davon absehen, andere auf ihre Tätigkeit zu reduzieren. Wer sich über außergewöhnlich auffallende Einsatzkleidung dadurch lustig macht, dass er die Träger mit "Müllmännern" vergleicht, kann sich kaum darüber beschweren, dass er von anderen als Krankenwagenfahrer bezeichnet wird. Wir verlieren den Menschen zu leicht aus den Augen, wenn wir ihn nach seiner Rolle in der Gesellschaft einordnen, egal ob Müllmänner, Bäcker oder Krankenwagenfahrer. Das gilt auch und erst recht für das Verhältnis Ehrenamtlicher zu den hauptamtlichen KollegInnen. Ich erwische mich selbst hin und wieder dabei, dass ich mich über manche Ehrenamtlichen lustig mache, nur weil die mein Handwerk nicht so beherrschen wie ich. Eigentlich ist das genau so schlecht wie die Abqualifizierung der Hauptamtlichen, die 1989 umgeschrieben wurden und sich seitdem nicht weiterentwickelt haben. Marx sagte, dass es in seiner idealen Gesellschaft keine Maler geben würde, sondern nur Menschen, die unter anderem auch malen. Davon abgesehen, dass sein Gesellschaftsprojekt offensichtlich schiefgegangen ist, finde ich das einen guten Ansatz, der ja in Wahrheit von Immanuel Kant stammt.
    Die historischen Wurzeln sollte man auch auf der Ebene der Organisationen nicht vergessen. Wenn Ehrenamtliche vor 60 Jahren nicht angefangen hätten, VW-Busse mit Liegen und Verbandkästen auszustatten, hätte ich heute nicht diesen Arbeitgeber, und das dürfte auf einen erheblichen Teil der Hauptamtlichen zutreffen. Letztlich beschäftigen uns die Ehrenamtlichen, damit wir wochentags das tun, wozu sie einfach keine Zeit haben, weil sie einem anderen Beruf nachgehen. Das ist natürlich kein Argmument gegen die Professionalisierung des Rettungsdienstes, sollte einen aber davon abhalten, Ehrenamtliche pauschal abzulehnen. Und dass der Ehrenamtliche nach wie vor einen hohen Stellenwert hat, wurde ja ebenfalls schon gesagt. Wir profitieren davon, wenn Schnelleinsatzgruppen oder Sanitätsdienste von Menschen bestritten werden, die einen Teil ihrer Freizeit auf dem RTW verbringen, als welcher Teil der Besatzung auch immer. Ich gehe auch mal grundsätzlich davon aus, dass sich ein jeder eigenverantwortlich prüft, ob er für diesen Job geeignet ist - diesen Job, der punktuell immer höhere Anforderungen stellt (während das Gros der Einsätze einen immer weniger fordert) - durch den medizinischen Forschungsfortschritt, der dazu führt, dass ich immer mehr Leitlinien kennen sollte, die Technisierung, das Fortschreiten der Volkskrankheiten usw. Rettungsdienst ist tatsächlich nicht wie Angeln (s.o.). Dabei muss ein geringer qualifizierter oder weniger routinierter Ehrenamtlicher nicht per se schlecht sein. Ich kann mit einem RS auch dann eine vernünftige Teamleistung abliefern, wenn der RS nicht intubiert, keine Nadeln legt und sich mit Medikamenten nur in Grundzügen auskennt. Mein Respekt gilt gerade denjenigen RettungsasisstentInnen, die fordern, dass sie nur mit erfahrenen hauptamtlichen KollegInnen eingesetzt werden. Grundsätzlich sind auch die Dienstgeber in der Pflicht, ihre MitarbeiterInnen auf die fortlaufende Eignung hin zu überprüfen und Ungeeignete, egal ob haupt- oder ehrenamtliche, zu identifizieren und adäqut zu reagieren. Das Ehrenamt bereichert im Übrigen auch die alltägliche Interaktion und sorgt auch auf menschlicher Ebene für Abwechslung. Wer kann schon von sich behaupten, dass er heute mit einem Lehrer und morgen mit einem Rechtsanwalt arbeitet?
    Dass Ehrenamtliche Stellen im Rettungsdienst besetzen, sehe ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Es ist natürlich schön, wenn sich sozialversicherungspflichtige Jobangebote mehren - und dass hier und da Stellen durch ehrenamtliche Arbeit solche Jobs kaputt machen, das ist wohl eine Tatsache - ob das quantitativ erheblich ist, kann ich nicht beurteilen. Wie dem auch sei, wenn man der Oma verbietet, ihrem Enkel Pullis zu stricken, würden in der Textilindustrie auch sozialversicherungspflichtige Jobs entstehen. Das heißt aber nicht, dass die Oma verachtenswert ist. Was ich bedenklich finde sind Kostenträger, die aus Kostengründen bestimmte Ehrenamtlichen-Quoten fordern. Diese Forderung pervertiert das Ehrenamt und ist inakzeptabel.

  • Ich verfolge nicht die komplette Diskussion, weil mich die Thematik nicht mehr betrifft; dennoch
    zum letzten Beitrag von Rivendel
    im stationären Gesundheitswesen, sprich Kliniken, sind bezahlte Rufbereitschaften für die dort beschäftigten MitarbeiterInnen seit Jahrzehnten gang und gäbe.
    Kein OP, keine Endoskopie, kein Herzkatheterplatz usw. wird in den Nachtstunden und am Wochenende oder Feiertagen von freiwilligen HelferInnen besetzt.
    Die Wahrscheinlichkeit eines SEG-Einsatzes dürfte wesentlich geringer sein wie ein Rufbereitschaftsdienst in der lauesten Form.
    Eine entsprechende Vergütung bzw. arbeitsvertragliche Regelung vorausgesetzt, dürfte es kein Problem sein, gerade RD-Komponenten im Rahmen eines SEG-Einsatzes mit üblicherweise hauptberuflichen RA + RS zu besetzen.


    Bei einem MANV sollten alle zur Verfügung stehenden Ressourcen genutzt werden.
    Warum sollen hochqualifizierte MitarbeiterInnen ungenutzt in der Freizeit bleiben, während freiwillige HelferInnen/MitarbeiterInnen mit idR. weniger Erfahrung zum Einsatz hechten ?-(


    Bitte jetzt um Gottes Willen nicht das Argument mit Arbeitsschutzgesetz etc. :nein:
    Wenn dies für hauptberufliche MitarbeiterInnen angelegt wird, müsste dies im gleichen Maß auch für freiwillige HelferInnen gelten.
    Ein Blick über den Tellerrand zeigt dann ganz schnell, daß ein Großteil der Freiwilligen Feuerwehren in -D- von 16:00 - 24:00 Uhr werktgl. eigentlich nicht zur Verfügung stehen würde.

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?

  • im stationären Gesundheitswesen, sprich Kliniken, sind bezahlte Rufbereitschaften für die dort beschäftigten MitarbeiterInnen seit Jahrzehnten gang und gäbe.


    Ich kann den entsprechenden Absatz auf die Schnelle nicht finden, aber laut DRK-Tarifvertrag sind auch die Hauptamtlichen dazu verpflichtet, im Großschadensfall ihre Arbeitskraft in der Freizeit zur Verfügung zu stellen. Natürlich nicht ehrenamtlich.

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.


  • Daniel, da hast du Recht. Und darüber möchte ich auch gar nicht streiten. Das ist eine Problematik, die ich durchaus auf dem Schirm habe.

    We are the pilgrims, master; we shall go always a little further.

  • Beides ist leider überhaupt nicht vergleichbar, da es sich bei Ärzten um eine hoch angesehene Berufsgruppe handelt, über deren Ausbildung (Studium) und Arbeit die Öffentlichkeit relativ gut informiert ist. Was weiß die Öffentlichkeit hingegen über die Arbeit des Rettungsdienstes?


    Da mag es große Unterschiede geben. Aber ich glaube, Du unterschätzt die Öffentlichkeit - ich nehme unsere Mitmenschen zumindest in den letzten 3-4 Jahren als zunehmend besser informiert war.


    Die von dir beschriebenen "hauptamtlichen Vollprofis" sind aber weshalb im Rettungsdienst? Weil es ihnen leicht gemacht wurde und teilweise auch weiterhin gemacht wird.


    Womit auch Du indirekt bestätigst, dass es dieses Phänomen gibt ;-)


    Und weshalb wurde es ihnen leicht gemacht? Weil sich die Ausrichtung und Anforderungen der Qualifikationen im Rettungsdienst in der Vergangenheit maßgeblich an den Belangen des Ehrenamtes orientierten - ich verweise hier nur an das RettAssG.


    Mag sein. Daran sind aber nicht "die Ehrenamtlichen" schuld. Zudem gab es ganz sicher auch andere Interessengruppen, die für die derzeitige Malaise zur (Mit-) Verantwortung gezogen werden müssen. Die Gesetzesbegründung zum heutigen RettAssG liefert da den einen oder anderen ziemlich eindeutigen Hinweis.


    Und ohne dir vermutlich darüber im Klaren zu sein, wendest du gerade die gleiche Taktik an, wie sie ärztliche Standesorganisationen uns gegenüber immer wieder gerne anwenden: einer Besserstellung der Rettungsassistenten mit dem Hinweis auf den aktuellen Status quo (der nur teilweise durch die RettAss selbst verschuldet wurde) zu widersprechen. Berufspolitisch kein geschickter Zug und ich bin etwas verwundert, das von dir zu lesen.


    Daniel, ich denke Du weist, wo ich berufspolitisch stehe. Aber ein gewisser Realitätssinn hat noch niemandem geschadet, selbst wenn man ansonsten so radikale Thesen vertritt wie ich ;-)


    Dieser Absatz könnte ebenfalls dazu dienen, die ewigen Diskussionen zwischen Haupt- und Ehrenamt zu erklären. Um dies besser zu verstehen versuche ich ihn zu übersetzen, wie man ihn aus der Sicht eines Hauptamtlichen lesen könnte:


    Im Hauptberuf bin ich deutlicher besser gestellt, verdiene mehr Geld als ich es mit einer hauptamtlichen Tätigkeit im Rettungsdienst tun würde und kann mir so auch leisten, diverse, kostenpflichtige Weiterbildungen für den Rettungsdienst, für den ich in meiner Freizeit lebe, zu besuchen. Ich habe schon ein paar Dienste auf sämtlichen Rettungsmitteln, die es so gibt, gemacht und kenne mich daher aus. Und hey - ich bin Lehrrettungsassistent und Dozent an einer Rettungsdienstschule! Auch wenn ich den Rettungsdienst nur nebenbei mache habe ich also mehr drauf, als die meisten Hauptamtlichen, über die ich manchmal nur den Kopf schütteln kann.


    Wenn ich das hätte zum Ausdruck bringen wollen, hätte ich es exakt so geschrieben. Nein, mir ging es darum, deutlich zu machen, dass es auch im Ehrenamt Menschen gibt, die einfach nur professionell Ihren Job machen. Nur noch mal am Rande: Ich bin NICHT ehrenamtlich im Rettungsdienst tätig. Weil ich es unter berufspolitischen Gesichtspunkten auch nicht gerade sehr glücklich finde. Aber deswegen muss ich mich ja noch lange nicht bei jeder Gelegenheit negativ über meine ehrenamtlich tätigen Kollegen auslassen. Ganz im Gegenteil, mit den meisten arbeite ich sehr gerne zusammen - weil sie ebenso motiviert wie qualifiziert sind.


    Ich bin mir eigentlich sicher - gehe zumindest davon aus - dass du es so nicht gemeint hattest. Aber genau so kommt es höchstwahrscheinlich für viele hauptamtliche Kolleginnen und Kollegen rüber und das ist einer der Gründe, weshalb es immer wieder zu der auch von dir so als überflüssig empfundenen Diskussion zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen kommt.


    s.o.; ergänzend: Um meine Zeilen so zu interpretieren, wie Du es (absichtlich) getan hast, müsste man schon ein erhebliches Problem mit seinem Selbstwertgefühl haben.


    Nach deinen Ausführungen bin ich also einer der Kollegoiden, die auf die Menschheit losgelassen werden und das auch noch hauptberuflich.


    Ganz sicher nicht. Ich glaube, alle an dieser Diskussion Beteiligten wissen sehr genau, von welchem Personenkreis hier die Rede ist.



    Letztlich wollte ich - unter anderem - auch genau das zum Ausdruck bringen. Aus der Art des Beschäftigungsverhältnisses auf das Qualifikationsniveau zu schließen, verbietet sich m.E. vollständig. Vielleicht ist manch Hauptamtlicher bereits am Anfang seiner rettungsdienstlichen Karriere schon richtig fit, weil er zusätzlich zu seiner Ausbildung auf viele jahre ehrenamtlichen Engagements zurückblicken kann?
    Ob die Mitwirkung Ehrenamtlicher im RD berufspolitisch günstig ist oder eben nicht, ist eine ganz andere Frage. Auch ich sehe das etwas kritisch, breche deswegen aber noch lange keine Grabenkriege vom Zaun...unser Berufsbild hat wahrlich andere Probleme. Dazu zählen auch qualitativ fragwürdige Rettungsassistentenschulen, die den Markt mit noch fragwürdigeren Absolventen fluten. Und auf einem solchen (Teil-) Arbeitsmarkt - großes Angebot, wenig Nachfrage - werden naturgemäß keine Traumgagen gezahlt. Nun mal eine ganz provokante These: Ein Hauptamtlicher, der für 2100,00 Euro brutto im Monat arbeiten geht, richtet (im Hinblick auf das Lohnniveau) berufspolitisch weit mehr Schaden an, als 5 Ehrenamtliche!


    Im Übrigen glaube ich auch nicht, dass die "Androhung" des Einsatzes von Ehrenamtlichen durch GF/LtrRD irgendwelchen Einfluss auf das Lohnniveau der hauptamtlichen Mitarbeiter hat. Denn 1. dürfte es in der Fläche kaum genug qualifizierte & "frei verfügbare" Ehrenamtliche geben und 2. selbst wenn, dann dürften die entsprechenden Einflüsse auf das Lohnniveau minimal sein - weil man eben unmöglich ALLE Schichten mit Ehrenamtlichen besetzen könnte. Insofern müssten also für die nicht zu besetzenden Schichten (z.B. Tagdienste unter der Woche) deutlich höhere Vergütungen gezahlt werden. Dies ist aber nicht der Fall. Warum nicht? Ganz einfach: Weil genug Absolventen fragwürdiger RA-Schulen auf der Straße stehen, die sich nach 2100 euro die Finger lecken.
    Dieser Sumpf muss als allererstes trocken gelegt werden, dann steigen die Gehälter von alleine.


    @res cogitans: Ein schöner, differenzierender Beitrag. Danke!

  • ...ist für mich als Angestellten einer großen HiOrg Gang und Gäbe, da diese Kollegen wie bereits von Daniel erwähnt insbesondere in der Urlaubszeit oder aber an Wochenenden eingesetzt werden - oft auf eigenen Wunsch, was einem sehr großen Entgegenkommen gegenüber hauptamtlichen Mitarbeitern z.B. mit Familie gleichzusetzen ist. Ich kenne diese Kollegen alle gut aus jahrelanger Erfahrung in der Zusammenarbeit und weiß deren individuelle Skills und damit erwartbare Leistung dieser Kollegen einzuschätzen und einzusetzen. Zu wissen was sich in den Ortsgliederungen und im (ehrenamtlichen) Vorstand tut, dessen Entscheidungen meine Arbeitswelt direkt beeinflussen ist ebenso wichtig und ich habe kein Problem damit, wenn punktuell ehrenamtliche Kollegen mitarbeiten. Wir haben mittlerweile ein sehr hohes Anforderungsprofil in der Präklinik und es wird nicht einfacher sondern schwieriger, damit Schritt zu halten, weshalb ich den Einsatz von Ehrenamtlichen als Verantwortlicher auf dem RTW individuell von Erfahrung, Routine und Persönlichkeizsstruktur abhängig machen würde. Bei uns findet dies in der Regelrettung allerdings nicht statt und es wird von den Kollegen bislang auch nicht gewünscht. Trotzdem empfinde ich deren Mitarbeit als Bereicherung (das mag aber auch an unserem speziellen Personenkreis liegen...)


    Was nun das Ehrenamt per se angeht, so dürfte jedem klar sein, dass es ohne derartiges Engagement keine Gesellschaft wie die unsere geben könnte! Die Frage, welche zu stellen berechtigt ist bleibt aber, ob es unbedingt in einem sich in punkto notwendigen Kenntnissen und Skills stetig weiterentwickelnden Sektor wie der Notfallmedizin stattfinden muss, oder ob andere Betätigungsfelder nicht sinnvoller wären.


    @shavakur: Ich schätze deine Äußerungen sonst durchaus, aber hier bist du ein wenig zu weit galloppiert, denn DER Spieß lässt sich aus meiner Sicht auch genausogut umdrehen. Dass ich den hauptamtlichen Vollpfosten gegenüber genausowenig tolerant bin, dürftest du ja inzwischen gemerkt haben.

    Unter den Blinden ist der Einäugige der Arsch - er muss allen Anderen vorlesen...

  • Berufspolitisch gesehen hat das Ehrenamt aber bislang überwiegend Nachteile für das Hauptamt gebracht


    Gestatte mir - als jemandem, den die Arbeitsbedingungen im Rettungsdienst zugegebenermaßen nicht betreffen -, den Advocatus diaboli zu spielen: Berufspolitik sollte sich doch eher mit dem Berufsbild befassen als mit der Ausübungsform, oder? Ich möchte ja auch, dass ein ehrenamtlich tätiger Arzt (oder Anwalt) die an ihn gerichteten beruflichen Anforderungen erfüllt.

  • Zu besetzende Stellen bzw. die entsprechende Vorhaltung ist erst einmal keine Frage des Geldes, sondern der Notwendigkeit. Unter anderem daraus ergeben sich die Kosten des Rettungsdienstes, die von den Kostenträgern zu finanzieren sind.


    Begrenzte Mittel führen aber nicht selten zu einer Neudefinition von Notwendigkeiten. Gerade das Gesundheitswesen ist ein ganz gutes Beispiel, aber man kannd as an vielen Stellen beobachten: Es ist ein ganz normaler ökonomischer Grundsatz, weil man jeden Taler nur einmal ausgeben kann.



    Ich würde sagen, der Kuchen wird an einigen Orten bewusst klein gebacken, obwohl genug Zutaten im Lager wären. Die diversen Beispiele gerade auch in Schleswig-Holstein zeigen doch, dass auch ohne große Einbindung des Ehrenamts in den Regelrettungsdienst kostendeckend gearbeitet werden kann. Zu besseren Arbeitskonditionen (echte RettAss-Verträge). Wieso geht das dort, aber anderswo nicht?


    Wieso es anderswo nicht geht, kann ich mangels Kenntnis von Einzelheiten nicht bewerten. Kostendeckend arbeitet der Rettungsdienst nie, das ist ja auch nicht sein Finanzierungsprinzip. Vielmehr werden die entstehenden Kosten gedeckt, egal wie hoch sie sind.

  • Ein wichtiges Argument der Ehrenamtlichen Seite für den Fortbestand ihrer Schichten im Rettungsdienst ist die Übung der Situation im Katastrophenfall, nämlich bestmögliche Behandlung von Patienten. Dies ist auch einer der Gründe, weshalb ich ein Verfechter bin, dass ehrenamtliche Engagement nicht vollständig aus den hauptamtlchen Rettungswachen auszusperren. Inwiefern dieser ehrenamtliche Einsatz erfolgt (zweiter oder dritter Mann), sei erstmal dahingestellt.


    Auf der anderen Seite sehe ich aber auch die Argumentation der hauptamtlichen, die fürchten, dass durch die ehrenamtlichen Jobs vernichtet/verhindert bzw. Gehälter (Wochenendzuschlag, Nachtdienstzuschlag) gedrückt werden.


    Hier in meiner Heimatstadt ist es so, dass der Einsatz von ehrenamtlichen Kräften, mit der Mindestqualifikation RS (was hier realtiv wenige sind) am Wochenende auf der Wache der Berufsfeuerwehr erfolgt. Diese Kräfte besetzen dort reihum (DRK, JUH, MHD) einen KTW, wofür eigentlich am Wochenende keine Besatzung vorgesehen ist, da dies anhand der Einsatzzahlen, nicht zwingend erforderlich wäre. Die anfallenden Krankentransporte würde dann einer der RTW´s übernehmen. Zudem ist dieser Einsatz freiwillig, sprich entweder finden sich zwei Leute und der Wagen steht zur Verfügung, oder es finden sich eben keine und der Wagen bleibt eben auf Status 6.


    Ich halte es aber auf jeden Fall für falsch, den ehrenamtlichen vorzuhalten, sie hätten nichts mit der Patientenversorgung bei einem MANV zu tun. Dies ist einfach falsch! Wir hatten erst an Karneval den Fall, dass der Regelrettungsdienst bereits bei einer relativ kleinen öffentlichen Feier die Sicherheit nicht mehr gewährleisten konnte und eine SEG-Komponente alarmiert wurde. Diese fuhren an diesem Tag mit ca. 6 Fahrzeugen 3 - 5 (Notfall)transporte, die der Rettungsdienst erst später hätte behandeln können. Hier wurde durch die ehrenamtlichen gute Hilfe geleistet, weil sie den Patientenkontakt gewohnt waren. Deshalb halte ich die Integration in den Rettungsdienst weiter für sehr wichtig.

  • Ich schätze deine Äußerungen sonst durchaus, aber hier bist du ein wenig zu weit galloppiert, denn DER Spieß lässt sich aus meiner Sicht auch genausogut umdrehen. Dass ich den hauptamtlichen Vollpfosten gegenüber genausowenig tolerant bin, dürftest du ja inzwischen gemerkt haben.


    Klar geht das. Diesen Spieß kann man endlos drehen, ohne dass man zu einem verwertbaren Ergebnis kommt. Insofern sollten wir (als Berufsstand) uns eher mit den Spießchen beschäftigen, auf denen auch etwas Grillwürdiges draufsteckt ;-)
    Das Ergebnis einer jeden Diskussion zu diesem Thema kann nur lauten: Es gibt ehrenamtliche Vollpfosten, es gibt hauptamtliche Vollpfosten, es gibt gute Argumente gegen eine ehrenamtliche Tätigkeit im RD, aber eben auch einige dafür. Und nun? Mein Eindruck ist, dass der Einsatz Ehrenamtlicher kontinuierlich zurückgeht, dieses Problem dürfte sich also mit der Zeit von selbst lösen. Zumal auch die allgemeinen "Umfeldbedingungen" (Ausschreibungen / Rekommunalisierungen) erhebliche Auswirkungen auf die Zahl der ehrenamtlichen Mitarbeiter im RD haben dürften.
    Wenn man den von mir vorgeschlagenen Weg geht, schlägt man gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe:


    - höhere Personalqualität
    - höheres Gehalt
    - höhere Arbeitszufriedenheit durch ein dann vermutlich auch anspruchsvolleres Aufgabengebiet & höheres Ansehen in der Gesellschaft
    - weniger Ehrenamtliche! Den höheren Anforderungen wird nämlich nur noch eine Hand voll Ehrenamtlicher gerecht werden können


    Die Arbeit im Rettungsdienst ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, wobei das Maß an Verantwortung in naher Zukunft wahrscheinlich noch erheblich steigen wird. ABER: Wenn sich unser Berufsstand weiter entwickeln soll, müssen alle Beteiligten gemeinsam nach vorne schauen und eine Zukunftsvision entwerfen, anstatt sich in kleinlichen Grabenkriegen gegenseitig durch den Wolf zu drehen. Unser Berufsverband hat hier schon viel erreicht & ist meines Erachtens auf einem sehr guten Weg. Werdet Mitglied!

  • Hier in meiner Heimatstadt ist es so, dass der Einsatz von ehrenamtlichen Kräften, mit der Mindestqualifikation RS (was hier realtiv wenige sind) am Wochenende auf der Wache der Berufsfeuerwehr erfolgt. Diese Kräfte besetzen dort reihum (DRK, JUH, MHD) einen KTW, wofür eigentlich am Wochenende keine Besatzung vorgesehen ist, da dies anhand der Einsatzzahlen, nicht zwingend erforderlich wäre. Die anfallenden Krankentransporte würde dann einer der RTW´s übernehmen. Zudem ist dieser Einsatz freiwillig, sprich entweder finden sich zwei Leute und der Wagen steht zur Verfügung, oder es finden sich eben keine und der Wagen bleibt eben auf Status 6.


    Eigentlich keine schlechte Lösung! Ich glaube ich weiß auch, welche Stadt das ist (Trier?).

  • Kein Hellseher ;-) Bin öfter in der Gegend unterwegs & sitze zudem gerade mit einem Kollegen aus Trier im Desinfektoren-Lehrgang. Abgesehen davon gibt's in RLP ja nicht allzu viele Städte, in denen eine BF am Rettungsdienst beteiligt ist ;-)

  • Stimmt. Wenn ich mal von Trier absehe gibt es in Rheinland-Pfalz keine BF, die sich so wie unsere im RD engagiert. 3 RTW´s und 6 KTW´s sind ja schonmal ne Hausnummer. (sorry ich weiß hat nichts mit dem Thema zu tun)

  • - höhere Personalqualität
    - höheres Gehalt
    - höhere Arbeitszufriedenheit durch ein dann vermutlich auch anspruchsvolleres Aufgabengebiet & höheres Ansehen in der Gesellschaft
    - weniger Ehrenamtliche! Den höheren Anforderungen wird nämlich nur noch eine Hand voll Ehrenamtlicher gerecht werden können

    Und welchen direkten Nutzen habe ich als Patient, der die höheren Personalkosten tragen soll, bitte davon? Der Notarzt als das Maß für Personalqualität und präklinische Kompetenz (objektiv!!!) ist immer noch das Maß der Dinge, das es damit zu überbieten gilt.


    Als Krankenkasse sehe ich in den von dir vorgeschlagenen Maßnahmen keine einzige, die ich entsprechend fördern würde, eher das Gegenteil.

  • Zitat von "Daniel Grein"
    Die von dir beschriebenen "hauptamtlichen Vollprofis" sind aber weshalb im Rettungsdienst? Weil es ihnen leicht gemacht wurde und teilweise auch weiterhin gemacht wird.




    Womit auch Du indirekt bestätigst, dass es dieses Phänomen gibt ;-)


    Ich habe nie bestritten, dass es so ist. Dieses Problem wird sich aber in absehbarer Zeit von alleine lösen - sofern wir dann nicht den Anschluss verlieren und deren Stelle einnehmen.


    Zitat von "Daniel Grein"
    Und weshalb wurde es ihnen leicht gemacht? Weil sich die Ausrichtung und Anforderungen der Qualifikationen im Rettungsdienst in der Vergangenheit maßgeblich an den Belangen des Ehrenamtes orientierten - ich verweise hier nur an das RettAssG.




    Mag sein. Daran sind aber nicht "die Ehrenamtlichen" schuld. Zudem gab es ganz sicher auch andere Interessengruppen, die für die derzeitige Malaise zur (Mit-) Verantwortung gezogen werden müssen. Die Gesetzesbegründung zum heutigen RettAssG liefert da den einen oder anderen ziemlich eindeutigen Hinweis.


    Ich sage nicht, dass "die Ehrenamtlichen" Schuld daran tragen, sondern die Belange des Ehrenamtes als solche. Und ja, es gab neben den HiOrg auch noch weitere Institutionen, welche eine an ihre Bedürfnisse angepasste Ausbildung wollten - bekanntermaßen und insbesondere auch die Feuerwehr.


    Nein, mir ging es darum, deutlich zu machen, dass es auch im Ehrenamt Menschen gibt, die einfach nur professionell Ihren Job machen. Nur noch mal am Rande: Ich bin NICHT ehrenamtlich im Rettungsdienst tätig. Weil ich es unter berufspolitischen Gesichtspunkten auch nicht gerade sehr glücklich finde. Aber deswegen muss ich mich ja noch lange nicht bei jeder Gelegenheit negativ über meine ehrenamtlich tätigen Kollegen auslassen. Ganz im Gegenteil, mit den meisten arbeite ich sehr gerne zusammen - weil sie ebenso motiviert wie qualifiziert sind.


    Auch an dieser Stelle möchte ich differenziert wissen, dass ich mich nicht negativ über ehrenamtliche Kolleginnen und Kollegen auslasse, sondern über die Verflechtung des Ehrenamtes mit dem Rettungsdienst, welche meines Erachtens nicht mehr zeitgemäß ist - jedenfalls nicht mehr in dem Umfang, wie wir ihn heute noch vor allem in den südlichen Bundesländern finden.


    Ob die Mitwirkung Ehrenamtlicher im RD berufspolitisch günstig ist oder eben nicht, ist eine ganz andere Frage. Auch ich sehe das etwas kritisch, breche deswegen aber noch lange keine Grabenkriege vom Zaun...unser Berufsbild hat wahrlich andere Probleme.


    Selbstverständlich hat unser Berufsbild andere Probleme. Einige davon hätten wir aber längst nicht mehr, hätten wir von Anfang an ein vernünftiges Berufsbild bekommen. Und ich sehe diese Diskussionen zwischen Haupt- und Ehrenamt nicht als Grabenkriege, sondern als legitime Auseinandersetzung aufgrund unterschiedlicher Ansichten und Interessen. Natürlich macht man sich gerade als Hauptamtlicher nicht sonderlich viele Freunde, wenn man dieses Thema so deutlich anspricht, aber dennoch muss es erlaubt sein, sachlich darüber zu diskutieren.
    Noch einmal: ich habe selbst einige gute Kolleginnen und Kollegen, welche ihre Dienste ehrenamtlich versehen und mit denen ich gerne zusammen arbeite. Mir persönlich wäre es aber weitaus lieber, wenn diese hauptberuflich im Rettungsdienst tätig wären und ich immer mit ihnen zusammen arbeiten könnte. Dass sie nicht hauptberuflich tätig sind, hängt meist einfach mit den Gesamtumständen für eine hauptberufliche Tätigkeit im Rettungsdienst zusammen.
    Aber eines sage ich aus persönlicher Erfahrung ebenso deutlich: im Ehrenamt gibt es weitaus mehr gefährliche Heißdüsen, als sie im Hauptamt zu finden sind.


    Im Übrigen glaube ich auch nicht, dass die "Androhung" des Einsatzes von Ehrenamtlichen durch GF/LtrRD irgendwelchen Einfluss auf das Lohnniveau der hauptamtlichen Mitarbeiter hat. Denn 1. dürfte es in der Fläche kaum genug qualifizierte & "frei verfügbare" Ehrenamtliche geben und 2. selbst wenn, dann dürften die entsprechenden Einflüsse auf das Lohnniveau minimal sein - weil man eben unmöglich ALLE Schichten mit Ehrenamtlichen besetzen könnte


    Dass der Einsatz Ehrenamtlicher unmittelbar negativen Einfluss auf das Lohnniveau für hauptamtliche Mitarbeiter hat, glaube auch ich nicht. Ebenso wenig stimmt das in umgekehrter Richtung, wie z.B. Rivendel in einem seiner Beiträge anführte: durch den Einsatz Ehrenamtlicher wird sicherlich kein Lohnniveau gehalten.


    Gestatte mir - als jemandem, den die Arbeitsbedingungen im Rettungsdienst zugegebenermaßen nicht betreffen -, den Advocatus diaboli zu spielen: Berufspolitik sollte sich doch eher mit dem Berufsbild befassen als mit der Ausübungsform, oder? Ich möchte ja auch, dass ein ehrenamtlich tätiger Arzt (oder Anwalt) die an ihn gerichteten beruflichen Anforderungen erfüllt.


    Wenn die Ausübungsform jedoch einen möglichen Einfluss auf das Berufsbild hat, dann muss auch diese hinterfragt werden. Und Berufspolitik umfasst ja nicht nur das Berufsbild als solches, sondern alles, was damit zusammenhängt oder was dessen Ausübung beeinflusst.


    Begrenzte Mittel führen aber nicht selten zu einer Neudefinition von Notwendigkeiten. Gerade das Gesundheitswesen ist ein ganz gutes Beispiel, aber man kann das an vielen Stellen beobachten: Es ist ein ganz normaler ökonomischer Grundsatz, weil man jeden Taler nur einmal ausgeben kann.


    Ich verstehe, was du meinst. Bislang habe ich es jedoch noch nicht gesehen, dass es eine negative Neudefinition von Notwendigkeiten aufgrund begrenzter Mittel im Rettungsdienst gab. Im Gegenteil: im schönen Baden-Württemberg wurden und werden gerade größere Summen in den Rettungsdienst investiert, weil man die Notwendigkeiten zwar nicht neu definiert, ihr Vorhandensein aber schmerzlich erkannt hat (Hilfsfristendiskussion).

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.