Forderung der Medikamentengabe im RettAss-Examen

  • Und dann macht eine Pflegekraft alleine die Narkose?

    Ja. Bei bis einschließlich ASA III und soweit pulmonal und hämodynamisch stabilen PAtienten. Ein Oberarzt ist immer anfunkbar, kommt auch zu den Ausleitungen dazu, manchmal aber gibt er auch das okay alleine auszuleiten. Daher dürfen bzw müssen wir auch mit den Standardmedikamenten (Opiate und Relaxanzien sowie Anästhetika) umgehen können.

  • Und dann macht eine Pflegekraft alleine die Narkose?


    In kleineren Krankenhäusern und bei gesunden Patienten ist dies teilweise üblich. Auf einer Intensivstation ist ja auch nicht immer eine Arzt im Zimmer, obwohl dort Patienten sediert und beatmet sind.


    Gruß, Christian


  • Das ist eben der große Unterschied zwischen dem theoretischen CAMP basierten Reaktionswisser und dem eigenverantwortlich Handelndem, der im Zweifel auch seinen Kopf hinhalten muss. Praktische Erfahrungen mit Medikamenten die auch in einem geschützerem Rahmen als in einer Notfallsituation erworben werden können, oder zumindest mit BAckup eines erfahrenen Kollegen sind meiner Meinung nach wirklich wichtig. Man darf übrigens nicht vergessen, dass unter Umständen nicht die Medikamentengabe das schwierige ist, sondern erst mal die individuelle Einschätzung der Indikation und Dosis im konkreten Fall. Klar kann alles mit rein theoretischem Wissen auch gut gehen, Erfahrung und Routine geben einem aber Sicherheit und die braucht es gerade in einer Notfallsituation. Ich halte die hier teils durchklingende Meinung man müsse nur Waschzettel und Lehrbuchwissen drauf haben um Medikamente sicher zu verabreichen für reine Theorie aus der sicheren Distanz des warmen Wohnzimmers heraus geschrieben. Das geschriebene gilt übrigens natürlich unabhängig von der Profession.

  • drittermann


    Das ist in vielen Krankenhäusern üblich und wird auch von den Fachgesellschaften in unkomplizierten Fällen und außerhalb zentraler anästhesiologischer Massnahmen und unter bestimmten Bedingungen akzeptiert.



    @Mr. Blaulicht


    Dieser Vergleich wird von den anästhesiologischen Fachgesellschaften abgelehnt.

  • Doch, weil es ein Unterschied ist, wenn man eine Spritze mit 5 mg Midazolam in der Hand hält und selber entscheiden muß, wie viel man davon jetzt tatsächlich gibt. Ohne Backup.


    Richtig. Aber irgendwann ist es halt soweit, dass man das Medikament selber verabreichen muss ohne Backup. Und das ist beim Arzt ja auch nicht anders. Darum sollte es doch um so wichtiger sein, die notwendigen Massnahmen und Medikamente erst theoretisch zu schulen (in der Ausbildung, bzw. in entsprechenden Weiterbildungen), dieses theoretische Wissen abzuprüfen (um beim Thema der Diskussion zu bleiben: auch in der RA "Abschlussprüfung") und dann so oft wie möglich noch unter Supervision des Notarztes (was dann halt wieder die Qualifikation des NA voraussetzt, aber darüber will Ani ja nicht diskutieren) mit dem notwendigen Backup anzuwenden und dort eben auch die Wirkungen und Nebenwirkungen des Medikaments zu beobachten (war z.B. tatsächlich mal beeindruckt, wie ein eigentlich "banales" Medikament (weil ja rezeptfrei erhältlich) wie Buscopan bei zu schneller Applikation doch recht eindrucksvolle Tachykardien machen kann und war froh die NW zu kennen und auch schon einmal gesehen zu haben). Und dann muss man halt irgendwann ins "kalte Wasser" springen und das Medikament in Eigenregie bei Bedarf (nach entsprechenden SOPs) anwenden.


    Und bei der Schulung bin ich der Meinung, dass es für die Medikamente um die es geht schon ausreicht die entsprechenden Indikationen, Kontraindikationen, die "vereinfachte" Wirkweise (z.B. Bronchodilatation über beta2-Rezeptoren o.ä.) und damit auch die gängigen Nebenwirkungen und Unverträglichkeiten zu kennen. Die genaue Strukturformel, Pharmakokinetik und -Dynamik etc. halte ich in diesem Bereich für unnötig. Im Gespräch mit einigen Ärzten wurde mir auch bestätigt, dass sie auch nicht (mehr) mehr über die meisten Medikament abrufbar haben und trotzdem bringen sie damit nicht jeden Tag reihenweise Patienten um die Ecke!


    Nachtrag: nur so erhalte ich meiner Meinung nach auch ein gewisse Anwendungssicherheit. Und das fängt auch schon beim Zugang an. Das Prinzip wie es jetzt läuft, dass der RA Maßnahmen bei kritischen Patienten durchführen muss, wo sein Puls bestimmt mindestens so hoch ist, wie der des Pat., wenn er diese aber im Alltag offiziell eigentlich nie trainieren darf, ist doch auch nicht wirklich optimal, oder!?

    Einmal editiert, zuletzt von Blodwyn76 ()

  • Das ist eben der große Unterschied zwischen dem theoretischen CAMP basierten Reaktionswisser und dem eigenverantwortlich Handelndem, der im Zweifel auch seinen Kopf hinhalten muss.


    Na dann bin ich ja beruhigt, da ich beides erfülle. Ich fühlte mich mal angesprochen. Dazu, das ich in meiner Paramedic Laufbahn ein anscheinend hohes Maß an theoretischem Wissen über Pharmakologie lernen musste, kommt auch noch die praktische Erfahrung mit differenzierter, medikamentöser Therapie dazu. Denn ich muss meinen Kopf dann schon alleine hinhalten, da es niemanden gibt, den ich rufen kann. Das ist sicherlich auch der Punkt, den Ani angesprochen hat. Egal wie lange du daneben stehst und ein Medikament verabreicht wird, die Erfahrung sammelst Du nur, wenn Du wirklich selbst die Entscheidung der Dosis und Art, Geschwindigkeit der Applikation getroffen hast.


    Danke!

  • Dann darfst du praktisch keine Medikamente mehr einsetzen, denn ich wage zu bezweifeln, dass du - ausgenommen den üblichen Verdächtigen wie z.B. Betablocker - die Medikamente der Patienten, geschweige deren Wirkmechanismus, kennst.


    Ich glaube & hoffe, die wirklich wichtigen Dinge zu wissen. Für den Fall von Unklarheiten habe ich eine entsprechende Datenbank auf meinem Smartphone.


    Was machst du z.B. bei einem Notfallpatienten, von dem du überhaupt nicht weißt, ob und was er für eine Dauermedikation hat?


    Sehr, sehr vorsichtig sein... (Stichwort "primum non nocere")


    Gleiches gilt für die Myasthenia gravis pseudoparalytika. Bei etwa 16.000 Betroffenen bundesweit ist es zwar schön, schon einmal davon gehört zu haben, die Wahrscheinlichkeit, dass dies aber bei uns zum Tragen kommt, ist doch sehr gering. Und auch hier gilt, dass uns betroffene Eltern im Regelfall darauf hinweisen. Oder fragst du jedes mal vor der Gabe einer Rectiole, ob das Kind an einer Myasthenia gravis pseudoparalytika leidet?


    Ja, das tue ich - unter anderem auch deshalb, weil die entsprechende SOP (bzw. auch der inzwischen rund 20 Jahre alte Vorläufer-Algorithmus) dies vorsieht. Was ich im Übrigen auch für durchaus sinnvoll halte.


    Welche Konsequenz ziehst du bei einem Patienten mit einem MAO-Hemmer in der Medikation für deine Notfalltherapie - sagen wir bei der Analgesie?


    Das hängt von der Art des MAO-Hemmers und ggf. dem Zeitpunkt der letzten Einnahme ab. Irreversible & nicht selektive MAO-Hemmer der 1. Generation sind aufgrund Ihrer langen Wirkdauer besonders problematisch, da sind dann die meisten Opioide aus dem Rennen. Da mir insgesamt 4 Opioide bekannt sind, die in Deutschland durch Rettungsassistenten im Rahmen von SOPs verabreicht werden, halte ich entsprechende Grundkenntnisse (mehr ist's bei mir zugegebenermaßen auch nicht!) durchaus für wünschenswert.


  • Auf was für Zahlen berufst du dich da? Ich werfe mal die Zahlen der oben schon angesprochenen Studie in den Raum: https://www.gkv-spitzenverband…Geburten_GKV-SV_18221.pdf


    Ciao,


    Madde

    Die "Studie" sagt ja selbst dass keine validen Vergleichsstudien existieren. In den angeführten Daten sind alle relevanten Daten bzgl Sterblichkeit etc rausgenommen worden. Die mir bekannten Daten und Veröffentlichungen haben aber deutlich einen Trend erkennen lassen: Bei einer Verlegung einer Hausgeburt in die Klinik steigt das Risiko deutlich über dem an, was im Krankenhaus zu erwarten gewesen wäre. Auch der bisher oft getätigte pauschale "Vergleich" von Hausgeburten (Verlegungen werden in den meisten Studien einfach der Klinik zugesprochen) vs Klinikgeburten ist natürlich Nonsens, da in der Klinik ein unselektioniertes Kollektiv vorhanden ist. Leider kann ich auch aus unserem Haus (große Gyn mit Geburtshilfe etc) von haarsträubende Erlebnissen mit den Hebammen berichten, oft genug scheint hier der Wille eine Geburt unter allen Umständen via naturalis beenden zu wollen über dem Wohl der Mutter zu stehen. Aber auch meine Meinung ist natürlich nur eine subjektive, zudem wird diese Diskussion seit Jahren noch viel dogmatischer geführt.

  • Hallo zusammen,


    da ich Ostern über nicht daheim war habe ich auch diese Diskussion nicht verfolgen können und gebe zu nicht alle Seiten bzw. Beiträge gelesen zu haben. Trotzdem möchte ich auf die eigentliche Frage von Jörg zurückkommen und meine Erfahrung posten:
    Kurz vor der Prüfung verstärkten sich bei uns im Unterricht die Praxisbeispiele und es wurden hier u.a. alte Examensbeispiele vorgestellt. Hierbei wurde auch von einem Beispiel erzählt wo der Pat. einen Krampfanfall im Beisein des RDs hatte und hier elementare Maßnahmen unterlassen wurden von den Prüflingen. Auch, so hieß es, habe kein Prüfling sich getraut Tavor zu verabreichen um den Krampf zu durchbrechen.
    Dies ließ uns im Kurs allgemein aufhorchen. Wir verlangten darauf hin Klärung und von seiten der Schulleitung ein eindeutiges Statement was von uns in der Prüfung verlangt wird und wie sie bspw. die Gabe von Tavor rechtfertigen wollen. Dies unterblieb jedoch auch auf mehrfaches Nachfragen. Auch in anderen Fallbeispielen wurde von der Applikation von Narcanti mittels MAD und der Gabe von HAES ausgegangen.


    Wir einigten uns daraufhin im Kurs, dass wir uns an dies halten würden was uns schriftlich gegeben wurde. Dies war, neben der Empfehlung der BÄK noch ein Mega-Code-Skript in dem die Gabe von Supra auf Basis der ERC-Guidelines aufgelistet war. Alle weitere Gabe von Medikamtenen lehnten wir klar ab. Dies teilten wir den entsprechenden Dozenten den entsprechenden Arbeitskreisen vorsaßen (also Trauma, Innere, Kinder, Gyn, ...) mit.
    In unserer Prüfung kamen wir um die Gabe von Medikamenten (abgesehen von Ringer und OÂ?) herum und haben allenfalls Medikamente bereitgelegt bzw. wurden dazu anschließend befragt ? la "Was würde der Notarzt denn jetzt geben?". Das war´s.
    Wie andere Kurse dies gehandhabt haben, ob es in anderen Kursen zu solchen Fallbeispielen gekommen ist, ob dies nur ein "Ausreißer" von einigen wenigen Dozenten war o.ä. vermag ich nicht zu sagen.


    Wir fanden es allgemein eine unglaublich schlechte Leistung der Schulleitung. Weiterhin gab es auch das Problem, dass wir Leute aus verschiedenne Kreisen mit verschiedenen Delegationen ihres ÄLRD hatten und auch hierbei die Frage im Raum schwebte ob diese Delegationen für uns anwendbar sind. Ich denke wir sind mit unserer Lösung gut gefahren, aber so was darf mMn eigentlich nicht passieren an einer RD-Schule.

  • Darf ich fragen, wieviel ein Notarzt an diesen Standorten verdient, wie er untergebracht ist und wie hoch die Einsatzfrequenz ist?


    Zu deiner Anmerkung: In meiner Region gibt es auch einen Notarztmangel an manchen Standorten. Aber viele Kollegen besetzten, so wie ich, außerhalb ihres Klinikdienstes keinen Notarztdienstdienst mehr. Bei einer meiner Qualifikation entsprechenden Vergütung werde ich gerne wieder aktiv. Ein Loch entsteht dadurch nirgends.

  • @Mr. Blaulicht


    Dieser Vergleich wird von den anästhesiologischen Fachgesellschaften abgelehnt.


    Ich weiß. Meines Wissens nach wird die Führung einer Narkose durch nichtärztliches Personal prinzipiell abgelehnt bzw. mit hohen Auflagen verbunden. Ich bin allerdings auch nicht auf dem neusten Stand.


    Ich persönlich bin auch kein Freund von Narkosen, die durch Anästhesiepflegekräfte durchgeführt werden. Dies liegt zum einen daran, dass ich das von "meinem" Haus nicht kenne und zum anderen daran, dass ich die ein oder anderen Pflegekraft kenne, wo ich Bauchweh bekommen würde. Dazu kommt, dass ich als Anästehesiepflegekraft anderen Aufgaben habe, als ärztliche Tätigkeiten in diesem Umfang zu übernehmen. Dazu stimmt auch mein Gehaltszettel nicht...
    Allgemein ist eine Narkose während eines Eingriffes natürlich deutlich risikobehafteter als eine Analgosedierung auf einer Intensivstation.


    Gruß, Christian

  • Die "Studie" sagt ja selbst dass keine validen Vergleichsstudien existieren. In den angeführten Daten sind alle relevanten Daten bzgl Sterblichkeit etc rausgenommen worden. Die mir bekannten Daten und Veröffentlichungen haben aber deutlich einen Trend erkennen lassen: Bei einer Verlegung einer Hausgeburt in die Klinik steigt das Risiko deutlich über dem an, was im Krankenhaus zu erwarten gewesen wäre. Auch der bisher oft getätigte pauschale "Vergleich" von Hausgeburten (Verlegungen werden in den meisten Studien einfach der Klinik zugesprochen) vs Klinikgeburten ist natürlich Nonsens, da in der Klinik ein unselektioniertes Kollektiv vorhanden ist. Leider kann ich auch aus unserem Haus (große Gyn mit Geburtshilfe etc) von haarsträubende Erlebnissen mit den Hebammen berichten, oft genug scheint hier der Wille eine Geburt unter allen Umständen via naturalis beenden zu wollen über dem Wohl der Mutter zu stehen. Aber auch meine Meinung ist natürlich nur eine subjektive, zudem wird diese Diskussion seit Jahren noch viel dogmatischer geführt.

    Hi Ribosom!



    Ja meine Intention mit dieser Studie ist es weniger Hausgeburten zu rechtfertigen (das überlasse ich anderen). Haarsträubende Erlebnisse kann jeder wohl von überall her erzählen, da gibt es immer auch regional große Unterschiede. Zudem sind es immer die haarsträubenden Erlebnisse die im Gedächtnis bleiben, während man gute Arbeit zumeist für selbstverständlich erachtet oder schnell wieder vergisst. Aber den Diskurs kann ich mir ja eigentlich auch schenken ;)



    Meine Argumentation ging eher in Richtung von Hebammengeleiteten Kreissälen (siehe dazu meine Postings davor). Länder, in denen diese bereits Standard sind - Norwegen, Schweden,... weisen nicht nur die weltweit niedrigsten Säuglingssterblichkeitsraten, sondern auch niedrigere Sektio- und Dammschnittraten als hierzulande auf. (Auf Wunsch kucke ich da gerne, dass ich Statistiken nachliefer). Argumentation dazu siehe ebenfalls vorige Postings.


    Ist diese Situation mit Deutschland 100% vergleichbar? Nein, aber nicht nur ein frommer Wunsch, wie man an der Einführung von einigen Hebammengeleiteten Kreissälen bundesweit sieht, die hoffentlich diese Überlegungen bestätigen.


    Ciao,


    Madde

    "You won't like me when I'm angry.


    Because I always back up my rage with facts and documented sources."



    The Credible Hulk.

  • Darf ich fragen, wieviel ein Notarzt an diesen Standorten verdient, wie er untergebracht ist und wie hoch die Einsatzfrequenz ist?


    Hierzu liegen mir leider keine 100% tragfähigen Informationen vor. Fakt ist aber, dass ein Mangel "in der Fläche" besteht - d.h., erhöhe ich die Vergütung an Standort X, wandern die Ärzte von Standort Y ab - eine Vergütungsanpassung würde vermutlich nur eine Spirale in Gang setzen, das Grundproblem bliebe bestehen.