Kompetenzprüfung Schweiz

  • Hallo alle zusammen,


    angeregt durch ein anderes Thema, stellt sich mir die Frage: wie genau darf man sich eine Kompetenzprüfung in der Schweiz vorstellen?


    Vom Hören Sagen kenne ich mehrere mögliche Varianten. Vom Kaffee und Kuchen (und nebenher etwas über Einsätze reden und der dabei verwendeten Medikation - egal, wer sie verabreicht hat), über ein zwei Tage in der Einleitung (Zugänge legen, Narkosen einleiten - mit Erklärung der Medikation - und Intubationen durchführen), über eine Art mündliche Prüfung (z. B. Indikation/Kontra Indikation, Dosierung, Nebenwirkung von Medikamenten) oder auch als schriftliche Prüfung aller Arten.


    Danke im Voraus.


    Grüße

  • Hoi Rettungsmensch, genau so darfst du Dir das vorstellen. Daneben gibt es auch noch kollegiale Assessments. Bei denen sich die Kollegen gegenseitig Bewertungen geben. Das Ganze ist nicht mal kantonal geregelt sondern hält jeder Betrieb wie er die Richtlinien interpretiert.


    Ich persönlcih halte z.B. nichts von personengebunden Kompetenzen sondern ziehe funktionsbezogene Kompetenzen vor.


    Sehr viel interessanter ist der Umstand das ein nichtbestehen auch Konsequenzen haben kann.
    Von gezielten Fortbildungen für einzelne Kollegen bis hin zur Reduktion von Bonusstufen sprich weniger Lohn.

    "Die Tugend in die Mitte", sagte der Teufel und setzte sich zwischen zwei Juristen.

    Einmal editiert, zuletzt von lifepak ()

  • Das Ganze ist nicht mal kantonal geregelt sondern hält jeder Betrieb wie er die Richtlinien interpretiert.


    Bei unserem Betrieb könnte man es als einen jährlichen "Loop" beschreiben, es beginnt und endet mit der Medikamentenprüfung.


    Zunächst wird innerhalb eines Jahres eine Reanimationsprüfung abgelegt. Im Weiteren absolviert jeder Mitarbeiter einen vorgegebenen 4-5-Buchstaben-Kurs, deren Prüfungsergebnis an den ÄLRD weiter gegeben wird.


    Der ÄLRD überprüft innerhalb des "Loop" alle Protokolle ab NACA-4 und bespricht ausgewählte Rapporte in den Teambesprechungen nach. Einzelne Berichte werden auch mal bei einem Kaffee im Büro des ÄLRD besprochen, was aber an der Ernsthaftigkeit des Gesprächs nichts ändert. Ausserdem fährt der ÄLRD definierte Schichten als Supervisor mit und bespricht die Einsätze nach, er wird hier normalerweise nie als Arzt aktiv.


    Der Kreis schliesst sich mit der Medikamentenprüfung, hier werden rund 20 Fragen unterschiedlicher Schweregrade für jeweils eine Minute an die Wand projiziert. Die Mitarbeiter müssen diese auf einem Blatt beantworten, auf dem nur die Nummern der Fragen stehen, nach einer Minute erscheint die nächste Frage, die vorige ist nicht mehr einsehbar.


    Sind diese Punkte bestanden, erhält der Mitarbeiter seine persönliche Kompetenzliste, die für ein Jahr gültig ist. Genau ab hier beginnt das System von Neuem.

  • Was macht man den im Einsatz, wenn man ein Medikament dringend benötigt für welches man aber keine Freigabe hat? --> Nachforderung eines weiteren Fahrzeuges?


    Kann die Leitstelle differenzieren wie die Fahrzeuge besetzt sind?
    Gibt es regelmäßige Klinikhospitationen, um invasive Maßnahmen zu trainieren?

  • Was macht man den im Einsatz, wenn man ein Medikament dringend benötigt für welches man aber keine Freigabe hat? --> Nachforderung eines weiteren Fahrzeuges?


    Für meinen Rettungsdienst wäre die Konsequenz, dass der Mitarbeiter in die Funktionsstelle eines Transportsanitäters eingestuft werden würde. Seit ich dort bin, war dies aber nie notwendig. In anderen Diensten könnte es sein, dass man zur "Hustenéquipe" eingeteilt wird, also nur noch kleinere Sachen fahren dürfte. Nachforderungen von weiteren Fahrzeugen wäre grundsätzlich aber immer möglich.


    Kann die Leitstelle differenzieren wie die Fahrzeuge besetzt sind?


    Wie gesagt, wäre bei uns nicht notwendig.


    Gibt es regelmäßige Klinikhospitationen, um invasive Maßnahmen zu trainieren?


    Ich kann, wenn ich am Spitalstandort Dienst habe (ca. 70 % der Tagdienste) permanent auf die Anästhesie, in den Aufwachraum und in die Notaufnahme. Gerade die Auszubildenden übernehmen gerne das Legen von Zugängen im Aufwachraum .

  • Um noch einen weiteren Erfahrungsbericht aus meiner Schweizer Zeit anzufügen (Disclaimer: Das meiste ist mittlerweile möglicherweise veraltet):
    Bei uns lief das tatsächlich auf individueller Basis ab (wobei zugegebener maßen viele neue Kollegen einige Monate mit dem -ungeprüften- Standardsatz an Kompetenzen fuhren, selbiger ist in etwa mit einem deutschen RettAss +Analgesie vergleichbar, lag am engen Terminplan des ärztlichen Leiters).
    Bei neuen Kollegen wurde ein längeres Gespräch geführt um einen Gesamteindruck zu bekommen, ggf. der Lebenslauf überprüft und tlw. wohl auch Referenzen angerufen, einige Fallbeispiele besprochen, usw.
    Bei Kollegen die schon länger als ein Jahr dabei sind werden vorrangig Fälle aus dem letzten Jahr überprüft.


    Unterschiede im Bereich der Kompetenzen werden vorrangig bei Narkose (sehr selten freigegeben, afaik nur an Anästhesiepflege bzw. DiplRS mit längerer Anästhesieerfahrung), Cardioversion und invasiven Techniken gemacht. Gerne wird auch eine "bedingte Kompetenz" erteilt, z.B. "fünf Narkoseeinleitungen unter Aufsicht eines anderen Crewmitglieds oder NAs".
    Ist der ärztliche Leiter der Meinung das du selbst die Basiskompetenzen nicht beherrscht stuft er dich zum Transportsanitäter zurück..Selbiges hat beim hauptamtlichen Personal wohl im Regelfall die fristlose Kündigung zur Folge (wobei mir nur ein -sehr berechtigter- Fall bekannt ist), beim Nebenamt ist die Lage entspannter da diese im Regelfall noch nebenher anderswo hauptamtlich arbeiteten.


    Verfügt eine Crew nicht über die benötigte Kompetenz innerhalb eines Einsatzes besteht immer die Möglichkeit einen NA (bodengebunden durch den ärztlichen Leiter und ggf. auch den Kanton gestellt, luftgebunden durch die Rega) oder die Anästhesie (des Partner-RD) bzw. auch ein anderes Team dazu zu ziehen.


    Insgesamt nicht so ausgeprägt wie bei Securo, aber immer noch relativ gut.

  • Bei uns gibt es zwei Kompetenzstufen:
    Einmal RS, da ist eigentlich alles drin ausser der Narkose (incl. BTM, Antiarrhythmika, Cardioversion/Pacing etc.). Beim RS Anästhesie ist dann die Narkose noch mit drin.
    Das RS Team geht mit wenigen Ausnahmen (wie z.B. direkte Anästhesieanforderung für IPS Verlegung) zu allen Einsätzen primär "solo" raus und macht auch 99% der Einsätze dann allein. Bei Bedarf kann auch hier jederzeit Unterstützung durch das Anästhesie-Team oder einen RTH nachgefordert werden.
    Wichtig ist meines Erachtens, dass zwar auch die RS sehr weitreichende Kompetenzen (incl. Antiarrhythmika etc.) für den Notfall haben, aber immer die Möglichkeit besteht zu sagen: "das ist mir jetzt zu heiss, ich hol Unterstützung".
    Das wird dann nicht negativ ausgelegt, sondern zeugt von vernünftigem Handeln im Sinne des Patienten. Sehr grosszügig wird z.B. auch schon auf der Anfahrt ein zweites Team nur zur Unterstützung durch zwei paar Hände mehr angefordert (weil das Polytrauma versorgt sich unabhängig von der Qualifikation mit 4 Leuten halt doch entspannter als zu zweit).
    Kompetenzen werden im persönlichen Gespräch mit dem ÄLRD unter Einbeziehung der 4-5 Buchstabenkurse und anhand der Algorithmen vergeben. Training erfolgt durch auf die Kompetenzen abgestimmte Fortbildungen. Ausserdem besteht jederzeit die Möglichkeit in der einsatzfreien Zeit auf der Anästhesie mitzuarbeiten.
    Funktioniert meines Erachtens gut und gibt dem einzelnen RS ein hohes Mass an Eigenverantwortung, ohne ihn aber zu überfordern.

  • Bei uns gibt es zwei Kompetenzstufen:
    Einmal RS, da ist eigentlich alles drin ausser der Narkose (incl. BTM, Antiarrhythmika, Cardioversion/Pacing etc.). Beim RS Anästhesie ist dann die Narkose noch mit drin.
    Das RS Team geht mit wenigen Ausnahmen (wie z.B. direkte Anästhesieanforderung für IPS Verlegung) zu allen Einsätzen primär "solo" raus und macht auch 99% der Einsätze dann allein. Bei Bedarf kann auch hier jederzeit Unterstützung durch das Anästhesie-Team oder einen RTH nachgefordert werden.
    Wichtig ist meines Erachtens, dass zwar auch die RS sehr weitreichende Kompetenzen (incl. Antiarrhythmika etc.) für den Notfall haben, aber immer die Möglichkeit besteht zu sagen: "das ist mir jetzt zu heiss, ich hol Unterstützung".
    Das wird dann nicht negativ ausgelegt, sondern zeugt von vernünftigem Handeln im Sinne des Patienten. Sehr grosszügig wird z.B. auch schon auf der Anfahrt ein zweites Team nur zur Unterstützung durch zwei paar Hände mehr angefordert (weil das Polytrauma versorgt sich unabhängig von der Qualifikation mit 4 Leuten halt doch entspannter als zu zweit).
    Kompetenzen werden im persönlichen Gespräch mit dem ÄLRD unter Einbeziehung der 4-5 Buchstabenkurse und anhand der Algorithmen vergeben. Training erfolgt durch auf die Kompetenzen abgestimmte Fortbildungen. Ausserdem besteht jederzeit die Möglichkeit in der einsatzfreien Zeit auf der Anästhesie mitzuarbeiten.
    Funktioniert meines Erachtens gut und gibt dem einzelnen RS ein hohes Mass an Eigenverantwortung, ohne ihn aber zu überfordern.

  • Sehr grosszügig wird z.B. auch schon auf der Anfahrt ein zweites Team nur zur Unterstützung durch zwei paar Hände mehr angefordert (weil das Polytrauma versorgt sich unabhängig von der Qualifikation mit 4 Leuten halt doch entspannter als zu zweit).


    Wird in den Niederlanden auch so praktiziert - Und halte ich für Systeme ohne primären Notarzt auch für obligat; und wenn es "nur" die Kombination von einer BLS- und einer ALS-Unit ist.

  • Allen ein Danke für die Rückmeldungen. Sehr interessant.


    Ich persönlich fände eine sinnvolle und angemessene Prüfung des Wissenstandes und der Fähigkeiten in regelmäßigen Abständen auch in Deutschland wichtig und richtig. Aber das nur als meine Meinung nebenbei.


    Grüße

  • Ach ja, zur Rea und dem zweiten Team noch ein Nachsatz: Wurde in .ch bei uns auch so praktiziert wobei nachts und am WE auf Partner RDs und die REGA zurückgegriffen werden muss da im Regelfall kein zweites Team auf Piquet war (wobei es auch vorkam das man Leute aus dem frei angerufen hat die schnell in zivil vorbei kamen), ist im wesentlichen eine Frage der Einsatzlokalität gewesen (Kerngemeinde: Feuerwehrsanität oder Partner RD, Außengemeinden in die eine Richtung Partner-RD mit Anästhesie, in die andere REGA).
    Im Zweifelsfall haben KaPo(Kantonspolizei) und StaPo/RePo (Stadt/Regionapolizei) auch ausgeholfen, viele von denen sind eh "Ambulanz Chaffeure" und Transporthelfer und selbst wenn nicht waren sie immer hervorragend um Kompressionen zu machen bzw. zu tragen.
    Allerdings erfolgte die Alarmierung erst wenn feststand das es sich definitiv um eine Rea handelt was die Sache doch etwas verzögert.



    Ist übrigens auch in Australien so Standard, dort aber ab Abfahrt.