Deutschland: 155 präklinische Reanimationen pro Tag

  • Interessanter Artikel aus der Ärztezeitung:


    Ärztezeitung vom 10.01.14


    Besonders folgenden Absatz finde ich erwähnenswert:

    Zitat

    Daten aus dem von Kiel aus geleiteten Deutschen Reanimationsregister, das bundesweit Wiederbelebungsmaßnahmen erfasst und analysiert, belegten, dass mit 17 Prozent begonnener Maßnahmen ein erheblicher Rückstand zu Ländern wie den Niederlanden (60 Prozent) oder Skandinavien (bis zu 70 Prozent existiert.

    The reason I talk to myself is because I’m the only one whose answers I accept. George Carlin

  • Ich finde die Wertung "rückständig" ganz interessant. Ich denke, daß die Formulierung etwas unglücklich ist und eine möglicherweise ungerechtfertige Wertung mit einbringt.

  • "Rückstand" ist nicht notwendigerweise mit "rückständig" gleichzusetzen, wobei die Rate an begonnenen CPR-Massnahmen durch Laien in D schon als "rückständig" gewertet werden können….

    "We are the Pilgrims, master; we shall go
    Always a little further: it may be
    Beyond that last blue mountain barred with snow,
    Across that angry or that glimmering sea,


    White on a throne or guarded in a cave
    There lives a prophet who can understand
    Why men were born: but surely we are brave,
    Who take the Golden Road to Samarkand."


    James Elroy Flecker

  • Was ist daran ungerechtfertigt, das deutsche Laien nicht in der Lage oder Willens sind ihren Mitbürgern zu helfen. Das ist rückständig. Die deutsche Mentalität sorgt dafür das mehr Angst herscht etwas falsches zu tun als gar nichts zu tun.
    Ich wurde mal von einer Veterinärin an der Helmabnahme eines sich im Atemstillstand befindenden Motorradfahrers gehindert. Physisch! Ich sollte sowas doch einem Arzt überlassen. Sie selbst wollte allerdings nicht tätig werden. Sie war allerdings ein sehr atraktiver Infusionsständer später. Soetwas erlebst du in den genannten Ländern nicht, da gibt es weniger Standesgehabe und man zieht mehr an einem Strang. Es ist in D nunmal so, ich erwähnte es in einem anderen thread und es ist nicht nur schlecht oder rückständig, sondern halt anders. Man kann allerdings nicht nur die Vorteile loben und die Nachteile ignorieren.

  • Was ist daran ungerechtfertigt, das deutsche Laien nicht in der Lage oder Willens sind ihren Mitbürgern zu helfen. Das ist rückständig. Die deutsche Mentalität sorgt dafür das mehr Angst herscht etwas falsches zu tun als gar nichts zu tun.
    Ich wurde mal von einer Veterinärin an der Helmabnahme eines sich im Atemstillstand befindenden Motorradfahrers gehindert. Physisch! Ich sollte sowas doch einem Arzt überlassen. Sie selbst wollte allerdings nicht tätig werden. Sie war allerdings ein sehr atraktiver Infusionsständer später. Soetwas erlebst du in den genannten Ländern nicht, da gibt es weniger Standesgehabe und man zieht mehr an einem Strang. Es ist in D nunmal so, ich erwähnte es in einem anderen thread und es ist nicht nur schlecht oder rückständig, sondern halt anders. Man kann allerdings nicht nur die Vorteile loben und die Nachteile ignorieren.


    Das hat mit Standesdünkel m.M. wenig bis gar nichts zu tun. (Im Übrigen sind Standesbewusstsein und Standesdünkel m. E. nach in anderen Ländern, u.a. dem UK, deutlich ausgeprägter als in D.)


    Der Grund ist vielmehr einerseits mangelndes/fehlendes Wissen, Halbwissen, nicht-mehr-richtig-Wissen, falsches Wissen und andererseits die Angst, etwas falsch zu machen bzw. etwas zu verschlimmern. Das führt dann im Endeffekt dazu, das sicherheitshalber gar nichts gemacht wird.
    Die entscheidende Frage ist, wie kann man diese Problematik verbessern.

    "We are the Pilgrims, master; we shall go
    Always a little further: it may be
    Beyond that last blue mountain barred with snow,
    Across that angry or that glimmering sea,


    White on a throne or guarded in a cave
    There lives a prophet who can understand
    Why men were born: but surely we are brave,
    Who take the Golden Road to Samarkand."


    James Elroy Flecker

  • Das hat mit Standesdünkel m.M. wenig bis gar nichts zu tun. (Im Übrigen sind Standesbewusstsein und Standesdünkel m. E. nach in anderen Ländern, u.a. dem UK, deutlich ausgeprägter als in D.)


    Jetzt nimm' den Jungs hier doch nicht auch noch das Hauptargument weg! ;-)

  • In wirklich sehr sehr vielen Einsatzsituation fällt doch auf das die Patienten und ihre Angehörigen nicht mal in Bagatellfällen fähig sind Verantwortung für sich selbst oder andere zu übernehmen oder Situationen einzuschätzen. Das liegt erfahrungsgemäß nicht daran das die Menschen sich nicht selbst oder anderen Helfen wollen oder nicht können, es liegt daran das sie Geistig so umnebelt sind das man sich allen ernst fragt wie diese Mensch es überhaupt schaffen täglich selbständig aufzustehen oder einzukaufen um nicht zu verhungern. Selbst das umschalten mit einer komplexeren TV Fernbedienung die nicht nur aus P +/ - besteht und Gerät in denen mehr als 5 Sender gespeichert sind stellt einen Großteil unseres Klientel vor schier unlösbare Probleme. Wie bitte soll man da erwarten adäquat Hilfe in extremen Notsituation leisten zu können.

  • Ich sollte sowas doch einem Arzt überlassen. Sie selbst wollte allerdings nicht tätig werden.


    Ein Tierarzt ist, ebensowenig wie ein Zahnarzt, ein Arzt,
    wenn man einen Arzt als approbierten Humanmediziner definiert.

  • Das liegt erfahrungsgemäß nicht daran das die Menschen sich nicht selbst oder anderen Helfen wollen oder nicht können, es liegt daran das sie Geistig so umnebelt sind das man sich allen ernst fragt wie diese Mensch es überhaupt schaffen täglich selbständig aufzustehen oder einzukaufen um nicht zu verhungern. Selbst das umschalten mit einer komplexeren TV Fernbedienung die nicht nur aus P +/ - besteht und Gerät in denen mehr als 5 Sender gespeichert sind stellt einen Großteil unseres Klientel vor schier unlösbare Probleme.


    Da sehe ich die Chancen und die Verantwortung der Ganztagesschulen.
    Man kann den Kindern und Jugendlichen hoffentlich vermitteln, dass es ein Leben jenseits von RTL 2 gibt.
    Kostet allerdings, wenn man es ernsthaft betreibt, vermutlich Zeit und Geld...


    (Aber ich möchte mich nicht zu weit aus meinem Fachgebiet hinauslehnen. Die konkrete Umsetzung bzw. würde ich dann denen Überlassen, die sich damit auskennen.
    Wohl aber kann man das Problem benennen, denn du bist nicht der einzige, der so denkt.)

  • in der Regel sind aber Kinder und Jugendliche die die adäquat tätig werden, sorgen machen mir die Menschen ab 50 hier schlage ich regelmässig die Hände über den Kopf zusammen ob der gebotenen Fähigkeit der selbstbestimmten Lebensführung und dies wirklich durch alle Sozialen- und Bildungsschichten.

  • Mein Hauptargument war nicht das Standesgehabe, sondern die Gesellschaftliche Grundeinstellung die Behandlung kranker Menschen einem Arzt zu überlassen. Daraus ergibt sich neben Ignoranz und Desinteresse halt auch Angst Fehler zu begehen.


    Fakl, der Mensch ist auch nur ein Säugetier und ein Tierarzt mehr als qualifiziert ein Säugetier zu behandeln. :-)

  • Fakl, der Mensch ist auch nur ein Säugetier und ein Tierarzt mehr als qualifiziert ein Säugetier zu behandeln


    Als studierter Humanmediziner ist man durch seine Ausbildung berechtigt Tierversuche durchzuführen. (Hab ich mal wo gelesen, ich mache persönlich keine!)
    Der Umkehrschluss gilt meines Wissens nach nicht. ;-)

  • Naja in Deutschland spielt ein gewisses "Obrigkeitsdenken" bei solchen Sachen schon eine ganz erheblich Rolle. Das dürfte in Europa zumindest in der Form ziemlich einmalig sein.


    Und ich glaube condorp hat bzgl. das gesellschaftlichen Standesdenken im UK durchaus recht. Das schlägt sich ja auch in der im Alltag gesprochenen Sprache, Ritualen und Auftreten etc. nieder. Man kann da meiner Meinung nach schon von einer breiten, regelrechten Verachtung gegenüber der unteren Sozialen Schicht sprechen.
    Dieses hat aber wiederum nicht viel mit dem beruflichen Standesdünkel zu tun, den Maggus vermutlich meint und das meiner Erfahrung nach in UK tatsächlich nicht so ausgeprägt wie in Deutschland ist.


    Ich glaube aber, dass die Verunsicherung der Ersthelfer die größte Rolle spielt. Wir haben den Leuten jahrzehntelang beigebracht, was sie nicht machen sollen: "Bloß nicht anfassen", "Bloß nicht zu tief drücken, sonst brechen Rippen", "Ein Anruf bei der Leitstelle muss unbedingt die 5 Ws beinhalten",... Damit sind die Leute natürlich völlig verunsichert. Die bisherigen Poster und Kampagnen zur Reanimation sahen für mich so aus, wie eine wissenschaftliche Abhandlung. Natürlich meint der Laie, dass das dann nur der "Profi" machen kann.


    Das ganze gepaart mit oben genannten Faktoren bringt halt dann ein solches Ergebnis. Aber ich denke, zumindest bei den Unterrichten bzgl. Reanimation und den momentan laufenden Kampagnen (siehe z.B. 100 pro Reanimation) hat langsam schon ein Umdenken stattgefunden. Jetzt müssen wir daran arbeiten, dass dieses Umdenken auch bei allen Erste-Hilfe Ausbildern ankommt und dann sehen, ob sich das auch in einem positiven Trend niederschlägt. Nicht zuletzt muss auch der Wert der Laienreanimation in den Fokus gerückt werden. Bevor man teure und prestigeträchtige Projekte in dem Bereich anfängt, sollte man vll. überlegen, ob mit intensivierter Breitenausbildung und / oder lokalen Kampagnen nicht mehr gewonnen werden kann.


    ciao,


    madde

    "You won't like me when I'm angry.


    Because I always back up my rage with facts and documented sources."



    The Credible Hulk.

    3 Mal editiert, zuletzt von madde () aus folgendem Grund: rechtschreibfehlerteufel

  • Der Gedanke das nur der beste Profi alles machen sollte, weil es sonst falsch, oder nicht so gut gemacht wird, ist eben ausgeprägt...

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Ein Grund für die hohe Rate von Bystander-CPR in den oben genannten Ländern wird sicherlich auch an der seit langem praktizierten telefonischen Anleitung zur Wiederbelebung liegen.
    Dies ist sicherlich nicht der einzige Grund, aber schon ein ganz beachtlicher, wenn man bedenkt, dass zum Beispiel in den Niederlanden - meinem Kenntnisstand nach - für den Führerschein kein EH-Kurs notwendig ist (nur ein paar Fragen im theoretischen Teil).

  • Der strikte Einsatz von First-Respondern spielt sicher auch eine Rolle. Das Tessin hat sich - unter anderem - auf diese Weise massiv gesteigert.

  • Na klar, habe ich ganz vergessen, da in meinem RD-Bereich fast nie ein First Responder der BF (KEF oder HLF) entsandt wird, obwohl die Einsatzstelle in unmittelbarer Nähe der Feuerwache ist. Wahrscheinlich erachtet man die 5-10 Minuten mehr oder weniger bis zum Eintreffen des nächsten RTW als nicht relevant (auch nicht beim Stichwort: "Bewusstlose Person").


    Immerhin gibt es bei uns ab dem 01.01.2014 endlich eine einjährige Testphase zur "sogenannten" Telefon-Reanimation......neumodischer Quatsch. Wird sich eh nicht etablieren.
    :ironie:

  • Die Ursachen wären wirklich mal interessant. MWn ist D das einzige Land wo seit Jahrzehnten jeder FS-Anwärter und etliche Betriebsangehörige in Laien-HLW unterrichtet werden.